Zuzana Růžičková - Grande Dame des Cembalos

  • Die erste Begegnung mit dem Silberklang des Cembalos verdanke ich dieser Musikerin. Es war eine grüne LP-Box, das ein Instrument mit bemaltem Deckel zeigte.


    Zuzana Růžičková (1927-2017) wurde in der Tschechoslowakei in eine jüdische Familie geboren. Sie zeigte früh musikalische Begabung, mit der sie schon als Kind Günther Ramin beeindruckte. Zur Zeit der Besetzung durch Nazi-Deutschland wurde sie 1942 mit ihrer Familie nach Theresienstadt, später nach Auschwitz deportiert, musste im KZ Neuengamme Zwangsarbeit leisten und kam zuletzt in das Lager Bergen-Belsen. Von ihrer Familie überlebten nur sie – gemäß eigener Aussage dank Fredy Hirsch – und ihre Mutter diese Zeit. Ihr Vater und ihre Großeltern starben in Theresienstadt.


    Nach der Befreiung studierte sie Musik in Plzeň und 1947 bis 1951 an der Akademie der musischen Künste in Prag (Klavier bei Albín Šíma und František Rauch, Cembalo bei Oldřich Kredba). 1951 trat sie erstmals als Cembalistin öffentlich auf. Ihre Karriere, die fast von den Nazis verhindert worden wäre, führte sie auch nach dem Krieg mit einer Kraft weiter, die sie nach eigenen Aussagen der Musik Johann Sebastian Bachs verdankt. „Bach hat mir dann gezeigt, dass es etwas gibt, das uns transzendiert. Da ist man sich plötzlich sicher: Gut, Menschlein, du bist vollkommen am Boden zerstört. Aber es gibt etwas, das über dir ist, eine Ordnung.“


    Als allererste nahm sie Bachs gesamtes Klavierwerk auf dem Cembalo auf. Der Gewinn des Musikwettbewerbs der ARD in München 1956 wurde Ausgangspunkt einer internationalen Solistenkarriere. 1962 gründete sie gemeinsam mit Václav Neumann die Prager Kammersolisten. Reisen ins nichtsozialistische Ausland wurden ihnen gestattet, da der Staat durch ihre Auftritte Devisen einnahm; 80 % ihrer Gagen waren abzuführen. Regelmäßig trat sie gemeinsam mit Kammermusikpartnern wie Josef Suk, Aurèle Nicolet, Pierre Fournier oder Jean-Pierre Rampal auf. Meisterklassen leitete sie beispielsweise in Zürich, Stuttgart, Budapest oder Tokio. In der Tschechoslowakei jedoch durfte sie damals das Fach Cembalo nicht unterrichten, weil der herrschenden Ideologie zufolge das Cembalo als „feudales und religiöses Instrument“ galt. Von 1978 bis 1982 lehrte sie als Gastprofessorin an der Musikakademie Bratislava. 1990 erhielt sie eine Professur an der Akademie der Musischen Künste Prag.


    Růžičkovás Repertoire reichte von den englischen Virginalisten bis zur Moderne. Im Mittelpunkt stand Johann Sebastian Bach. Dessen Gesamtwerk für Cembalo spielte sie 1975 für das französische Label Erato ein. Diese Gesamtaufnahme wurde 2016 als Remastering der Originalbänder bei Warner Classics veröffentlicht. Als Solistin nahm sie an zahlreichen Bachfesten teil, unter anderem in Stuttgart und Oregon.


    1952 heiratete Zuzana Růžičková den tschechischen Komponisten Viktor Kalabis (1923–2006), der mehrere Werke für sie schrieb.


    Ehrungen

    Unter den zahlreichen Preisen und Ehrungen, die ihr zuteil wurden, waren u. a. der Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres des französischen Kulturministeriums (2003) und die Verdienstmedaille des tschechischen Staates für ihr Lebenswerk (2003).


    Quelle Wikipedia



    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • zuzana-ruzickova-die-konzerte-fuer-cembalo-und-orchester-nr-1-17.jpg


    Diese Schallplatten habe ich als Student gekauft, immer wieder gehört und geliebt, auch wenn sie schon in den 80er nicht mehr den Standards entsprachen, wie man Bach aufführte.

    Es sind trotzdem wunderbare Aufnahmen; schade, dass es diese Box nicht mehr gibt.

    Eine Auswahl dieser Aufnahmen gibt es in diesem Set, auf das Moderato (Danke, dass Du zu dieser groß0artigen Künstlerin einen Thread begonnen hast!) hingewiesen hat:



    Gern möchte ich auch einmal ihr Buch lesen:


    Zuzana Ruzickova:

    Lebensfuge. Wie Bachs Musik mir half zu überleben


    Buchinformation:

    Es war der Anfang einer Sarabande von Johann Sebastian Bach, notiert auf einem Zettel, der Zuzana Ruzickova in Auschwitz die Kraft zum Überleben schenkte. In den schlimmsten Stunden ihres Lebens gab Bachs Musik ihr neue Hoffnung.
    "Die drei Tage, die wir im Viehwagen eingesperrt waren, da hab ich immer die Sarabande angeschaut, dieses Stück Papier, und hab mir alles im Kopf gespielt, was ich von Bach kannte." Zuzana Ruzickova überlebte als Jugendliche vier Konzentrationslager. Mit zerschundenen Händen kehrte sie nach Prag zurück, wo ihr das scheinbar Unmögliche gelang: Sie wurde eine der bedeutendsten Interpretinnen der Cembalomusik Johann Sebastian Bachs. Noch unter den Repressionen des kommunistischen Regimes war Bachs Musik ihr Lebenselixier. Aus ihr schöpfte sie die Gewissheit, dass es "etwas gibt, das über Dir ist, eine Ordnung." Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde Zuzana Ruzickova zur weltweit gefeierten Künstlerin. Dieses Buch ist das Vermächtnis ihres Lebens.


    Mit freundlichen Grüßen aus dem Nordwestern, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“