Leopold Godowsky - Klaviersonate e-Moll "Grand Sonata"

  • Ich habe seit mehreren Jahren in Punkto Musik hier keine Beiträge mehr verfasst, ohne dass es mir langweilig geworden wäre. ,


    Nun habe ich von Alfred kürzlich eine Oster- email empfangen, die mich nicht nur emotional deutlich berührt, sondern auch wegen ihrer Mehrdeutigkeit zum Überlegen gebracht hat. Meine Reaktion war, mich hier wieder bemerkbar zu machen. Why not ?


    Ehrlicherweise war der Anlass auch die wiederholte Rezeption eines ganz merkwürdigen Klavierwerkes, mit einem sehr mutigen, aber auch gefeierten und trotzdem/ deshalb ziemlich unabhängigen Pianisten, nämlich MARC HAMELIN. Sowas habe ich vorher nie gehört. O my God.


    Es ist die einzige Klaviersonate von Leopold Godowski, der aus einer Kleinstadt nahe Vilnius (Wilna) stammt und Autodidakt war, von dem bereits ab den 1930er Jahren kaum jemand mehr gesprochen hat. Die Geschichte hat dieses unglaubliche Talent einfach und ohne Erbarmen überrollt. Der Kanadier (nur er ?) hat diese gewaltige, super- effektvolle Sonate wiederentdeckt und bravourös aufgenommen. Bei wiederholtem Hören wird sie ersteinmal immer hörenswerter !


    Sollte Interesse bestehen, könnten wir einige Gedanken darüber austauschen. Jetzt habe ich die Daten der CD nicht parat.


    LG Damiro,

    welcher sich viele Beiträge wünscht





  • Ich habe seit mehreren Jahren in Punkto Musik hier keine Beiträge mehr verfasst, ohne dass es mir langweilig geworden wäre. ,

    Hoffen wir das Beste! :) Einfach kurz die Hand heben, bevor die Langeweile übermächtig wird! ;)

    Der Kanadier (nur er ?) hat diese gewaltige, super- effektvolle Sonate wiederentdeckt und bravourös aufgenommen


    Die erste Aufnahme der Sonate, die mir bekannt ist, stammt aus dem Ende der 80-er und ist von Geoffrey Douglas Madge eingespielt noch für das Label Dante entstanden, für das er damals etliche Werke von Godowsky eingespielt hatte.


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    Sie hatte mich damals schon beeindruckt. Als die Einspielung von Hamelin kam, war ich trotzdem begeistert. Ich denke, dass Hamelin und Godowsky eine wunderbare Kombination sind.


    Mittlerweile gibt es für das Gesamtwerk von Godowsky Einspielungen von Konstantin Scherbakow und Carlo Grante. Ich weiß aber nicht ob die bisher fertig geworden sind ... :)


    Diese Sonate ist ein gewaltiges Ding, passt aber schon ein wenig in die Zeit. Man denke an die Sonaten von Dukas und Rachmaninoff und nicht zuletzt das Sonatenwerk von Medtner (;)). Atmosphärisch überrascht trotz der Dimensionen die Intimität. Man hat selten das Gefühl, dass das Werk für die Konzerthalle gedacht ist, was vielleicht auch ein wenig die Unbeliebtheit beim spielenden Volk erklären könnte ;)


    Vielleicht noch ein wenig Fotografisches zu Leopold Godowsky


    Leopold Godowsky im Fotoalbum



    Sollte Interesse bestehen, könnten wir einige Gedanken darüber austauschen. Jetzt habe ich die Daten der CD nicht para

    Wenn Du mit meinen bescheidenen Theoriekenntnissen zufrieden bist, bin ich gerne bereit für einen Austausch, würde aber für die Sonate einen eigenen Thread aufmachen.


    Auf jeden Fall viel Spaß hier! :hello:

  • Der Kanadier (nur er ?) hat diese gewaltige, super- effektvolle Sonate wiederentdeckt und bravourös aufgenommen.

    Nein, nicht nur er:

    Im Rahmen der Marco Polo Edition (15 Folgen !) hat Konstantin Scherbakow auch diese Sonate aufgenommen (Folge 5 - 2001)


    Hier die einstige Kritik von Stereoplay:


    A. Csampai in stereoplay 11/01: "Ein fünfsätziges Mon-
    strum, das sowohl spieltechnisch als auch gestalterisch
    höchste Ansprüche stellt. Diese meistert der hoch-
    musikalische Moskauer aber mit derselben grimmigen Sou-
    veränität, dämonischen Virtuosität und gestalterischen
    Logik wie fast alle seine bisherigen Schallplatten, die
    nahezu ausnahmslos Referenzstatus für sich beanspruchen
    können. Und auch die Klangtechnik bewegt sich voll auf
    der Höhe des kompositorischen und interpretatorischen
    Niveaus: Die Tonmeister des britischen K & A-Teams
    sorgen mit kernig-straffem, dynamisch weitgespanntem
    Klaviersound für "audiophile" Ausleuchtung."


    Schon zuvor (1998) hat Bengt-Ake Lundin diese Sonate für das schwedische Label "Capice records" aufgenommen.- derzeit noch verfügbar.

    Sieht man sich die Diskographie Godowskys an, so ist er gar nicht sooo vergessen - oder aber - besser ausgedrückt - man beginnt sich seit etwa 25 Jahren allmählich wieder seiner zu erinnern.


    von der Marco-Polo Edition sind - soviel ich sehen konnte - immerhin noch 13 Folgen lieferbar.

    In vergangenen Zeiten hätte ich vermutet, daß sie dereinst auf das Budgetlabel "naxos" umgelabelt werden.

    Das wäre derzeit allerdings sinnlos, da naxos kein Budgetlabel mehr ist (wohlwollend beurteilt: Midprice - aber - sieht man auf die Preispolitik einiger Majors - schon Normalprice-Fullprice)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Das hört sich interessant an, ihr meint diese Aufnahme ?



    Die Kritik der Scherbakow Aufnahme hört sich aber auch sehr gut an !



    clck 35

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  • Es scheint mir ausser Frage, dass G. neben seinen herausragenden pianistischen Fähigkeiten auch über eine besondere Begabung verfügte, seine Themen sofort kontrapunktisch auszuarbeiten, weiterzuführen, zu "füllen", "verdichten" und "einzufärben". Das Klavier klingt trotz der Überladenheit des Satzes, ich würde lieber Geladenheit sagen, zumindest bei Hamelin durchhörbar und in der Hierarchie der Stimmen und ihrer Lautstärken grossartig abgestuft.

    Ein gut hörbarer Unterschied zu den Klavieraufnahmen der Bach- Werke ist natürlich gewollt. Das ist besonders beim zweiten Werk der CD, der Passacaglia, der Fall.


    Ganz grübelig macht mich die Wertigkeit des musikalischen Materials seiner Themen. Das kann auf eine Art ins Triviale gehen, irgendwie einen Anklang ans Billige, Schlagerhafte haben. Zumindest denke ich dabei an Salonmusik und ihr entsprechendes Publikum. Passend sind dann auch die rytmischen Schmankerl, sowie die nahezu unspielbaren, weil extrem schnell repetierten 64stel (und vielleicht 96stel) Noten im dritten Satz. Dennoch kommt dann wieder eine ganz innige, unmodische Melodie, die dann- was weiss ich- eine Spannung zu dem was kommt erzeugt, zu einem Drive, den wir aus dem Jazz kennen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass den Compositeur viel Berechnung bei dieser Sonate geleitet hat. Er konnte es mit diesem Werk vielen Seinesgleichen zeigen, wo die Messlatte hängt.


    LG Damiro


    Ach astewes in # 2, du kennst so vieles an Musik, 10 (oder 11:/) x mehr als ich, dass ich dann nur noch bei dir lese. ;)

  • Ganz grübelig macht mich die Wertigkeit des musikalischen Materials seiner Themen. Das kann auf eine Art ins Triviale gehen, irgendwie einen Anklang ans Billige, Schlagerhafte haben.

    Du sprichst von der Motivik? Ist da nicht grundsätzlich Vorsicht geboten, die Qualität eines Kunstwerkes an einem bestimmenden Motiv festzumachen. Ich denke da immer an die Diabelli Variationen. Der Walzer von Diabelli scheint mir nicht für die Ewigkeit gedacht zu sein. Natürlich macht sich Beethoven hier in der Verarbeitung hin und wieder auch lustig, aber trotzdem...


    Vielleicht ganz interessant. Man hat bei den wundervollen Bearbeitungen der Chopin Etüden Godowsky eine Art Sakrileg vorgeworfen. Das kann passieren bei Verwendung hochwertigen musikalischen Materials :)

  • Ganz grübelig macht mich die Wertigkeit des musikalischen Materials seiner Themen. Das kann auf eine Art ins Triviale gehen, irgendwie einen Anklang ans Billige, Schlagerhafte haben. Zumindest denke ich dabei an Salonmusik und ihr entsprechendes Publikum.

    Ich habe mir nun die Sonate noch zweimal angehört und möchte dazu ein paar Bemerkungen machen.


    1. Man fängt doch an, die Struktur zu begreifen und das anfänglich wieder massiv wirkende Werk wird tatsächlich kurzweilig .... :)


    2. Der wundervolle erste Satz birgt Erinnerungen an Korngolds zweite Klaviersonate, zumindest empfinde das so. Aber anders als Korngolds Werk sucht Godwoskys Sonate nicht den Konzertsaal.


    3. Es bleibt (mehr oder weniger) charmant und ein wenig introvertiert.


    4. Mit den "billigen, schlagerhaften" Themen scheint mir der Walzerteil im vierten Satz gemeint zu sein (?), das B A C H Thema oder Dies irae kommen ja nicht infrage? Meine Einstellung zum Walzer hat sich grundlegend seit Forumsteilnahme geändert. Schuld daran ist Arnold Schoenberg mit seiner Bearbeitung des Kaiserwalzers.



    Das ist unzweifelhaft ein Kunstwerk mit Kunstwert. Wenn ich der Verarbeitung des Walzers bei Godowsky folge, bin ich schier beeindruckt, welche Tiefe er herausholen kann... und der letzte Satz mit seinen Bezügen zum ersten und seiner Fuge ist doch der "Burner" :P


    Ein Thema macht eben noch keine Musik.


    Ach astewes in # 2, du kennst so vieles an Musik, 10 (oder 11 :/ ) x mehr als ich, dass ich dann nur noch bei dir lese. ;)

    Das fände ich ausgesprochen schade. Wissen ist eine einfach zu erreichende Gabe. Ein Austausch über Musik ist sicher komplizierter und am Ende fruchtbarer.

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  • Ach, das vorige Konkurrenzgetue meinerseits verweht hoffentlich der Wind.


    Du hast begrifflich Motivik und Thematik unterschieden, was ich verschlampt hatte. Und ein gutes Beispiel, wie ich finde, ins Spiel gebracht. Die Streicherversion wird wohl irgendwie langweilig und sogar ätzend. Dann wieder übermässig ironisch und verzerrt , zum Schluss mit dem Deutschlandlied, ähm, sind das alles Austrianer oder gründliche Deutsche?


    Für den Original- Strauss muss man halt in Stimmung sein. Auch gern mit etwas Spirit usf.


    Ich würde dir bei "Tiefe" beipflichten, auf der CD die fünfte Abteilung, darin Trauermarsch im 2/2- Takt, welcher (der T.) gar nicht deplaziert wirkt und auch nicht lang ist. Ausserdem ist mir die Feststellung wichtig, dass viele Passagen und Thema-/Durchführungseinheiten entlang der ganzen Sonate sich ganz und gar nicht nach 3/4tel Takt anhören, aber es sind.


    (Ich hatte mich getäuscht, die verrückt schwierigen 64stel oder 96stel sind im vierten Satz bzw. Kästchen. )


    Inzwischen ist mir die Sonate wie ein Ohrwurm (ehrlicherweise male ich dabei...)


    LG Damiro




    .

  • Für den Original- Strauss muss man halt in Stimmung sein. Auch gern mit etwas Spirit usf.

    Ich mag diese Instrumentierung :)



    Inzwischen ist mir die Sonate wie ein Ohrwurm (ehrlicherweise male ich dabei...)

    Soweit bin ich noch nicht, aber zu meiner Überraschung finde ich dieses Werk jetzt auch unterhaltsam :)

  • Die litauische Pianistin Mûza Rubackyté hat die Sonate auf CD eingespielt. Leider ist sie beim Werbepartner nich vorhanden. Es gibt eine kleine private einspielung, die sie aber freigegeben hat. Hier fehlt nur der Mittelsatz :(


  • Die Sonate ist fünfsätzig; was genau fehlt, dürfte dann wohl der dritte Satz sein.


    Rubackyte spielt alle Sätze deutlich langsamer als z.B. Hamelin, sie spielt alles von Noten, in die sie auch fortlaufend hineinschaut. Es gibt Weltklassepianisten, die die jeweiligen Noten in der üblichen Schrägstellung des Notenständers vor sich haben, aus ganz verschiedenen Gründen. Die meisten Pianisten des klassischen Repertoires haben die Noten komplett in Kopf und Herz, im besten Fall. Sie können sich deshalb uneingeschränkt auf das Werk mit all seinen technischen und kompositorisch- interpretatorischen Details beschäftigen.


    In unserem Falle scheint die Pianistin sichtlich um die möglichst exakte Ausführung dieses riesigen Werkes bemüht.


    Ganz anders ging es dagegen beim ersten Konzert der 34.sten Theaterhaus Jazztage Stuttgart am Mo., 25.3. 2024 beim ungeheuer versierten, superjungen und konzentrierten Pianisten des Avishai Cohen Trios. Die Passagen der musikalischen Riffs waren fast alle so detailliert, rasant und vielseitig komplex, dass sie für alle drei Musiker notiert worden und exakt vom Notenpapier abgespielt worden sind, sodass schliesslich das Publikum - alles ältere, coole, erfahrene Kulturmenschen :yes: gehörig aufgekratzt und fast völlig begeistert war.


    LG Damiro

  • Die Sonate ist fünfsätzig; was genau fehlt, dürfte dann wohl der dritte Satz sein.


    So ist es!


    Rubackyte spielt alle Sätze deutlich langsamer als z.B. Hamelin, sie spielt alles von Noten, in die sie auch fortlaufend hineinschaut

    Ich habe den youtube Text so verstanden, dass sie kurzfristig für Freunde in der Coronazeit ein kleines Hauskonzert gegeben hat. Nachträglich gab es wohl die Veröffentlichungserlaubis. Die CD kam dann wohl später heraus.


    Rein technisch reicht sie wahrscheinlich nicht an Hamelin heran. Ich habe aber auch den Eindruck, dass das nicht viele können und das es vielleicht auch gar nicht so entscheidend ist. Hamelin spielt die Sonate mit einer Portion "Wiener Charme", die ja ganz offensichtlich auch drin ist, Rubackyté ist das fremd, so dass die musikalischen Strukturen sich nicht mehr verstecken können ;). Das finde ich eigentlich interessant.


    beim ungeheuer versierten, superjungen und konzentrierten Pianisten des Avishai Cohen Trios.

    Von Avishai Cohen habe ich auch schon sprechen hören. Vielleicht kannst Du ja im Jazz Bereich eine schöne Platte vorstellen. Da kenne ich mich leider noch nicht aus.

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  • Ich habe jetzt die Hamelin Aufnahme zweimal gehört,


    mein Eindruck ist zwiespältig, es gibt durchaus ansprechende Abschnitte, aber ein Sog entsteht da nicht. Das liegt sicher nicht an Hamelin, der spielt sehr, sehr gut. Ich werde sie heute oder morgen noch einmal anhören.


    Gruss


    Kalli

  • Die Aufnahme werde ich mir auch anhören, der Thread hier hat mich neugierig gemacht. :) Godowsky war eine faszinierende Persönlichkeit. Von ihm kenne ich aber bislang nur seine Paraphrasen der Chopin-Etüden. Es kann allerdings noch ein bisschen dauern. Aber ich werde Rückmeldung geben. :hello: