Il Trittico - Wiener Staatsoper, 16.10.2023

  • Knappe 115 Jahre nach der Uraufführung in New York schaffte es das puccinische Tryptichon in seiner Gesamtheit endlich an die Wiener Staatsoper – und wenn man die drei Kurzopern gesondert betrachtet kann man durchaus nachvollziehen, dass zuvor nur „Gianni Schicci“ am Haus am Ring aufgeführt wurde.


    Puccini wollte an einem Abend ein tragisches, ein lyrisches und ein heiteres Stück kombinieren – ohne diese auch nur von der Handlung her im Geringsten miteinander in Verbindung zu bringen. Dass er mit „Schicci“ das Stück, das zumindest eine Arie beinhaltet, zum Schluss ansetzte, zeigte die „Theaterpranke“ des Komponisten, da dieses das Publikum dann mit einem heiteren Grundton (sofern das bei Puccini überhaupt möglich ist) in den Abend (nun, eigentlich in Wien in die Nacht…) entlässt.


    Henrik Ahr war für die Bühne verantwortlich und ließ sie fast vollkommen leer – was im Gegensatz zu überfrachteten Produktionen (z.B. La Traviata) sehr angenehm war. Oft war ein Sessel das einzige Requisit – und so konnte man sich auf die Musik und die (teilweise vorhandene) Personenführung der Regisseurin Tatjana Gürbaca konzentrieren. Die Kostüme waren von Silke Willrett entworfen und entsprachen dem Stil zu Mitte des 20. Jahrhunderts – was nicht wirklich störend war.


    Il Tabarro


    Der „tragische“ Teil behandelt ein Eifersuchtsdrama – junge Frau heiratet älteren Mann, das gemeinsame Kind stirbt kurz nach der Geburt, sie verliebt sich in einen jüngeren Mann und betrügt ihren Gatten, der erfährt davon, tötet den Nebenbuhler – Ende der Oper


    Was manchmal in drei Stunden abgehandelt wird, wurde da (angenehmerweise, da ehrlich gesagt die Charaktere nicht sehr ausdifferenziert geschrieben wurden) auf eine Stunde verkürzt.


    Michael Volle mutierte innerhalb zweier Tage vom rücksichtsvollen Färber aus „Frau ohne Schatten“ zum mit Recht eifersüchtigen Schiffer Michele. Er beherrschte das Geschehen und war sehr glaubwürdig. In diesem Teil war von Personenführung nicht wirklich viel zu sehen (kann auch Absicht gewesen sein) – die Regisseurin spielte teilweise mit Verdoppelung der Figuren (die von der Galerie Seite aus nur schwer zu erkennen waren). Anja Kampe konnte ihre dramatischen Fähigkeiten zur Geltung bringen, während Joshua Guerrero als Luigi eine etwas ungleichmäßige Leistung darbot – sehr guten Acuti folgten dann wieder so manche Passagen, an denen er mit der Lautstärke des von Philippe Jordan geleiteten Orchesters seine Probleme hatten.


    Hervorragend die Besetzung der kleineren Rollen – Monika Bohinec bewies wieder einmal, wie wichtig sie für das Haus ist (und dass sie sehr wohl auch andere Rollen als die diverser Hexen zu spielen und singen vermag), Dan Paul Dumitrescu spielte ihren Gatten (der allerdings die Liebe seiner Frau mit deren Kater zu teilen hat), Andrea Giovannini einen weiteren Arbeiter, der, um Michele zu zitieren „Trinkt, damit er seien untreue Frau nicht umbringen muss….“


    Der Liederverkäufer verkauft in dieser Produktion (auch?) Ballons, gesungen und gespielt vom Mitglied des Opernstudios Katleho Mokhoabane. Für die Bekleidung des im Hintergrund agierenden „Liebespaares“ war anscheinend doch kein Budget übrig, sodass Ted Black (ebenfalls aus dem Opernstudio) und Florina Ilie in Unterwäsche agieren mussten.


    Während das Libretto den Ausgang offen ließ (hier entdeckt Giorgetta die Leiche des Luigi unter dem des , der Oper namensgebenden, Mantels, schreit auf – Ende der Oper) verändert die Regisseurin hier das Ende. Im Original wird Luigi erwürgt, hier erstochen. Und dann schneidet sich Michele selbst die Kehle durch. Kann man machen, muss man aber nicht.


    Suor Angelica


    Diese Oper findet man wirklich relativ selten auf den internationalen Spielplänen – und das meiner Meinung nach mit Recht. Sie ist sicherlich sowohl vom Libretto als auch musikalisch der schwächste Teil des Abends.


    Kurz zum Inhalt – Vor 7 Jahren bekam eine Fürstentochter ein Kind, dieses wurde ihr weggenommen und Angelica wurde darob in ein Kloster gesteckt, weil sie Schande über die Familie gebracht hat. Fast forward zur „Gegenwart“ – Tante besucht sie und bringt Angelica dazu ihr Erbteil an ihre jüngere Schwester abzutreten, erzählt außerdem dass der Knabe seit zwei Jahren tot ist. Angelica vergiftet sich. Ende der Oper.


    Insgesamt ist der Aufbau der Oper nicht unähnlich dem dritten Akt der „Bohéme“ – es ist anfänglich ein Konversationsstück, das dann ins Tragische hineinkippt.


    Die Kostüme stören nicht, allerdings hat auch da die Regisseurin Änderungen im Ablauf inszeniert, die dem Text (und Originallibretto) nicht entsprechen. Andere Kollegen haben diese bereits beschrieben, daher spare ich mir dies.


    Eleonora Buratto, in Wien bekannt durch ihre Mozart- und Verdi-Rollen ist eine hervorragende Besetzung und lässt keine Wünsche übrig, Michaela Schuster überzeugt als gefühlskalte und berechnende Tante.


    Die weiteren, kleineren Rollen, wurden mit Mitgliedern des Ensembles, des Opernstudios und des Chors besetzt – zur Vollständigkeit seien die Künstlerinnen erwähnt – Monika Bohinec, Patricia Nolz, Daria Sushkova, Florina Ilie, Pittock Davidona, Charlotte Jefferies, Isabel Signoret, Anna Bondarenko, Mari Nakayama, Chalkia Antigoni, Svenja Kallweit und Arina Holcecek.


    Gianni Schicci


    Das Beste zum Schluss. Hier wurde eine Episode der „Divina Commedia“ des Dante Alighieri zum Vorbild genommen (und Librettist Giovacchino Forzano lässt ganz zum Schluss die Titelfigur de fact in den dritten Raum treten und sich bei Dante bedanken – ein sehr ungewöhnlicher, aber durchaus reizvoller Kunstgriff).


    Handlung – Reicher Mann (Buoso Donati) stirbt. Er enterbte die Familie, diese sucht nach einem Ausweg um doch noch ans Erbe zu kommen. Sie wenden sich an den „Zugereisten“ Gianni Schicci, der mit der Familie insofern was zu tun hat, indem sich ein Mitglied in dessen Tochter verschaut hat und Schicci den Ruf hat, in vielen Dingen sehr einfallsreicht zu sein. Schicci lässt, nachdem außer dem engsten Familienkreis noch niemand weiß, dass Donati tot ist, einen Notar rufen, gibt sich als Donati aus und diktiert ein neues Testament. Die „Filetstücke“ vererbt er sich selbst, wirft bis auf den zukünftigen Bräutigam seiner Tochter alle aus - nun „seinem“ - Haus, das Liebespaar darf bleiben, Lauretta begeht doch nicht Suizid (vorher droht sie ja damit – das ist der Inhalt der berühmten Arie „O mio babbino caro“), Ende der Oper.


    Die Titelfigur ist bei Ambrogio Maestri bestens aufgehoben – schon seit vielen Jahren erfreut er das Publikum mit seiner Interpretation diverser Buffo-Rollen. Die Spanierein Serena Sáenz bestach nicht nur durch ihr wirklich hervorragendes Aussehen (Soft Fact – sie hat auch eine Trainerlizenz als Fitness Coach), sondern auch mit ihrer lyrischen Stimme. Ich hörte zum ersten Mal ihre Arie in Zusammenhang mit der Oper – was einen komplett anderen Eindruck auf mich machte als wenn diese im Rahmen einer Operngala dargebracht wird. Im Musikfluss ging sie fast ein wenig unter – und erst die von Jordan eingelegte Pause nach der Arie animierte das Publikum zum Applaus


    Michaela Schuster war auch im dritten Teil zu sehen und zu hören und verkörperte auch da einen zweifelhaften Charakter – dieses Mal die gierige Cousine des Toten. Hervorragend gespielt und gesungen!


    Nun, in diesem Teil der Oper fand man (endlich) eine Personenregie! Mit Anklängen und entsprechenden Kostümen aus der Commedia dell’arte war es eine bunte und schwungvolle Stunde, die da geboten wurde. Um da jeden Regieeinfall wirklich genießen zu können, müsste man diesen Teil mindestens noch einmal sehen (allerdings sind halt davor die beiden anderen Teile durchzustehen..). Neben diversen Ensemble- und Chormitgliedern, angeführt von Clemens Unterreiner, Dan Paul Dumitrescu und dem Neuzugang Anna Bondarenko war wieder einmal Bogdan Volkov zu sehen, den ich noch in sehr guter Erinnerung als Lenski hatte – und der auch dieses Mal nicht enttäuschte.


    Meiner Meinung nach vollkommen unnötig waren die Anspielungen auf den Faschismus (die zumindest kurz gehalten wurden), da sie so überhaupt nichts mit der Handlung zu tun haben. Allerdings wurde bei diesem Teil des Tritticos die Handlung tatsächlich nicht verändert.


    Ein paar abschließende Bemerkungen – die Galerie war beim „Tabarro“ auf der Seite fast leer. In der ersten Pause strömten dann Heerscharen von Touristen herein, zum Großteil ältere Chinesinnen (die als erstes ihre Schuhe auszogen und dann im Schneidersitz auf den Stühlen saßen – meine Nachbarinnen…), bei denen ein Opernbesuch anscheinend am Programm stand und sie wahrscheinlich vom Abendessen nicht rechtzeitig wegkamen. Nach dem Ende des Abends verschwanden dann diese innerhalb von 20 Sekunden…


    Ich finde es gut, dass zwei Raritäten auf dem Spielplan zu finden sind – man sollte sich diese zumindest einmal anhören. In weiterer Folge kann man „Il Tabarro“ und „Suor Angelica“ wieder entsorgen und für den „Gianni Schicci“ – wie schon in der Vergangenheit – ein Stück finden, mit dem man diese Oper kombinieren kann.

    Hear Me Roar!

  • In weiterer Folge kann man „Il Tabarro“ wieder entsorgen

    m a m m a M i a :|:| - müsst ich mich f. eine Puccini-Oper entscheiden ('Turandot' u. 'La fanciulla' kenn' ich allerdings nicht!), wäre es wohl der Tabarro... ...soll auch Puccini - Kenner geben, die diesen für Puccinis stärkstes Stück halten ;)

    Egoismus in der Wolfshaut, Egoismus im Schaafpelz. Unvernünftige Klugheit, unkluge Vernunft. Energie ohne Grundsäze, Grundsäze ohne Energie. Strenge ohne Menschlichkeit, Menschlichkeit ohne Strenge. Heuchlerische Gefälligkeit, schaamlose Unverschämtheit, altkluge Jungen, läppische Männer. Man könnte die Litanei fortsezen von Sonnenaufgang bis Mitternacht und hätte kaum ein Tausendtheil des menschlichen Chaos genannt! (Hölderlin, Brief an J. G. Ebel, 10.01.1797)

  • Puccini selbst hielt nach dem, was ich gelesen habe, Suor Angelica für sein bestes Werk. Wenn es von Loy inszeniert und von Asmik Grigorian gesungen wird, bin ich geneigt, dem zuzustimmen.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Ich finde es gut, dass zwei Raritäten auf dem Spielplan zu finden sind – man sollte sich diese zumindest einmal anhören. In weiterer Folge kann man „Il Tabarro“ und „Suor Angelica“ wieder entsorgen und für den „Gianni Schicci“ – wie schon in der Vergangenheit – ein Stück finden, mit dem man diese Oper kombinieren kann.

    1. Es ist falsch, dass "Il trittico" in seiner Gesamtheit zum ersten Mal an der Wiener Staatsoper aufgeführt wurde. Anfang der 20er sowie Ende der 70er gab es bereits Produktionen, die das Werk vollständig präsentierten.

    2. "Il tabarro" und "Suor Angelica" sind keine Raritäten. Wenn man sich ernsthaft mit dem Genre Oper und maßgeblichen Interpreten beschäftigt, kommt man an diesem Stücken eigentlich nicht vorbei. Das "Trittico" wurde und wird an großen Opernhäusern immer wieder in Neuproduktionen und Repertoirevorstellungen gezeigt. Kürzlich brachten die Deutsche Oper Berlin sowie die Staatsoper Hamburg Neuproduktionen von "Il trittico" heraus.

    3. Das dritte Werk heißt "Gianni Schicchi".

  • 1. Es ist falsch, dass "Il trittico" in seiner Gesamtheit zum ersten Mal an der Wiener Staatsoper aufgeführt wurde. Anfang der 20er sowie Ende der 70er gab es bereits Produktionen, die das Werk vollständig präsentierten.

    2. "Il tabarro" und "Suor Angelica" sind keine Raritäten. Wenn man sich ernsthaft mit dem Genre Oper und maßgeblichen Interpreten beschäftigt, kommt man an diesem Stücken eigentlich nicht vorbei. Das "Trittico" wurde und wird an großen Opernhäusern immer wieder in Neuproduktionen und Repertoirevorstellungen gezeigt. Kürzlich brachten die Deutsche Oper Berlin sowie die Staatsoper Hamburg Neuproduktionen von "Il trittico" heraus.

    3. Das dritte Werk heißt "Gianni Schicchi".

    Mea culpa!!!

    Hear Me Roar!

  • An der Rheinoper kommt erst Gianni Schicci und Il Tabarro als letztes. Diese Version finde ich etwas ungünstig. Ich war mal in Düsseldorf in Il Trittico und hab mal grob nachgezählt und bin auf 300 Zuschauer gekommen.

  • Das beste Stück ist jedenfalls Suor Angelica!


    Und für meinen Geschmack ist die beste Reihenfolge, wie bei den Salzburger Festspielen......, 2022


    Gianni Schicchi - Il Tabarro - Suor Angelica


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Da stimme ich dir absolut zu, auch in der Reihenfolge! Und wenn dann noch eine Sängerin wie Asmik Grigorian das singt, die in der Bindung von Gesang und Spiel absolut perfekt ist, was will man mehr. Ich habe mir jetzt bei jpc die DVD bestellt, sie ist schon da und meine Abende gerettet. Irgendwo habe ich hier auch geschrieben, dass Regisseur bei Suor Angelica einen kleinen RT-Topos eingebaut hat. Ganz am Schluss zieht sie das kleine Schwarze und die Pumps an, raucht eine Zigarette und mixt dann das Gift. Sie verwandelt sich von einer Nonne zu einer jungen Frau...

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Diese Reihenfolge gab es auch bei der Hamburger Neuproduktion zu sehen und das war im Rahmen der Inszenierung absolut sinnvoll. Aber mich hat es auch musikalisch überzeugt: Diese wunderschöne Musik aus "Suor Angelica" (in der Tat das beste Stück!) war ein großartiger Abschluss-

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich kann das musiktheoretisch jetzt nicht begründen, aber ich finde, dass Puccini in dieser Oper einen Weg zu einer neuen "unpuccinischeren" Musik gefunden hat. Das würde erklären, dass er die Suor für sein bestes Werk hielt. Ein Indiz ist für mich, dass es hier keine Bravourarien gibt und dass nicht, wie früher oft, Stimme und Orchester parallel gehen, was es bei Janacek nur selten gibt. Wie gesagt, dass sind musikalische Impressionen, die vielleicht ein Kenner überprüfen sollte.

    Ich habe übrigens in der Oper wie auch im Konzert und auch wenn wir selber singen, immer ein Gefühl, ob die Reihenfolge stimmig oder nicht stimmig ist.

    Beispiel: vor einiger Zeit gab es in der Essener Philharmonie an 2 Abenden eine konzertante Aufführung von Schönbergs "Erwartung" und Bartoks "Blaubart". Die Zusammenstellung ist o.k., die Erwartung kannte ich nur flüchtig, der Blaubart gehört zu meinen Top 10.

    Ich habe mir gleich gedacht: Erwartung nach Blaubart, was soll da noch kommen? Daher entschloss ich mich, nur den Blaubart zu hören, und zwar an beiden Tagen. In der 2. Vorstellung habe ich mich dann in den 2. rechten Rang gesetzt, über Blech und Schlagzeug!

    Am ersten Tag bin ich natürlich in der Pause gegangen; einige Musiker standen vor der Tür und rauchten. Ich fragte sie: Was kann denn nach dem Blaubart noch kommen? Sie grinsten und erklärten sich für unschuldig.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

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  • Die Uraufführung 1918 in New York erfolgte in der Reihenfolge Il tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi. Gibt es Hinweise des Komponisten zu möglichen Permutationen der drei Stücke?


    Trittico_at_Met1918.jpg

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Ich kann mich erinnern, dass es lange Jahre nur die obige Reihenfolge gab, sakrosant, vielleicht von Puccini vorgegeben. Die Änderungen betrafen dann die Reihenfolge, ich meine, im Laufe der beginnenden RT-Zeit. Dabei muss man sagen, dass es viele Gründe gibt, aufgrund einer neuen Konzeption die Reihenfolge zu ändern. Tristan spricht von Hamburg. Hat da nicht der Regisseur die drei Teile auch inhaltlich durch gleiche Personen verbunden?

    In der amerikanischen Literatur gibt es Bände mit Short Stories, die abgeschlossen sind, aber einen Fundus von Personen haben, die dauernd auftauchen. Ich denke an "Olive Kitteridge" von Elizabeth Strout, "Winesburg, Ohio" von Sherwood Anderson und von einigen Büchern von Ray Bradbury.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Hat da nicht der Regisseur die drei Teile auch inhaltlich durch gleiche Personen verbunden

    In der Tat: Eine erfundene übergeordnete Handlung in der eine Schauspielerin namens Chiara di Tanti ihre Karriere- und Lebensstationen anhand der drei Opern nachvollzieht. Wenn man sich auf diese videogestützte, sehr RTmäßige Interpretation einlässt, ist die Umstellung der Opern hier absolut sinnvoll.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Gibt es Hinweise des Komponisten zu möglichen Permutationen der drei Stücke?

    Vielleicht hilft das weiter:

    Il tabarro spielt um 1910. Entstehungszeit: 1913-16. Libretto: Giuseppe Adami (SC 85)


    Suor Angelica spielt Ende des 17. Jahrhunderts. Entstehungszeit 1917. Libretto: Forzano. (SC 87)


    Gianni Schicchi spielt 1299. Entstehungszeit 1917-18. Libretto Forzano. (SC 88)


    Erstdruck für alle drei Opern: Mailand, Ricordi, 1918

    SC = Sortierung nach Schickling Katalog

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    Die älteste Komposition "Il tabarro" spielt ungefähr in der Zeit, in der die Komposition entstanden ist. "Suor Angelica" enstand als zweite Komposition und spielt 200 Jahre früher. "Gianni Schicchi" als letztes Stück spielt nochmal 400 Jahre früher. Bei der Reihenfolge hat sich Puccini wahrscheinlich was gedacht.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Die älteste Komposition "Il tabarro" spielt ungefähr in der Zeit, in der die Komposition entstanden ist. "Suor Angelica" enstand als zweite Komposition und spielt 200 Jahre früher. "Gianni Schicchi" als letztes Stück spielt nochmal 400 Jahre früher. Bei der Reihenfolge hat sich Puccini wahrscheinlich was gedacht.

    Davon ist auszugehen. Für mich gibt es auch keine andere Reihenfolge als diese. Schon weges des wunderbaren versöhnlichen Schlusses von "Gianni Schicchi", der - daran ist doch wohl kaum zu zweifeln - für das ganze Trittico steht. Alle Dramatik verliert am Ende ihren Schrecken und wandelt sich in Weisheit. Schicci wendet sich direkt an das Publikum, wobei sich Puccini damit eines allbekannten theatralischen Mittels bedient. Ich zitiere nach deutscher Übersetzuzng:


    Sagt selbst, Ihr Damen und Herren,

    hätte Buosos Vermögen

    In bessere Hände kommen können?

    Für diese Schelmerei

    hat man mich

    In die Hölle geworfen.

    Es sei!

    Aber mit Erlaubnis des großen Vaters Dante,

    wenn ihr euch heute abend unterhalten habt,

    gewährt ihr mir wohl

    (macht die Geste des Händeklatschens)

    mildernde Umstände.


    Ende der Oper









    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • An der Deutschen Oper Berlin hat Regisseurin Pınar Karabulut sich an die Reihenfolge der Uraufführung gehalten, aber versucht, Bezüge zwischen den einzelnen Teilen herzustellen.

    Als Il Tabarro endet, formen der tote Luigi und Sour Angelica kurzzeitig eine Pietá. Durch Gianni Schicchi wuseln ab und zu ein paar Nonnen. Die große Ähnlichkeit von Kostümen und Farben ist ebenfalls ein verbindendes Element.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • In Gera brachte man vor Jahren die "florentinische Tragödie" von Zemlinsky vor der Pause und nach der Pause "Gianni Schicchi". Eine ganz andere Zusammenstellung.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Die Idee, ein tragisches, ein lyrisches und ein heiteres Thema in einem Stück zu verbinden, hatte Puccini schon seit dem Jahr 1904. Ursprünglich hatte er vor, die drei Handlungen Dante Alighieris Göttlicher Komödie zu entnehmen. Er verwarf dieses Vorhaben aber, nachdem er 1912 während eines Theaterbesuchs in Paris La Houppelande von Didier Gold gesehen hatte und dadurch eine andere Inspiration für den ersten Teil, Il tabarro, bekam. Basierend auf dem Stück verfasste Giuseppe Adami das Libretto und Puccini stellte die Partitur 1916 fertig. Die Suche nach Stoffen für die weiteren Opern gestaltete sich allerdings schwierig. Als ihm der junge Journalist und Autor Giovacchino Forzano jedoch einen Entwurf für ein in einem Kloster spielendes Stück zeigte, den er für eine fahrende Theatertruppe verfasst hatte, war der Komponist begeistert und begann die Arbeit am lyrischen Werk seines Projekts: Sour Angelica. Später war es wiederum Forzano, der Puccini auf die Geschichte des Gianni Schicchi hinwies und ihn so für den heiteren letzten Teil des Projekts auch wieder zurück zum ursprünglichen Plan, nämlich Inspiration bei Dante zu finden, führte.

    Wenn man das Wissen um diese Hintergründe für das Triptychon das berücksichtigt, sollte die sinnvolle Reihenfolge der Stücke eigentlich klar sein.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo