Pierre Boulez ist hier im Forum zur Musik der Moderne nicht vertreten? Das ist natürlich nicht vertretbar .
Ich habe seine Musik noch in der Schule kennengelernt. Es waren die Structures für zwei Klaviere, damals von den Kontarskys gespielt. Anders als die Musik von Stockhausen, empfand ich diese Werke als fordernd. Dieser Eindruck hat sich bei mir über die Jahre gehalten. Auf der anderen Seite ging von dieser Musik aber auch eine für mich nicht ganz erklärliche Faszination aus, vielleicht vergleichbar mit Weberns Bagatellen für Streichquartett. Ich hatte mir immer etwas Zeit reserviert für die Werke - meistens nur Heft I, das um eine Viertelstunde herum dauert - und versucht, konzentriert "Strukturen" zu hören. Auch, wenn man nicht viel versteht, ein Zustand, der auch bis heute andauert, baut sich eine enorme Erlebniswelt auf, die ich allerdings nicht konzise zusammenfassen kann....
Ich muss allerdings auch sagen, dass vom Notenbild Faszination ausging. Das Wergo-Album enthielt damals noch ausführliche Beschreibungen des musikalischen Geschehens - tatsächlich hat sich von damals nicht so viel gerettet . Die Mühe macht sich Wergo heute leider nicht mehr.
Das Klavierwerk von Pierre Boulez ist in Gänze leicht überschaubar. Es gibt die frühen Notations, seine drei vollständig verschiedenen Sonaten, die Structures I +II für zwei Klaviere, Incises für Klavier und noch etwas später Une page d'éphéméride.
Seine zweite Klaviersonate lernte ich durch Pollini kennen. Es scheint mir das undurchdringlichste Klavierwerk von Boulez zu sein. Der Anfang schlägt einem ins Gesichtund in Bann und man muss sich dann erst einmal fangen.
Zu meiner Erfahrung mit dieser Sonate habe ich versucht in astewes: Unverzichtbare Aufnahmen ein wenig zu schreiben. Auf jeden Fall kann ich bestätigen, dass man an der Musik ästhetische Freude haben kann, ohne auch nur irgendetwas Theoretisches zu verstehen. Da ich nun aber hier im Forum gelernt habe, dass es schon etwas zur Musik zu verstehen gibt, habe ich mich auf die Suche gemacht und einen interessanten Beitrag von Samuel Andreyev im Web gefunden
Ich war überrascht - nach kurzem Nachdenken dann doch nicht mehr - wieviel Emotion in diese Musik einfließt. Der Aspekt der Vergangenheitsbewältigung - das Werk entstand zwischen 1946 und 1948 - war mir nie wirklich klar. Der Zusammenhang mit Beethoven Hammerklaviersonate hätte mir auffallen müssen .... Alles nichts . Aber jetzt wo ich es weiß, kann ich plötzlich die Ansätze der Fugenkonstruktion erkennen. Auch Andreyevs Zerlegen des Anfangs in die Motivschnipsel schafft beim Hören besseren Durchblick. Trotzdem, ein Werk, mit dem man sich wahrscheinlich doch ein Leben lang auseinandersetzen kann.
Andreyev hält die Einspielung Pollinis für eine Jahrhunderteinspielung, wobei sicher die Interpretation, aber auch das Werk selbst eine Rolle zu spielen scheinen. Hier können wir sie mit Noten verfolgen.