Ich finde nur die bisherigen Lösungen mit Sternchen, Unterstrich und Doppelpunkt innerhalb eine Wortes völlig unmöglich, Wortumschreibungen in Richtung "Lehrkraft" anstelle von "Lehrer*in" oder "Anzahl der Besuchenden" anstelle Besucher*innenzahl sind sprachlich unbefriedigend und vor allem umständlich. Das wird die Lösung nicht sein.
Deswegen sollen wir das generische Maskulinum oder auch Femininum nicht verteufeln — die sind nämlich eine Lösung. Ich erlaube mir hier ein paar Gedanken zum Ausdruck zu bringen und auch einen Artikel von einem deutschen Linguisten, Peter Eisenberg, zu verlinken, in dem unter Anderem eine in der Sprachwissenschaft wichtige Theorie von Roman Jakobson zusammengefasst ist.
Nach Jakobson sind „unmarkierte“ Formen allgemein und unspezifisch und werden dann verwendet, wenn das Geschlecht irrelevant ist. Sein berühmtes Beispiel ist „Esel und Eselin“, wobei „Esel“ unmarkiert ist und sowohl weibliche als auch männliche Tiere bezeichnet. So wird im Satz „Auf dem Feld stehen zwei Esel“ nur die Tierart genannt, während der Satz „Auf dem Feld steht ein Esel und eine Eselin“ hingegen die zusätzliche Information beinhaltet, dass es sich um ein Weibchen und ein Männchen handelt. Im ersten Satz sind die Tiere gleich, im zweiten werden die Unterschiede zwischen ihnen genannt.
Ein anderes Beispiel, das mir gerade einfällt, wäre der Satz „Ich bin auf Katzen allergisch“, wo das generische Femininum „Katze“ natürlich sowohl die Männchen als auch die Weibchen bezeichnet, und genau deswegen bedeutet die Aussage nicht, dass ich auf einen Kater nicht allergisch reagieren würde.
Genauso kann und soll das generische Maskulinum „Arzt“, „Lehrer“ etc. zur Bezeichnung einer Person, weiblich oder männlich, die diesen Beruf ausübt, verwendet werden. Die weibliche Form hingegen hat eine etwas abweichende Bedeutung und somit eine andere Funktion in der Sprache. Ich gebe ein paar Beispiele:
Der Satz „Geh morgen zu einem Arzt!“ sagt sehr allgemein „Du brauchst ärztliche Hilfe, geh zu jemanden, der diesen Beruf ausübt“. Der Satz „Geh morgen zu einer Ärztin!“ hingegen sagt zusätzlich „ein männlicher Arzt taugt nichts - geh zu einer Frau!“. In anderen Worten werden im zweiten Satz geschlechtsspezifische Unterschiede hervorgehoben. Für eine Empfehlung, einen männlichen Spezialisten aufzusuchen, würde wiederum das unmarkierte Wort „Arzt“ nicht ausreichen und man müsste die Geschlechtszugehörigkeit mit zusätzlichen sprachlichen Mitteln ausdrucken. Frau Angela Steidele, die den von Ulli verlinkten Artikel in Deutschlandfunk verfasst hat, muss übrigens selbst zu einer zusätzlichen Erklärung greifen, weil durch das Wort „die Ministerpräsidenten“ dem Leser nicht deutlich wird, dass es sich ausschließlich um Männer in diesem Amt handelt. Ich zitiere „Die rein männlichen Formen in letzten Satz waren übrigens zutreffend und gewollt.“
Es ist ein Paradox - wir glauben den Frauen einen Gefallen zu tun, in dem wir die weibliche Form „Ärztin“ da reinbringen, wo die Verwendung des generischen Maskulinums „Arzt“ richtig wäre, und sagen damit eigentlich, dass es genderspezifische Unterschiede innerhalb einer beruflichen Gruppe gibt, was der Kernidee des Kampfes für Gleichberechtigung widerspricht.
Nota bene - Jakobsons Theorie ist nicht auf Gender begrenzt, sondern befasst sich zum Beispiel mit markierten und unmarkierten Formen von Verben und kann somit nicht sexistisch motiviert gewesen sein.