Werk Mozarts entdeckt: "Ganz kleine Nachtmusik"

  • Der Tagesschau der ARD war es eine Meldung wert:


    Im Bestand der Leipziger Städtischen Bibliotheken ist ein bisher unbekanntes Musikstück von Wolfgang Amadeus Mozart entdeckt worden, wie die Stadt Leipzig am Donnerstag mitteilte. „Ganz kleine Nachtmusik“ heißt das zwölfminütige Stück für ein Streichtrio, unterteilt in sieben Miniatursätze. Das Werk habe Mozart vermutlich Mitte bis Ende der 1760er Jahre verfasst, heißt es.


    Quelle lvz


    https://www.lvz.de/kultur/regi…O53RBXVFBQLCPQPVZHC4.html


    Das Stück wird am Samstag, 21. September, um 17 Uhr in der Oper Leipzig erstmals aufgeführt. Spielen werden Vincent Geer (Violine), David Geer (Violine) und Elisabeth Zimmermann (Violoncello) aus der Musikschule „Johann Sebastian Bach“. Der Eintritt ist frei.


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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Gerade wollte ich monieren, der Neue Köchel sei (leider) gerade erschienen - zu spät also für dieses angebliche Werk, doch:

    Zitat von lvz.de/kultur

    Im neuen Köchel-Verzeichnis wird es also zu finden sein.

    Weiter:

    Zitat

    Das Werk habe Mozart vermutlich Mitte bis Ende der 1760er Jahre verfasst, heißt es. [...] Mozart (1756-1791) war etwa zwischen 10 und 13 Jahre alt, als er die „Ganz kleine Nachtmusik“ schuf, sagte Ulrich Leisinger, Forschungsleiter der Stiftung Mozarteum.

    In seinem Verzeichnisz alles desjenigen was dieser 12jährige Knab seit seinem 7ten Jahre componiert, und in originali kann aufgezeiget werden (verfasst von Leopold Mozart bis Ende 1768) ist von dem Werk eine Spur zu finden: 1767 findet sich als Nr. 13 der Hinweis auf 6 Trio à 2 Violini e Violoncello. Möglicher Weise ist es eines dieser verschollenen 6 Trios (im Hauptteil sind sie seltsamer Weise nicht erwähnt) oder aber KV 41g: „Auch habe ich eine ganz kleine Nachtmusik, bestehend in 2 Violin und Basso. Da es aber eine sehr simple Composition, die er in sehr frühen Jahren gemacht hat, so getraute ich mir nicht, solche zu schicken, da sie mir zu unbedeutend schien“, scheibt seine Schwester am 8. Februar 1800 an Breitkopf & Härtel.


    Zu 41g folgt noch die zunächst wenig sinngebende Anmerkung, L. Mozart habe 1740 selbst 6 Trios in dieser Besetzung herausgegeben. Soll ich daraus schließen, er habe diese in sein o.g. Verzeichnisz geschummelt? Im Anhang C (für Kuckuckseier) ist diesbezüglich auch nichts zu finden.


    Zitat

    „Wir sind der Überzeugung, dass wir jetzt hier ein ganz unbekanntes, reizvolles Stück des jungen Mozart präsentieren können“

    Im digitalen Köchel wird das Stück unter KV 648 als Werk zweifelhafter Echtheit geführt; offenbar ist man doch nicht so ganz sicher ... warum das dann aber im Hauptteil erscheint, erschließt sich mir nicht; das widerspricht der eigentlichen Köchellogik.


    Im Zweifel wird dann das „Nannerl“ Recht behalten.

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Eine wunderbare Nachricht! Erst dachte ich, als ich las, „Neues von Mozart“: Er kann es wohl auch im Jenseits nicht lassen sein, das Komponieren!


    Herzliche Grüße

    Christian Hasiewicz

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Google lernt bekanntlich schnell: einmal diesen Artikel (oben verlinkt) angeklickt, wird man hinkünftig mit gleichen oder ähnlichen Artikeln belästigt. Das Scrollen durch die News nervt dann schnell, bis ich plötzlich die Stichworte „Mozart, piano piece, mysterious“ lese ... hm? Wieso plötzlich Klavierstück, das war doch eine Serenade? Was haben die drüben hinterm großen Teich wieder nicht verstanden?


    Misterious piano piece was ignored for centuries. It was written by Mozart, officials say.


    Da sprießen wohl neuerdings die angeblichen Mozarttstücke wie Pilze aus dem Boden. Diesmal also die sogenannten Mailänder Variationen, die Mozart 1771 anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Ferdinand Karl und Maria Betrice d'Este komponiert haben soll.


    Hier nochmal auf deutsch:


    Sensation! Musikstück des jungen Mozart entdeckt


    Unter KV Anhang C 27.06 der alten KV-Ausgabe sind 9 Stücke für Klavier verzeichnet.

    Zitat

    Eins von ihnen, die Nr. 3, findet sich jedoch unter Mozarts Namen verzeichnet in B&H, hs. Kat. S. 54 und hat in einer Abschrift der Bibl. des Steiermärkischen Musikvereins in Graz (Lannoy-Slg.) 12 Variationen erfahren, die nun schon ganz sicher unmozartisch sind.

    Genau das wollen Forscher inzwischen widerlegt haben.


    Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, man fünde den ersten Akt der Oper „Il servitore di due padroni“, an der Mozart nach eigenen Angaben gearbeitet hatte.


    Man hätte den neuen Köchel durchaus als Loseblatt-Ergänzungs-Werk wie die Beckschen Ausgaben der deutschen Steuergesetzgebung mit regelmäßigen Ergänzungslieferungen herausgeben sollen. Meine Aufgabe als Azubi war es damals, die Textlieferungen zu aktualisieren: „Band MDCCLVI, Ss. 8.257-8.259 herausnehmen und gg. Ss 8.257-8.311 ersetzen“. Der Reißwolf hatte zu tun.

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    (unbekannt)

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  • Merci. An die neue KV-Nr. 648 muß man sich wirklich erst gewöhnen, schon 627 tut weh ...


    Das Allegro könnte tatsächlich in gewisser Weise mozärtlichen Ursprungs sein: klingt allerdings eher wie eine Aria aus einer frühen Oper oder einem frühen Oratorium, die hier verwurstet wurde.

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Mir gefällt das Werk ausgezeichnet, auch wenn es vielleicht mit einen kleinen Wacklern hier von den jungen Musikern aufgeführt wird - dennoch machen sie ihre Sache sehr gut:


  • Klingt schon nach Mozart,


    wäre schön wenn das mal Profis aufführen würden, obwohl die das schon gut machen. Respekt und verdienter Applaus !

  • Ich finde das Stück im Prinzip auch reizend; die „Aufnahmetechnik“ verschluckt leider oftmals das Violoncello, aber das wechselseitige Motivzuwerfen der Violinen in Satz 2 und auch (wenig) 3 sowie die vorsichtigen Auszierungen sind schon recht gut gelungen. Manches wirkt von der Komposition her etwas unausgereift im Vergleich zu zeitnah entstandenen Werken, was mich etwas stutzig macht. Irgendwie „fehlt“ eine vierte Stimme, es klingt etwas dünn; was aber auch wieder an der Aufnahmetechnik liegen mag.

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
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  • Eine - wie ich finde - sehr berührende Veranstaltung. Nun hat man das Stück also gehört - estmals gehört. Es wird gewiss bald unter technisch günstigeren Bedingungen eingespielt werden. Mit gefiel sehr, dass die erste öffentliche Aufführungen jungen Leuten von der Leipziger "Musikschule Johann Sebastian Bach" - sie heißen Vincent Geer (Violine), David Geer (Violine) und Elisabeth Zimmermann (Violoncello) - übertragen wurde.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die drei jungen Musiker spielten zuerst im Innern des Gebäudes. Weil jedoch nicht alle Personen Einlass gefunden hatten, spielte das Trio für das zahlreich erschienene Publikum auf den obersten Stufen vor dem Gebäude im Freien. Sehr sympathisch diese Geste. Die Umgebungsgeräusche des Verkehrs waren zu hören. Eine professionelle Aufnahmetechnik erwarte ich von einer Handkamera nicht. Es ist ein Trio für zwei Violinen und ein Cello. was zum Zeitpunkt der Komposition einen Grund gehabt haben dürfte. Das die Instrumentalisten dieser Wiederaufführung keine Profis waren, steigert für mich die Authentizität. Dass Mozart auf weltweites Interesse gestossen ist, ist zu begrüssen.

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Die drei jungen Musiker spielten zuerst im Innern des Gebäudes.

    Das klang so:


    wäre schön wenn das mal Profis aufführen würden

    Bittscheee:



    Das war dann wohl die richtige Uraufführung in modernen Zeiten (vom 19. September 2024).


    Irgendwie „fehlt“ eine vierte Stimme, es klingt etwas dünn;

    Und schwubbs - da ist sie: die Hinzunahme des Cembalos als Continuoinstrument scheint mir für die Entstehungszeit des Werkes authentisch und notwendig.

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  • Herbert Blomstedt dirigiert Mozarts „Ganz kleine Nachtmusik“ im Leipziger Gewandhaus


    Zunächst dachte ich: was gibt's da zu dirigieren? Naja:


    Herbert Blomstedt will die neuentdeckte furchtbar kleine Nachtmusik künftig einigen Konzerten voranstellen, dabei die Besetzung etwas aufmotz(art)en:


    Zitat von LVZ

    Ehrendirigent Herbert Blomstedt werde ein kleines Streichorchester mit Cembalo und Fagott dirigieren

    Außerdem:

    Zitat von LVZ

    Bei den Aufführungen im Gewandhaus sind Tonaufnahmen geplant. Bei der Deutschen Grammophon sollen sie in Kürze zum Download angeboten werden.

    :S

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

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  • Das Stück scheint die Leute zu begeistern, was ich (bis auf das Allegro vielleicht) nicht ganz nachvollziehen kann. Meine bescheidene Meinung: hätte das Werk den Titel nicht, wäre es womöglich verpufft; wobei m. W. nicht eindeutig geklärt ist, daß „Nannerl“ genau dieses Stück gemeint hat - es gibt ja noch 5 bis 6 weitere bislang unentdeckte Trios. Leichte Besetzung und Spielbarkeit spielen natürlich auch eine Rolle. Soviel Aufmerksamkeit hat die damals wiederentdeckte Arie (KV 477a; Per la Ricuperata salute di Ofelia; Koproduktion mit Salieri und ggfs. da Ponte) nicht gehabt.



    Cecilia Bernardini - violin (Nicolò Amati, 1643)
    Matthea de Muynck - violin (Johannes Cuijpers, 1803)
    Marcus van den Munckhof - cello (Egidius Snoeck, ca. 1710)


    25 September 2024, St. Sebastianuskerk, Ilpendam, The Netherlands


    Schön sind die Auszierungen der ersten Geigerin im Allegro.


    Nebenbei bemerkt: Autor ist gemäß Stimmenabschrift ein gewisser Wofgang Mozart. 8-)

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Schön sind die Auszierungen der ersten Geigerin im Allegro.

    Ja, das nimmt regelrecht vivaldeske Züge an :S

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Noch eine - diesmal mit richtigen Vorschlägen:



    Soloists of the Spohr-Kammerorchester:
    Katalin Westermann
    Giulia Sardi
    Nico Treutler

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Wenn Mozart wieder in alle Ohren kommt, kann ich das nur begrüssen. Auch wenn es sich um ein Jugendwerk handelt, der Titel "Ganz kleine Nachtmusik" ist ein geschicktes Marketing, das ich für ein musikalisches Genie angemessen halte.


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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky