Essentielle Gedanken zur deutschen Rechtschreibung - Innerhalb und außerhalb des Forums

  • Ich finde nur die bisherigen Lösungen mit Sternchen, Unterstrich und Doppelpunkt innerhalb eine Wortes völlig unmöglich, Wortumschreibungen in Richtung "Lehrkraft" anstelle von "Lehrer*in" oder "Anzahl der Besuchenden" anstelle Besucher*innenzahl sind sprachlich unbefriedigend und vor allem umständlich. Das wird die Lösung nicht sein.

    Deswegen sollen wir das generische Maskulinum oder auch Femininum nicht verteufeln — die sind nämlich eine Lösung. Ich erlaube mir hier ein paar Gedanken zum Ausdruck zu bringen und auch einen Artikel von einem deutschen Linguisten, Peter Eisenberg, zu verlinken, in dem unter Anderem eine in der Sprachwissenschaft wichtige Theorie von Roman Jakobson zusammengefasst ist.

    Nach Jakobson sind „unmarkierte“ Formen allgemein und unspezifisch und werden dann verwendet, wenn das Geschlecht irrelevant ist. Sein berühmtes Beispiel ist „Esel und Eselin“, wobei „Esel“ unmarkiert ist und sowohl weibliche als auch männliche Tiere bezeichnet. So wird im Satz „Auf dem Feld stehen zwei Esel“ nur die Tierart genannt, während der Satz „Auf dem Feld steht ein Esel und eine Eselin“ hingegen die zusätzliche Information beinhaltet, dass es sich um ein Weibchen und ein Männchen handelt. Im ersten Satz sind die Tiere gleich, im zweiten werden die Unterschiede zwischen ihnen genannt.
    Ein anderes Beispiel, das mir gerade einfällt, wäre der Satz „Ich bin auf Katzen allergisch“, wo das generische Femininum „Katze“ natürlich sowohl die Männchen als auch die Weibchen bezeichnet, und genau deswegen bedeutet die Aussage nicht, dass ich auf einen Kater nicht allergisch reagieren würde.

    Genauso kann und soll das generische Maskulinum „Arzt“, „Lehrer“ etc. zur Bezeichnung einer Person, weiblich oder männlich, die diesen Beruf ausübt, verwendet werden. Die weibliche Form hingegen hat eine etwas abweichende Bedeutung und somit eine andere Funktion in der Sprache. Ich gebe ein paar Beispiele:

    Der Satz „Geh morgen zu einem Arzt!“ sagt sehr allgemein „Du brauchst ärztliche Hilfe, geh zu jemanden, der diesen Beruf ausübt“. Der Satz „Geh morgen zu einer Ärztin!“ hingegen sagt zusätzlich „ein männlicher Arzt taugt nichts - geh zu einer Frau!“. In anderen Worten werden im zweiten Satz geschlechtsspezifische Unterschiede hervorgehoben. Für eine Empfehlung, einen männlichen Spezialisten aufzusuchen, würde wiederum das unmarkierte Wort „Arzt“ nicht ausreichen und man müsste die Geschlechtszugehörigkeit mit zusätzlichen sprachlichen Mitteln ausdrucken. Frau Angela Steidele, die den von Ulli verlinkten Artikel in Deutschlandfunk verfasst hat, muss übrigens selbst zu einer zusätzlichen Erklärung greifen, weil durch das Wort „die Ministerpräsidenten“ dem Leser nicht deutlich wird, dass es sich ausschließlich um Männer in diesem Amt handelt. Ich zitiere „Die rein männlichen Formen in letzten Satz waren übrigens zutreffend und gewollt.“


    Es ist ein Paradox - wir glauben den Frauen einen Gefallen zu tun, in dem wir die weibliche Form „Ärztin“ da reinbringen, wo die Verwendung des generischen Maskulinums „Arzt“ richtig wäre, und sagen damit eigentlich, dass es genderspezifische Unterschiede innerhalb einer beruflichen Gruppe gibt, was der Kernidee des Kampfes für Gleichberechtigung widerspricht.

    Nota bene - Jakobsons Theorie ist nicht auf Gender begrenzt, sondern befasst sich zum Beispiel mit markierten und unmarkierten Formen von Verben und kann somit nicht sexistisch motiviert gewesen sein.

    „Eppur si muove!“

    Galileo Galilei

  • Garaguly Durch Gendern werden ja nicht in die Rechte der Mehrheit eingegriffen, das ist eine etwas absurde Vorstellung. Ich will das Gendern auch nicht verteiden, weil der derzeitige Gebrauch mE sehr problematisch ist, aber man muss den Minderheiten schon gerecht werden, daran führt kein Weg vorbei. Für mich sehe ich eigentlich nur die Möglichkeit, etwa in Mails wie bisher Damen und Herren einzeln anzusprechen (Liebe Kolleginnen und Kollegen... oder - falls es mal erforderlich sein sollte: Liebe Lehrerinnen und Lehrer...) und weiter das generische Maskulin zu verwenden. Das Gendern richtet sich ja vor allem gegen dieses generische Maskulin. Wobei ein Sprachwissenschaftler (auch Peter Eisenberg!) in der FAZ mal darauf aufmerksam gemacht hat, dass das generische Maskulin auch in den Pronomen versteckt ist:

    Mit „Wer war das?“ fragt man nach einer Person unabhängig vom natürlichen Geschlecht, aber die Form ist maskulin.

    Man erkennt das an Sätzen wie „Wer das tut, den haun wir auf den Hut“. Die feminine Form „die" (anstelle von "den") ist ausgeschlossen. Ebenso bei „jemand“:

    „Kann jemand etwas von seiner Schwangerschaft erzählen?“ Wieder ist die feminine Form („ihrer“) nicht möglich.


    Da würde mich mal interessieren, wie hier gegendert werden soll?


    Ich kann nur vermuten, dass solche Sätze dann schlicht unterlassen werden - was zu einer Reduktion von sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten führen würde. Aber wenn man sich mal die Vorschläge auf mentorium.de ansieht, dann wird darüber durchaus nachgedacht.


    Nachtrag:

    Mein Beitrag hat sich jetzt überschnitten mit den klugen Anmerkungen von Provence

    Ich kann da nur zustimmen, aber wie gesagt ist es in meinem beruflichen Umfeld (ich arbeite in der Medienbranche) absolut unmöglich, dafür Gehör zu finden!

  • Und selbst wenn es so wäre - was ist mit den verbleibenden 20% Die werden einfach ignoriert und übergangen?

    Die Meinung von 20% der Bevölkerung - wenn denn die Zahl stimmt - ist also zu vernachlässigen?

    Darüber kann ich nur lachen. Das passiert in allen Medien tagtäglich.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich kann da nur zustimmen, aber wie gesagt ist es in meinem beruflichen Umfeld (ich arbeite in der Medienbranche) absolut unmöglich, dafür Gehör zu finden!


    Das passiert halt (leider), wenn Leute nicht mehr zwischen einem Ideal und seiner praktischen Umsetzung unterscheiden. Ich kann das hinter einem Vorhaben stehende Ideal begrüßenswert finden, aber trotzdem seine praktische Umsetzung kritisieren. An anderen Stellen passiert das sogar selbstverständlich - auch fleißig gendernde Leute schimpfen z. B. gerne über die Bahn, ohne dass man ihnen deswegen unterstellen würde, dass sie gegen den Gedanken des Umweltschutzes durch Bahnreisen sind.


    Den Text von Eisenberg finde ich durchaus erhellend. Wie etabliert ist die Theorie von Jakobson in der Linguistik denn? Haben wir einen einschlägig gebildeten Kenner der Materie hier in unseren Reihen? Wenn das "state of the art" in der linguistischen Wissenschaft sein sollte, müsste man das Gendern ja in der Tat nochmal sehr gründlich überdenken.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Den Beitrag (#61) von Provence finde ich sehr schlüssig, die darin beschriebene Theorie ist überzeugend. Ich habe auch ein Beispiel: Trinker sind keine Trinkenden und Trinkende sind nicht unbedingt Trinker (z.B. an der Mutterbrust, obwohl: "Als Büblein klein an der Mutterbrust..." Welche Oper war das? Ich glaube, Nicolais lustige Weiber von Windsor). Diese Arie konnte ich mit 14 singen und alle hatten Spaß, weil ich eher schmächtig war).

    Manchmal ist wenig immer viel! (Thorsten Legat)

  • Garaguly Durch Gendern werden ja nicht in die Rechte der Mehrheit eingegriffen, das ist eine etwas absurde Vorstellung. Ich will das Gendern auch nicht verteiden, weil der derzeitige Gebrauch mE sehr problematisch ist, aber man muss den Minderheiten schon gerecht werden, daran führt kein Weg vorbei. Für mich sehe ich eigentlich nur die Möglichkeit, etwa in Mails wie bisher Damen und Herren einzeln anzusprechen (Liebe Kolleginnen und Kollegen... oder - falls es mal erforderlich sein sollte: Liebe Lehrerinnen und Lehrer...) und weiter das generische Maskulin zu verwenden. Das Gendern richtet sich ja vor allem gegen dieses generische Maskulin. Wobei ein Sprachwissenschaftler (auch Peter Eisenberg!) in der FAZ mal darauf aufmerksam gemacht hat, dass das generische Maskulin auch in den Pronomen versteckt ist:

    Das Gendern als solches greift in keines Menschen Rechte ein, das stimmt natürlich. Leider sind aber bei genderaffinen Leuten seit Jahren immer wieder Anwandlungen zu beobachten, das Gendern, den "korrekten" Sprachgebrauch, von anderen Leuten zu verlangen, es sind so moralische, pharisäerhafte Züge zu beobachten.


    Im ÖRR kommt dazu, dass sicher eine Mehrheit der Zuschauer nicht ständig von Moderatoren, Sprechern etc. etwas "vorgegendert" bekommen möchte. Ich wies ja bereits darauf hin, dass man innerhalb des ÖRR durchaus mehr darauf zu achten hätte, auf die Einstellungen einer Publikumsmehrheit Rücksicht zu nehmen, denn der ÖRR verspielt durch diese Mätzchen (aber natürlich auch durch andere Dinge, wie das skandalöse Gebaren einer Frau Schlesinger beim RBB etc.) Seine in Deutschland über Jahrzehnte sehr solide Verankerung in der Gunst des Volkes. Und das fand ich persönlich immer gut: Diesen ruhigen, abwägenden Stil des deutschen Fernseh- und Rundfunkjournalismus. Das tat der Sache eigentlich immer ganz gut. Und die meisten Menschen im Land waren damit auch zufrieden. Nur mittlerweile ist da leider etwas gekippt. Aber das ging nicht vom Publikum aus, sondern es kam aus den Sendern, deren Personal sich nach 2000 verjüngte und sukzessive immer grünere, linkere Positionen Einzug halten ließ. Und dabei spielte das Gendern dann irgendwann auch eine Rolle ... wenn auch definitiv nicht die einzige Rolle.


    Bei Privatpersonen, Einzelindividuen, die nicht im Namen einer Behörde oder sonstigen öffentlichen Institution sprechen, ist es mir solange komplett egal, solange man mich nicht versucht zu nötigen, zu belehren, zu kujonieren. Ich spreche, wie ich es für richtig halte, andere dürfen das dann auch. Man sollte sich da gegenseitig in Ruhe lassen.


    Das hessische Kultusministerium hat jetzt etwa im schriftlichen Dienstverkehr das Gendern untersagt. Gut so. Diese ostentativ gendernden Mitglieder der Schulleitung gingen mir schon kräftig auf den Sack, zumal erkennbar war, dass Teile des Kollegiums anfingen, sich anzupassen, eben weil einige Vorgesetzte genderten. Dem ist jetzt ein Riegel vorgeschoben. Und das ist gut so.


    Wenn Schüler im Unterricht beim Sprechen gendern (aber das macht nur ein Anteil unterhalb der Promillemarke), dann ist mir das komplett egal. Machen Sie es schriftlich, dann muss eben die Grammatik im Gesamtzusammenhang stimmen, sonst gibt's entsprechende Fehler, die in den notenabzugsfähigen Fehlerindex eingehen.


    Grüße

    Garaguly

  • Das hessische Kultusministerium hat jetzt etwa im schriftlichen Dienstverkehr das Gendern untersagt. Gut so.


    Das passt ja mal wunderbar zum Widerstand gegen eine "Sprachdiktatur". ;)


    LG :hello:

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  • Wie darf man das verstehen? Du findest diese ministerielle Entscheidung nicht gut?


    Ich finde, dass man sich nicht einerseits über Vorgaben, wie man zu sprechen hat, echauffieren und zeitgleich derartige Erlasse begrüßen kann.


    Es ist doch eigentlich ganz einfach. Es handelt sich beim Gendern zunächst mal um eine Art Sprachtrend, der momentan vermutlich eher von einer Minderheit gepflegt wird. Entweder, dieser Sprachtrend setzt sich in der deutschen Sprache fest und wird somit zu etablierter Regelsprache, oder eben halt nicht. Was von beidem passiert, sollte m. E. nicht durch politische Erlasse bestimmt werden, und zwar weder in die eine noch in die andere Richtung.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich finde, dass man sich nicht einerseits über Vorgaben, wie man zu sprechen hat, echauffieren und zeitgleich derartige Erlasse begrüßen kann.

    Doch kann man. Weil der Erlass in einer hierarchischen Institution für Ruhe sorgt. Das versuchte ich ja schon deutlich zu machen, dass Menschen ja auch anpasserisch und schwächlich sind und wenn dann Vorgesetzte ostentativ gendern, dass dann manche Naturen sich dem anpassen, was sie wahrscheinlich ohne diese gendernden Vorgesetzten nicht getan hätten.

    Es geht um die Hierarchie. Das ist immer gefährlich. Staatliche Hierarchien sind ideologiefrei zu halten.


    Ansonsten, bei Privatpersonen, ist es mir wurscht, solange man mich nicht zu nötigen versucht.


    Grüße

    Garaguly

  • Staatliche Hierarchien sind ideologiefrei zu halten.


    Das sind sie aber nicht, wenn sie beim Thema der Sprachgestaltung den Wünschen einer politischen Richtung folgen.


    Du kannst da jetzt noch drei Windungen drum machen oder Zitronensaft auf alles träufeln - per Erlass Sprachverbote zu erwirken steht im logischen Widerspruch zu Beschwerden über eine angebliche "Sprachdiktatur".


    LG :hello:

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  • Das sind sie aber nicht, wenn sie beim Thema der Sprachgestaltung den Wünschen einer politischen Richtung folgen.


    Du kannst da jetzt noch drei Windungen drum machen oder Zitronensaft auf alles träufeln - per Erlass Sprachverbote zu erwirken steht im logischen Widerspruch zu Beschwerden über eine angebliche "Sprachdiktatur".


    LG :hello:

    Von Sprachdiktatur habe ich noch nicht gesprochen. Da musst du etwas verwechseln.


    Wenn sich aber einzelne Vorgesetzte dieser Sprache bedienen und so einen nicht weg zu diskutierenden subtilen Druck aufbauen? Egal? Naja. Mir nicht.


    Zudem betrifft es den schriftlichen Dienstgebrauch. Hier ist die genderfreie "Normalsprache" als neutraler Standard anzusehen, der auch von einer übergroßen Mehrheit als solcher gesehen wird. Will die Kollegin in der Pause im Lehrerzimmer sagen: "Die Schüler*innen der 8b waren so nett heute" kann se das weiterhin tun.


    Und wenn die Stadtverwaltung Hannover das Gendern verpflichtend einführt für ihre Mitarbeiter ... dann ist das ... für Dich ... okay???


    Grüße

    Garaguly

  • Von Sprachdiktatur habe ich noch nicht gesprochen. Da musst du etwas verwechseln.


    Und was ist das dann (?):


    Leider sind aber bei genderaffinen Leuten seit Jahren immer wieder Anwandlungen zu beobachten, das Gendern, den "korrekten" Sprachgebrauch, von anderen Leuten zu verlangen, es sind so moralische, pharisäerhafte Züge zu beobachten.


    Wenn sich aber einzelne Vorgesetzte dieser Sprache bedienen und so einen nicht weg zu diskutierenden subtilen Druck aufbauen? Egal? Naja. Mir nicht.


    Aber der unsubtile Druck zum Gegenteil per Dienstanweisung ist in Ordnung? Wie geht das denn zusammen?


    Und wenn die Stadtverwaltung Hannover das Gendern verpflichtend einführt für ihre Mitarbeiter ... dann ist das ... für Dich ... okay???


    Nö.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Eine paar Knacknüsse.


    Kann oder soll man Prof.'in Dr. Lieschen Müller in der Anrede zu Frau Professorin Doktorin L. M. Mkmachen, oder zu Frau Professorin Doktor L. M. oder bleibt es bei Frau Professor Doktor L. M.? (Achtung: Prof. ist ein Titel, Dr. ist ein akademischer Grad).


    Bei der deutschen Lufthansa ist der/die Chef*in des Kabinenpersonal ein Purser bzw. eine Purserette. Bei der SWISS nennt man die männlichen Personen "Maitre de Cabine", aber wird die weibliche Chefin daher automatisch zur "Maitresse de Cabine"?


    Ein Kaufmann sollte möglichst kaufmännisch handeln, aber kann eine Kauffrau auch kaufmännisch handeln oder tut sie das zwangsläufig kauffraulich?



    "Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich“ ist für uns alle vollkommen klar, aber "Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich“ ist etwas komplizierter, da die Schweizerinnen erst seit 1971 ein Wahlrecht haben und erst seit 1981 offiziell in der Verfassung gleichberechtigt sind. Bis dahin galt "Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich“ wirklich nur für Männer.


    Wird aus einem Ampelmännchen eigentlich ein Ampelmenschchen oder ein Ampelfrauchen? Beide Versionen hören sich echt bescheuert an.


    Ganz schön schwierig, aber der allgemeine Sprachgebrauch wird's in ein paar Jahren schon richten.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • zu Punkt 1, den Du ansprichst: das ist doch etwas völlig anderes. Eine Diktatur wäre ein durchgesetzter, überall gleichermaßen geltender Zwang. Ich sprach von Personen, die - oft ohne "von oben" angeleitet zu sein - aus eigenem Moralisierungsdrang, aus Geltungssucht, aus Missionierungswahn oder Selbstgerechtigkeit versuchen, andere dazu zu drängen, es ihnen gleichzutun. Deswegen sprach ich ja von genderaffinen Leuten und ihren pharisäerhaften Anwandlungen. Wenn ich Diktatur hätte sagen wollen, dann hätte ich auch Diktatur gesagt bzw. geschrieben.


    Grüße

    Garaguly

  • Wie schon gesagt: die Dienstanweisung legt die genderfreie "Normalsprache", wie sie bis vor wenigen Jahren allgemein anerkannt war - und laut amtlichem Regelwerk immer noch ist - als schriftlich zu verwendende Sprachform vor.

    Diese Normalvariante ist nicht ideologisch befrachtet. Die Gendersprache ist es aber schon. Sie ist ein ideologisches Projekt. Die Normalsprache, über Jahrhunderte gewachsen, kann man nicht als ideologisch bezeichnen. Die Gendersprache ist von einem bestimmten Klientel konstruiert und in wenigen Jahren künstlich kreiert worden. In ihr kommt Ideologie pur zum Ausdruck. Die Gendersprache ist alles andere als natürlich gewachsen. Wäre sie es, dann hätte sie sich vielleicht schon ohne große Verkrampfungen etabliert. Und weil die Gendersprache ein Projekt aus einem bestimmten politischen Milieu ist, wird sie von denen, die nicht zu diesem Milieu gehören, auch nicht gern angenommen. Man lässt sich doch vom politischen Gegner nicht in so persönliche Dinge wie das Sprechen hineinreden.


    Grüße

    Garaguly

  • Diese Normalvariante ist nicht ideologisch befrachtet.


    Wenn es eine gesellschaftliche Diskussion darüber gibt, ob man diese "Normalvariante" weiterhin verwenden oder stattdessen einem relativ neuen Sprachtrend folgen soll, dann ist das Insistieren auf der "Normalvariante'" natürlich ideologisch befrachtet.


    Roman Jakobson ist eine zentrale Figur in der modernen Linguistik und er hat den sogenannten Strukuralismus entscheidend mitgeprägt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Strukturalismus#Roman_Jakobson


    Es ist tatsächlich nicht zu verstehen, warum diese gewichtigen Argumente bspw. vom ÖRR ignoriert werden.


    Vielen Dank für die Informationen, da habe ich heute durch das Forum wirklich etwas gelernt! Es ist in der Tat ziemlich verwunderlich, dass Jakobson in der ganzen Diskussion kaum angeführt wird. War da nicht mal was mit "follow the science"...?


    LG :hello:

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  • Wenn es eine gesellschaftliche Diskussion darüber gibt, ob man diese "Normalvariante" weiterhin verwenden oder stattdessen einem relativ neuen Sprachtrend folgen soll, dann ist das Insistieren auf der "Normalvariante'" natürlich ideologisch befrachtet.

    Nein. Du setzt Dinge gleich, die nicht gleichzusetzen sind. Die, die die neue Sprachvariante durchsetzen wollen, müssen sich argumentativ sehr bemühen, um all den vielen anderen ihre Idee schmackhaft zu machen. Wer einfach bei dem bleibt, was immer normal war, muss sich dafür nicht in gleichem Maß rechtfertigen, wie derjenige, der alles umwerfen will. Wenn die Argumente nicht überzeugend sind, warum sollte man ihnen folgen????


    Grüße

    Garaguly

  • „Kann jemand etwas von seiner Schwangerschaft erzählen?“ Wieder ist die feminine Form („ihrer“) nicht möglich.

    Jefraud.


    Witzig ist das ja beim Indefinitpronomen man, das spaßeshalber (?) schon länger zu „frau“ (entsprechend bewusst klein geschrieben) oder (seit einiger Zeit) in der Aufzählung zu „man/frau/divers“ wurde. Das Wort leitet sich tatsächlich vom „Mann“ ab und ist eine Abschwächung des Wortes in der Bedeutung Mensch - ähnlich dem französischen on, das sich vom lateinischen homo (Mensch, Mann) herleiten lässt. Dies meint der kluge Kluge im etymologischen Wörterbuch, das man wie einen Gutenachtkrimi lesen kann (Empfehlung). Dito jemand, eine Zusammensetzung aus jeder (beliebige) Mann (also Mensch), ähnlich niemand.


    Auch die Lach- und Sprachgeschichten:


    https://www.youtube.com/shorts/7eWMXkyV_ZI


    Der homo sapiens bezieht sich wohl neutral auf den Menschen. Bei der Homosexualität ist das anders. Der Wortbestandteil „homo“ stammt hier eben nicht aus dem lateinischen (was ableiten ließe, daß es sich ausschließlich um Männerliebe handele; aber es gibt ja schließlich auch homosexuelle Frauen), sondern aus dem (Alt-) Griechischen homós, was „gleich“ (also mithin gleichgeschlechtliche Liebe) bedeutet. Also gibt es (leider) keinen hetero sapiens, wohl aber gelegentlich und seltener werdend: Heterosexualität.


    Bei meiner Recherche fand ich heraus, daß das lateinische Wort anus, das wir für den Allerwertesten verwenden, nicht nur „Ring“ bedeutet, sondern üblicher Weise eine alte Frau / Greisin bezeichnet. Da kommen Fragen auf ... z.B. warum das Wort maskulin ist (-us-Endung, während feminine Wörter üblicher Weise auf -a enden; femina, domina)?

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • https://www.youtube.com/shorts/7eWMXkyV_ZI


    Der homo sapiens bezieht sich wohl neutral auf den Menschen. Bei der Homosexualität ist das anders. Der Wortbestandteil „homo“ stammt hier eben nicht aus dem lateinischen (was ableiten ließe, daß es sich ausschließlich um Männerliebe handele; aber es gibt ja schließlich auch homosexuelle Frauen), sondern aus dem (Alt-) Griechischen homós, was „gleich“ (also mithin gleichgeschlechtliche Liebe) bedeutet. Also gibt es (leider) keinen hetero sapiens, wohl aber gelegentlich und seltener werdend: Heterosexualität.

    Es gibt ein witziges Fremdwort im Deutschen, das lateinisch und griechisch verbindet, das Automobil. Mobil aus dem Lat., das Verb heißt movere (bewegen), autós ist griechisch und heißt "selbst", wie etwa auch in Automatik. Also ist das Automobil ein "Selbstbewegtes". Umgekehrt müsste es dann "Ipsekinet" heißen (lat. ipse - selbst, griechisch kinein - bewegen).

    Manchmal ist wenig immer viel! (Thorsten Legat)

  • Es ist in der Tat ziemlich verwunderlich, dass Jakobson in der ganzen Diskussion kaum angeführt wird. War da nicht mal was mit "follow the science"...?

    Die Wissenschaft hat dazu Stellung bezogen, bisher jedoch wirkungslos.


    https://www.linguistik-vs-gendern.de/


    Zitat (ähnlich bereits Provence weiter oben):


    Wir weisen auch darauf hin, dass Gendern zu einer ausgeprägten Sexualisierung der Sprache, also zu einer permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen führt. Daher wird das wichtige Ziel der Geschlechtergerechtigkeit konterkariert und Gendern von einigen Debattenteilnehmern auch als sexistischbezeichnet (Pollatschek 2020). Im Hinblick auf das angestrebte Ziel – Geschlechtergerechtigkeit – ist Gendern also dysfunktional..“

  • Nein. Du setzt Dinge gleich, die nicht gleichzusetzen sind. Die, die die neue Sprachvariante durchsetzen wollen, müssen sich argumentativ sehr bemühen, um all den vielen anderen ihre Idee schmackhaft zu machen. Wer einfach bei dem bleibt, was immer normal war, muss sich dafür nicht in gleichem Maß rechtfertigen, wie derjenige, der alles umwerfen will. Wenn die Argumente nicht überzeugend sind, warum sollte man ihnen folgen????

    Weil man sonst am Scheiterhaufen landen kann.
    „Schmackhaft“ ist ein passendes Wort, denn Ideologen versuchen nicht zu überzeugen, die versuchen zu beeindrucken. Politische Reden, vor allen die, die recht extreme Ideen vermittelt haben, wurden aus der sprachwissenschaftlichen und psychologischen Sicht mehrfach analysiert. Man findet in denen einige interessante Tricks, aber keine fundierte Argumentation. Dazu scheuen sich die Machthaber nicht jegliche wissenschaftliche Gegenwirkung zu unterdrücken. Es wurden sogar ganze wissenschaftliche Felder verboten.
    Die Sprachwissenschaftler versuchen übrigens seit Jahren gegen gendern zu argumentieren und bei der alten Norm zu bleiben.

    „Eppur si muove!“

    Galileo Galilei