Gesangspartien
Als Paul habe ich den besten Klaus Florian Vogt gesehen, den ich bisher libe erleben durfte. Diese Rolle ist wirklich seine - wir sprachen neulich in seinem Thread über die Art von Held den er im Wagner-Fach verkörpert. Den Korngoldschen Antihelden macht er zum Erlebnis und zwar weil er die Rolle richtig er-lebt. Seine zwar inzwischen dunklere, aber doch relativ weiche und lyrische Stimme (die übrigens genau richtig sitzt) passt optimal. Natürlich ist sie auch kräftig genug, um gegen das große Orchester anzukommen. Das kann man von den Nebenrollen an diesem Abend nämlich leider nicht sagen. Für KFV gab es berechtigten donnernden Applaus und Jubelrufe.
Partnerin auf Augenhöhe ist Vida Mikneviciute als Marietta. Ich lass Kritiken früherer Aufführungen dieser Produktion in den letzten Jahren. Da scheint die Litauerin wirklich die erste gleichwertige Partnerin für KFV zu sein. Manchmal ein wenig zu viel Vibrato für meinen Geschmack (ich brauche davon stets nur wenig), dafür aber stupend an den leisen Stellen - großartig! Dagegen fallen die kleinen Rollen wie erwähnt deutlich ab. Daniel Schmutzhards Frank ist z.B. deutlich zu kraftlos und Katja Piewecks Brigitte war kaum zu hören.
Orchester
Yoel Gamzou hatte ich dieses Jahr schon mit einer leider kraftlosen Tosca gehört. Korngolds Partitur verleiht er aber die ihr innewohnenden Abgründe, den spätromantischen Melos und die symbolistische Klangfreude. Der Klang der Philharmoniker erinnert an Strauss und mich immer mal wieder an die Frau ohne Schatten, die ja nahezu zeitgleich entstand und ebenfalls symbolistisch ist. Hier stimmt für mich fast alles, der Klangkörper wechselt blitzschnell von breiter Emphase zu geheimnisvoller Bedrohlichkeit - so wünsche ich mir das. Gamzou legt die Dynamik auf die beiden Hauptcharaktere aus und verpasst es zu Beginn die Philharmoniker an die Leine zu nehmen, damit Frank und Brigitte angemessen zu verstehen sind. Aber das sind nur kleine Abzüge.
Inszenierung
Die Produktion von 2014 ist auf weite Strecken eher unauffällig. Die tote Stadt Brügge wird - warum auch immer - an den Strand verlegt (also nach Oostende?). Ein wüster, dreckiger, toter Strand mit verschiedenen Accessoirs die einfach herum liegen und von Paul und Marietta benutzt werden (Spiegel, Bild, Laute, Sand, Rosen). Das geht für mich in Ordnung, auch wenn es optisch nicht der große Bringer ist und der Strand mir nichts aufregendes neues erschließt. Dass es um "die Tote", um Verfall und Verlorenheit geht wird deutlich.
Am markantesten und dynamischsten sind die Theatergruppe als Schattenspiel und besonders markant der Kinderchor im 3. Akt. Als Schreckensbild Pauls kommen die Kinder als Zombies in die tote Stadt bzw. Strand. Eine Reminiszenz an die Filmserien der Popkultur. Mit dieser seltsamen ruckhaften Bewegungen und dem zwischen Horror und Parodie changierenden Bild kann ich persönlich allerdings weniger anfangen. Ansonsten ist die Personenregie eher statisch bzw. minimalistisch. Ist in Ordnung aber nicht herausragend.
Fazit
Ein eindrücklicher Abend. Man sollte diese Produktion gesehen haben. Wie erwartet ist KFV ein Erlebnis und in einer Paraderolle zu erleben. Und Korngolds Oper ist halt auch eine wirklich starke Partitur, eine der großartigsten deutschen Opern nach Wagner, wie ich finde. Auf den Gängen hinterher war übrigens breite Bewunderung für KFV zu hören und angeregte Diskussionen über die symbolistische Partitur. Das ist doch alles was man sich wünschen kann.