Als einziges der "echten" Klavierkonzerte Mozarts (die Nrn. 1-4 sind Bearbeitungen diverser Komponisten) hat die Nr. 6 B-Dur, KV 238 bisher noch keinen eigenen Thread im Tamino-Klassikforum. Diese Lücke möchte ich mit meinem Beitrag schließen.
Das Werk entstand im Januar 1776 in Salzburg, knapp zwei Jahre nach dem ersten eigenen Klavierkonzert KV 175. Die Erstaufführung durch den Komponisten erfolgte allerdings erst am 4. Oktober 1777 in München. Wenig später spielte Mozart es in Augsburg, der Geburtsstadt seines Vaters Leopold. Ob das Konzert bereits früher durch fremde Hand gespielt wurde, ist nicht sicher bekannt.
Wie üblich, besteht es aus drei Sätzen:
1. Allegro aperto
2. Andante un poco adagio
3. Rondeau: Allegro
Das Werk entstand fast zu gleicher Zeit wie die beiden Violinkonzerte KV 218 und 219 und hat manches mit ihnen gemeinsam. Im Vergleich zu seinem unmittelbaren Vorgänger dieser Gattung, dem D-dur-Konzert KV 175, ist es deutlich bescheidener angelegt. Dem Streicherchor fügt der Komponist lediglich je 2 Flöten, 2 Hörner und 2 Oboen hinzu.
Der erste Satz wird von einem betont dominanten Hauptthema eröffnet, dem Mozart ein elegantes, recht kurz vorbeieilendes Seitenthema gegenüberstellt. Die Durchführung ist kurz und bündig, kaum daß sie begonnen hat, ist sie auch schon vorbeigehuscht und mündet in die Reprise.
Dagegen glänzt der Mittelsatz, "Andante un poco Adagio" überschrieben, mit einer bisher ungewohnten Ausdruckstiefe. Vor dem Hintergrund der Streichinstrumente entfaltet das Klavier eine empfindsame, weit ausgesponnene Kantilene, deren Poesie bereits ähnliche Sätze der späten Meisterwerke erahnen läßt. Das tänzerisch-trippelnde Finale, ein Rondo-Allegro, wird von einem fast kindlich-naiven Thema beherrscht, dem drei Couplets entgegen gestellt sind. Mit Witz und Spielfreude klingt der mitreißende Satz aus.
Natürlich zählt das Werk zu den frühen, noch nicht ganz ausgereiften Konzerten des Meisters, aber es ist ein dankbares Stück für jeden Mozart-Liebhaber und wird sowohl auf Tonträger als auch im Konzertsaal zu Unrecht vernachlässigt. Auch in meiner Sammlung ist es nur spärlich vertreten, was vor allem daran liegt, daß ich über nur eine Gesamtaufnahme der Mozart-Konzerte verfüge, jedoch über eine große Zahl von Einzelaufnahmen, die dieses Konzert aber meist unberücksichtigt lassen.
Da es ein Werk des jungen, zur Zeit der Entstehung erst 20jährigen Mozart ist, so ist diese Aufnahme an vorderster Stelle zu empfehlen:
Christian Zacharias (Klavier) und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, Dirigent: Sir Neville Marriner
(Aufnahme: 7/1990, Villa Berg, Stuttgart).
Obwohl der 1950 geborene Künstler zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits 40 Jahre alt war, verpaßt er dem Jugendwerk Mozarts einen gehörigen Schuß jugendlichen Elan und Frische. Man spürt, mit welcher Leidenschaft und Spielfreude Zacharias zu Werke geht. Jede Note sitzt, und das Orchester unter Marriner (der später Alfred Brendel bei seiner GA für Philips erfolgreich zur Seite stand) spielt brillant und exakt. Eine gute Kombination.
Des weiteren möchte ich noch folgende Aufnahmen nennen:
Die Namen der Ausführenden sprechen für sich selbst und bedürfen keiner besonderen Empfehlung.
Schließlich noch eine meiner Lieblingsaufnahmen von KV 246:
Mitsuko Uchida (Klavier) und das English Chamber Orchestra, Dirigent: Jeffrey Tate
(Aufnahme: 1987, London).
Diese Aufnahme zu loben hieße Eulen nach Athen tragen. Das Zusammenspiel der beiden Künstler ist, wie in der kompletten GA, einzigartig und kaum zu überbieten. Und klangtechnisch kann die CD sich mit den neuesten und besten mühelos messen.
LG Nemorino