Der Komponist Charles Ives gehört mittlerweile unbestreitbar zu den bedeutendsten amerikanischen Komponisten des 20. jahrhunderts. Nach Leonard Bernstein ist er der Begründer einer amerikanischen Klassik. In meinen Augen erfüllt er diese Aufgabe wesentlich besser, als der an anderer Stelle für diesen Job deklarierte George Gershwin.
Charles Ives schrieb ambitionierte und IMO sehr originelle Klaviermusik. Dabei erfand er mehr oder weniger zeitgleich mit anderen Komponisten wie Haba und Wyschnegradsky Vierteltonmusik. Er schrieb sie zuerst für ein Klavier mit zwei Tastaturen, heute werden die Stücke naheliegend auf zwei gegeneinander um einen Viertelton verschoben gestimmten Klavieren aufgeführt. Sein frühes Lernen vom Schlagzeug, initiiert durch den Vater, ist in seiner Klaviermusik häufig durchhörbar.
Sein gesamtes Klavierwerk ist nicht sehr umfangreich. Es gibt einige Etüden (Studies) , die meisten zwischen 1907 und 1908 entstanden, aber einige auch erst 1925, wo Ives kompositorische Phase wegen der Inanspruchnahme durch seinen Beruf etwas nachgelassen hatte. Zwei gewaltige Sonaten und eine eine häufig unterschätzte Three Page Sonata, in der er nach einer eigenen Notiz das Publikum auf Dissoanzen aufmerksam machen will, mehr als Spaß, trotzdem beeindruckende sieben Minuten. Auf jeden Fall sollte man die Three Quarter Tone Pieces für zwei Klaviere mit einbeziehen.
Sein bekanntestes und wahrscheinlich auch sein bedeutendstes Klavierwerk ist seine zweite Klaviersonate "Concord Mass. 1840-1690", das von einigen als bedeutendster Beitrag Amerikas zur Klaviermusik des 20. jahrhunderts gesehen wird. Wie immer bei solchen Superlativen sind sich die Geister natürlich nicht einig, aber sieht man sich das Schrifttum zu diesem Werk an, liegt die Idee nicht so fern.
Momentan kann man einiges zu dem Werk im Forum lesen in Alle sprechen über dasselbe Musikwerk
Ives schrieb noch eine erste Klaviersonate, die vom Umfang und Anspruch ähnlich einzuschätzen ist.
Zuerst aber zur Concord-Sonate:
Mittlerweile ist die Menge an Einspielungen nicht gering.
Ich möchte auf ein paar aufmerksam machen, die zum Teil noch problemlos erhältlich sind.
Meine Lieblingseinspielung, neu wohl nicht mehr zu bekommen, damals noch als LP bekommen. Herbert Hencks Einspielung des Werkes aus dem Jahr 1977
Mittlerweile gibt es eine Einspielung aus dem Jahre 2004 von Pierre-Laurent Aimard, die ich, obwohl völlig anders, als fast gleichwertig einschätze.
Sie findet sich auch in der Aimard-Box mit allen Warner-Aufnahmen.
Aimard ist etwas lyrischer und lässt in den Fortissimo-Stellen "nicht alle Leinen los", anders als Henck, der an manchen Stellen eine Art "Emotionsgewitter" erzeugt. ICh kann beiden Einspielungen viel abgewinnen.
Die von manchen Kollegen geschätze Seite Classics Today favorisiert eine weitere Einspielung, nämlich die zweite von Marc-André Hamelin. Sie wird dort als Referenz gehandelt.
Mir gefällt sie auch, aber die Souveräntität mit der Hamelin das Werk (in dieser Aufnahme) spielt, nimmt ihm ein wenig von seiner Urgewalt, die für mein Gefühl dazugehört.
Ich möchte hier den zweiten Satz "Hawthorne", der immerhin einigen, die der Sonate sonst distanziert gegenüberstanden, ein paar interessante Momente bescherte, in der Einspielung Hamelins oben mit Noten zeigen.
Da die Liveeinspielung Hamelins in der Littlefield Concert Hall aus dem Jahre 2023 mich vor kurzen noch einmal stark beeindruckt hat, sei sie hier auch gezeigt.
Eine kleine Übersicht an neueren Einspielungen ist:
Die Einspielung der Sonaten ist von 2006, man erhält aber noch eine schöne Einspielung seiner Violinsonaten dazu.
Der Finne Joonas Ahonen spielte 2016 die zweite Sonate (auch hier gekoppelt mit der vierten Violinsonate) ein, um 2019 die erste nachzulegen, diesmal gekoppelt mit dem Klavierwerk Peter Parker des zeitgenössischen österreichischen Komponisten Bernhard Gander.
Ganz frisch herausgekommen sind eind die Einspielungen der Concord-Sonate von Donald Berman und Simone Dinnerstein
Es gibt noch recht aktuelle Einspielunegn der Sonate, die ich leider nicht kenne, aber trotzdem einfach vorstellen möchte. Vielleicht weiß ja der eine oder andere Tamino etwas dazu sagen
Thomas Hell mit einer Aufnahme bei Piano Classics aus dem Jahre 2015
Und Tzimon Barto mit seiner Einspielung aus demselben Jahr beim Label Capriccio