Schostakowitsch: Streichquartette

  • Moin,


    da ich keinen Thread über die Streichquartette von Schostakowitsch gefunden habe, fange ich einfach mal an.


    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich keine Aufnahme besitze. Meine Frau mag keinen Schostakowitsch. :( Sie blockiert alle Versuche Schostakowitsch zu hören.


    Für das Streichquartett-Rätsel habe ich mir aber eine Aufnahme ausleihen können.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Die Leigabe, die mir sehr gut gefällt:



    "Im Jahr 1960 entstand das ACHTE STREICHQUARTETT mit dem ungewöhnlichen Satzaufbau Largo - Allegro molto - Allegretto - Largo - Largo. Die drei zentralen Sätze entsprechen durchaus dem äußeren Rahmen eines Sonatenzyklus, atypisch sind jedoch die beiden umrahmenden Largo-Sätze. Sie verweisen tatsächlich auf eine Trauermusik für Streichquartett.


    Schostakowitsch hielt sich 1960 für einige Tage in Dresden auf, um seine Arbeiten zur Filmmusik von "Fünf Tage - Fünf Nächte" zu beenden. Der Eindruck der teilweise immer noch zerstörten Stadt und die schrecklichen Berichte von dem verheerenden Bombenangriff im Februar 1945 veranlassten Schostako¬witsch innerhalb von drei Tagen diese zutiefst tragische Musik niederzuschreiben. Die Widmung lautet: "Dem Gedächtnis der Opfer des Faschismus und Krieges." Seine starke persönliche Betroffenheit drückte Schostakowitsch mit der Verwen¬dung des Anagramm Themas d - es - c - h (den Initialen seines Namens) aus. Es zieht sich durch das ganze Werk, erlangt aber speziell in den beiden Ecksätzen eine herausragende Bedeutung."


    Aus dem Textheft von Gottfried Blumenstein

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Das von Stefan bereits genannte 8. Quartett scheint mit großem Abstand das bekannteste zu sein (es ist auch das, was ich am besten kenne). Ich habe außer einigen Einzelaufnahmen seit kurzem die gesamte Box mit dem Brodsky-Quartett (14,99! bei jpc, wenn sie's noch haben...). Beim 8. und wohl auch anderswo (ich habe von denen leider nur eine CD) ist die ältere Melodiya/BMG-Aufnahme (in dieser Form vergriffen) mit dem Borodin-Quartett wesentlich expressiver; die spielen wirklich ums Leben, indes vielleicht nicht jedermanns Sache bei einem ohnehin biographisch und emotional aufgeladenen Werk. Die Brodskys sind nicht schlecht, aber eben sachlicher.


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    Von dem Dresden-Erlebnis abgesehen dürfte das Quartett allgemein in den Kontext der früher entstandenen 8. und 10. Sinfonie gehören; jedenfalls die 10. enthält ebenfalls das d-es-c-h-Motiv und die Erfahrung des Krieges und der Schreckensherrrschaft Stalins sind wesentliche Aspekte dieser Werke. Es ist offiziell den "Opfern von Faschismus und Krieg" gewidmet, laut seiner Tochter widmete der Komponist das Werk jedoch sich selbst...
    Im 8. Quartett tauchen außerdem die aus dem Finale des 2. Klaviertrios bekannte "jüdische Volksweise" (über dem brutalen Rasen des 2. Satzes) auf, sowie die Melodie eines Liedes sibirischer Gefangener aus dem 19. Jhds
    (ca. in der Mitte des 4. Satzes) und ein Zitat aus Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk", die damals noch verboten war. (Letztere Information habe ich aus dem Booklet der Borodin-Q.-CD). Der dritte Satz ist ein grotesk-ironisches allegretto mit Tanzelementen, ebenfalls dominiert vom D-Es-C-H-Motiv, der letzte Satz analog zum Kopfsatz langsam und fugiert, mit verwandter Thematik, die wiederum auf dem "Monogramm-Motiv" basiert.


    Da ich nun die Komplettbox habe, werde ich vielleicht in den nächsten Wochen zu einigen anderen Quartetten mich sporadisch äußern, aber wie gesagt, kannte ich bisher erst ca. ein Drittel der Werke. Es wäre schön, wenn einige Schostakowitsch-Experten, so es sie hier gibt, mitmachten...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,
    auch ich habe mich in den letzten Tagen mit den Streichquartetten von Dimitri Schostakowitsch auseinander gesetzt, nachdem ich mir die folgende Box von Brillant unter den Weihnachtsbaum gelegt hatte.



    Die Box ist bei JPC für phantastische 9,99 € erhältlich. Mir gefallen die Aufnahmen ausserordentlich gut und auch klanglich gibt es nichts auszusetzen.


    Zum Kauf einer Box der Schostakowitschen Streichquartette motiviert wurde ich durch einen Artikel in "Partituren - Das Magazin für Klassische Musik".


    Hier geht es unter der Überschrift "Meisterwerk in drei Tagen" u.a. um das 8. Streichquartett Op. 110, welches ja später in der Bearbeitung von Rudolf Barschai als Kammerssymphonie Op. 110a sehr berühmt wurde.


    Laut Partuturen geht es in dem Stück nur um den Komponisten selbst. Bei näherer Betrachtung entdecke man die Spuren eines vom Stalinismus verwüsteten Lebens und verschiedene Zitate aus vorangegangenen Werken (ich kann das nachvollziehen. Das Stück zieht bei aller Genialität ganz schön runter).
    In den Programmheften lese man allerdings, das Werk sei im zersörten Dresden entstanden und den Opfern von Krieg und Faschismus gwidmet. Auf Wikipedia lese ich ähnliches. Auch das Beiheft von Brillant geht in die Richtung. Wer hat recht?

    In Ergänzung zu den Streichquartetten empfehle ich die Doppel CD Chamber Symphonies von und mit Rudolf Barshai und dem Chamber Orchestra of Europe.
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    Ich selbst habe mir die Streichquartette in Ergänzung zu den Kammersinfonien besorgt. Und prompt hab ich mich ins zweite Streichquartett Op. 68 verliebt. :wacky:


    Herzliche Neujahrsgrüße
    Euer Gallo

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • hallo prosit neujahr
    eine ganz tolle einspielung dieses quartetts findet ihr auf "Black Angels" vom Kronos Quartett ( wobei nebenbei die ganze CD :jubel: ist )

    außerdem ist die gesamteinspielung der quartette von Schostakowitsch von meinem Lieblingsquartett, dem Emerson String Quartet, auch eine schwere Empfehlung. Sie spielen zwar nicht "um ihr leben" (gute Beschreibung der Borodin - Interpretation von JR), aber ihr eher esoterisch, feiner Ansatz gefällt mir ausgesprochen gut, außerdem ist diese Gesamtaufnahme klangtechnisch eine wucht.

    lg
    d.

    Es gibt kaum etwas Schöneres, als dem Schweigen eines Dummkopfes zuzuhören

  • ich habe (seit langem) die gesamteinspielung mit dem borodinquartett, -da ist auch noch das klavierquintett mit swjatoslaw richter dabei-, und seit 1 jahr die des rubioquartetts. ich kann mich nicht entscheiden, welcher ich den vorzug gebe, da jedes quartett (ich meine das werk) ein derartiges juwel an eigenständigkeit darstellt und ich bei jedem hördurchgang neue facetten entdecke. im gegensatz zu seinen 15 sinfonien, die sich für mich in eher unerträgliche und großartige teilen, finde ich seine 15 streichquartette ausnahmslos großartig.
    :hello:


    ps: für interessierte neueinsteiger ist die brilliantbox mit dem erwähnten rubioquartett ein ganz heißer tip, wegen des verführenden preis/qualitätsverhältnisses!

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Als grosse Liebhaber der Streichquartette von Schostakowitsch (insbesondere der Nummer 15) ist uns aufgefallen, dass das St Petersburg String Quartet noch nicht genannt wurde.
    Das russische Quartett wurde 1985 gegründet und nahm bei Hyperion total fünf CD's mit sämtlichen Quartetten auf.
    Das St Petersburg Quartet gestaltet bei aller klanglichen Brillanz und agogischen Intensität nicht übertrieben pathetisch. Gerade im Bereich des Piano und Pianissimo verfügt das St Petersburg String Quartet über einen erstaunlichen expressiven und klanglichen Variationsreichtum, bei dem selbst das letzte Erstreben eines Tones noch kontrolliert und wohlgesetzt ist.



    Herzliche Neujahrsgrüsse


    romeo&julia

  • Hallo Freunde des Schostakowitschen Streichquartetts,


    als ich mich vor einigen Tagen das erste Mal zum Thema äußerte, hatte ich nur das zweite und achte und dreizehnte gehört. Zwischenzeitlich habe ich 1,3,4 und 5 nachgeholt. Was soll ich sagen. Mir geht es wie dem observator. Ich höre mal 1 dann 3 dann möchte ich unbedingt 8 noch mal hören. Dann lese ich etwas über 4 und muss mich sofort wieder damit auseinandersetzen. Nimmt 5 da etwas von 8 vorweg? Nochmal kurz reinhören! Dann doch nochmal 2…
    Auch für mich gibt es hier bis jetzt nicht das Highlight. Ich möchte die Quartette einfach immer und immer wieder hören. Ganz zum Leidwesen meiner Frau. Hier geht es mir leider wie Radagast. Sie kann das nicht ertragen! „Wie kann man sich so was anhören!“ schimpfte sie jüngst :motz:. Gott sei Dank gibt es Kopfhörer. Wie ist das bei dir Radagast? Ich denke, bei meiner Frau liegt das daran, dass sie nur selten die Muße findet, sich zu 100 Prozent mit einer Musik auseinanderzusetzen. Schostakowitsch im Allgemeinen und seine Kammermusik im Speziellen sind nichts zum nebenher hören. Ich für meinen Teil habe mir Literatur besorgt und verschlinge auch das sehr ausführliche Beiheft der Rubio Box. Auch die anderen Schostakowitsch Threads hier im Forum geben viel her. Ich nehme die Musik durch dieses Wissen noch viel intensiver wahr. Ich habe mir fest vorgenommen in den nächsten paar Tagen ein paar dieser Randinformationen niederzuschreiben und hier kund zu tun.


    Ehrlich gesagt war es bei mir aber auch keine Liebe auf den ersten Blick. Beim ersten reinhören dacht ich auch erst: „Ups. starker Tobak.“ Vor allem beim 8ten. Aber seit ich mich intensiver damit beschäftige kann ich nicht mehr davon ablassen.


    Ach Mensch! Ich wollte mich doch zum Auftakt des Mozartjahres intensiv mit Wolfgang Amadeus auseinandersetzen. :rolleyes: Und jetzt das!
    Naja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. :yes:


    Liebe herzliche Grüße
    Euer Gallo

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

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  • Nein, kein Grund!
    Aber ich kenne diese Reaktionen auf seine Musik: Das ist vielen zu rückhaltlos emotional, zu direkt, zu depressiv. (Meiner Meinung nach der einzige Komponist, der es geschafft hat, dass sogar reine Dur-Akkorde völlig trostlos klingen.)
    Mich würde interessieren: Ist die Ablehnung prinzipiell, oder ist über diverse Werke wie das Erste Klavierkonzert, die Jazz-Suiten und das "Lied der Wälder" etwas zu machen?
    Ich habe einer lieben Freundin, die Schostakowitsch gehasst hat, ihn über genau diese Werke näher gebracht. Jetzt ist sie restlos fasziniert und begistert sich sogar für seine extremsten Werke wie die "Nase".

    ...

  • Hallo Edwin,
    die Abneigung könnte grundsätzlicher nicht sein :kotz:. Erst vor ca. 90 Minuten wurde mir abermals klar gemacht, dass wir bei DSCH wohl nie zusammenkommen werden. Aber man soll nie, nie sagen.
    Die von Dir genannten Werke werde ich besorgen und heimlich beimischen :D
    Ich hoffe ich kann dann ähnliche Erfolge feiern wie Du. Mein großes Ziel ist Lady Macbeth :beatnik:


    Liebe Grüße aus Ulm
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Hallo,


    also, ich habe da ganz andere Erfahrung gemacht. Gerade Leute, die vor der Musik des letzten Jahrhunderts eher weglaufen, fühlen sich durch die DSCH-Quartette eher fasziniert angezogen, eben WEGEN der Rückhaltlosigkeit, Emotionalität, Direktheit und Depressivität.


    Dies fiel mir besonders auf bei einem Live-Konzert mit dem Borodin Quartett, das an 5 Abenden s#mtliche Quartette aufführte.


    Wenngleich es fast nach jedem einzelnen Werk eine ungewöhnlich lange Zeit totenstill war, tobten die Emotion und Gespanntheit bei den Zuhörern scchweigend im Raum.



    Ich glaube, dass diese Musik sehr viel Traurigkeit in sich trägt (wie oft trägt das Cello in langen Tönen sanft die Terz), und das wird auch bei Laien mitgefühlt. Dazu kommen leicht erkennbare und nachvollziehbare Melodien, aber auf höchstem Niveau verarbeitet.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo Edwin,


    ich erlaube mir, das folgende aus dem Thread "Musikalische Vorsätze für 2006" hierher zu verschieben, denn hier gehört es hin...


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo C. Huth,
    ich weiß gar nicht, ob die Borodins mehrere Einspielungen gemacht haben, oder ob Melodija nur die Lizenzrechte nacheinander an mehrere Westfirmen verkauft hat. Ich habe jedenfalls die Einspielung auf EMI.


    Ich finde derzeit mindestens zwei Einspielungen, von denen ich nicht vermute, dass sie identisch sind:


    Einmal eine auf Chandos veröffentlichte, bei der merkwürdigerweise die letzten beiden Quartette fehlen:



    Und dann die nicht mehr erhältliche Melodya-Box, auf der wirklich alle Quartette drauf sind:



    Für den Fall, dass man an die zweite Box nirgendwo mehr rankommt, bleibt einem ja nur die erste. Dann fehlen zwei Quartette, wovon man eines - das 15. - jedenfalls in einer Teldec-Einspielung noch dazukaufen könnte:



    Das 14. Quartett fehlte dann ganz. Naja.


    Jetzt bin ich hinsichtlich der Aufnahmen hinreichend verwirrt. Weiß hier jemand genaueres zu berichten?


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo,


    es gibt zwei Zyklen des Borodin Quartetts. Der erste (aus den 60ern, jetzt bei Chandos erhältlich) gedieh allerdings nur bis zur Nummer 13, da dann zwei der Künstler auswanderten (oder sich vielleicht auch absetzten).


    Beide Zyklen gelten fast als "Muss-Man-Besitzen", wobei der ältere meist noch höher eingeschätzt wird.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Danke, Theophilus,


    Das verschafft mir Klarheit. Die Chandos-Aufnahme ist mithin der erste Zyklus, die Melodya-Aufnahme der zweite. Derzeit kriegt man nur den ersten auf dem normalen Markt, was ja nicht weiter tragisch ist....oder sehe ich das falsch?


    Also halte ich die Augen auf danach!


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Kürzlich haben wir die neuste Einspielung des
    Petersen-Quartetts gekauft, enthalten sind folgende Stücke;
    Streichquartett Nr. 1
    Streichquartett Nr. 4
    Klavierquintett op. 57



    Das Petersen-Quartett hat sich schon verschiedentlich für das Streichquartett im 20. Jahrhundert verdient gemacht. Es wurden Werke von Schulhoff, Ravel Milhaud, Lekeu oder auch Chausson aufgenommen.


    Aber nun zu Schostakowitsch, die drei Werke, die das Petersen-Quartett eingespielt hat, markieren wichtige Stationen auf dem Weg Schostakowitschs zur Kammermusik. Das Erste Streichquartett entstnd 1938, als Schostakowitsch nach dem zweifelhaften Erfolg der Füünften Sinfonie in eine Schaffenskrise geraten war, und blieb zunächst erfolglos. Mit dem Klavierquintett von 1940 dagegen wollte sich der Komponist nicht zuletzt eine Gelegenheit verschaffen, als Pianist aufzutreten. Erst ab 1944 folgte dann die Fortsetzung des Quartett-Zyklus und sollte im Vierten Streichquartett (1949) einen ersten Höhepunkt erreichen.
    Das Petersen-Quartett verleiht dieser unter schwierigsten Umständen geschriebenen geprägten Musik die nötige Ambivalenz. Die vier Streicher erzielen mit ihrem Non-Vibrato-Spiel fahle, fast gespenstige Effekte. Andernorts packen sie dagegen kräftig zu, und durchweg lassen sie mit ihrer hohen ensembletechnischen Disziplin aufhorchen.


    Beste Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo zusammen,


    ich bekenne mich ebenfalls als Liebhaber dieser Musik. Die Quartette in der schon mehrmals genannten Ausgabe mit dem Borodin-Quartett bei Melodya war eigentlich auch meine erste systematischere Beschäftigung mit der Kammermusik. ( wenn man diese mal im Kern aufs Streichquartett fokussiert ).
    Ich erhielt sie zum Geburtstag und es gibt immer wieder Phasen, wo ich mich daran nicht satt hören kann, ohne eigentlich einen Favoriten benennen zu können. Die schon angesprochene emotionale Direktheit in diesen Kompositionen ist erschütternd, aber auch der teils raffinierte Aufbau.


    Großartig ist auch das Klavierquintett, das ja in einer Aufnahme mit S.Richter in der Box enthalten ist, eine grandiose Interpretation.


    Insgesamt die Box auch aufnahmetechnisch gut gelungen.


    Gruß
    Sascha

  • Zitat

    Original von C.Huth
    Das verschafft mir Klarheit. Die Chandos-Aufnahme ist mithin der erste Zyklus, die Melodya-Aufnahme der zweite. Derzeit kriegt man nur den ersten auf dem normalen Markt, was ja nicht weiter tragisch ist....oder sehe ich das falsch?


    Also halte ich die Augen auf danach!


    Im ersten "Zyklus" fehlen IIRC die letzten beiden, weil die noch nicht geschrieben waren...bei Chandos ist der inzwischen wohl gelandet, weil einer oder beide der Emigranten dort u.a. als "Borodin-Trio" aufgenommen haben.
    Die Sache wird dadurch verkompliziert, dass es vereinzelte noch spätere Aufnahmen des Quartetts in etwas anderer Besetzung bei Teldec und Virgin gibt...die abgebildeten einzelnen Melodiya/BMG CDs sind evtl. vereinzelt noch zu finden


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • WOW. Die Fan-Gemeinde wird ja immer größer und ich stelle fest, am Borodin-Quartett kommt wohl keiner vorbei! Diesbezüglich muss ich noch einmal einen Beitrag von Edwin aus dem Thread Musikalische Vorsätze für 2006 zitieren.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Die Emersons sind völlig anders, abgeklärter, kühler, begreifen Schostakowitsch schon eher als einen Exponenten des Klassiker-Museums, den man einmal auf eine neue Weise betrachten muss. Die Borodins - wie steht's weiter oben so perfekt? - die spielen, als ginge es um ihr Leben. Ich habe da immer das Gefühl, dass sie um etwas wissen, das in dieser Musik zwischen den Noten vorhanden ist und das sich anderen Quartetten nicht so mitteilt. Ich weiß, dass es pathetisch klingt, aber wenn die Borodins das Fünfzehnte Quartett, namentlich den Epilog, spielen, steigen mir Tränen in die Augen.


    Nun eine Erklärung hierfür findet sich vielleicht im Beiheft dieser Aufnahme.


    Schostakowitsch, Dimitri (1906-1975)
    Klavierquintett op. 57

    +2 Stücke für Streichoktett op. 1;
    5 Stücke für 2 Violinen & Klavier;Adagio &
    Allegretto für Streichquartett
    Blackshaw, Shave, Baillie, Brodsky Quartet



    Ich weiß - ist keine Borodin Aufnahe, hat auch nix mit den 15 Streichquartetten zu tun, aber es steht hier etwas sehr interessantes zu Schostakowitsch und seinem Verhältnis zum Borodin-Quartett. Demnach hat Schostakowitsch 1947 mit diesem Quartett zusammengespielt. Die Formation nannte sich damals noch Dubinsky-Quartett. An der Bratche war Barschai perönlich. Ein Fehler von Barschai während der Proben des von Romeo und Julia bereits angesprochenen Klavier Quintetts Op. 57 (Barschai setzte zu spät ein) gefiel Schostakowitsch so gut, dass er kurzerhand das Stück dahingehend änderte.


    Ob bei den hier angesprochenen Aufnahmen noch Musiker der Originalbesetzung von damals mitspielten entzieht sich meiner Kenntnis. Aber der Geist Schostakowitschs spielte bei dieser Formation sicherlich auch später immer noch mit. Werde mir wohl auch eine Aufnahme zulegen müssen.


    Herzliche Grüße
    Euer Gallo

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  • Hallo


    So weit ich herausfinden konnte, war der ursprüngliche Name des Quartetts "Quartett der Moskauer Philharmoniker" (geg. 1945). Die Besetzung für den 1. Schostakowitsch-Zyklus war:


    Rostislaw Dubinski und Jaroslaw Alexandrow - Violine
    Dmitri Schebalin - Viola
    Valentin Berlinsky - Cello


    Alexandrow musste 1974 aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Dubinski flüchtete 1976 in den Westen.


    Rudolf Barschai spielte 1945-1953 im Quartett, Nina Barschai 1947-1952.


    Das Quartett ist besonders auf russische Literatur spezialisiert (Zentrum Schostakowitsch). Es hat z.B. auch Schnittkes 1. Streichquartett uraufgeführt.


    Bekannte Partner waren Swjatoslav Richter, Natalia Gutman und Elisabeth Leonskaja.


    Sollte das Quartett noch existieren, hätte Valentin Berlinsky 2005 sein 60-jähriges Jubiläum feiern können!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Zumindest das 50jährige hat er erlebt (ca. 50 Jahre hat auch ein Geiger des Juilliard Quartetts in diesem Ensemble gespielt). Eine Einspielung von 1995 nennt noch Shebalin und Berlinsky . Der Primarius nach Dubinsky war Mikhail Kopelman (dürfte für den BMG/Melodiya-Zyklus zutreffen).


    viele Grüße


    JR

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  • Hallo JR


    Zitat

    Der Primarius nach Dubinsky war Mikhail Kopelman (dürfte für den BMG/Melodiya-Zyklus zutreffen).


    So ist es. Kopelman spielte von 1976-1996.



    (Robert Mann führte von 1946-1997 das Juilliard String Quartet.)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Es wurde bereits im Thread Dimitri Schostakowitsch ( Alllgemeiner Thread über seinen Stil ) darauf aufmerksam gemacht: Man kommt dem Werk Schostakowitschs wesentlich näher, wenn man über die Umstände unter denen das umfangreiche Werk Dimitri Schostakowitschs entstand, bescheid weiß. Im besagten Thread ist hierzu sehr viel zu lesen und ich empfehle auch jedem, der sich den Streichquartetten nähern möchte sich diese Informationen einzuverleiben. Auch im Thread über die 5. Sinfonie sind einige sehr wertvolle Informationen enhalten.



    Ich möchte im Folgenden versuchen ein paar für die Streichquartette relevante Hintergrundinformation zu liefen. Dies erweißt sich natürlich als umso schwieriger, als dass diese über einem Zeitraum von fast 40 Jahren, nämlich zwischen 1936-1974 entstanden. Ziel ist es, einen Grundstein zu legen, der dann weiter ausgebaut werden kann.


    Bereits 1917, im alter von elf Jahren, begann der kleine Dimitri zu komponieren. Seine erste Sinfonie lieferte er im Jahre 1925 im Alter von 19 Jahren als Diplomarbeit seines Kompositionsstudiums ab. Von da an begann der steile Aufstieg des Dimitri Schostakowitsch.


    In den ersten Jahren seiner kompositorischen Tätigkeit als fertig ausgebildeter Komponist dachte Schostakowitsch eher "Groß". Sinfonie und Oper waren die bevorzugten Genres. Doch er geriet zusehends unter Druck durch den russischen Staat – insbesondere durch Herr Stalin. Seine Musik sei zu negativ, der breiten Masse nicht zugänglich, nicht volkstümlich genug. Mit seiner 1932 entstandenen Oper Lady Macbeth von Mzensk hatte er bereits die Anerkennung der Presse und große Popularität beim russischen Volk genossen. Doch dann besuchte im Jahre 1936 Stalin mit seinen Gefolgsleuten diese Oper. Angeblich hat er bereits in der Pause die Oper empört verlassen. Nur zwei Tage später, am 28.Januar 1936, war in der „Prawda“ ein Artikel mit der Überschrift „Chaos statt Musik“ zu lesen – eine Abrechnung mit Schostakowitsch, seiner Oper und aller Avantgardekunst. Die Oper wurde verboten und Schostakowitsch lebte von nun an in Angst und Schrecken. Er wurde regelmäßig vorgeladen, eingeschüchtert, viel regelmäßig in Depressionen. Ich denke unser einer kann nicht nachvollziehen unter welchem Druck dieser Mann gestanden haben muss. Aus seiner Musik kann man es aber heraushören. Vielleicht klingt auch deswegen selbst Dur bei ihm trostlos.


    Der Forderung nach mehr Melodik und Bombast konnte er dann erst wieder mit der fünften Sinfonie nachkommen. Die vierte zog er aus Angst vor der russischen Staatsmacht sogar wieder zurück. Die fünfte jedoch war genau dass was die Genossen hören wollten. Trotz aller Ironie und Doppeldeutigkeit in seinen Musik, behielten die Sinfonien zu Lebzeiten Stalins (also bis zur 9ten) nun diesen eher offiziellen Charakter. Es heißt, seine intimen Gedanken vertraute er dem Streichquartett an. So entstanden in den Jahren 1938-1974 insgesamt 15 Streichquartette, die mit zu den Hauptwerken des zeitgenössischen Streichquartettrepertoires gehören dürften.



    Streichquartett Op. 49


    Im Sommer 1938 entstand in nur sechs Wochen sein erstes Streichquartett Op. 49, welches am 10. Oktober 1938 vom Glasunow-Quartett in Leningrad uraufgeführt wurde. In der Zeitung Iswestija erklärte Dimitri Schostakowitsch, er habe nach Fertigstellung der 5ten Sinfonie ein ganzes Jahr lang fast gar nichts gemacht, außer (eben) einem Streichquartett. Das Werk sei ursprünglich als eine Art Übung geplant gewesen. Er gesteht sich in dem Artikel ein, das Streichquartett sei eine der schwierigsten musikalischen Gattungen überhaupt. In diesem Werk, seinem ersten Streichquartett, sieht er ein fröhliches, verspieltes und lyrisches Stück ohne besondere Tiefe. Manche behaupten das Werk sei dem Vorbild Joseph Haydns verpflichtet. Ich selbst kann das nicht beurteilen, kenne ich hierzu das Werk von Haydn viel zu wenig. Ich stelle aber fest, dass sich dieses erste Streichquartett doch recht deutlich von anderen abhebt. Fröhlich und verspielt eben. Die Geburt seines Sohnes Maxim am 10. Mai könnte eine mögliche Ursache hierfür sein. Maxim selbst unterstellt anscheinend eher eine Doppeldeutigkeit des Werkes. Vielleicht ist die Ursache ja auch in der Rehabilitierung durch die 5te oder einfach in der Entdeckung dieses herrlichen Genre zu suchen.


    Puh – ist ja ganz schön was an Info zusammengekommen. Ich hoffe ich habe niemanden gelangweilt. Aber keine Angst, ich glaube nicht, dass sich das 14 mal wiederholen lässt. Wobei? ich bin ja nicht alleine... :D
    Über Ergänzungen oder auch Richtigstellungen bezüglich meiner Ausführungen würde ich mich freuen.


    Lieber herzliche Grüße
    Euer GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Nicht vergessen dürfen wir das wundervolle Hagen Quartett.



    Streichquartette Nr. 4, 11 & 14 vom Hagen Quartett


    Das Hagen Quartett kehrt die Ausdrucksentwicklung der Musik nach aussen und macht die Musik unmittelbar erfahrbar. Die Österreicher bewältigen die immensen musikalischen - nicht bloss spieltechnischen - Schwierigkeiten durch Intensität. Eine plötzliche Änderung der Dynamik reisst Abgründe auf, ein beiläufiger, formelhafter Kontrapunkt verdüstert die Musik unheimlich. Hier gibt es keine Routine, vielmehr spielt das Ensemble mit einer Emotionalität, die unmittelbar ist.
    Da verbleibt nur ein Wehrmutstropfen, dass das Hagen Quartett bis anhin keine weiteren Quartette Schostakowitschs eingespielt hat.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo ihr zwei,


    Zitat

    Original von romeo&julia
    Da verbleibt nur ein Wehrmutstropfen, dass das Hagen Quartett bis anhin keine weiteren Quartette Schostakowitschs eingespielt hat.


    Laut Homepage der Deutschen Grammophon haben die Hagens im November letzten Jahres die Quartette 3, 7 und 8 aufgenommen. Ich kann zwar noch kein Veröffentlichungsdatum finden, aber ich denke doch, die Veröffentlichung ist für dieses Schostakowitsch-Jahr vorgesehen ;)


    Bleibt als Wermutstropfen für mich, dass es die von Euch angezeigte Aufnahme derzeit nicht am Markt gibt. Aber vielleicht wird sie ja mit der neuen wiederveröffentlicht!


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Claus


    Schön dies von Dir zu hören. Da freuen wir uns bereits jetzt auf die angekündigte Hagen Quartett CD.


    Unser Lieblingsquartett ist wahrscheinlich das 15. Das Keller Quarett hat bei ECM eine schöne Aufnahme zusammen mit dem Klavierquintett von Alfred Schnittke eingespielt.
    Dmitrij Schostakowitsch vollendete das letzte seiner Streichquartette als schon Schwerkranker wenige Monate vor seinem Tode.
    Es gelingt dem zu beeindruckender Homogenität findenden Keller-Quartett faszinierend, die schwebende Tonalität in Schostakowitschs Quartett gleichsam allen stilistischen Debatten zu entheben und in pure Expressivität zu überführen.



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Die CD des schwedischen Streichquartettes Yggdrasil-Quartett mit den Quartetten Nr. 3, 7 & 8 können wir auch wärmstens empfehlen;



    Das dritte Quartett weist Folklore-Allusionen und schrille Dissonanzen auf mit einer ausgreifenden Klanglichkeit und einer eloquenten wie expressiven Kontrapunktik.
    Das siebte Quartett weist einen lakonischen Charakter auf.
    Das berühmte achte Quartet verbindet das D-S-C-H-Motiv mit einer ganzen Kette von genußreich ausgebreiteten Selbstzitaten.


    Übrigens wurde das achte Streichquartett bei Schostakowitschs Beerdigung gespielt.


    Das schwedische Yggdrasil-Quartett, gegründet 1990, zeigt hier nicht nur eine höchst genaue formale Zeichnung, sondern auch eminenten Klangsinn in ausgezeichneter Balance, dazu ein in den tiefgründigen langsamen Sätzen gezügeltes, in den Allegro-Teilen forsch losstürmendes Temperament.
    Das Yggdrasil-Quartett studierte an der Kgl. Hochschule für Musik in Stockholm, später beim Komponisten György Kurtag und beim Konzertmeister des Amadeusquartetts, Norbert Brainin.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo,


    ein wenig "Quellenstudium" ergab, dass viele Streichquartette von Schostakowitsch vom Beethoven-Quartett uraufgeführt wurden. Dieses Quartett wurde noch gar nicht erwähnt. Wie schaut es hier mit Empfehlungen aus? Aufnahmen werden die wohl auch gemacht haben.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Streichquartette kenne ich nur in der TOP-Aufnahme mit dem Borodin-Quartett (Eurodisc), die ich auf LP habe.


    Die hier schon angesprochene Brillant-CD-Box mit dem RUBIO-QUARTET besitze ich seit ein paar Tagen und bin begeistert. Das die Aufnahmen Klangtechnisch gut sein sollten, ist bei dem Aufnahmedatum 2002 DDD ziemlich klar. Aber auch interpretatortisch stehen diese der alten Borodin-Quartet-Aufnahme kaum nach.


    Nun muß ich sagen, das ich diese Art Musik nicht jeden Tag hören kann.
    Die Streichquartette sind sehr tiefgehende Musik (wie die Sinfonien), aber der Klang selbst mit vier Solostreichern läßt Erwartungen in mir offen. Das hat etwas mit Musik- und Klangästhetik zu tun.
    Mit dem folgenden Satz werde ich warscheinlich auf Unverständnis bei einigen Forianern stoßen, aber ich muß ich fast witzig sagen: Dieses andauernde Gequische kann ich mir nicht jeden Tag anhören :D .


    :yes: Da gefallen mir die DG-Aufnahmen von Rudolf Barshai für Streichorchester gesetzten Quartette op.110a und op.118a doch wesentlich besser.
    Weil ich diese Barshai-Aufnahmen sehr schätze und bestens kenne, liegt mir auch das Streichquartet Nr.8 op.110 am nächsten.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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