Erinnern und Vergessen

  • Erinnern und Vergessen sind Leistungen des Gehirnes. Die Forschung hat sich intensiv mit diesen Phänomenen beschäftigt.


    Um sich erinnern zu können sind Wiederholungen nötig. Üben, üben, üben. Ohne die Repetition bleibt nichts langfristig abrufbar.


    Vergessen ist nötig, denn niemand will sich an jedes Detail erinnern können, was er im Alltag erlebt hat. Die Gehirnkapazität würde nicht ausreichen. Ärgerlich ist, wenn man sich trotz intensiven Einprägens das Erlernte nicht mehr abrufen kann und einen Blackout hat.


    Lernen ist eine komplexe Angelegenheit.


    In diesem Thread geht es insbesondere um Aspekte von Erinnern und Vergessen im musikalischen Kontext.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Svatoslaw Richter spielte ohne Noten, bis er er sich während eines Konzertes nicht mehr erinnern konnte. Nachdem er vor Publikum in Japan den Notentext vergessen hatte, spielte Richter in späteren Jahren bei seinen Auftritten in der Regel nach Noten. Der Blackout muss ein traumatisches Erlebnis für ihn gewesen sein. Um sich dieser Peinlichkeit nicht mehr auszusetzen, spiele er danach nur noch mit Partitur auf dem Flügel.


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    Meine Bewunderung für Musiker ist für das auswendig Spielen oder Singen können ist gross. Ganze Werkkomplexe spielen sie ohne Noten auf höchstem interpretatorischem Niveau oder singen auf der Bühne eine Oper oder einen Liederabend. Stundenlanges Üben und Probenarbeit sind dieser Leistung vorausgegangen.


    Herbert von Karajan pflegte im Konzert ohne Partitur mit geschlossenen Augen zu dirigieren. So liess er sich für seine Video-Konzertproduktionen ablichten. In den Proben benutze auch er Partituren, um den Musikern die Stelle in ihren Partituren anzuzeigen, 08 min 52 s. In der Probenaufnahme liess er sich so aufnehmen, dass man die Partitur nicht sieht.


    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Noten sind für Kammermusiker eine Hilfe im Zusammenspiel. Sie spielen in der Regel mit Noten.


    Dazu fällt mir ein Zwischenfall ein. Während eines Konzertes des G-Dur Streichquartettes von Maurice Ravel fielen dem 2. Geiger beim Umblättern die Noten vom Notenständer. Er spielte souverän auswendig den Satz zu Ende.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Erinnern und Vergessen sind Leistungen des Gehirnes.

    Es gibt zu dem Thema viele - wissenschaftliche - YT-Videos. Dennoch fand ich das hier recht interessant, weil kurz und knapp:



    Spannend finde ich, wie das Gehirn wichtig und unwichtig sortiert; in der heutigen Zeit der Überflutung durch Videos und Bilder kann das Hirn wohl nach einer gewissen Zeit nicht mehr unterscheiden, ob man sich an Bilder bzw. Videos erinnert oder tatsächlich live dabei gewesen ist: so entsteht dann ein völlig neuer Lebenslauf, an den man fest glaubt, daß er Tatsache war.

    Masi schweigt.
    (Don Giovanni à trois)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Das Gehirn spielt manches Mal Streiche ... hier gleich dreifach:


    Ich meine mich zu erinnern; finde aber den YT-Link gerade nicht (1); daß in einer Dokumentation Alfred Brendel oder Buchbinder (2) davon berichtete und auch musikalisch anhand eines Mozartkonzertes vorführte, wie schnell das Gehirn musikalische Phrasen verwechseln kann (3), wenn man auswendig spielt. Gerade bei Mozart sind Phrasen sehr ähnlich und *zack* landet man in einem anderen Konzert, wenn man nicht aufpasst ... das kann ich aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen.


    Für das Auswendigspielen gilt meine allgemeine uneingeschränkte Hochachtung; ich halte das allerdings aus bereits genannten Gründen für gefährlich und habe überhaupt nichts dagegen, wenn die Noten auf dem Pult liegen - und sei's bloß zur Sicherheit. Bei Solowerken ist die Gefahr eines Totalausfalls (Blackouts) m. E. größer als bei begleiteten Werken (Kammermusik, Konzerte), da die Unterstützung der Begleitinstrumente das Hirn nicht so schnell aus dem Konzept bringen lässt.


    Im folgenden Fall war man sich vermutlich lediglich über das Tongeschlecht des Konzertes einig; Pires aber spielte das aufgelegte d-moll-Konzert statt des präparierten c-moll-Konzertes wohl souverän; hier nur ein Ausschnitt der verzückten Verzweiflung:



    Das ist natürlich eine Meisterleistung - auch in emotionaler Hinsicht!

    Masi schweigt.
    (Don Giovanni à trois)