Tristan und Isolde - Wagners visionäre Oper

  • Hallo Christian,



    ich verstehe darunter die Tatsache, daß mit dem Tod das Diesseitige erlischt.


    Ob die "unsterbliche Seele" im Jenseits die Liebe zu einer Person mitnimmt und aufrechterhält, wer weiß.


    Eine doch recht romantische Vorstellung.


    Es grüßt


    Karl

  • Es ist mir wichtig zu betonen, dass ich hier keinen "absoluten Subjektivismus" propagiere.

    Ehrlich gesagt glaube ich, dass niemand hier dies tut. Sonst wäre eine Diskussion tatsächlich kaum möglich. Ich denke, alle, die sich hier zum Diskutieren versammeln, suchen den Austausch und damit einen Erkenntnisgewinn, der außerhalb ihrer selbst liegt. Sonst würde man sich ja nur äußern, um sich im Kreis zu drehen.

    Ich denke, ein Unterschied liegt eher in der Herangehensweise: Erschließe ich mir ein Werk über das persönliche Empfinden oder versuche ich einen objektiveren Zugang zu finden. Am Ende wird - bei mir - immer beides zusammenspielen müssen. Empfinde ich bei dem Werk nichts, sagt es mir nichts, werde ich mich damit nicht weiter befassen wollen.


    Präsentiert uns Wagner hier einen verlogenen Trost?

    Nein. Er führt nur konsequent zu Ende.

    Der ganze "Tristan" ist nur Liebe. Das vorherrschende (musikalische) Motiv ist das der Sehnsucht. Und diese Sehnsucht findet am Ende ihre Erfüllung. Im Tod. Aber der Tod ist eben nicht das Ende. Das könnte man nach so etwas wie Gott ist ewig, Gott ist Liebe, die Liebe ist ewig auflösen, aber zu christlich sollte man an Wagner wohl nicht herangehen. Mit Buddhismus und Nirwana ist man vermutlich besser bedient. Und es gäbe ja auch die Lesart, dass die Liebe von Tristan und Isolde ewig besteht, weil wir ihre Geschichte hören (und sehen).


    Was stürbe dem Tod

    Ich lese es so: Mit dem Tod stirbt (endet), was Tristans uns Isoldes Liebe hindert. Also die Tagwelt.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Atemberaubend wahrlich diese Groteske! Helmut Hofmann hat es richtig zusammengefasst: Gegen einen vom Ressentiment bestimmten Antintellektualismus, gegen die willkürliche Leugnung von Evidenzen lässt sich nicht mehr vernünftig argumentieren.


    Ich habe schlicht nur gesagt, was eine kunst- und literaturgeschichtlich unbestreitbare Tatsache ist, dass der Grund dafür, warum ästhetische Reflexionen verfasst werden nicht etwa nur von Philosophen, die aus einer Außenperspektive die Kunst betrachten würden, sondern von den Künstlern selbst, ist, dass Künstler nicht nur Kunstwerke schaffen, sondern mit ihren Werken eine neue Art von Kunst und des Kunstschaffens begründen wollen.


    Ebenso unbestreitbar ist, dass man Wagners "Tristan und Isolde" nur verstehen kann, wenn man die zum Werk gehörende Schopenhauer-Motivik versteht. Es wird einfach aus dem Bauch heraus ohne jede Fundierung durch eine rezeptionsgeschichtliche Untersuchung, also rein willkürlich, behauptet, das Publikum zu Wagners Zeiten hätte die Schopenhauer-Motivik nicht verstehen können. Deshalb gehöre sie nicht zum Werk und sie sei schlicht überflüssig für das Werkverständnis.


    Man sollte sich vielleicht einmal bemühen, den Zeitkontext zu vergegenwärtigen. Wenn man das nämlich tut, wird klar, dass Wagner mit 100%iger Sicherheit davon ausgehen konnte, dass die Schopenhauer-Motivik im Tristan unmittelbar verständlich war für das Publikum. Es gab nach der Verteibung Napoleons die Erstarrung der Restaurationszeit und die damit verbundene Enttäuschung des Bürgertums über die Welt. Es gab die gescheiterte 1848iger Revolution, an der sich Wagner beteiligte und als Revoluzzer steckbrieflich gesucht wurde. Er wäre standrechtlich erschossen worden, hätte man ihn verhaftet. Zum Glück hat Wagners Freund Franz Liszt seine Beziehungen spielen lassen und ihm die Flucht in die Schweiz ermöglicht. Welche Literatur wurde denn in dieser Zeit reichlichst gelesen, welche diese Stimmung des tief enttäuschten Bürgertums widerspiegelt? Es war die sentimentalische "Weltschmerz"-Literatur - berühmt und viel gelesen in dieser Zeit wurde etwa Byron. In diesen Kontext gehört auch ein Autor wie Nikolaus Lenau. In seinem Gedicht "Die drei Zigeuner", das Franz Liszt sehr eindrucksvoll vertont hat, heißt es, dass die Zigeuner die Welt "verrauchen, vergeigen und verachten" - womit der Dichter seine eigene tiefe Enttäuschung über seine Zeit und die daraus resultierende Weltverachtung zum Ausdruck bringt. Wenn man sich das vergegenwärtigt, dann versteht man auch, dass es eine Philosophie gab, die den Nerv der Zeit so traf wie keine andere: das war die von Schopenhauer mit ihrem radikalen Pessimismus, ihrem Grundgedanken der Weltverneinung und ihrer Erlösungssehnsucht. Schopenhauer wurde schließlich gelesen damals, allen voran von Wagner selbst, weil man sich in diesen philosophischen Gedanken wiederfinden konnte, die den Zeitgeist des Weltschmerzes wie in einem Brennspiegel verdichteten. Und genau deshalb hatte Wagners Tristan mit seiner Schopenhauer-Motivik auch so einen großen Erfolg.


    Für uns heute ist das freilich anders. Uns ist diese ganze Sentimentalität der Wagner-Zeit völlig fremd. Und genau deshalb müssen wir sie uns über Schopenhauers Philosophie vergegenwärtigen, wo sie uns zugänglich ist, also den sentimentalischen Sinn, den die Sentimentalität des 19. Jahrhundert-Publikums unmittelbar verstand, uns mittelbar vergegenwärtigen.


    Nicht zuletzt war Wagner fasziniert von Schopenhauers originellem Gedanken, wonach die Welterlösung durch die Kunst möglich ist. Wagners Tristan ist gleichsam die konkrete Einlösung dieses Schopenhauer-Gedankens. Das ist entscheidend für das Verständnis des Tristan, gerade auch des Liebestodes. In meinem Prozess, den Tristan zu verstehen, bin ich sicher noch lange nicht zuende. Den Gedanken des Liebestodes verstehe ich aber glaube ich schon sehr gut.


    Und man sollte das Urteil über Wagners philosophische Kompetenz den Philosophen überlassen. Wagners Dramentheorie gehört zu den bedeutendsten überhaupt und seine komplexe Begründung einer Ausdrucksästhetik der Musik auf der Grundlage von Schopenhauer ist singulär.

  • Ich habe schlicht nur gesagt, was eine kunst- und literaturgeschichtlich unbestreitbare Tatsache ist, dass der Grund dafür, warum ästhetische Reflexionen verfasst werden nicht etwa nur von Philosophen, die aus einer Außenperspektive die Kunst betrachten würden, sondern von den Künstlern selbst, ist, dass Künstler nicht nur Kunstwerke schaffen, sondern mit ihren Werken eine neue Art von Kunst und des Kunstschaffens begründen wollen.

    Hier liegen wahrscheinlich wieder eine Menge Missverständnisse zugrunde. Wenn es das ist, was Du sagen möchtest, wird es sicherlich Beispiele geben. Ich denke da an Rameau und seine Abhandlung über die Harmonien. Es ist trotzdem nicht klar, ob das nun der einzige Grund sein muss.


    Aber angenommen, es sei so, dann ist die argumentative Aussagekraft für das hier diskutierte Drama Tristan und Isolde nachzuweisen.


    Eine Herangehensweise über den Text direkt empfinde ich nicht als Antiintellektualismus, sondern ganz im Gegenteil als naheliegend und vernünftig. Die ganze Diskussion hier im Thread hat ja gezeigt, dass es doch einigen etwas gebracht hat, mich eingeschlossen!


    Nicht zuletzt war Wagner fasziniert von Schopenhauers originellem Gedanken, wonach die Welterlösung durch die Kunst möglich ist. Wagners Tristan ist gleichsam die konkrete Einlösung dieses Schopenhauer-Gedankens. Das ist entscheidend für das Verständnis des Tristan, gerade auch des Liebestodes. In meinem Prozess, den Tristan zu verstehen, bin ich sicher noch lange nicht zuende. Den Gedanken des Liebestodes verstehe ich aber glaube ich schon sehr gut.

    Das wäre doch eine Stelle zu zeigen, inwieweit der Schopenhauersche Gedanken hier etwas an Verständnis dazubringen kann, was im Drama so nicht zu finden ist. Wie ist der Liebestod also zu verstehen?

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  • Ich wüsste auch nicht, warum ich mich, der ich gewiss als Esel im Dr.-Holger-Kaletha'schen Sinne gelten darf, beleidigt sehen sollte. Das fällt ja auf ihn selbst zurück.


    Weit interessanter scheint mir dies:

    Den Gedanken des Liebestodes verstehe ich aber glaube ich schon sehr gut.

    Da bin ich ganz bei Axel:

    Das wäre doch eine Stelle zu zeigen, inwieweit der Schopenhauersche Gedanken hier etwas an Verständnis dazubringen kann, was im Drama so nicht zu finden ist. Wie ist der Liebestod also zu verstehen?

    Bitte.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Meinerseits darf ich anmerken, dass man uns Zeit für Korrekturen geben sollte. Wir sind nicht ständig on. Dieser Beitrag wird später gelöscht werden.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Die Schopenhauer-Motivik würde ich gerne von Holger erklärt bekommen. Dass wir im 19. Jh bei Opernbesuchern andere Kenntnishoruizonte zugrunde legen sollten als heute glaube ich gerne. Texthefte für Opernlibretti wurden wohl nur von Opernliebhabern gekauft, waren ehe keine Allgemeinlektüre. Für Wagner war seine Oper eine Bildungsanstalt. Schaut man sich in der Villa Wahnfried Wagners Bibliothek an sollte deutlich werden, aus welch umfassenden Literatur- und Ideen- resp. Philosophiestudium Wagners Denken genährt wurde. Holgers Hinweis auf rezeptionsgeschichtliche Aspekte ist ebenfalls zielführend, wenn man das Werk -auch in seiner Abgrenzung zu Gottfried von Straßburg- historisch einordnen und verstehen will.


    Ich verstehe ihn auch nicht dergestalt, daß dieser Zugang der einzig denkbare Zugang zu Wagners "Tristan und Isolde" sei. Insofern würde ich doch Helmut Hofmann und Dr. Holger Kaletha um die als vorzuenthalten angekündigte Ausführungen bitte.


    Lieb Grüße vom Thomas :hello:

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  • Die Schopenhauer-Motivik würde ich gerne von Holger erklärt bekommen. Dass wir im 19. Jh bei Opernbesuchern andere Kenntnishoruizonte zugrunde legen sollten als heute glaube ich gerne.

    Schopenhauers Philosophie war zu seinen Lebzeiten kein großer Erfolg beschiedem. Von daher nehme ich nicht an, dass Wagner die Kenntnis von "Die Welt als Wille und Vorstellung" selbst in gebildeten Kreisen voraussetzen konnte.


    Aber hier wären selbstverständlich soziologische Erkenntnisse von Interesse.

  • Insofern würde ich doch Helmut Hofmann und Dr. Holger Kaletha um die als vorzuenthalten angekündigte Ausführungen bitte.

    Ich würde es versuchen, möchte das aber lieber Dr. Kaletha überlassen. Er ist diesbezüglich der weitaus Kompetentere von uns Beiden.

    Ich bitte um Verständnis. Ich habe gute Gründe, von einer mangelhaften Kompetenz meinerseits zu sprechen.


    Notiz am Morgen danach: Ihre oben zitierte Forderung hat mir, geschätzter Herr Pape, eine schlaflose Nacht beschert.

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  • Lieber Holger, es gibt kunst- und literaturgechlichtlich keine unbestreitbaren Tatsachen. Es gibt einen fortschreitenden, sich präzsierenden Diskurs, aber die Erkenntnisse können nicht auf die gleiche Weise Tatsachencharakter für sich beanspruchen wie die Naturwissenschaften (und auch dort ist man vorsichtig und überprüft das gültige Modell). Die Attitüde, dass man TRISTAN nur verstehen kann, wenn man die zugrundeliegende Philosophie kennt, finde ich in ihrem Exklusivitätsanspruch schwierig. Diese Musik verstehen also nur Philosophen? Warum berührt und beschäftigt sie dann so viele Menschen? Wie mich, und ich bin kein Philosoph. Verstehe ich also nichts von der Musik, obwohl ich das Libretto inzwischen gut kenne und Fragen habe, die nicht sogleich zu beantworten sind? Es gab hier Beiträge zum Tristan, die mein Verständns erheblich gesteigert haben. Noch habe ich das Werk nicht komplett durchdrungen, aber ich begreife es besser als zuvor und könnte in einem Gespräch dazu differenziert Auskunft geben. Mit Schopenhauper habe ich mich jedoch vor 20 Jahren nur kurz auseinandergesetzt und ich erinnere wenig. Dass man die Musik nur mit philosophischen Kenntnissen über Schopenhauer verstehen kann, scheint mir eine arrogante Behauptung - auch wenn Schopenhauer zu einem tieferen Verständnis beitragen mag.


    Ich bedauere, das so direkt sagen zu müssen, aber das kann man so nicht stehen lassen.


    Viele Grüße

    Christian

  • Dass man die Musik nur mit philosophischen Kentnissen über Schopenhauer verstehen kann, scheint mir eine arrogante Behauptung - auch wenn Schopenhauer zu einem tieferen Verständnis beitragen mag.

    Spontane Anmerkung dazu, die mir in den Kopf gekommen ist: Ich habe mich beim Hören der Tristan-Aufnahmen mit dem legendären Lauritz Melchior auch so manches Male gefragt, ob diese lebenslustige Frohnatur, wie er von Zeitzeugen beschrieben wurde, den zugrundeliegenden Stoff so vollständig intellektuell durchdrungen hatte und genau wusste, was er da eigentlich singt oder ob das für seinen "Job" gar nicht nötig war. Er gilt ja für viele Liebhaber immer noch als der Tristan schlechthin. (Aber vielleicht tue ich ihm da auch Unrecht.)

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • mit dem legendären Lauritz Melchior auch so manches Male gefragt, ob diese lebenslustige Frohnatur, wie er von Zeitzeugen beschrieben wurde, den zugrundeliegenden Stoff so vollständig intellektuell durchdrungen hatte und genau wusste, was er da eigentlich singt

    Sind Dir nun diese Zweifel gekommen, weil Du in der Darstellung Schopenhauers "Nihilismus" vermisstest oder weil Dich die Darstellung in Zusammenhang mit dem dramatischen Geschehen auf der Bühne nicht überzeugte?

  • Sind Dir nun diese Zweifel gekommen, weil Du in der Darstellung Schopenhauers "Nihilismus" vermisstest oder weil Dich die Darstellung einfach so nicht überzeugte?

    Melchior hat den Tristan an die zweihundert Male gesungen und das wohl meist sehr überzeugend. Ob es für ihn dazu notwendig war, umfassend zu wissen, inwieweit beispielsweise Wagner bei der Schöpfung seines "Tristan" von Schopenhauer oder anderen Denkern befruchtet wurde, bezweifle ich. Ich kann mich aber auch irren, da ich noch keine umfassende Biographie Melchiors gelesen habe.

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Melchior hat den Tristan an die zweihundert Male gesungen und das wohl meist sehr überzeugend. Ob es für ihn dazu notwendig war, umfassend zu wissen, inwieweit beispielsweise Wagner bei der Schöpfung seines "Tristan" von Schopenhauer oder anderen Denkern befruchtet wurde, bezweifle ich. Ich kann mich aber auch irren, da ich noch keine umfassende Biographie Melchiors gelesen habe.

    Eigentlich hast Du meine Frage nicht beantwortet. Das hätte mich aber interessiert.

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  • Sind Dir nun diese Zweifel gekommen, weil Du in der Darstellung Schopenhauers "Nihilismus" vermisstest oder weil Dich die Darstellung in Zusammenhang mit dem dramatischen Geschehen auf der Bühne nicht überzeugte?

    Wenn man sich das Gewicht der beiden Protagonisten (Flagstadt als Melchior-Partner) vergegenwärtigt (zweiter Akt) springt ein viel schlimmeres Kopfkino an.


    Eigentlich hast Du meine Frage nicht beantwortet. Das hätte mich aber interessiert.


    Eine philosophische Durchdringung kann ich mir, offen gestanden, bei beiden nicht vorstellen. Das würde wohl auch nicht dem Zeitgeist entsprechen. Die Aufnahme entstand 1936 im Royal Opera House, London, unter Leitung von Fritz Reiner. Die damaligen Bühnenbilder will ich mir gar nicht vorstellen. Man muss villeicht auch bedenken, daß zwischen Wagners Vorstellung und Anspruch und dem Publikum mit dem Fortschreiten der Jahre das Gap immer größer geworden ist. Liege ich ganz falsch, wenn ich annehme, daß eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Werk und seiner Inszenesetzung erst mit Wieland Wagner nach dem Kriege eingesetzt hat?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Lieber astewes,


    Nein, Schopenhauers Nihilismus habe ich in der Interpretation Melchiors nicht vermisst. Und ja, seine Darstellung in Zusammenhang mit dem dramatischen Geschehen auf der Bühne hätte mich höchstwahrscheinlich überzeugt.


    Tut mir leid, besser kann ich es nicht beantworten. smilie_verl_025.gif Ist ja auch nicht so wichtig. Vergiss es einfach.


    Gruß... :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Ich kann sie Seite leider nicht verlinken mit dem Handy:


    "Ein Philosoph, den man wirklich gelesen hat" (Die Seite ist von Kultur-Emden.) Vielleicht kann ja jemand das googeln und den Link einstellen.


    Kein anderer Philosoph hat so eine immense Wirkungsgeschiche gehabt wie Schopenhauer in verschiedensten Bereichen. Seit 1848 stieg seine Popularität rasant. Ich selbst bekam von einer Dame eine Jugenstil-Leseausgabe von "Die Welt als Wille und Vorstellung" geschenkt aus einem Erbnachlass. "Die Welt als Wille und Vorstellung" in solchen bequemen Ausgaben gehörte zum Bestand der Bibliotheken im gutbürgerlichen Wohnzimmer, wurde also als Lese-Literatur betrachtet neben den Ausgaben von Goethe, Fontane oder Rilke, die daneben standen. Schopenhauer gilt als einer der Begründer der Lebensphilosiphie. Seine Philosophie vereinigt die beiden Traditionen der Glücksphilosophien (Stoiker, Epikuräer und Skeptiker) und der theoretischen Philosophie (Platon Aristoteles). Deswegen konnte sie auch als Literatur außerhalb der Universitätsphilosophie so populär werden. Man kann davon ausgehen, dass bei einer Aufführung des Tristan von 1900 oder 1910 so gut wie jeder Besucher seinen Schopenhauer im heimischen Wohnzimmer stehen hatte. Heute zu meinen, Wagners Tristan verstehen zu wollen ohne Schopenhauer ist allein mit Blick auf die Rezeptionsgeschichte also ziemlich gewaltsam.


    Noch eine Nebenbemerkung. Im 19. Jhd. wurde die Grenze von Dichtung und Philosophie fließend. Nietzsches "Zarathustra" ist Philosophie als Dichtung und Dichtung und Philosophie. Gustav Mahler, der ein leidenschaftlicher Leser war und den "Zarathustra" liebte, hat dieses nun wahrlich nicht leicht zu verstehende Buch sogar seinen Kindern (!) vorgelesen. Es gab zu dieser Zeit also keine Hemmschwelle, Philosophie als Literatur zu lesen ganz selbstverständlich neben Goethe oder Eichendorff. Heute dagegen muss man sich im Tamino-Klassikforum quasi dafür entschuldigen, wenn man Philosophie liest und auf den philosophischen Kern eines Werkes wie Wagners Tristan hinweist. Dann gilt man als arrogant. Sehr merkwürdig.


    So viel für heute. Ich bin im Urlaub.

  • Man kann davon ausgehen, dass bei einer Aufführung des Tristan von 1900 oder 1910 so gut wie jeder Besucher seinen Schopenhauer im heimischen Wohnzimmer stehen hatte.

    Man kann aber auch davon ausgehen, dass sich überhaupt kein einziger Besucher für Schopenhauer interessierte.


    Man kann von vielem ausgehen. Vor allem, wenn man sich in etwas verrannt hat...

  • Man kann aber auch davon ausgehen, dass sich überhaupt kein einziger Besucher für Schopenhauer interessierte.


    Man kann von vielem ausgehen. Vor allem, wenn man sich in etwas verrannt hat...

    Nein, das kann man nicht. Das ist völlig abwegig. Es gibt auch berühmte Besucher des Tristan, die haben den Zusammenhang mit Schopenhauer auch erkannt. Das waren Friedrich Nietzsche und Gustav Mahler. Letzterer hat den Tristan dirigiert. Dazu morgen wenn ich Zeit finde mehr.

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  • Heute dagegen muss man sich im Tamino-Klassikforum quasi dafür entschuldigen, wenn man Philosophie liest und auf den philosophischen Kern eines Werkes wie Wagners Tristan hinweist.

    Auf eine Werk hinzuweisen, das für die Entstehung der Oper von Bedeutung ist, ist immer wertvoll. Aber zu sagen, man könne das Werk nur verstehen, „wenn man die zum Werk gehörende Schopenhauer-Motivik versteht“ ist etwas völlig anderes. Denn damit werden alle anderen Bemühungen abqualifiziert und für nichtig erklärt.

  • Auf eine Werk hinzuweisen, das für die Entstehung der Oper von Bedeutung ist, ist immer wertvoll. Aber zu sagen, man könne das Werk nur verstehen, „wenn man die zum Werk gehörende Schopenhauer-Motivik versteht“ ist etwas völlig anderes. Denn damit werden alle anderen Bemühungen abqualifiziert und für nichtig erklärt.

    Wenn es so ist dass man das Werk nicht ohne Schopenhauer verstehen kann, dann ist das ein Faktum. Natürlich muss man das nicht einsehen wollen. Nur dann ist die Konsequenz daraus, dass man mit dem Verständnis an der Oberfläche bleibt. Mann kann natürlich die "Schwäche zum Verdienst umlügen" und sagen, der fehlende philososphische Sinn ist eine Tugend und der philosophische Sinn eine Untugend, weil es ihm nur darum ginge, andere Deutungen abzuqualifizieren. Tut mir leid, aber für mich verrät sich da dann doch ein gewisses Ressentinent gegenüber der Philosophie und den Philosophen.

  • Wenn es so ist dass man das Werk nicht ohne Schopenhauer verstehen kann, dann ist das ein Faktum.

    Wie gesagt gibt es in den Geisteswissenschaften dergleichen nicht, sondern nur einen sich weiter entwickelnden Diskurs, der verschiedene Positionen berücksichtigt.

  • Dahlhaus schrieb im Neuen Handbuch der Musikwissenschaft, dass Wagner Schopenhauers Metaphysik der Musik adaptiert hätte, dass die Musik das innere Wesen der Ereignisse und Erscheinungen ausspricht (S. 168).

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  • Wenn es so ist dass man das Werk nicht ohne Schopenhauer verstehen kann, dann ist das ein Faktum.

    Wenn es nicht so wäre, wäre das dann allerdings auch ein Faktum.


    MIr kommt es manchmal so vor, als würde die ja eigentlich der Kunst folgende Arbeit des Philosophen, der sich um ein Kunstverständnis mit seinen Mitteln bemüht, am Ende dann vom Philosophen so umgedeutet, dass die Kunst dieser grundlegenden Erkenntnis bedarf. Es ist aber ja von der Entwicklung her die umgekehrte Kausalität. Die Ästhetik bedarf der Kunst.


    Man könnte also den hier thematisch aufgeworfenen mangelhaften Respekt des Künstlers vor der Philosophie komplett umdeuten in einen mangelhaften Respekt des Philosophen vor der Kunst. Nichts anderes, scheint mir, hat am Ende die Aussage zu bedeuten, dass die Kunst der Philosophie bedarf.


    Auf der anderen Seite fehlt, soweit ich das sehe, immer noch der Nachweis, welche Erkenntnis Schopenhauers nun einen Einblick in Isoldes Liebestod gibt, die sich aus dem Drama selbst nicht erschließen lässt. Die wäre in meinen Augen noch zu diskutieren.

  • Der Hinweis auf Schopenhauer ist gewiss wichtig und ich erschließe mir bei solchen Werken auch gerne den kulturellen Horizont. Das gehört wie die Lektüre des Textes usw. zu einer inhaltlichen Annäherung. Aber zu sagen: wer das nicht kennt, hat keine Ahnung - das ist doch keine seriöse Haltung. Man könnte ja auch sagen: „Ich halte Schopenhauer für das Verständnis des Werkes für unverzichtbar.“ Da bin ich sofort dabei und schlage nach. Aber hier wurden alle, die Schopenhauer nicht kennen, spürbar abqualifiziert. Dabei habe ich dieses Gerede von einem „Faktum“ noch in keinem geisteswissenschaftlichen Diskurs erlebt, das ist völlig unüblich und deswegen erhebe ich mit Nachdruck Einspruch! So redet kein Wissenschaftler. Auch lehrende Philosophen und Geisteswissenschaftler würden dergleichen niemals postulieren.

  • astewes Das Henne-Ei-Problem werden wir aber hier nicht lösen.

    Das ist kein Henne-Ei-Problem. Es ist doch wohl indiskutabel, dass die Kunst vor einer Ästhetik da ist. Was wäre denn sonst der Gegenstand dieser Wissenschaft?


    Man kann das auch sehr leicht daran erkennen, dass es beliebig viele Künstler gibt, die sich um die Ästhetik ihrer Werke nicht geschert haben. Kunst ist im wesentlichen ein Prozess kreativer Kräfte und nicht das Resultat philosophischer Überlegungen.

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