Antonio Salieri (1750-1825):
A R M I D A
Dramma
per musica in drei Akten
Libretto von Marco Coltellini nach Torquato Tasso Das befreite Jerusalem
Originalsprache: Italienisch.
Uraufführung im Wiener Burgtheater am 2.Juni 1771.
Personen der Handlung:
Armida, Königin von Damaskus und Zauberin (Sopran)
Rinaldo, Kreuzritter (Sopran)
Ismene, Armidas Vertraute (Mezzosopran)
Ubaldo, Kreuzritter und Freund Rinaldos (Bariton)
Ort und Zeit: In und um Jerusalem, 1099.
Vorbemerkung:
Armida,
zauberkundige Königin von Damaskus, setzt ihr Können und Wissen zum
Schutz Jerusalems vor dem Angriff der Kreuzritter ein. Sie hat es
geschafft, eine wichtige Person aus dem Lager der Kreuzritter, den
Ritter Rinaldo, zu verführen und auf ihre Zauberinsel
zu
bringen. Sie hat sich aber auch, seit sie ihn zum ersten Mal sah, in
ihn verliebt und ist gerade in der Situation, ihn zu verlieren.
Rinaldos Freund Ubaldo hat sich vor längerer Zeit auf die Suche nach ihm begeben, um ihn zu befreien und zum Heerführer der Kreuzritter, Gottfried von Bouillon, zurückzuführen.
Die der Oper vorangestellte Ouvertüre (Sinfonia) schildert Ubaldos Ankunft an den Gestaden von Armidas Insel; sie schildert auch sein gefahrvolles Vorrücken auf der Insel, die von Dämonen verteidigt wird, wobei er einen herrlichen Park erreicht, in dem er ein großes Schloss sieht.
Erster
Akt.
Ein
herrlicher Park mit verschiedenen Alleen. Im Hintergrund der
prächtige Eingang in den Zauber-Palast Armidas. In der Bühnenmitte
ein weitläufiger See mit blumenreichem Ufer, an dem gedeckte Tische
stehen. Anmutige Jungfrauen scherzen und mischen sich zu fröhlichem
Tanz.
Die Nymphen tanzen und singen; wobei sie daran erinnern, dass die Jugendzeit genossen werden sollte, denn dafür ist sie schließlich da. Das ist der Moment, wo die Vertraute der Königin Armida, Ismene, auf die Szene kommt und die Tändelei der Nymphen unterbricht und die Ankunft eines fremden Schiffes ankündigt und von der Niederlage der Wächter der Insel berichtet. Ismenes Rede führt zu einer sichtbaren Verängstigung aller Anwesenden, die dann aber - ebenso sichtbar - verborgen wird.
Dann sieht Ismene den Kreuzritter Ubaldo auf die Bühne kommen, was bei den Nymphen zu einer Wiederholung des Gesangs und des Tanzes zum Aktbeginn führt – so, als wollte man die Besucher freundlichst willkommen heißen.
Ubaldo aber erinnert sich an die Quelle, wo sich mancher schon in den Tod trank. Ismene ändert ihren Ton und ermuntert die Nymphen, ihre Angst abzulegen, denn der fremde Ritter bringe keinen Krieg in die Wohnung des Friedens. Ismenes Worte der Ermunterung finden allerdings bei Ubaldo keinen Anklang, er weist alle schönen Worte von sich. Auch die Zaubersprüche, deren sich Ismene versucht, zeige keine Wirkung. Aber Ismene gibt sich nicht geschlagen, sie ruft die Dämonen herbei, die der Ritter jedoch mit der Hilfe eines Zauberstabes vertreibt. Danach dankt er der Vorsehung und denkt über das Schicksal von Rinaldo laut nach:
Dies
ist der Aufenthalt, wo im Schoße der Freuden, dem unwürdigen Joch
einer verführerischen Schönheit unterworfen, dein junger Held, den
du beschützt, seine gedemütigte Stirn senkt.
Ubaldo bittet Gott in seiner Allmacht um Beistand bei dem Versuch, eine verlorene Seele zur Vernunft zu bringen.
Zweiter Akt.
Die
Bühne stellt einen geräumigen und wohlgefälligen Garten dar, in
dessen Hintergrund man die gewundenen und komplizierten Galerien des
Portikus
sehen kann, der ein Labyrinth umgibt. Armida und Rinaldo
sitzen auf dem Rasen und umwinden sich mit Blumenkränzen.
Im Garten von Armidas Zauberschloss, wo offensichtlich alles den Vergnügungen dient, sind Armida und Rinaldo zusammengekommen, um ihr Liebe zu feiern. Die Königin aber lässt den Kreuzritter zurück, um sich der Macht ihrer Zauberkünste zu versichern, denn sie ist in Sorge über Trennungsgerüchte.
Allein auf der Szene bekräftigt Rinaldo, dass er ohne Armida nicht mehr leben kann. Er ruft die Liebesträume dazu auf, ihm während der Abwesenheit Armidas ihr Abbild zu zeigen.
Zu den Klängen einer
Sinfonie schläft Rinaldo ein. Wohlgefällige Geister aus dem Gefolge
der Freuden treten auf und vollführen einen Ballo. Danach tritt,
während einer kurzen Sinfonia Ubaldo auf die Szene und die Schatten
der Freudengeister verschwinden.
Als Ubaldo seinen Freund Rinaldo schlafend vorfindet, befestigt er seinen Schild einem nahestehenden Baum, rüttelt Rinaldo heftig und geht etwas zur Seite. Als Rinaldo erwacht, erblickt er in Ubaldos Schild sein Ebenbild und ist im gleichen Moment wieder voll dabei. Als Armida kommt, ist sie zunächst erschrocken, weil Ubaldo sich auf der Szene befindet und sie sich daraufhin verteidigen muss. Und das erstaunt wiederum Rinaldo, der sich bei Armidas Abgang anschickt, ihr zu folgen. Das lässt Ubaldo jedoch nicht zu; er erinnert den Freund an seine Glauben und schafft es schließlich, dass er sich dem Kreuzzug wieder anschließt.
Dritter Akt.
Geräumiger
Aufenthalt in der Unterwelt. In der Mitte steht ein Altar, daneben
ein Dreifuß. Armida und ihr schwarz verhülltes Gefolge feiert mit
einem ernsten Tanz um den Altar ein Opfer für die Götter des Orcus.
Armida setzt sich auf den Dreifuß und nimmt damit den Vorsitz ein,
hält in der Hand den Zauberstab. Schließlich erhebt sie sich voller
Zorn.
Armida wird immer noch von Furcht vor dem magischen Schild geplagt und versucht in Anwesenheit ihres Gefolges vergeblich, sich an die Mächte der Unterwelt zu wenden. Es ist Ismene, ihre Vertraute, die auf die Szene kommt, sie bei den Beschwörungen der Geister der Unterwelt unterbricht, und ihr die Befreiung Rinaldos und seine bevorstehende Abreise in Begleitung von Kreuzritter Ubaldo zu informieren. Armida bekommt einen Wein-Krampf und will versuchen, den Geliebten von seinem Vorhaben wieder abzubringen. Das ist aber eine Wendung, die ihr Gefolge in Erstaunen versetzt.
Obwohl Rinaldo aus Armidas Liebesbann gelöst ist, zögert er immer noch, sie zu verlassen. Da aber veranlasst Ubaldo zu lautstarken Vorwürfen an seinen Freund, dass er seinen Glauben verraten habe und, nicht unwesentlich, die Kameraden und den Anführer Gottfried von Bouillon im Stich gelassen zu haben.
Die Ankunft der Zauberin bringt für Rinaldo Unannehmlichkeiten mit sich, denn sie fleht ihn an, bei ihr zu bleiben - oder, sie zu töten. Diese Prüfung aber besteht Rinaldo, denn er lässt sich jetzt nicht mehr erweichen. Und darüber fällt Armida in Ohnmacht, sieht sich ihrer Gewalt über ihn beraubt. Als sie
wieder zu Bewusstsein kommt, bemerkt sie Rinaldos Weggang und ergeht sich in Klagen über den Verlust des Geliebten. Dann aber befiehlt sie ihren Dämonen, ihre Insel zu zerstören. Sie selbst klettert in einen von Drachen gezogenen Wagen und fährt unter Flüchen davon. Dabei hört man, dass sie dem Geliebten Rache schwört…
Anmerkungen.
Marco Coltellini kam 1763 auf Ersuchen von Pietro Metastasio nach Wien und schrieb für Gluck und Salieri zwei Libretti zu ähnlichen Themen: Telemaco o sia l’Isola di Circe wurde für Gluck, und Armida für Salieri verfasst. Letzterer war damals ein Neuling im Bereich der Opera seria kam aber mit seiner Armida beim Publikum gut an.
Nach der Uraufführung am 2. Juni 1771 schrieb Kaiser Joseph II. an seinen Bruder Leopold (dem späteren Kaiser Leopold II.):
Gestern ist eine neue Oper
Armida erschienen, die Musik stammt von Salieri, Gasmans [sic]
Schüler, sie ist bestens gelungen und ich werde sie Euch zukommen
lassen.
Graf von Zinzendorf, ein
wirklich eifriger Operngeher, vermerkte in seinem Tagebuch, dass die
Oper Armida schön ist, sowohl die Aufführung an sich als auch das
Bühnenbild und die Musik.
Der Abgang der Hauptdarsteller Schindler und Millico vom Burgtheater in Wien machte eine Wiederaufnahme dort zunichte, aber die Oper wurde 1773 in Kopenhagen, 1774 in St. Petersburg und in Norddeutschland mit großer Begeisterung aufgenommen.
Dieser Erfolg brachte Carl Friedrich Cramer 1783 dazu, in Leipzig einen Klavierauszug herauszugeben, dem auch eine Übersetzung in deutscher Sprache beigefügt war. Das kann man durchaus als ungewöhnlich bezeichnen, denn Armida war eine der wenigen Opern, die im 18. Jahrhundert im Druck erschienen. Und Salieri schrieb an den Herausgeber Cramer, dass für ihn gesungene Musik nur mehr die Wahrheit, die Wahrheit, die ich in den Tragödien des unvergleichlichen Maestros Gluck erkenne zählt. Und er fügt hinzu, dass er in allen seinen Opern versucht, dieser Wahrheit einen Platz einzuräumen, was hartnäckigen Bemühens bedarf (20. Juli 1784).
Quelle: