Der Diskurs über Musik - Möglichkeiten in einem heterogenen Umfeld

  • Dieser Thread geht zurück auf eine Anregung des Kollegen Helmut Hofmann . Immer wieder tauchen hier im Forum Themen auf, die damit zu tun haben, dass es für Laien schwierig ist, mit Profis über Musik zu sprechen. Man fühlt sich schnell missverstanden und nimmt den Profi als zu dominant war.


    Dieser kann schnell Modulationen in Zusammenhang mit anderen Entwicklungen in der Musik bringen und hat normalerweise ein weit entwickeltes Analyseinstrumentarium. Das wird nicht bestritten, aber für den Laien scheint die Frage aufzutauchen, was ihn daran interessieren könne.


    Helmut Hofmann schlug vor, als Untertitel "Grundlagen und Voraussetzungen, Formen und Methoden" zu wählen. Ich empfände es schon als ein großartiges Ergebnis, könnten wir zu den Grundlagen und Methoden etwas erarbeiten, daher würde ich gerne bescheidener beginnen, aber das Erarbeiten von Grundlagen gerne im Blick behalten.


    Meine Vorstellung für diesen Thread ist etwas offener. Ich fände es schon interessant zu erfahren, wie sich die Teilnehmer überhaupt denken, dass man über Musik sprechen sollte. Auf der einen Seite ist es ja bekannt, dass man eigentlich nicht über sie sprechen kann, zumindest nicht in dem Sinne, was sie uns zu sagen hätte, auf der anderen Seite bewegen wir uns in einem Klassikforum, wo ja fast nichts anderes passiert.


    Wie kommt nun jeder einzelne mit dieser Antinomie zurecht, um sich zu äußern und wie kann aus solchen Äußerungen ein fruchtbarer Diskurs entstehen?


    Ich würde die Kollegen, die sich schon in unserer Lästerecke dazu geäußert haben, bitten, hier noch einmal kurze Statements abzugeben :)

  • Meine Aussage im anderen Thread war:

    In vielen Bereichen werden Kenner und Liebhaber, die sich a) fortwährend mit einem Gegenstand beschäftigen und sich b) auch fortbilden durch Fachliteratur, Vorträge, Austausch etc. zu halben Profis. Über "[Laien] kennen extrem viele Aufnahmen" hinaus. Natürlich kann man sie mit Erfahrung, dem nötigen Handwerkszeug und Wissen dann auch erklären...

    Es gibt z.B. auch Hobby-Historiker, die genau so viel Wissen wie Profi-Historiker angehäuft haben. Wenn sie sich dann noch in Methodik und ggf. Didaktik des Fachs weiterbilden, unterscheidet sie nicht mehr viel von Profis, außer vielleicht die Intensität der Beschäftigung.


    Nicht dazu gehören wohl praktische Tätigkeiten, zumindest nicht so allgemein. Beispiele: Mit meinem verletzungsanfälligen Knie hätte ich noch so ambitioniert trainieren können, ein Sportstar (außer vielleicht Curling ;)) wäre nicht aus mir geworden. Oder näher am Gegenstand: Ich spiele auf einem sehr ordentlichen Amateur-Level Klavier. Aber ich habe den Eindruck, dass ich ohne Studium/Ausbildung/Übzeiten an Grenzen stoße. Und ob Begabung etc. für eine Musikhochschule gereicht hätte glaube ich eher nicht.


    Sicherlich gilt das nicht in allen Bereichen, viele Wissenschaften sind sehr voraussetzungsreich. Und doch gibt es wohl in allen Fachbereichen Laien, die ein Maß an Kenntnis (und Fähigkeit) erlangt haben, das denen der Profis ähnelt. Ich vermute, dass dies in klassischen 'Liebhaber-Fächern' wie Kunst, Musik, Literatur, Historik, Technik, Physik etc. häufiger vorkommt. In unserem Fall eines Forum für Liebhaber und Kenner klassischer Musik gibt es da immer wieder interessante Annäherungen und Überschneidungen. Bei vielen von uns ist dies in spezifischen Teilbereichen der Fall (z.B. Neue Musik, Sinfonik Haydns oder wie auch immer), in anderen Bereichen sind wir - anders als z.B. Profi-MuWis - eher weniger bewandert und lesen entweder gerne neues, oder ignorieren den Bereich. Dieses Lernen von neuen Dingen geschieht in einem Liebhaber-Forum dabei häufig von anderen Liebhabern, die nicht im eigentlichen Sinne Profis sind, aber mitunter über enormes Wissen verfügen.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Und doch gibt es wohl in allen Fachbereichen Laien, die ein Maß an Kenntnis (und Fähigkeit) erlangt haben, das denen der Profis ähnelt. Ich vermute, dass dies in klassischen 'Liebhaber-Fächern' wie Kunst, Musik, Literatur, Historik, Technik, Physik etc. häufiger vorkommt.

    Auch, wenn es noch nicht viel zu den Grundlagen eines möglichen Diskurses beitragen kann, hätte ich auch ein paar Gedanken zu dem Thema.


    In den Bereichen, wo ich eine sehr weitgehende Ausbildung genossen habe, ist es einfach, den Profi von dem Laien, auch dem extrem gebildeten zu unterscheiden. Ein Großteil der Ausbildung besteht da eben nicht in dem Lernen von Ergebnissen, sondern in dem Erwerb der Befähigung zum Lösen eigener und möglicherweise auch neuer Probleme und damit der Produktion eigener Ergebnisse.


    Die Mathematik hat da am Ende so eine Lehrer - Schüler Beziehung, wo der Lehrer das Potential seines Schüler erkennen und ihn individuell zum Verständnis hinführen sollte. Die Genealogie spielt in dieser Wissenschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ich habe den Eindruck, dass das in der Musik sehr ähnlich abläuft ...


    Die Art, über mathematische Objekte nachzudenken, ist sehr charakteristisch. Man kann da auch geometrisches und algebraisches Denken unterscheiden. Ein Laie, der sich da nun viel angelesen hat, kann sicher eine zeitlang Überzeugendes sagen, aber wird am Ende an seinen Limitierungen erkannt werden.


    Beispiel:

    Bevor Wiles den großen Fermatschen Satz nun endgültig bewiesen hat, gab es eine Gruppe gebildeter Laien (darunter sogar schon mal promovierte Physiker u.ä.) , die sich außeruniversitär mit einem Beweis beschäftigten, die man gerne unter dem Begriff der Fermatisten zusammenfasste. Etwa 80 Jahre lang wurden Briefe an Hochschulen mit sogenannten "Beweisen" geschrieben, die eigentlich völlig klar sein sollten. Einmal musste ich mich mit einem solchen Beweis beschäftigen. Es war eine unglaublich schwierige Aufgabe, den Fehler zu finden. Nicht etwa, weil der "Beweis" schon sehr gut war, sondern weil Laien dazu neigen mit sinnlosen Definitionen und Ableitungen eine Komplexität zu erzeugen, die am Ende den meist trivialen Fehler vollständig versteckt. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob es nicht immer noch Briefe gibt, die zeigen wollen, dass der Beweis von Wiles viel zu kompliziert ist.


    Warum sage ich das alles? In der Musik bin ich totaler Laie. Außer einem Musikunterricht an der Schule bin ich da so gut wie ausbildungsfrei :). Ich klimpere gerne auf dem Klavier und habe es da zu einer gewissen Routine gebracht, ein paar Läufe und Sprünge effektvoll aneinanderzureihen, so dass damals (als ich noch jung und schön war ;)) eine junge Dame begeistert applaudierte. Sie dachte wahrscheinlich, ich könne Klavier spielen ^^;( Ein Musiker mit einer Ausbildung hätte natürlich sofort mein Geklimper duchschaut, hätte gesehen, dass ich Fingersätze jenseits von Gut und Böse habe und meine ganze Mechanik sicherlich massiven Limitierungen unterliegt. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für das Studium der Musik. Ich hatte mir früher mal Noten von Rameau gekauft und wollte die Zyklopen spielen. Haha! Da ist mir schnell klar geworden, dass man diese Musik ohne ein gewisses Spezialwissen nicht einmal aus den Noten zaubern kann ...


    Also ist es für mich klar: Der Profi hat einen anderen Zugang zur Musik als normalerweise der Laie, wenn er auch noch so belesen ist- Ich denke, fänden wir eine Sprache des Austausches, könnte der Laie auf jeden Fall vom Profi lernen.

  • Ich denke, fänden wir eine Sprache des Austausches, könnte der Laie auf jeden Fall vom Profi lernen.

    Davon gehe ich immer aus, ja! Auf diese Weise kann ja grade der kennende und/oder liebhabende Laie seine Kenntnis vertiefen.

    Du bist natürlich kein völliger Musik-Laie, es kommt nur auf die Vergleichsrichtung an. Im Vergleich mit studierten Musikwissenschaftlern Laie, im Verleich zu wahrscheinlich 98% der Bevölkerung auf Grund deines Hobbys zwar kein Profi, aber ein echter Kenner!


    Klavier und habe es da zu einer gewissen Routine gebracht, ein paar Läufe und Sprünge effektvoll aneinanderzureihen, so dass damals (als ich noch jung und schön war ;) ) eine junge Dame begeistert applaudierte

    Eine der Hauptmotivationen Klavierzuspielen, oder?! ;)

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ein paar unsortierte Gedanken.

    Ich habe im Laufe meines Lebens sehr viel Musik gehört. Besonders, als die Musik reproduzierbar wurde, also Platte, CD, DVD (streamen liegt mir gar nicht). Dabei habe ich eine Eigenheit entwickelt, die hier gar nicht so verbreitet ist, nämlich ein Stück oft und oft zu hören, bis ich sagen kann "Jetzt kannst du es, jetzt kommt ein neues dran!" Ein Stück können heißt bei Vokalmusik, dass ich weite Partien mitsingen kann, aber nur für mich, nicht einmal in Chorqualität. So habe ich ein halbes Jahr so gut wie ausschließlich "Jenufa" auf deutsch gehört. Es war mein erster Janacek, dem dann praktisch alle seine Werke (außer seinen frühen) folgten, besonders natürlich die Opern. Die beiden letzten Opern ("Makropulos" und "Totenhaus") sind harte Brocken, aber dann möchte man sie nicht missen. Hier im Forum wurde ich einmal abfällig als "selbsternannter Janacek-Experte" bezeichnet. Das ist grundfalsch, ich bin da kein Experte, schon gar kein selbsternannter. Ich kenne aber viel und liebe diese Musik, aber ein Musikwissenschaftler bin ich natürlich nicht. Daher kann man, wie oben Tristan, einen Unterschied machen zwischen Kennern und Experten/Fachleuten/Profis.

    Mein zweites Standbein ist die Vokalmusik. Hier habe ich es vom Kirchenchor zu einem sehr guten Vokalensemble gebracht. Auch hier bin ich kein Experte. Das habe ich daran gemerkt, dass ich die musikwissenschaftlichen Analysen, die unser Chorleiter beisteuerte, meist nicht verstanden habe.

    Aber was ich bald konnte: ich wusste, wie man Schütz und Bach singt.

    Die Entdeckung eines neuen Erdteils war die "Missa Papae Marcelli" von Palestrina. Über die Theorie der Vokalpolyphonie weiß ich wenig, ich erkenne gerade in den Meßsätzen die zugrundeliegende Melodie, wie etwa in der Messe "Malheur me bat" von Josquin. Und da ist meine Befriedigung nicht in Theorie, sondern in diesem Glück: "Ich kann das singen!"

    Auch wenn ich dadurch kein Theoretiker werde, habe ich doch eine Eigenschaft entwickelt, die man halbprofessionell nennen könnte: ich kann ziemlich gut unterscheiden, ob ein Chor oder Vokalensemble schlecht, gut oder überragend ist. Das ist sehr hilfreich, wenn von mir bekannten Stücken neue Aufnahmen erscheinen. Ein Beispiel: in meiner Zeitung erschien eine Rezension mit Chormusik von Reger, gesungen vom Huelgas-Ensemble unter Paul van Nevel. Es war zu meiner Enttäuschung eine Art Kammermusik. Die meisten Stücke hatte ich schon gesungen; hier vermisste ich neben den subtilen Klängen die Wucht, die Reger auch haben muss (etwa in "Der Mensch lebt und bestehet").

    Eine andere Unsitte besteht für mich darin, Schütz-Motetten in Minibesetzung zu singen, also eine sechsstimmige Motette mit je einer Stimme zu besetzen.

    Ich denke, das sind Beispiele, dass ein Laie in begrenzten Bereichen etwas versteht, was ihn aber nicht zu einem Musikwissenschaftler macht.

    Hier im Forum ist eine Hauptfunktion der "wissenden Amateure", anderen für neue Musik die Augen zu öffnen. So habe ich im Thema "Kindertotenlieder" als Kontrast die Schütz-Motette "Auf dem Gebirge" in einer grandiosen Aufführung vorgestellt, was Thomas Pape gefallen hat.

    Ich denke, dass auch meine Einstellung von "Ne irascaris" eine Bereicherung war.

    Ein kleines Nachwort: unter meinen musikliebenden Freunden hier kenne ich schon die meiste Musik, sodass einer meinte, ich sei ein "Sommelier der Musik." Das ist nett, aber falsch, wie ja auch ein Beitrag hier oben über Weine sagt.

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  • Ich denke, das sind Beispiele, dass ein Laie in begrenzten Bereichen etwas versteht, was ihn aber nicht zu einem Musikwissenschaftler macht.

    Das stimmt. Das meine ich auch nicht. Ich meine nur, dass wenn b (Fortbildung aus Interesse) hinzu kommt, die meisten Musikliebhaber durchaus dem Profi ähnlich werden können. Denn unsere jeweiligen Professionen (nicht nur in Sachen MuWi) sind ja keine esoterischen Geheimwissenschaften. Die Bibliotheken stehen bereit, wer Lust, Interesse und (in Analogie zu meinem obigen Sportbeispiel) die kognitiven Möglichkeiten hat, kann sich zumindest sehr weit fortbilden und in seinem Interessengebiet immer weiter kommen.


    Damit ist nicht gesagt, dass jeder das tun möchte oder wird. Es ist ebenso legetim einfach eine CD einzulegen und zu genießen.

    Ich persönlich bin aber durchaus der Ansicht, auch aus eigener Erfahrung: Wer mehr weiß, hört mehr.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich würde das etwas anders sehen:

    Es gibt Bereiche in der Musik (uns in anderen Disziplinen) wo das Handwerk erlernt werden muß. Andere erfordern das nicht.

    Um professionell KLavier Spielen zu lernen muß man Noten lesen könne - und zwa in extremer Geschwindigkeit, als Musikwissenschaftler wird man den Aufbau einer Komposition analysieren können, und auch die "Macharten" von solchen Stücken in den Verschiednen Zeitaltern kennen etc etc.

    Das heisst aber noch lange nicht, daß der "Musikprofi" "Geschmack" haben muß. Und wenn hier ein "Amateur" (für "Liebhaber", das Wort "Laie" ist schon per se diskrkiminierend)

    Und hier sind wir an einem Knackpunkt angelangt. Geschmack hat man _ oder man hat ihn nicht. Prinzipiell lässt er sich eigentlich nicht erlernen.

    So kann es sein, daß die Beurteilung eines "Amateurs" in Geschmacksfragen durchaus jenen eines "Profis" gleichwertig oder sogar überlegen ist. Inwieweit Rezensionen auch von professionellen Kritikern unterschiedlich ausfallen können lehrt schon die Praxis. Verschiedene "Klassiskfachzeitschriften" kommen bei der Beurteilung von 'Interpretationen oft zu gegensätzlichen Urteilen, Kritiker Verschiedener Epochen beurteilten sogar Werk und Komponisten durchaus unterschiedlich bis konträr...Alles "Fachleute - na ja zumindest meistens.

    Heutige Amateure - in fast allen Bereichen - können den PRofis durchaus ebenbürtig sein - Der Unterschied ist hauptsächlich: Amateure betreiben die "Wissenschaft" nicht des Gelderwerbs willen - sondern aus Liebhaberei.

    mfg aus der Metropole Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Heutige Amateure - in fast allen Bereichen - können den PRofis durchaus ebenbürtig sein - Der Unterschied ist hauptsächlich: Amateure betreiben die "Wissenschaft" nicht des Gelderwerbs willen - sondern aus Liebhaberei.

    Das ist in der Quintessenz ähnlich zu meiner Meinung.

    Beste Grüße von Tristan2511


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  • Es gibt eine Nagelprobe, bei der auch Fachleute alt aussehen können. Die Zeitschrift RONDO hat das früher öfter gemacht. Neulich habe ich eine solche "Probe" mit Barnaby Smith gelesen, dem Leiter von Voces8, der sich sehr gut geschlagen hat. Es ist das "blinde" Hören. Musiker bekommen bekannte oder unbekannte Musik vorgesetzt, allerdings keine Informationen zu Stück, Komponisten oder Interpreten. Sie müssen dann unterscheiden oder herausfinden, was von wem ist. Aus guten Gründen ist dies nicht gängige Praxis.

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  • Das heisst aber noch lange nicht, daß der "Musikprofi" "Geschmack" haben muß. Und wenn hier ein "Amateur" (für "Liebhaber", das Wort "Laie" ist schon per se diskrkiminierend)

    Und hier sind wir an einem Knackpunkt angelangt. Geschmack hat man _ oder man hat ihn nicht. Prinzipiell lässt er sich eigentlich nicht erlernen.

    Dann fangen wir mal mit Wein an: Die Methode „schmeckt oder schmeckt nicht“ ist Unsinn, auch wenn das manche Anfänger nicht wahrhaben wollen. Du musst z.B. verstehen, ob ein bestimmter Geschmackseindruck von einem Fehlton kommt, oder von der Lage, von der Jahrgangstypizität oder von einer bestimmten kellertechnischen Maßnahme. Ob die Süße zur Gesamtbalance beiträgt, oder ob sie nur irgendwelche Schwächen überdecken soll.


    Ja, das kann man sich durchaus antrainieren, du würdest das dann „Geschmacksbildung“ nennen. Aber mit theoretischem Hintergrundwissen geht es wesentlich schneller.


    Beim Musikhören ist es nicht viel anders. Wenn du die Struktur verstehst, weißt du auch, was sich der Komponist dabei gedacht hat. Und eine Interpretation, die das alles ignoriert, entlarvst du wesentlich leichter.


    Die Frage ist halt, wie stark will man das Werk durchdringen. Ich schätze, bis Mitte des 19. Jahrhunderts versteht man die meisten Kompositionen allein durch vieles Hören schon zu 60-70%. Wenn einem das reicht, ist da nichts einzuwenden.


    Aber bei mir sinkt der „Grad des Verstehens“ bei der moderneren Musik auf teilweise unter 10%.


    Jaja, du sagst „macht nichts, diese Musik ist eh nicht hörenswert.“ Aber bei der modernen Architektur verstehe ich wesentlich mehr, und da lohnt es sich durchaus, sich mehr Wissen anzueignen. Warum sollte das bei der Musik anders sein?

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  • Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn man sich mit Musik und Wein "auskennt" - aber es ist nicht zwingend erforderlich, daß man erkennt, was sich der Komponist gedacht hat. In der Qjuintessenz kommt es wirklich darauf an ob das Ergebnis gefällt. Das ist übrigens auch mit Stimmen so. Viele Sänger der Vergangenheit wurden zu Göttern erklärt und hochgejubelt - und auf den Aufnahme kann man erkennen, daß sie eigentlich nicht so gut waren wie er Ruf. Ich kann beispielsweise die Stmme der Callas nicht ertragen, bin ein Vereherer der Sutherland. UInd hier ist es völlig egal, was ein "Fachmann" dazu sagt. Nehmen wir zwei Pianisten, A. Schiff und Rudolf Buchbinder. Schiff ist ein glühender Verfechter des Bösendorfe, Buchbinder hat sich über ihn nicht sehr schmeichelhaft geäussert - er schätzt Steinway.

    Wie wichtig ist das für den Hörern? Wenn man nach den Schallplattengesellshaften der Vergangeneheit geht (auch dort saßen Profis) überhaupt nicht, denn auf den damaligen Platten war lediglich vermerkt: Max Mustermann, Piano. Schmecks. Dazu ist aus meiner Sicht anzumerken, daß man den Unterschied via Tonträger und Stereoanlage sowieso nur in Ausnahmefällen hört.

    Die ersten Plattenfirmen (heute ist es fast Standarsd) waren jene, die eigentlich keine bekannten Künstler anbieten konnten. Da wurde dann mit diversen Detais, wie 'ÄInstrumnte, Aufnahmeequipment und Location gepunktet. Nein - auch die Aufnahmelocation wurd in der Vergangenheit meist nicht genannt.

    Wie schauts mit den "Zuschreibungen" aus ? Leichtes Spiel - sollte man meinen - vor allem für Muwis - das sind ja Profis. Mozart ist so hervorragend aus dem Pool der Kleinmeister des 18. Jahrhundert - den erkennt der Fachnmann blind - Blöd nur wenn sich nach Jahrzehnten die Zuschreibung als falsch herausstellen sollte.... (Mit historischen Gemälden ist es übrigens ähnlich)

    Zu den Weinen: Da wird auch ganz schön geflunkert und gelogen. Allein die blumige Beschreibung manche hochpreisigen Weine kann einem - je nach Persönlichkeitstype, die Zornesröte- oder aber ein ironisches Lächeln ins Gesicht zaubern. Wenn ich ferner denke, was alte Stehlampen, Möbel, Spielzeug, Comikhefte (!!) für Preisschätzungen erhalten, - dinge, die wir auf den Sperrmüll geworfen haben...

    dann verliern die "Fachleute" an Gesicht....

    mfg aus der Metreopole Wien

    Alfred

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  • Zu den Weinen: Da wird auch ganz schön geflunkert und gelogen. Allein die blumige Beschreibung manche hochpreisigen Weine kann einem - je nach Persönlichkeitstype, die Zornesröte- oder aber ein ironisches Lächeln ins Gesicht zaubern.

    Sag ich doch. Und je mehr Wissen du hast, desto unwahrscheinlicher ist es, dass du darauf reinfällst.


    Das gilt genauso für gehypte Aufnahmen und/oder Interpreten. In beide Richtungen übrigens. Derzeit ist es modern, Karajan schlecht zu finden. Fachwissen hilft, gegen jeglichen Zeitgeist immun zu sein. Zu Karajan habe ich übrigens keine Meinung, nebenbei bemerkt.

  • Heutige Amateure - in fast allen Bereichen - können den PRofis durchaus ebenbürtig sein

    Ich kenne mich bei weitem nicht "in fast allen Bereichen" aus, aber im Bereich der Musik ist das definitiv nicht so. Oder welcher Amateur (ich wüsste übrigens nicht, warum das Wort "Laie" diskriminierend sein sollte) fällt Dir ein, der Grigory Sokolov, Frank Peter Zimmermann oder Yo-Yo Ma "durchaus ebenbürtig" wäre? Ich kenne keinen einzigen. Ich kenne nicht einmal einen Hobby-Geiger, der auch nur annähernd an das Niveau herankommt, das man für eine Tutti-Stelle in einem beliebigen Profi-Orchester brauchte. Was ich kenne, sind Laien-Klavierspieler, die unbedingt die Wanderer-Fantasie spielen wollen und nicht einmal merken, wie hoffnungslos überfordert sie damit sind. Dagegen ist übrigens auch nichts einzuwenden, solange sie das selbst als persönlich bereichernd empfinden, was erstaunlich oft der Fall ist. Nur hören will das vermutlich außer ihnen niemand.

    Nun ging es hier ja weniger um das Musik-Machen als um das Schreiben über Musik: Da können Hörer sich natürlich eine Menge Wissen aneignen. Ich bin z.B. oft beeindruckt über ihre breite Repertoirekenntnis, und ich habe sogar schon ein paar Mal Stücke aufgeführt, auf die mich Musikhörer hingewiesen hatten (z.B. das F-Dur Klaviertrio von Saint-Saens oder das Sextett von Dohnányi). Allerdings sind Erkenntnisse über Kompositionen eben nicht nur "Wissen" sondern auch "Erfahrung", und zwar praktisch am Instrument. Den Spannungsverlauf einer Oboen-Linie kann ich nicht im selben Maße nachempfinden wie ein Oboist, der sie mit seinem Atem, also seinem Körper gestaltet und mit der Musik deshalb auf eine ganz andere Art verbunden ist.

  • Ich versuche für mich zusammenzufassen.


    Kann der Laie/Amateur vom Profi lernen? Ja, wenn eine Sprache dafür gefunden wird (Wie die aussieht, ist noch offen)


    Kann der Laie ohne weiteres Verständnis an der Musik Freude haben? Ja, natürlich. - So fängt das ja auch in der Regel an :)


    Kann ein Laie in speziellen Bereichen mehr wissen als ein Profi? Selbstverständlich. Es ist meistens nur eine Frage der Zeit. Ich hatte mir in der Schule hin und wieder den Spaß gemacht, meinen Geschichtslehrer aufs Glatteis zu führen. Wir hatten zuhause eine mehrbändige detailreiche Geschichte "vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit" (Autor weiß ich nicht mehr ... :(). Es war ein leichtes, sich Dinge anzulesen, mit dem man den Lehrer zum Schwimmen bringen konnte. (Damals war ich noch nicht so lieb und sympatisch, wie heute ;))



    Das heisst aber noch lange nicht, daß der "Musikprofi" "Geschmack" haben muß.

    Geschmack ist so eine Sache, über die man ja bekanntlich gar nicht diskutieren kann. Manche Dialoge hier im Forum legen das auch nahe. Daraus folgt dann am Ende eben auch, dass ein Profi in Geschmacksfragen selbstverständlich keine Autorität besitzt.


    Und hier sind wir an einem Knackpunkt angelangt. Geschmack hat man _ oder man hat ihn nicht. Prinzipiell lässt er sich eigentlich nicht erlernen.

    Das ist für meine Begriffe nicht richtig. Geschmack lässt sich bilden. Beim Essen und Trinken genauso wie in der Musik! Kein Mensch ist von Natur aus Feinschmecker. Es bedarf sicher einiger Schulung des Gaumens, bis man einen solchen Level erreicht. Das heißt aber nicht, dass man mit "Bockwurst und Fritten" nicht für sein Leben glücklich sein kann. Ob man nun seinen Geschmack bilden will, hängt wahrscheinlich vom Grad der Neugier und einer grundsätzlichen Freude an Neuem ab.


    Kann der Profi bei der Geschmacksbildung (wenn man denn möchte) helfen? Selbstverständlich kann er das, weil er das Ohr auf Details lenken kann, auf die er aufgrund seiner besseren (und auch anderen) Bekanntschaft mit den Werken hinweisen kann.


    Natürlich sollte man auch bei Profis vorsichtig sein, wie diese kleine Geschichte von Tucholsky zeigt ;):P


    https://www.textlog.de/tuchols…n-prosa/in-der-hotelhalle

  • Kann der Laie/Amateur vom Profi lernen? Ja, wenn eine Sprache dafür gefunden wird (Wie die aussieht, ist noch offen)

    Ich schlage vor, es mit der deutschen Sprache zu versuchen.

    Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst.

    Susan Sontag

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  • Um auf die von astewes aufgeworfenen, sehr wichtigen Fragen kurz einzugehen:

    Kann der Laie/Amateur vom Profi lernen? Ja, wenn eine Sprache dafür gefunden wird (Wie die aussieht, ist noch offen)

    Die Sprache kann dabei nicht die des Profis sein, es muss eine allgemein verständliche angewendet werden. Anders ist eine dialogische Kommunikation nicht möglich.

    Wenn ein Profi einem musikwissenschaftlichen Laien hinsichtlich seiner Vorstellung und Betrachtung musikalischer Werke vorhält: "Bei dir werden immer wieder Fachbegriffe wie z.B. "Rückung" falsch angewandt, Grundtonarten mit Ausweichungen oder Modulationen verwechselt, und einfache Kadenzen als mehrfache Tonartwechsel missgedeutet", dann versteht er ihn nicht. Und noch schlimmer: Er fühlt sich als inkompetenter Mensch hingestellt und gedemütigt und wird fortan jeglichem dialogischen Verkehr mit dem Profi aus dem Wege gehen.


    Ein solcher Profi hat hier im Forum einmal die Frage aufgeworfen: "Ist das hier ein "Laienforum"? Das ist mir neu." Ich hätte ihm geantwortet: Ja, das ist ein "Laienforum", es kann gar nicht anders sein, denn ein solches Internet-Forum wie "Tamino" ist für alle Menschen offen, und die überwiegende Mehrheit der Menschen sind musikwissenschaftliche Laien. Was etwa "harmonische Ausweichungen" sind, das können sie nicht verstehen..


    Ergo: Das Medium für einen gelingenden Diskurs über Gegenstände der Musik muss die Sprache des Alltags sein. Musikwissenschaftliche Terminologie kann darin zwar durchaus verwendet werden, weil es in bestimmten Fällen unumgänglich ist, dann aber muss diese erläutert und erklärt werden.

    Kann der Laie ohne weiteres Verständnis an der Musik Freude haben? Ja, natürlich. -

    So ist es. Aber "Freude haben" und diese bekunden ist - aus meiner Sicht - nicht hinreichend für die Auslösung eines diskursiven Prozesses. Dazu bedarf es eines sprachlichen Impulses. Diesen aber in Gestalt eines Beitrags im Forum einzubringen, setzt ein Verstehen von Musik voraus. Mit der Reflexion dieses Begriffs "Verstehen" betritt man das heikle und komplexe Feld der Hermeneutik. Das kann und soll, nach den vorangehenden Ausführungen, hier nicht geschehen.

    Gemeint ist mit "Verstehen" eine innerliche Verarbeitung des in der Rezeption von Musik hörend Aufgenommenen, wobei "Verarbeitung" einen reflexiven Prozess beinhaltet, geleitet von der Frage: Was hat der Komponist hier gerade mit der Musik gemacht, was wollte er zum Ausdruck bringen, mir möglicherweise damit sagen? Ohne diesen reflexiven Prozess und sein Ergebnis, der keineswegs eine auf die Faktur der Komposition sich richtende analytische Betrachtung sein muss, ist keine Aussage möglich, die den Impuls zur Einleitung eine Diskurses beinhaltet.


    Um mittels eines Beispiels zu konkretisieren, wie eine solche Aussage aussehen kann, wähle ich eine Äußerung zu einer Musik, die gerade Inhalt des Diskurses im Thread Alle sprechen über dasselbe Musikwerk ist: Schumanns zweite Violinsonate. Zu der schrieb Joseph Joachim im September 1853 einem befreundeten Musiker:

    "Sie ist für mich eine der schönsten Schöpfungen der neuen Zeit, in ihrer herrlichen Einheit der Stimmung und Prägnanz der Motive. Sie ist voller Leidenschaft, - fast herb und schroff in ihren Aczenten - und der letzte Satz könnte an eine Seenlandschaft mahnen in seinem Auf- und Niederwogen. "


    Beispielhaft als Aussage über Musik im hier gemeinten Sinn ist diese Äußerung deshalb, weil das Urteil eine Begründung erfährt, an der eine Stellungnahme anknüpfen kann. Sie vermag damit also den besagten Impuls für einen Diskurs auszulösen. Reduziert man sie auf ihren affektiven Kern, die Worte "Sie ist für mich eine der schönsten Schöpfungen der neuen Zeit" also, dann ist sie dazu nicht in der Lage.

  • Ergo: Das Medium für einen gelingenden Diskurs über Gegenstände der Musik muss die Sprache des Alltags sein. Musikwissenschaftliche Terminologie kann darin zwar durchaus verwendet werden, weil es in bestimmten Fällen unumgänglich ist, dann aber muss diese erläutert und erklärt werden.

    Um zu verstehen, was Du konkret meinst, habe ich gerade noch einmal in ein paar von Deinen Liedbeiträgen geschaut, und siehe da: Die enthalten reihenweise Begriffe aus der musikalischen Fachterminologie, und zwar ohne jede Erklärung. Oder gehört es bei Dir zur Alltagssprache, sagen wir beim morgendlichen Gang zum Bäcker, über "Subdominante", "Quintfall", "harmonische Rückung" usw. zu sprechen? Bei mir geht es da jedenfalls mehr um Brötchen als um falsche Trugschlüsse.


    Deine Behauptung, dass das hier ein "Laienforum" sei, konnte ich nirgendwo bestätigt finden, und es würde auch nicht dazu passen, dass Alfred mich seinerzeit persönlich in sein Forum eingeladen hat, wohlwissend, was ich beruflich mache. Mir scheint, aber da möge Alfred mich korrigieren, dass hier alle Freunde Klassischer Musik unabhängig von ihrer Vorbildung gleichermaßen willkommen sind. Dabei habe ich auch keine Forenregel gefunden, nach der hier jeder Beitrag so geschrieben werden muss, dass er voraussetzungslos von jedem verstanden wird. Und einer solchen Bedingung entsprächen Deine Beiträge genauso wenig wie meine.

  • Deine Behauptung, dass das hier ein "Laienforum" sei, konnte ich nirgendwo bestätigt finden, und es würde auch nicht dazu passen, dass Alfred mich seinerzeit persönlich in sein Forum eingeladen hat, wohlwissend, was ich beruflich mache.

    Versteh es doch bitte einfach so, dass man es hier zum Großteil mit Laien zu tun hat, und es sehr sinnvoll sein kann, sich denen verständlich zu machen.


    Dabei habe ich auch keine Forenregel gefunden, nach der hier jeder Beitrag so geschrieben werden muss, dass er voraussetzungslos von jedem verstanden wird.

    Ich wollte mit diesem Thread keinen Forenregeln aufstellen, sondern einfach den Versuch unternehmen, über eine mögliche Sprache nachzudenken, die eine Kommunikation zwischen Profis und Laien ermöglicht.


    Ich schlage vor, es mit der deutschen Sprache zu versuchen.


    Den Beitrag des Kollegen Hintze finde ich in dem Zusammenhang nicht einmal lustig, sondern eher dämlich und destruktiv. Wenn man keine Lust hat, die Themen ernst zu nehmen, braucht man ja nicht beizutragen.


    Die deutsche Sprache umfasst Klosettsprüche und die Lyrik Hölderlins, Fachvokabular und noch einiges mehr. Wenn ich Hintzes Beitrag verorten soll, müsste ich jetzt nicht lange suchen.

  • Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Frage um ein aufgeplustertes Scheinproblem handelt.

    Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst.

    Susan Sontag

  • Ich wollte darauf hinweisen, dass es sich bei dieser Frage um ein Scheinproblem handelt. Zumal die Frage nicht zu beantworten ist. Man kann ja mal probehalber ein paar Antworten ausprobieren. Wie soll sie denn aussehen?

    Genau. Wie?


    Das Ursprungsproblem ist ja wohl kein Scheinproblem. Ich habe zumindest die Bemerkungen, dass man sich von Profis dominiert fühlt, ernst genommen. Ganz nebenbei teile ich den Eindruck nicht, kann aber hier nur für mich sprechen.


    Man schreibt einfach, was man meint. Das wird schon gehen. Bisher ging es ja auch.

    Das habe ich tatsächlich etwas anders in Erinnerung. Irgendwas sei keine Musik, da hört dann das Gespräch schnell auf. Andere fühlen sich wohl bei einigen Analysen nicht abgeholt.


    Es war fast immer Deutsch (nur zweimal Rumänisch, andere Sprachen beherrsche ich nicht), und es war immer klar, dass ich mich auf die Zuhörer einstelle. Das macht man als Profi so, und das hat man. gelernt, Sonst ist man kein Profi. Wo also ist das Problem?

    Das Problem ist das heterogene Publikum. Ich habe versucht, durch den Titel darauf aufmerksam zu machen. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was eine Rückung ist, hätte jetzt aber kein Problem nachzufragen, wenn ich einen Satz damit verstehen wollte. Es scheint aber bei anderen anders zu sein.

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  • Das hat man gar nicht so selten beim späten Beethoven. Auch wenn der kein wirklicher Pop ist.


    Als echter Fachbegriff war es mir nicht bekannt, das Phänomen Rückung. Instinktiv und vorbewusst hätte ich es aber genau so benannt. ;)


    Euch alles Gute zum Fest!


    Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Das hat man gar nicht so selten beim späten Beethoven. Auch wenn der kein wirklicher Pop ist.

    Auch beim mittleren Beethoven: besonders eindrucksvoll am Übergang vom langsamen Satz zum Finale im fünften Klavierkonzert.

  • Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was eine Rückung ist, hätte jetzt aber kein Problem nachzufragen, wenn ich einen Satz damit verstehen wollte. Es scheint aber bei anderen anders zu sein.

    Das ist aber deren Problem. Niemand kann von allen wissen, was sie jeweils wissen und verstehen. Man kann sich bemühen, sich an ein zu erwartendes Wissen anzupassen. Aber niemand ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass jeder alles versteht. Wenn es zu umständlich ist nachzufragen, was eine Rückung ist, ist das Interesse vermutlich nicht groß genug. Kein Problem. Man muss das nicht wissen und man muss sich auch nicht dafür interessieren. Aber weil man es nicht weiß und sich nicht dafür interessiert, zu verlangen, dass das Wort vermieden wird, ist einigermaßen grotesk, oder? Übrigens wüsste ich gasr nicht, welches Wort ich an Stelle von »Rückung« verwenden soll. Und ich sehe auch keinen Grund, mir darüer den Kopf zu zerbrechen. Es gibt ja das passende Wort. Das lautet »Rückung«. Warum soll ich mir ein anderes ausdenken? Das Problem ist doch nicht das Wort, sondern die Sache. Wenn einer nicht weiß, was eine Rückung ist, hilft auch ein anderes Wort nicht. Soll nun also untersagt werden, über Rückungen zu sprechen, weil es Leute gibt, die nicht wissen, was das ist?


    Übrigens ist das Problem ja verdreht worden. Der Ausgangspunkt war, dass der Begriff »Rückung«, der ein präzise definierter Fachausdruck ist, auf falsche Weise verwendet wurde. Da ist dann wirklich das Verständnis erschwert. Das ist wie wenn einer immer statt Hausschlüssel Harke sagt. Dann verstehe ich nicht, was er meint, es sei denn, er gibt eine Definition oder ein Bild des Gegenstands dazu. Aber auch dann bleibt es falsch, und es ist grotesk, wenn er verlangt, dass nun alle »Harke« sagen sollen, wenn sie »Hausschlüssel« meinen.


    Um noch einmal auf die Frage nach der Sprache zu kommen: Wenn man eine Frage stellt, muss man eiune Vorstellung haben, wie eine Antwort aussehen kann. Ich habe keine, aber ich habe die Frage ja auch nicht gestellt. Hast Du eine? Du sollst nicht die Antwort geben, sondern nur ein Schema, was eine Antwort sein könnte. Eine Liste erlaubter Wörter und syntaktischer Konstruktionen? Oder wie willst Du die Sprache definieren? Ich glaube nicht, dass es auf diese Frage eine Antwort gibt, und demzufolge kann. man auch die andere nicht beantworten. Jedenfalls nicht hier. Praktisch kann man das sehr wohl, und diese praktische Antwort ist ein wesentlicher Bestandteil des Berufs, den ich seit 40 Jahren ausübe. Ich brauche es wirklich nicht, dass nun jemand daherkommt, der mir sagt: »Weil ich keine Ahnung davon habe, bin ich genau der Richtige, dir zu erklären, wie man das macht, damit du es auch mal lernst.« Ich glaube nicht, dass hier viele sind, die mir in der Hinsicht noch Tips geben können.

    Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst.

    Susan Sontag

  • Niemand kann von allen wissen, was sie jeweils wissen und verstehen. Man kann sich bemühen, sich an ein zu erwartendes Wissen anzupassen.

    Genau. das wäre doch schon was!


    Aber niemand ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass jeder alles versteht.

    Es geht doch nicht um Verpflichtungen ...

    Soll nun also untersagt werden, über Rückungen zu sprechen, weil es Leute gibt, die nicht wissen, was das ist?

    und darum geht es auch nicht. Bitte einfach den einleitenden Text lesen! Normalerweise mache ich andere Kollegen darauf aufmerksam. :)


    Ich habe jetzt bei Rückung nachgeguckt. Ich wusste sogar, worum es geht, hatte wohl den Begriff einfach vergessen. Mit Modulationen mussten wir in der Schule komponieren. Ich vermute also, dass wir den Begriff auch gelernt haben. Also nicht die Schuld des Lehrers, sondern allein meine.


    Ich weiß ehrlich nicht, wo die Vermutungen über Regeln, Verpflichtungen und Untersagungen herkommen. Im interesse einer fachlichen Kommunikation ist es doch gut zu erfahren, auf welchem Level hier die Kollegen unterwegs sind und was sie so denken.


    Dass man es nicht allen recht machen kann, ist sicher richtig, hat aber den Charakter einer Binsenweisheit.


    Und jetzt geht es bei mir zum Weihnachtsessen! Guten Appetit allen!

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  • Wir hatten zuhause eine mehrbändige detailreiche Geschichte "vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit" (Autor weiß ich nicht mehr ... :( ). Es war ein leichtes, sich Dinge anzulesen, mit dem man den Lehrer zum Schwimmen bringen konnte.

    Auch hier hat mich die Neugier nicht losgelassen. Leider ist ein Großteil meiner Bücher momentan nicht griffbereit und so musste ich im Internet suchen. Für die jüngere Generation unter unseren Teilnehmern mit dem aktiven Wunsch, ihren Geschichtslehrer mit Fragen und Details in den Wahnsinn zu treiben ;)


    Die Geschichte des Deutschen Volkes vom Ausgang des Mittelalters bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges von Johannes Janssen


    https://www.digitale-sammlunge…e/view/bsb11371789?page=6

  • Um noch einmal auf die Frage nach der Sprache zu kommen: Wenn man eine Frage stellt, muss man eiune Vorstellung haben, wie eine Antwort aussehen kann. Ich habe keine, aber ich habe die Frage ja auch nicht gestellt. Hast Du eine?

    Wäre ich ein Schullehrer, wäre das sicher richtig. Es gibt durchaus Fragen, bei denen man nicht die geringste Vorstellung davon hat, wie eine Antwort aussähe.



    Du sollst nicht die Antwort geben, sondern nur ein Schema, was eine Antwort sein könnte. Eine Liste erlaubter Wörter und syntaktischer Konstruktionen? Oder wie willst Du die Sprache definieren?

    Obwohl ich durchaus in der Lage wäre, eine formale Sprache zu definieren, scheint mir das sicher nicht das Geforderte zu sein. Wer würde sie sprechen?


    Ich glaube nicht, dass es auf diese Frage eine Antwort gibt, und demzufolge kann. man auch die andere nicht beantworten. Jedenfalls nicht hier.

    Du verschießt Dein Pulver, ohne überhaupt alle Voraussetzungen erfasst zu haben. Das geht mir zu schnell. Ich würde gerne, wie auch schon mehrfach gesagt, einfach erfassen wollen, was die Kollegen an Voraussetzungen und an Willen zu verstehen mitbringen, also die Bereitschaft, sich aus der Wohlfühlzone zu entfernen ... und eben in welcher Form sie sich das vorstellen.


    Natürlich kann der Vorwurf, man werde in der Diskussion durch Profis dominiert auch einfach nur ein bequemes Statement sein, um sein Schweigen zu musikalischen Themen zu legitimieren, aber es muss doch nicht so sein.


    Praktisch kann man das sehr wohl, und diese praktische Antwort ist ein wesentlicher Bestandteil des Berufs, den ich seit 40 Jahren ausübe.

    Dann verstehe ich um so weniger, woher der Ärger und der Furor kommen.


    Ich brauche es wirklich nicht, dass nun jemand daherkommt, der mir sagt: »Weil ich keine Ahnung davon habe, bin ich genau der Richtige, dir zu erklären, wie man das macht, damit du es auch mal lernst.« Ich glaube nicht, dass hier viele sind, die mir in der Hinsicht noch Tips geben können.

    Vielleicht weniger geschwollen als so manche andere Formulierung hier im Forum, aber irgendwie habe ich ein Déja Vu. ;):(


    Meine Erfahrung, sicherlich in völlig anderen Bereichen, zeigt mir, dass zumindest ich nie ausgelernt habe. Gerade bei Laien in meinem Gebiet empfinde ich eine besonders starke Herausforderung und versuche genau zuzuhören.

  • Wenn.man im Forum sucht, findet man meist etwas. Hier die Äußerungen des schon länger nicht mehr aktiven Kollegen AH. , wie er über Musik zu sprechen gedenkt. Interessanterweise wurde ich über einen Reger-Thread dorthin gelenkt. Reger scheint ein Komponist zu sein, wo der weniger geneigte Hörer sein Unverständnis gerne dem Komponisten selbst anlastet. :)


    Meine "Musik-Ansprache"

  • Ich wollte mit diesem Thread keinen Forenregeln aufstellen, sondern einfach den Versuch unternehmen, über eine mögliche Sprache nachzudenken, die eine Kommunikation zwischen Profis und Laien ermöglicht.

    Der Einwand, auf den Du Dich hier beziehst, war auch nicht an Dich sondern an Helmut Hofmann gerichtet. Da ist es vielleicht nicht ganz verwunderlich, wenn er auf Deine Beiträge nicht passt ;).


    Es geht doch nicht um Verpflichtungen ...

    Ich weiß ehrlich nicht, wo die Vermutungen über Regeln, Verpflichtungen und Untersagungen herkommen.

    Was mich betrifft, kann ich Dir sehr genau sagen, woher diese "Vermutung" kommt, nämlich aus dieser, kaum verklausuliert an mich persönlich gerichteten Forderung:

    es muss eine allgemein verständliche [Sprache] angewendet werden. (...) Das Medium für einen gelingenden Diskurs über Gegenstände der Musik muss die Sprache des Alltags sein. Musikwissenschaftliche Terminologie kann darin zwar durchaus verwendet werden, weil es in bestimmten Fällen unumgänglich ist, dann aber muss diese erläutert und erklärt werden.

    (Hervorhebungen von mir)

    Da wird mir also dreimal mitgeteilt, was ich tun "muss", wenn ich hier schreiben will. Ich gebe zu, dass ich grundsätzlich allergisch darauf reagiere, wenn mir ein anderer sagt, was ich zu tun habe, und dass ich geradezu verärgert bin, wenn dieser andere dann selbst das Gegenteil von dem tut, was er verlangt, hier also in seinen Beiträgen Fachvokabular fern jeglicher Alltagssprache verwendet, ohne dass er das "erläutert und erklärt".


    Zum Thema: Die Mitglieder des Forums unterscheiden sich offensichtlich sehr stark in Bezug auf musikalische Interessen, Erfahrungen und Vorbildung. Ich finde es nur logisch, dass sich diese Vielfalt auch in einem breiten Spektrum von Beiträgen widerspiegelt, von denen nicht jeder alle lesen und alle verstehen muss. Mich interessieren - nicht nur, aber vorwiegend - Themen, die sich nun mal nicht (oder nur unpraktibabel umständlich) "in Alltagssprache" formulieren lassen. Die Forderung, dass alle Beiträge von jedem verstanden werden "müssen", weil das hier ein "Laienforum" sei, ist keine Forderung nach einer anderen Sprache sondern nach einer Einschränkung der Inhalte. Fachbegriffe jeweils zu erklären, würde die Texte unlesbar machen, und man könnte auch kaum entscheiden, wo beginnen: Wenn "Rückung" oder "Ausweichung" erklärungsbedürftig sind, wie sieht es dann mit "Exposition", "Subdominante" oder "Trugschluss" aus? Ich schlage deshalb zwei Alternativen für Leser vor, die einen Text interessant genug finden, um ihn verstehen zu wollen, die aber ohne Erklärungen nicht weiter kommen: Sie können direkt nachfragen (das wäre die einfachste Lösung), oder man müsste eine Art Lexikon der wichtigsten Fachbegriffe zusammenstellen, das an gut sichtbarer Stelle im Forum verlinkt würde.

  • Die Sprache, die die Kommunikation zwischen Profis und Laien ermöglicht ist hier dieselbe, wie jene, die überhaupt in diesem Umfeld überwiegend sprachliche Kommunikation ermöglicht und dafür am meisten verwendet wird: Die deutsche. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Du willst anscheinend einen Auswahlwortschatz definieren, der hier in Dikussionen verwende werden darf, oder? Und einen, in dem das Wort Rückung (und vermutlich auch Wörter wie Plagalschluss, Trugschluss, Periodenbau, Tonka, Dominnte, eptakkord, Sextakkord und das dergleichen Zaubersprüche für Eingeweihte mehr sind) nicht vorkommen? Vielleicht noch mit politisch korrekten Ersatzwortschöpfungen, die man zu verwenden hat? Und warum? Weil dann kein Laie mehr Fachbegriffe falsch verwenden kann, weil sie ganz aus dem Verkehr gezogen sind? Das kommt mir seltsam vor.


    Nebenbei bemerkt: In den hunderten Veranstaltungen für Publikum, Studenten, Hausfrauen, Geschäftsleute usw., die ich gemacht habe, war das Publikum im Hinblick auf das Wissen über Musikgeschichte und Musiktheorie mit Sicherheit immer erheblich heterogener als hier. Hätte ich jeden einzelnen über sein Wissen befragen sollen, um dann meinen Vortrag o einzurichten, dass keiner je in die Lage kommt, ein Wort nicht zu verstehen und etwa (horrible dictu!) nachfragen zu müssen? Das habe ich nicht getan und ich hätte es auch nicht getan, wenn ich dazu aufgefordert worden wäre. Bin ich natürlich auch nicht. Wer käme auch auf so eine Idee?

    Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst.

    Susan Sontag

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