Ich dachte, die Wissenschaft gibt uns eine neue Sicht auf die Welt. Was die Kunst macht, dazu gibt es ja wohl viele verschiedene Meinungen.

Tristan und Isolde - Wagners visionäre Oper
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Ich dachte, die Wissenschaft gibt uns eine neue Sicht auf die Welt.
Was die Kunst macht, dazu gibt es ja wohl viele verschiedene Meinungen.
Im Gegensatz zur Wissenschaft, die ja das beschreibt, was da ist, sind bei der Kunst utopische oder auch dystopische Elemente in der "Sicht" vorhanden. Es wird hinter den Horizont geblickt.
Ich bin mal in Aachen aus der Sammlung Ludwig rausgegangen und hatte kurz vorher noch Duane Hansons Supermarket Lady gesehen
http://hida.eklablog.com/super…-p2950400?noajax&mobile=0
Das kalibriert das Auge, wenn man danach durch die Stadt geht und sich Publikum und Schaufenster ansieht.
PS: Wer die heute sehen will, muss ins Ludwig-Forum, was nicht mehr so direkt in der Innenstadt ist. Damit geht leider eine Dimension der Rezeption verloren.
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Das Taminoforum kann nicht beleidigt werden. Einzig der, der im Impressum steht, kann darüber befinden.
Ich finden diesen Thread gut und es ist auch keine Schande was die Diskutanten schreiben!Meine Begründung
Die Vielzahl der Meinungen, habe ich für mich Kodiert. Habe andere Quellen außerhalb des Forums ausgewertet
Mein operationalisiertes Ziel war:Den Text Wagner zu dekodieren
Den Text vom Sinn her zu verstehen Die Musik als Ausdrucksform zu fassen um sie zu verstehen. Und im letzten Teilschritt es zu verknüpfen.
und dabei hilft mir dieser Thread sehrMit freundlichen Grüßen
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Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Opernhäuser ziemlich leer wären, wenn hauptsächlich Zuschauer hingehen würden, die in der Vorbereitung zu jedem einzelnen Stück Wagenladungen an geisteswissenschaftlicher Spezialliteratur studiert und verstanden haben.
Das ist ganz sicher so. Und Dramatiker und Theater-Künstler, die diesen Anspruch stellen würden, würden ziemlich drastisch gegen ihr eigenes Interesse handeln, denn leere Häuser wollen sie ja doch eigentlich nicht. (Ganz abgesehen davon würde dieser Anspruch der hier immer wieder so hoch gepriesenen Dramentheorie Wagners diametral widersprechen. Aber das merkt man natürlich nur, wenn man sie kennt.)
Ganz nebenbei: Natürlich bestreitet niemand, dass die Kenntnis der Schopenhauerschen Philosophie für Wagner bedeutsam war. Er brauchte sie zu seiner Selbstverständigung und um die Gestalt seiner Dramen finden zu können, also als Werkzeug seiner Arbeit. Die Behauptung, ohne die Kenntnis dieses Werkzeugs könne man das Werk nicht verstehen kann, läuft darauf hinaus, dass man ohne die genaue Kenntnis der Knetmaschine das Brot nicht einschätzen und folglich nicht richtig essen kann.
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Daa Spiel hier ist, dass man die entscheidenden Passagen über Isoldes Liebestod nicht versteht und wenn ich oder Helmut Hofmann dann sagen mit Blick auf die Fachliteratur oder eigene Erkenntnisse, sie sind nur mit Schopenhauer zu verstehen, behauptet man, Schopenhauer sei für das Verständnis irrelevant. Warum ist man dann aber nicht in der Lage, sie ohne Schopenhauer zu verstehen und stochert nur blind im Dunklen herum ohne greifbares Ergebnis? Abstreiten und Polemisieren ist leicht und billig, wenn man selber nicht Positives, was zu einem Sinnverständnis führt, anzubieten hat.
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Wr verstehe das denn nicht? Und welches bessre Verständnis hast Du denn anzubieten? Bisher kam nichts weiter als die völlig haltlose und deshalb logischerweise auch unbegründete Behauptung, man könne das Stück ohne Kenntnis der Philosophie Schopenhauers nicht verstehen – die übrigens zu der von Dir so hoch gepriesenen Wagnerschen Dramentheorie in diametralem Gegensatz steht.
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Daa Spiel hier ist, dass man die entscheidenden Passagen über Isoldes Liebestod nicht versteht und wenn ich oder Helmut Hofmann dann sagen mit Blick auf die Fachliteratur oder eigene Erkenntnisse, sie sind nur mit Schopenhauer zu verstehen, behauptet man, Schopenhauer sei für das Verständnis irrelevant.
Keiner sagt das!. Ich verstehe natürlich den Wunsch, sich gut aussehen zu lassen, aber Du liest entweder die Beiträge der anderen nicht richtig oder enstellst sie bewusst.
Ganz im Gegenteil bist Du nach Deinem Hinweis auf die Notwendigkeit der Schopenhauer Lektüre für ein Verständnis von Isoldes Liebestod bei der Rezeption aufgefordert worden, dafür einen Nachweis zu erbingen. Verständlicherweise reicht da der Hinweis, dass alle "wichtigen" Leute das denken, nicht aus, besonders dann nicht, wenn gleichzeitig klar gemacht wird, dass man dieser Gruppe nicht angehört.
Also bitte..... Wo hilft es beim Verständnis und warum ist diese Hilfe notwendig?
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Insofern würde ich doch Helmut Hofmann und Dr. Holger Kaletha um die als vorzuenthalten angekündigte Ausführungen bitte.
Ich bin dieser Forderung von Thomas Pape nachgekommen und habe einen Beitrag mit dem Titel „Wagner, Schopenhauer und „Tristan“ verfasst.
Er wurde in diesem Thread eingestellt:Was ist so faszinierend an Richard Wagner ?
Er erschien mir, da es sich um einen reinen, von jeglicher Polemik freien Sachbeitrag handelt, in der atemlosen und in seiner Thematik permanent schweifenden Hektik des hiesigen Diskurses einfach deplatziert.
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Ich war so frei einen kleinen Teil zu zitieren, um auch hier in der Diskussion, so atemlos sie auch sein mag, einen Schritt weiterzukommen.
Wagner geht darüber hinaus. Für Schopenhauer ist „Liebe“ nichts anderes als Manifestation des Willens in Gestalt menschlicher Triebhaftigkeit. Wahre Liebe ist allein das Mitleid, weil es aus einer Emanzipation von eben derselben hervorgeht. Wagner aber, der ohnehin die Philosophie Schopenhauers nicht Wort für Wort übernimmt, setzt sich über dieses Verständnis von Liebe hinweg und verklärt diese am Ende gar. Andererseits greift er dabei wieder einen Schopenhauerschen Gedanken auf, den vom Wesen der Kunst nämlich.
Was Helmut Hofmann hier beschreibt, klingt als würde Wagner die irdische Aussichtslosigkeit in der Kunst auflösen, eigentlich ja in der Rezeption des Kunstwerkes.
Dazu noch
In der Rezeption eines Kunstwerkes „sind wir gleichsam in eine andere Welt getreten, wo alles, was unseren Willen bewegt und dadurch uns so heftig erschüttert, nicht mehr ist. (…) Glück und Unglück sind verschwunden.“ (Schopenhauer). Das geschieht auf besonders intensive Weise in der Rezeption von Musik, die für ihn „Abbild des Willens selbst“ und damit die höchste Form von Kunst darstellt. Die „Erlösung“, die sich dabei ereignet, kann aber nur eine kurze, zeitlich begrenzte sein.
Wenn es aber so ist, dann würde man doch denken, dass dieses Erlebnis demjenigen verborgen bleibt, der in der Wagnerschen Oper nicht mehr erlebt, als die Realisation Schopenhauerscher Gedanken. Es mag paradox klingen, aber es ergibt sich meines Erachtens aus den geäußerten Überlegungen Schopenhauers und Wagners.
Nur wenn ich sozusagen ganz unvoreingenommen die Oper rezipieren kann, komme ich zur gedachten Erlösung.
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Ich bin dieser Forderung von Thomas Pape nachgekommen und habe einen Beitrag mit dem Titel „Wagner, Schopenhauer und „Tristan“ verfasst.
Er wurde in diesem Thread eingestellt:Was ist so faszinierend an Richard Wagner ?
Er erschien mir, da es sich um einen reinen, von jeglicher Polemik freien Sachbeitrag handelt, in der atemlosen und in seiner Thematik permanent schweifenden Hektik des hiesigen Diskurses einfach deplatziert.
Diesen Artikel zu lesen kann ich nur empfehlen!
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Hallo Helmut,
danke für diese klare und damit nachvollziehbare Zusammenfassung der Gedankenwelt Schopenhauers, deren Kernsatz für mich dieser ist:
Zitat„Das Sterben“ ist für ihn „der Augenblick der Befreiung von der Einseitigkeit der Individualität, welche nicht den innersten Kern unsres Wesens ausmacht, vielmehr als eine Art Verirrung desselben zu denken ist: die wahre, ursprüngliche Freiheit tritt wieder ein“. (Schopenhauer)
Da geht Wagner am Ende des Tristan einen anderen Weg, was mir aber im Hinblick auf Mathilde Wesendonck durchaus verständlich erscheint.
Es grüßt
Karl
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Bei einigen der Beiträge hier fehlt zum Schluß nur noch das "Basta" oder "Alternativlos".
Ich werde mich auch zukünftig ohne eine vorangestellte Schopenhauer-Lektüre an der grandiosen Musik des Tristan erfreuen und dabei wissen, daß ich unwissend bin, ohne Schamgefühl.
Als Chemiker würde mich vielleicht die Zusammensetzung des als Zaubertrank wirkenden Giftgemisches interessieren.
La Roche
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Als Ergänzung und Unterstützung zu Helmut Hofmanns trefflichen und ungemein hilfreichen Ausführungen werde ich eine bestimmte Textstelle mit Schopenhauer interpretieren, was ich schon vorbereitet hatte. Jetzt glaube ich, als Ergänzung, ist das zugleich eine konkretisierende Einlösung seiner grundsätzlichen Betrachtung. Es dauert aber noch ein bisschen.
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Ich werde mich auch zukünftig ohne eine vorangestellte Schopenhauer-Lektüre an der grandiosen Musik des Tristan erfreuen und dabei wissen, daß ich unwissend bin, ohne Schamgefühl.
Dass sich ein Tamino-Mitglied durch das, was sich hier diskursiv-inhaltlich ereignet, zu einer solchen Äußerung veranlasst sieht, ist mir nicht recht erklärlich, vor allem aber betrübt es mich.
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Ich werde mich auch zukünftig ohne eine vorangestellte Schopenhauer-Lektüre an der grandiosen Musik des Tristan erfreuen und dabei wissen, daß ich unwissend bin, ohne Schamgefühl.
Es sei jedem unbenommen, sich an der Tristan-Musik zu erfreuen., ich habe lange Jahre auch nichts anderes gemacht. Dass der Tristan eine Oper ist, in der etwas passiert, ist aber nun tatsächlich ein Faktum. Ich finde alle Äußerungen hier dazu bereichernd.
Auch, wenn ich nicht überzeugt bin, dass die Lektüre Schopenhauers notwendig für die Rezeption der Oper ist, liefert der Beitrag von Helmut einen wichtigen Hinweis, wie sie auf Tristan angewendet werden kann.
Das kann ja auf jeden Fall als Motivation zum Lesen aufgefasst werden.
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Dass sich ein Tamino-Mitglied durch das, was sich hier diskursiv-inhaltlich ereignet, zu einer solchen Äußerung veranlasst sieht, ist mir nicht recht erklärlich, vor allem aber betrübt es mich.
Lieber Helmut Hofmann,
damit habe ich keineswegs Dich angesprochen. Dein langer Beitrag zu Tristan ist bei mir kein Anlaß zu einer kritischen oder gar abfälligen Bemerkung, im Gegenteil. Ich bewundere und schätze die Mühe und Arbeit, die Du Dir gegeben hast, um den in meinen Augen hervorragenden Artikel überhaupt erstellen zu können.
Ich hatte lediglich zum Ausdruck bringen wollen, daß ich solch absolute Behauptungen nicht nachvollziehen kann (von wem auch immer), daß man ohne Auseinandersetzung mit Schopenhauer den Tristan nicht verstehen wird. Das waren mehrere Autoren. In meiner Auffassung wird damit gesagt - "wenn Du Schopenhauer nicht gründlich gelesen hast, dann gehe lieber nicht in den Tristan, Du begreifst es ja sowieso nicht." Ich will auch nicht begreifen, daß der Besuch einer solch wunderbaren Oper und das Verständnis des Geschehens philosophische Voraussetzungen erfordert. Für mich ist das in erster Linie die Musik, derentwegen ich den Tristan bisher live 4 x (Dresden 2x, Chemnitz und Gera konzertant) und x -mal über den Bildschirm gesehen habe, die in den meisten Beiträgen gar nicht erwähnt wird. Dabei ist sie die Grundlage jeder Oper, und das fehlt mir hier.
Also entschuldige bitte, wenn Du Dich angesprochen fühlen solltest. das war nicht meine Absicht.
La Roche
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Tristan:
"Wer des Todes Nacht
liebend erschaut..."
Die Stelle ist wahrlich kryptisch in mehrfacher Hinsicht. Es gibt die Todesnacht eines Sterbenden, den Todeskampf, das Dahinsiechen. Ein Sterbender kann das erleben. Aber wie kann Jemand, der gar nicht stirbt, die Todesnacht "erschauen", d.h. eine Anschauung von ihr haben? Das Schauen, Anschauen, Erblicken, sollte man meinen, setzt doch eine Distanz voraus. Man blickt durch ein Fenster, schaut etwas nur an. Kann man von Tod aber überhaupt eine Anschauung haben, ohne tatsächlich zu sterben? Ist der Tod und das Sterben für den Lebenden nicht ein Unvorstellbares? Und dann soll man den Tod auch noch "liebend" erschauen? Es gibt die Liebe zum Leben, aber eine Liebe zum Tod?
Hier muss man auf die sprachlichen Feinheiten achten. Da ist der Genitiv: Die Liebe erschaut nicht den Tod, sondern "des Todes Nacht". Nacht, Umnachtung - das ist ein Hinweis darauf, dass hier nicht der physische Tod gemeint ist, sondern eine Erfahrung des Vergehens, die Auslöschung des wachen Bewusstseins. Das ist der erste Hinweis auf Schopenhauer: Die "Welt als Vorstellung" ist bestimmt durch das principium individuationis, das sind Raum und Zeit. Das wache Bewusstsein trennt und sondert die Dinge, unterscheidet die Dinge danach, wo sie sich befinden und zu welchem Zeitpunkt. In des Todes Nacht verschwindet dagegen das Bewusstsein von Raum und Zeit und damit auch das Vermögen, die Dinge und sich selbst vom Anderen zu unterscheiden. In der Nacht des Todes begegnen sich die Liebenden also nicht als Individuen, sie verschmelzen miteinander. Liebe im Kontext von Nacht und Tod ist Entgrenzung, Verschmelzung, vollkommene Einswerdung.
Damit wird aber die Bedeutung des "Schauens" noch rätselhafter (das "Erschauen" ist ein aktives Schauen). Denn das Alltagsverständnis von Schauen ist das einer Art von Vorstellung: Ich schaue durch das Fenster auf die Straße: Es gibt also den, der sieht und etwas sieht von einem bestimmten Standort aus und das von ihm Gesehene ist dann von ihm verschieden: die Straße ist nicht da, wo ich stehe, hinter dem Fenster meiner Wohnung nämlich. Wie man sieht, ist bei diesem Grundverständnis von Anschauung das principium individuationis im Spiel, das für die Vorstellungswelt gilt. Und damit wird aber komplett unverständlich, wie man die "des Todes Nacht" denn schauen kann, wo alle Unterschiede des wachen Vorstellungsbewusstseins schwinden und verschwinden.
Hier hilft uns Schopenhauer. Bei Schopenhauer hat das Schauen und die Anschauung nämlich einen ganz anderen Sinn als den einer Vorstellung - und das hat Wagner aufgegriffen. Schopenhauer sagt, dass wir uns beim Schauen einer Landschaft in diese gleichsam verlieren, es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Anschauung und Angeschautem, sie verschmelzen in eins. Deswegen verschwinden bei der Anschauung von Kunstwerken das Leiden und die Individualität. Wenn die Liebe des Todes Nacht schaut, dann bedeutet das also Lust und nicht Leiden und das Bewusstsein individueller Unterschiede schwindet: der Liebende wird eins mit dem Geliebten.
Hier nun ist die Rezeptionsgeschichte genau dieser zentralen Stelle des Tristan sehr aufschlussreich. Auch bei Thomas Mann, der eine Tristan-Novelle geschrieben hat, wird "des Todes Nacht liebend erschaut" in diesem Wagnerschen und Schopenhauerschen Sinne, nämlich in der Novelle "Der Tod in Venedig". Es geht hier um zwei grundverschiedene Auffassungen von Kunst, der Kunst als willentliche Bemeisterung und als Anschauung eines Schönen im Sinne einer platonischen Idee. Dem Held der Geschichte entgleitet seine willentliche Selbstbeherrschung, er verliebt sich, sich verlierend, in einen schönen Knaben und findet damit schließlich den Tod, erfährt aber in diesem Tod ein höheres Schönes im Sinne der ganz und gar willenlosen Anschauung.
"Des Todes Nacht liebend erschauen" - dies realisiert sich schließlich in Isoldes Liebestod. Die Musik ist wahrlich unglaublich und unerhört und ihre Rolle wiederum nur verständlich mit Schopenhauer. Die Kunst erlöst vom Leiden und befreit von den Schranken der Individualität nach Schopenhauer. Die Musik hat die Besonderheit, dass sie den Willen unmittelbar ausdrückt. Aber der Wille bedeutet doch Leiden! Die Musik soll den Willen ausdrücken ohne das Leiden, so Schopenhauer. Wie das geschehen kann, das bleibt bei Schopenhauer selbst einigermaßen unklar. Wagners Tristan hat dieses philosophische Programm gleichsam eingelöst. Aus der romantischen Musikphilosophie stammt der Gedanke, dass die Musik nie gewaltsam sein könne, sondern eine die groben Affekte besänftigende Funktion hat. Entsprechend beginnt Isoldes Gesang still und leise, unterstreicht das sanfte Lächeln, das Isoldes Imagination bei Tristan vernimmt. Entscheidend ist aber, dass die Sehnsucht bleibt in emphatischer Gefühlsdynamik, aber kein unendlich leidender Wille mehr ist, sondern das entindividualisierte Sehnen sich quasi grenzenlos steigender Lust. Das Sich-Verlieren im Anschauen des Todes Nacht macht aus dem Leiden der Sehnsucht nicht enden wollende, immer weiter anschwellende, die höchsten Gefilde erfassende Lust. Der Wille zum Leben erwacht gleichsam im Ersterben des individuellen Bewusstseins. Damit wird letzlich Wagners Musik und Isoldes Liebestod zur erlebten Metaphysik in der Aufhebung von Raum und Zeit. Lust will tiefe, tiefe Ewigkeit, heißt es bei Friedrich Nietzsche, von Isoldes Liebestod inspiriert. "Tristan und Isolde" ist wahrlich eine "Artistenmetaphysik".
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Hallo und guten Tag
Es geht hier um mein Verstehen, unter Umsetzung von dem was ich gehört und verstanden habe. Sind hier bei mir „Denkfehler“
TRISTAN
sterbend zu ihr aufblickend
Isolde! Er stirbt
ISOLDE
Ha! Ich bin's, ich bin's,
süssester Freund!
Auf, noch einmal….
Ich höre hier in der Musik und Gesang: Trauer und Schmerz und Klage
mit dir noch zu wachen:
betrügt Isolden, wie damit umgeh
betrügt sie Tristan
um dieses einzige,
ewig kurze
letzte Weltenglück?
Die Wunde? Wo?…….
Und hier erflehen Orchester und Gesang sehr dramatisch Liebesglück, um gemeinsam zu sterben
Und jetzt am Ende
Isolde, die nichts um sich her vernommen, heftet das Auge mit wachsender Begeisterung auf Tristans Leiche
Sie weiss das er tot ist.Sie braucht es für ihre Trauer, es war ihr wichtig mit ihm zusammen den Weg zu gehen. ich glaube: sie geht den Weg weiter und er (Tristan) ist in ihr. (Ich kann es nicht besser erklären)
ISOLDE
Mild und leise
wie er lächelt,
wie das Auge
hold er öffnet ---
seht ihr's Freunde?
Seht ihr's nicht?
Immer lichter…..Es endet mit:
….. Sind es Wogen
wonniger Düfte?
Wie sie schwellen,
mich umrauschen,
soll ich atmen,
soll ich lauschen?
Soll ich schlürfen,
untertauchen?
Süss in Düften
mich verhauchen?
In dem wogenden Schwall,
in dem tönenden Schall,
in des Welt-Atems
wehendem All ---
ertrinken
versinken ---
unbewusst ---
höchste Lust!
Ich höre in Gesang und Musik
(versuche sie als Ganzes zu hören und zu erfassen)
+Verbindung mit dem Vorspiel 1. Aufzug,
+nochmal das Drama in Kurzfassung,
+die Sehnsucht, und die unendliche Liebe der zwei.
Es klingt, als wenn es auf eine Traumreise geht, und am Ende weg von der Erde in die Ruhe… sie atmen sich weg in die Gemeisame Ewigkeit.
Ich glaube, der Teil zeigt in seinem Text und in der Musik, Tränke und Zauber haben die nicht gebraucht um den ersehnten Tod als die einzige Möglichkeit ihrer Vereinigung zu sehen.
Mit freundlichen Grüßen
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Nimm es einfach, wie es da steht: Sie kommt, um mit ihm gemeinsam zu sterben. Er ist aber bereits tot, darum fühlt sie sich betrogen. Sie beklagt diesen letzten Verlust, bis sie plötzlich und ganz unvermittelt sagt: »Tristan! – Ha! – / Horch –! Er wacht! / Geliebter!« Woraufhin sie in Ohnmacht fällt (würde ich damit nicht zeigen, dass ich ein Esel bin, würde ich sagen: überraschend und überrascht). Wenn sie aus der Ohnmacht erwacht hat sie nur noch einen Wunsch: den Umstehenden zu vermitteln, was sie erlebt, was sie sieht. Und was das ist, sagen Text und Musik deutlich genug. Da gibt es eigentlich keine Schwierigkeiten, wenn man sie sich nicht selbst einbaut, indem man immer davon ausgeht, was die Figuren sagen, könne nicht das sein, was sie meinen und was gemeint ist.
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Nochmal zur "Wissenschaftlichkeit".
Dazu muss man nicht studiert haben. Auch ein Schuster kann wissenschaftlich arbeiten. Er legt sein Ziel fest und informiert sich über den Stand des Wissens. Auf dieser Basis fängt er zu arbeiten. Sich dabei immer wieder fragend, ob sein Ziel sinnvoll formuliert ist, und ob der gewählte Weg der richtige ist. Er bekommt ja laufend neues Feedback (Kunden, Lieferanten, Konkurrenz), das er in seine Überlegungen einfließen lässt. Unwissenschaftlich wäre, sich vorab auf eine bestimmte Lösung festzulegen und dann nur noch Informationen an sich heranzulassen, die nicht im Widerspruch dazu stehen. Und Kritik daran abzubügeln mit der Aussage, er sei ja Meister, und es wisse eh keiner besser als er, wie man Schuhe macht.
Hier noch ein Beispiel, welches näher an unserem Fall ist: Angelologie
https://de.wikipedia.org/wiki/Angelologie
Das ist die Lehre von den Engeln. Eine Wissenschaft, mit der sich große Denker wissenschaftlich(!) befasst haben.
Nun gibt es den Maler Giotto di Bondone, einer der bedeutendsten des Mittelalters. Er malte auch viele Engel. Einem Kunsthistoriker dürfte es sehr leicht fallen, einen Einfluss der Angelologie auf Giottos Werke nachzuweisen. Wenn sich besagter Kunsthistoriker aber zu Aussage hinreißen ließe, Giottos Werke sind ohne vertiefte Kenntnisse in Angelologie nicht zu verstehen, wäre das grob unwissenschaftlich. Und geradezu grotesk wäre die (natürlich frei erfundene) Behauptung, fast alle Kunstkenner des Mittelalters hätten die Hauptwerke der Angelologie in ihrem Bücherschrank stehen gehabt. Dafür würde ihm seine Uni den Dr-.Titel entziehen.
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Ich bin nicht sicher (auch wenn ich keinen sinnvollen Gegenvorschlag vorbringen kann), ob »wissenschaftlich« wirklich der geeignete Begriff ist, um die Abgrenzung zu leisten, die Du haben willst. Die Methode des Vorgehens, die Du beschreibst, ist tatsächlich sinnvoll, und es gibt sicher nur weniger Möglichkeiten, andere als sinnvoller zu bezeichnen. Sie ist aber durchaus auch n Bereichen anwendbar, die nicht eigentlich wissenschaftlich sind. (Schuhmacherei zum Beispiel ;))
Vielleicht genügt es ja festzustellen, ob ein gewisser Gedankengang zum Ziel führen kann, weil ihm eine Methode zugrunde liegt, die das ermöglicht. (Zu den unverzichtbaren Elementen einer solchen Methode gehört mit Sicherheit die Flexibilität, seine Auffassungen modifizieren zu können, wie auch die, sie rational begründen zu können, wenn sie angegriffen wird). Aber gewinnt man wirklich etwas, wenn man diesen Begriff benutzt? Wie gesagt: Ich kann weder zustimmen noch verneinen, neige aber eher zur Negation, ohne das gut begründen zu können.
Übrigens meine ich, dass die Behauptung, man könne einen gewissen Text nicht verstehen, wenn man nicht weiß, welche Grundannahmen ihm zugrunde liegen, für wissenschaftliche (auch geisteswissenschaftliche) Texte durchaus eine Berechtigung hat. Ich kann einen Texr über höhere Mathematik nicht verstehen, wenn ich mich da nicht auskenne, und ebenso wenig einen über die Feinheiten der Madhyamaka-Philosophie (es sei denn, es handelt sich um allgemeinverständliche Einführungen). Ganz anders sieht es aus, wenn es um ein Kunstwerk geht, und völlig absurd wird die Behauptung im Falle des klassischen europäischen Dramas (bei anderen Formen mag es anders sein, da kenne ich mich nicht aus). Das ist aber wieder eine ganz andere Frage, ungeachtet der Tatsache, dass es natürlich besser ist, sie durch eine rationale Debatte statt per ordre du mufti zu klären.
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Ich verstehe dein Unbehagen mit der Schusterei. Aber dann müsstest du einen gewissen Grad an Komplexität der Problemstellung festlegen, und das wird nicht funktionieren. Wir reden natürlich von der Aufgabe, einen neuen Schuh mit neuen Anforderungen herzustellen. Z.B. einen existierenden Schuh, der erwartungsgemäß 20 Jahre hält, so zu modifizieren, dass er auch 20 Jahre lang wasserdicht ist. Dazu muss man sich mit unterschiedlichen Materialien beschäftigen - theoretisch und/oder experimentell - und abschätzen können, wie man diese einsetzt. Auf keinen Fall sollte man denken, das gehe nur mit Werkstoff X, alles andere sei Quatsch.
Wikipedia sagt übrigens:
Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird.
Bei "wissenschaftlichem Arbeiten" würde ich zusätzlich noch den Begriff "Wissensvermehrung" anführen, dass man also etwas Neues entwickelt (neue Erkenntnis, neues Produkt) etc.
Bei einer Diplomarbeit bekommt man eine Aufgabe zugewiesen, die mit Hilfe zuvor erlernter Methoden zu lösen ist. Das Ergebnis sollte dann irgendwie neu sein. Wobei die Schöpfungshöhe meist nicht besonders hoch ist. Aber es ist nicht vorgesehen, dass man nur etwas bereits Existierendes nachbaut. Oder dass man 10 Bücher liest und dann zusammenfasst, was drin steht.
Wenn wir schon dabei sind:
Auch Kunst muss "neu" sein. Aber auch kreativ. Also nicht ausschließlich das Ergebnis von Kausalität befolgen von Gesetzmäßigkeiten. Daher kann eine KI niemals Kunst schaffen.
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Meines Erachten kann man die Methoden der Naturwissenschaften nur bedingt mit denen der Geisteswissenschaften vergleichen. Bspw. hat Michael Maar vor Jahren eine Studie vorgelegt über den Einfluss der Märchen Hans Christian Andersons auf das Werk von Thomas Mann. Oder Rolf Christian Zimmermann über den Einfluss der Neuplatoniker und Gnostiker auf das Weltbild des jungen Goethe, als dieser schwer erkrankt aus Leipzig nach Frankfurt zurückkehrte. Beide Studien gelten als wegweisend und haben auf ihre Weise Bedeutungsebenen offengelegt, die zuvor unbemerkt geblieben waren. Aber niemand käme auf die Idee zu sagen, alles zuvor publizierte wäre damit überholt. Die Sichtweise hat sich erweitert, teilweise auch verändert. Aber es gibt natürlich auch andere Sichtweisen, entsprechend der jeweiligen wissenschaftlichen Fragestellung. Diese Sichtweisen mögen sich ergänzen oder auch nicht. Aber wirklich niemand würde bspw. behaupten, dass man Thomas Mann nicht versteht, wenn man den Einfluss der Märchen auf sein Werk nicht kennt. Es mag einem eine wichtige Ebene entgehen, aber große Kunstwerke wie TRISTAN UND ISOLDE zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur eine Perspektive eröffnen, sondern mehrere, um nicht zu sagen, dass es ein Charakteristikum solcher Meisterwerks ist, dass sie nie restlos ausgeleuchtet werden können.
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Hallo und guten Tag,
Seit 7 Tage haben ich immer wenn ich etwas gesucht habe, zum Suchbegriff zusätzlich Schopenhauer eingeben, mit erstaunlichen Ergebnissen. Schopenhauer hat eigentlich zu Allem auch etwas gesagt.
ich fand das spannend. Habe mir in letzten Tagen Gedanken gemacht, ob ich im Alter von 73Jahren umfassend Wissen über Kant oder Schopenhauer haben kann, obwohl ich die Namen nie gehört hatte.
Ich sage Ja. Nicht unmittelbar aber mittelbar Alle Menschen mit denen ich in Kommuniziert, die mir Wissen vermittelt haben, haben mir auch etwas über Schopenhauer übertragen können.
Über meine früheren beruflichen Aufgaben darf ich nicht reden.
Aber man hat mir in meinem Leben noch viel mehr beigebracht:
Hospizdienst, Sterbebegleitung, Mitglied im Etikrat von Krankenhäusern Kriegsvölkerrecht Genfer Abkommen usw. Da könnten viel vom „Geist“ Schopenhauer weiter getragen worden sein.
Das könnte ja bedeuten, dass in meiner Beurteilung über den Tod Tristans und Isolde Anteile Schopenhauer vorhanden waren. Oder?
mit freundlichen Grüßen -
Meines Erachten kann man die Methoden der Naturwissenschaften nur bedingt mit denen der Geisteswissenschaften vergleichen. Bspw. hat Michael Maar vor Jahren eine Studie vorgelegt über den Einfluss der Märchen Hans Christian Andersons auf das Werk von Thomas Mann. Oder Rolf Christian Zimmermann über den Einfluss der Neuplatoniker und Gnostiker auf das Weltbild des jungen Goethe, als dieser schwer erkrankt aus Leipzig nach Frankfurt zurückkehrte.
Warum kann man das mit den Naturwissenschaften nicht vergleichen???
Es handelt sich um neue Erkenntnisse. Wichtig ist, dass sie mit wissenschaftlichen Methoden gewonnen wurden. Die Vorgaben dürfen durchaus "einseitig" sein. Die Vorgaben einer Diplomarbeit sind auch einseitig. Oder die Vorgabe an den Schuster, einen bestimmten "neuen" Schuh zu entwickeln.
Mir geht es um die wissenschaftliche Herangehensweise. Dass man insbesondere das Ergebnis nicht vorher schon festlegt. Oder dass man das Ergebnis anschließend noch gewichtet im Vergleich zu älteren Untersuchungen. So nach dem Motto "ab jetzt muss die Geschichte umgeschrieben werden."
So argumentieren nur Wichtigtuer. Die gibt es in den Naturwissenschaften übrigens genauso. Auch unter den Schustern.
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Warum kann man das mit den Naturwissenschaften nicht vergleichen???
Weil die Ergebnisse nur sehr selten falsifiziert werden können, das ist meines Erachtens ein Unterscheidungskriterium.
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Weil die Ergebnisse nur sehr selten falsifiziert werden können, das ist meines Erachtens ein Unterscheidungskriterium.
Du bist vermutlich Geisteswissenschaftler. Ich kann dir jedenfalls versichern, dass in den Naturwissenschaften die Ergebnisse auch nur selten falisifiziert werden können. Theoretisch ja. Aber in der Praxis ist das ein Riesenaufwand. Und selbst dann bist du auf die Kooperation dessen angewiesen, der die ursprüngliche Arbeit angefertigt hat. Klar, wenn man lange genug bohrt, und der andere mauert, weiß man auch so schon, wie der Hase läuft.
Aber ich behaupte mal, in 90% aller Fälle werden in den Naturwissenschaften die Ergebnisse nur auf Plausibilität geprüft. Alles andere wäre viel zu aufwändig. Und selbst damit kommt man vielen auf die Schliche.
Im übrigen gehe ich davon aus, dass es in beiden Sparten nur wenige echte Fälscher gibt. Die meisten blasen ihre Ergebnisse einfach etwas auf. Und wenn sie dabei nicht allzu dreist vorgehen, wird das toleriert.
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Eine Parallele zu dem hier verhandelten Sujet.
Es handelt sich um das "Urlicht" von Mahler. Wir haben das ausführlich in irgendeinem thread verhandelt, den ich im Moment, nicht finden kann.
Der "Urlicht"-Text stammt wohl aus der Sammlung "Des Knaben" Wunderhorn. In ihm wird der Weg der Seele in den Himmel beschrieben.
Normalerweise hört man sich das an und sagt "schöner Text, schöne Musik und gut ausgeführt."
Wer sich aber mit Theologie (in diesem Fall dem Johannesevangelium) und der Kirchengeschichte auskennt, erkennt sofort, dass hier in naiver Kindlichkeit der gnostische Mythos dahintersteckt, wobei die christliche Variante im Johannesevangelium steht, das ein christlich-gnostisches Buch ist. Wie dieser Mythos lautet und welche Elemente im Urlicht" davon erscheinen, habe ich in dem fraglichen Thema erläutert.
Also: was Schopenhauer für den Tristan, das ist die Gnosis für das "Urlicht". Man kann die Musik ohne Theorie genießen, aber dazu den historischen Hintergrund zu kennen ist doch verlockend.
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Ich glaube grundsätzlich nicht, dass Kunst die Verkleidung von Aussagen, die auch anders (z. B. in philosophischen Werken) getroffen werden könnten oder wurden in ein hübsches Gewand ist, das man abstreifen muss, um zu jener anderen Aussage zu kommen, damit man das Kunstwerk versteht. Mir scheint, dass genaue Gegenteil ist der Fall.
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1. Seit fast 2500 Jahren unterscheidet man in der europäischen Geistesgeschichte zwei Arten von Wissen, was sich aber offenbar noch nicht überall herumgesprochen hat:
griech. techne = das praxisleitende Wissen
griech. episteme = Wissenschaft und wissenschaftliches Wissen.
Natürlich ist das Wissen des Schusters techne und nicht episteme. Kein Schuster treibt Wissenschaft.
2. Zu meinen Studienzeiten gab der unglaublich gelehrte Heinz Rölleke eine Vorlesung allein über Goethes Faust-Drama. Die ging nicht nur über ein, sondern über zwei Semester. Interessant zu wissen, dass Theaterkünstler heute meinen, so ein Wissen sei im Grunde verzichtbar und sie könnten Goethes Faust "voraussetzungslos" verstehen. Tamino ist doch sehr lehrreich. So, von dieser Grundeinstellung her, versteht man bestimmte fragwürdige Erscheinungen auf den Theaterbühnen von heute jedenfalls erst richtig. So etwas öffnet deshalb die Augen.
3. Dass ein Kunstwerk eine unausschöpfliche Sinnfülle hat und perspektivenreich ist, das ist eigentlich so etwas wie ein Gemeinplatz unter Werktheorikern und auch ich habe danit im Prinzip keine Probleme. Nur sollte das über die Notwendigkeit der Werkanalyse nicht hinwegtäuschen, deren Aufgabe es ist herauszufinden, wo die Sinnkonstanten liegen und wo die Variablen. Natürlich hat auch der Tristan seine Deutungsspielräume. Die Schopenhauer-Motivik gehört allerdings zu den konstitutiven Werkeigenschaften, die keine auswechselbaren Deutungsperspektiven sind.
Um das mit einem Vergleich zu erläutern: Wahrnehmungen sind perspektivisch. Man kann das Haus von sehr verschiedenen Standorten aus betrachten und jedesmal sieht man eine andere Seite von dem Haus. Dasselbe gilt für eine Betrachtung des Baumes. Nur eines ist dabei nicht perspektivisch: dass man nämlich das Haus nicht mit dem Baum verwechselt. Das Haus bleibt ein Haus und der Baum ein Baum.
4. Natürlich ist die Grundlage der Deutung immer der Text. Nur zweierlei gehört dazu: Es gibt keinTextverständnis ohne voraussetzungsreiche Deutung. Allerdings sollte sich die Deutung immer auf die Gegebenheiten des Textes beziehen und darauf bezogen bleiben. Bei Isoldes Liebestod gibt es einen Perspektivenwechsel. Sie verliert nämlich Tristan mehr und mehr aus dem Blick und ist am Ende nur noch umgeben von einem anonymen Schwall vom Empindungen. Entpersonalisierte reine Lust. Das Individuum hat aufgehört zu existieren.
Man darf selbstverständlich persönliche Erfahrungen mit einbringen in die Deutung. Das macht die Deutung lebendig. Nur im Falle von Isoldes Liebestod sollte man diese allmähliche Auflösung der individuellen Wahrnehmungsperspektive, die sich im Text zeigt, doch nicht aus dem Blick verlieren.