Gian Francesco MALIPIERO - Die Sinfonien

  • Quasi als Vorwort: Bekanntermaßen bin ich nicht der große Bewunderer der Musik des 20. Jahrhunders (und danach!), also ist von mir nur wenig hier zu erwarten. Man möge die Threaderöffnung also als Anregung verstehen, als Aufmunterung zur Fortsetzung, vielleicht auch durch Musikfreunde, die bislang noch gar keine Mitglieder sind - es aber werden wollen.

    Gian Franceco Malipiero (1883-1973) war ein italienischer Komponist un Musikwissenschafter

    Es ist interessant wie sich diverse Konzert- und sonstige Führer um Analysen und Werturteile herumdrücken. Das macht es einerseits schwerer, andrerseits leichter über ihn zu schreiben. Generell wird er als der modernste Italienisch Komponist seiner Generation (geboren in den achtiger Jahren des 19. Jahrhunderts) gesehen (jedoch keine Zwölftontechnik, keine Atonalität, serielle Musik etc) allerdings auch als der heute am wenigsten bekannteste. Seine Einflüsse sind vielfältig - so befasste er sich beispielsweise mit der italienischen Musik des 16 Jahrhunderts. Es gibt indes - wie widersprüchlich auch zeitweilig Einflüsse durch Debussy und den französischen Impressionismus überhaupt.

    Sein Schlüsselerlebnis war indes Stravinskys (gleicher Geburtsjahrgang) "Le Sacre du printems", wo er in Paris der Uraufführung beiwohnte. Daraufhin vernichtete er den Großteil seiner Frühwerke. Er befreundete sich mit dem Komponisten, Pianisten und Musikkritiker Alfredo Casella (1883-1947)

    Über die Qualität seine diversen Werke wurd viel widersprüchliches geschrieben, teils wurden sie als sperrig, teils als amorph beschrieben.


    Er hinterließ 17 Sinfonien, bzw Werke die er als solche bezeichnete, vovon 11 nummeriert sind. Die meisten (auch unnummerierte) tragen Namen, wollen indes nicht als Programmusik verstanden werden

    Ich kann - mangels momentaner Verfügbarkeit - hier nicht mit Sinfonie Nr 1 beginnen (wird Montag bestellt) zeige aber hier das Frühwwerk "Sinfonie del mare", (1906) ein einsätziges Stück von ca 23 Minuten Spieldauer, das den Vergleich mit Debussys "La mer" geradezu herausfordert. Eines der wenigen Werke Malipieros aus jener Zeit, die er nicht vernichtet hat.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo Alfred,


    die Existenz und den Namen G.F. Malipieros habe ich schon mehrmals aufgeschnappt, aber nie gehört.


    Habe mir jetzt Deinen LINK zu Nutze gemacht und die Sinfonia del mare gehört.

    Mein Eindruck: Ganz nette Musik, eine Naturschilderung im romantischen bis impressionistischen Gewand mit schönen Orchesterfarben. Am Anfang viel Geplänkel ohne Höhepunkte, die mich als Hörer wenig ansprachen. Erst in der zweiten Hälfte kam "anregender" Sturm auf ... ruhiger Abschluss.


    Mal sehen, wie die anderen Sinfonien/Werke sind ........


    Malipieros Landsmann und Zeitgenosse Ottorino Respighi, von dem ich ein grosser Fan bin, liegt mir voll ! Wenn Malipiero auch in die Richtung geht (gehen würde), wäre es eine schöne Neuentdeckung.



    clck 221

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Gian Francesco MALIPIERO: Sinfonie Nr. 1 "In quattro tempi, come le quattro Stagioni"


    Mit bislang lediglich 221 Seitenaufrufen zählt dieser Thread bislang nicht zu den Rennern dieses Forums, obwohl der besprochene Komponist, Gian Francesco Malipiero zu den Neuererern der italienischen Orchestermusik gehört, einer Gruppe von italienischen Komponisten, die alle um etwa 1880 geboren wurden und in Italien unter dem Sammelbegriff "Generazione dell'Ottanta" zusamengefasst wurde. Dabei wird Malipiero als der interessanteste und bekannteste betrachtet. Die Gruppe versuchte Siefonien und andere Orchesterwerke wieder zu etablieren und die Vormachtsstellung der Oper zurückzudrängen, was allerdings nur zögerlich Erfolg hatte - wie man am Desinteresse an diesem Thread gut sehen kann.

    Im 19 Jahrhundert - und schon früher - war die italienische Sinfonik ins Hintertreffen geraten, die Tradition gewissermaßen abgebrochen. Der "Generazione dell’Ottanta" gehörten neben Gian Francesco Malipiero Ottorino Respighi, Ildebrando Pizzetti und Alfredo Casella an.

    Malpiero wurde in eine adelige italienische Familie hineingeboren, die bereits zuvor einige Musiker hervorgebracht hatte.Der Großvater war Kompnist, der Vater Pianist und Dirigent.In einem der zahlreichen Lebensläufe wird erwähnt, daß Francesco andauernd mit seinem Vater auf Tournee war. Er verbrachte später zu Studionzwecken auch einige Teit in Wien.

    Es ist allerdings schwierig Malipiero einzuordnen, er interessierte sich für Montverdi, Frecobaldi, Merulo und später für Vivaldi, schrieb nicht nur orchestrales, sondern auch etliche Opern und Kammermusik, war zeitweise vom Impressionismus beeinflusst. Ein eigenartiger Mix. Von seinen 17 Sinfonien sind 11 mit Nummern versehen, die Qualität icht unterschiedliche und wird auch unterschiedlich beurteilt. Eine der frühen (unnummerierten) Sinfonien "Sinfonie del mare" wurde schon im Beitrag Nr 1 vorgestellt.



    Heute steht die Sinfonie Nr 1 "In quattro tempi, come le quattro Stagioni" (1933) auf dem Programm.

    Sie hat vier Sätze:

    1) Quasi andante, Sereno

    2) Allegro

    3) Lento, ma non troppo

    4) Allegro, quasi Allegretto


    Ich hatte zu Beginn Schwierigkeiten mit diesem Werk, aber im Laufe der Hörsitzung gefiel sie mir immer besser. Sie ist nur insofern ein "Problemfall", wei sie IMO keinen großen Bogen hat und ich fürchte, das wird bei den anderen Werken nicht anders sein - wir werden sehen. Wie ein Kaleidoskop tauchen Stimmungen auf und verschwinden danach wieder, es gibt melancholische, nachdenkliche, geheimnisvolle, unterschwellig düstere, offen bedrohliche Passagen, aber auch klangschöne und triumphierende. Das macht ein Beschreibung nahezu unmöglich (weshalb die meisten Autoren ihr ausweichen) Aber das ist - seit wir in der Lage sind auf Klangbeispiele, bishin zum ganzen vorzustellenden Werk zu verlinken nicht mehr wirklich ein Problem.



    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Gian Francesco MALIPIERO: Sinfonie Nr. 2 "elegiaca"

    Die 2. Sinfonie "elegiaca" komponierte Malipiero 1936. Er vollendete sie im Juni.

    Die Uraufführung fand am 25. Jänner 1938 durch das Seattle Symphony Orchestra unter Basil Cameron statt.

    Der Komponist schrieb dazu: (sehr frei übersetzt)

    Zitat

    In Bezug auf meine 2. Sinfonie "elegiaca" möchte ich Verwirrung und Missverständnisse vermeiden.

    So möchte ich einmal auf den Subtitel (elegiaca) verweisen. Dieser bezeichnende Begriff soll eigentlich festhalten, dass die Musik welche ich in den tragischen und Monaten des Jahres 1936, welches ein Jahr voll Traurigkeit war, noch ausserhalb des Geschehens verbleibt und der Musik einen elegischen Charakter verleiht.

    Er verweist aber auch darauf, daß es sich hier keineswegs um Programmusik handelt

    Für Interessenten ("Hardliner ;)) findet sei der Text ausführlicher in englischer Sprache auf den Archivseiten der New Yorker Philharmoniker

    die das Werk in der Saison 1937/38 ebenfalls zweimal zur Aufführung brachten, nämlich am 21. und 22. April 1938 unter John Barbirolli.

    Der Komponistenkollege Eliott Carter (1908-2012 !!!) bezeichnete diese New Yorker Erstaufführing als eine der besten Premieren des Jahres


    Aus den Digitalarchiven der New Yorker Philharmoniker:

    https://archives.nyphil.org/in…/fullview#page/1/mode/2up

    https://archives.nyphil.org/in…/fullview#page/2/mode/2up


    Die vier Sätze:

    1) Allegro non troppo

    2) Lento non troppo

    3)Mosso

    4)Lento


    Der Titel verrät bereits die Grundhaltung: "die Elegische"

    Für "elegisch" gibt es verschiedene Synonyme, die aber alle in eine Richtung zielen:

    "freudlos, klagend, larmoyant, melancholisch, traurig, trübsinnig"

    Dass man hier kein Feuerwerk an Lebensfreude erwarten kann liegt auf der Hand

    Aber auch solche Werke haben (mir nur schwer verständlich)ihre Bewunderer und Liebhaber.

    Denen gilt meine Bemühung die wichtigsen Daten zusammenzuklauben und hier zu veröffentlichen



    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Gian Francesco MALIPIERO: Sinfonie del silenzio e della morte


    Düstere Werke sind eigentlich nicht das meine. Als (selbsternannter?) Bildungsbürger halte ich es indes für meine Pflicht auch sowas zu hören - notabene als Betreiber eines Klassikforums.

    Und so bin ich bei einer der Sinfonien Malipieros gelandet, die nicht nummeriert sind:

    Sinfonie de lsilenzio e della morte

    "Sinfonien der Stille und des Todes" heisst der vielversprechende einladende Titel


    Das Werk hat eine Gesamtspieldauer und besteht aus 3 Sätzen mit Namen:

    1) Danza tragica (Tragischer Tanz)

    2) Sinfonia del Silenzio (Sinfonie der Stille)

    3) Il molino della morte (Die Mühle des Todes)


    Es soll hier literearische Einflüsse von Edga Allan POE geben - da müsste ich erst genauer recherchieren.

    Auf jeden Fall ist der erste Satz in der Tat beeindruckend, chanchierend zwischen düster, gewalttätig-bedrohlich und traurig.

    Die Orchestrierung ist beeindruckend.

    Die Sinfonie der Stille ist stellenweise von erlesenerer Schönheit und Ruhe in sich. "Ruhe" wäre vermutlich der bessere Begriff, als "Stille", weil letztere ja musikalisch allenfalls andeutbar wäre.

    Aber gegen ende des Satze wird die Stile durch kurze mächtige Attacken unterbrochen, um danm wieder zurück in die Stille zurückzusinken. Teilweise einoberfläckliches scheinbares Idyll mit unterschwelliger Unruhe -ein wahres Kunststück.


    Der Finalsatz. Hier werden die Themen durch maschinenartige Cluster unterbrochen und destabilisiert. Die Bedrohung ist unüberhörbar - die geniale Orchestrierung ebensowenig...!!!


    Hervorragendes Dirigat, Orchesterleistung und Tontechnik

    Die Aufnahme war eine positive Überraschung für mich


    Hier zum Hineinhören bei youtube: Wie man sieht war die Originaleinspielung aus Moskau auf MARCO POLO (1993)



    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Gian Francesco MALIPIERO: Sinfonie Nr. 3 "delle campane"


    Die viersätzige - in den Jahren 1944/45 komponierte - Sinfonie Nr 3 handelt von den Glocken. Nicht von den Glocken im allgemeinen, sondern um das unheivolle Läuten der Glocken der Markuskirche am 8. September 1943 die den Einmarsch der deutschen Truppen ankündigten. Soweit ich sie bis jetzt kenne, sind Malipieros Sinfonien stets von Trauer und Unheil geprägt, was ihrer weltweiten Verbreitung und Beliebtheit im Wege steht. Ein Mangel an Qualität ist es mit Sicherheit nicht. Die Titelgebenden Glocken - aller Größen kann man - so man es weiß -eindrucksvoll hören.

    Dunkel drohend, dröhnend - aber auch grelle und schrill klingend Exemplare erheben ihre Stimme oin dieser düsteren - aber äusserst eindrucksvollen Sinfonie. MAn sollte sie nur nicht zu leise hören - dann verliert sie einen Teil ihrer Wirkung.

    ERmest Ansermet war ein Bewunderer von Malipieros Sinfonien. Sie seien nicht "thematisch" sondern "motivisch", die Musik trage nicht die Motive, sondern sie sei von ihnen getragen. Dieses Zitat entnehme ich dem kurzen aber informativen Booklet von John C. G. Waterhouse (1922-2001) einem Bekannten Musiwissenschaftler.

    EIGENTLICH sollte die Musik von Malipiero den Geschmack der Tamino Mitglieder treffen


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 694

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  • Gian Francesco MALIPIERO: Sinfonie Nr. 4 "In memorian"


    Die Sinfonie stammt von1947 und ist dem Andenken von Natalie Koussevitzky gewidmet. Sie war die Frau von Serg ej Koussevitzky, einem russisch-amerikanischem Dirigenten, Kontrabassisten und Komponisten dessen Karriere sie maßgeblich beeinflusst hat, und der in der Musikwelt seiner Zeit eine bedeutende Rolle gespielt hat (vielleicht sogar mal Stoff für einen eignen Thread

    Sie ist viersätzig und äusserst beeindrucken - insbesondere der 2. Satz "lento funebre" mit seinen geradezu markerschütternden grollenden Bässen.

    Malipiero wäre äusserst verwundert, könnte er sehen, wie wenig beachtung er heute geniesst, wo er doch durchaus Werke mit der Wirkung eines Schostakowitsch geschrieben hat - zumindest stelenweise

    Gestern, nach Beendigung meiner Vorstellung der Sinfonie Nr 3 ist mir klar geworden, daß die Sinfonien Nr 5 und 6 nicht in meiner Sammlung vorhanden sind. "Das hat Zeit - schliesslich hab ich noch die Vierte - wer weiss, wann ich die höre und vorstellt - und wer weiss ob ich überhaupt Lust hab in nächster Zeit über Malipiero zu schreiben -Warten wirs ab"

    Nun habe ich aber die 4. gehört und WEISS, daß dich die folgende Sinfonien hören will. So habe ich heut die CD mit Nr 5 und 6 bestellt, die 7. besitze ich (eigenartigerweise) sowieso - Bis zur Nr 11 ists dann noch ein weiter Weg....


    Ich möchte anmerken, daß das hier verlinkte (originale) Klangbeispiel via Kopfhörer weniger eindrucksvoll klingt, al bei mir daheim via Canton Vento 809 und Muzishare X7 Röhrenverstärker im Modus "ULTRALINEAR" (also Pentodenmodus)



    mfg aus Wien

    Alfred

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