"Was ist verdient auf dieser Welt? Verdient ist nichts."
Außer: Der Applaus nach dieser hervorragenden Aufführung!
Im Zuge einer Dienstreise konnte ich zum bisher zweiten Mal in meinem Leben die Wiener Staatsoper besuchen. Ein glückliches Zusammentreffen zwischen Strauss, Thielemann und einem Top-Cast!
Gesangspartien
Eine hervorragende Besetzung die kaum Wünsche übrig lässt. Das Haus am Ring kann eben (fast) immer mit den großen Namen aufwarten. Camilla Nylund ist eine überzeugende Arabella, stimmlich immer da und obwohl selber nicht mehr ganz jung, mit toller Darstellung der jungen Arabella (auch wenn mein Logen-Nachbar etwas über ihr Alter meckerte). Die Finnin hatte ich zuletzt auch öfter in Hamburg gesehen und sie hat mich noch nie enttäusch. Besonders hat mich auch die überraschend gute und fast akzentfreie Textverständlichkeit überzeugt. Dass Nylund noch ein wenig in den Schatten gestellt wurde lag einzig an der großartigen Sabine Devieilhe als Zdenka(o). Glockenklar, agil, leicht und auch spielerisch au point - eine Top-Performance, wie es besser eigentlich gar nicht geht. Die Französin wird ihrem hervorragenden Ruf mehr als gerecht. Auch Michael Volle (Mandryka) ist mir aus Hamburg recht gut bekannt. Wie eigentlich immer ist er souverän, sowohl darstellerisch, als auch stimmlich. Matteo - jungendlich frisch von Michael Laurenz gesungen - fehlt vielleicht die letzte Durchschlagskraft gegen den Strausschen Orchesterapparat. Aber Thielemann spürt das und nimmt im weiteren Verlauf des Abends ein wenig zurück.
Auch die kleineren Rollen sind stark besetzt. Zum Beispiel Wolfgang Bankls Waldner, der darstellerisch witzig ist und an besonders deklamatorischen Stellen sogar wienert.
Orchester
Ich muss hier keinem mehr erklären, dass ich zu den Thielemann-Fans gehöre. Aber dafür gibt es Gründe, wie z.B. solche Abende. Ich bin der Meinung, dass Thielemann - zumindest live - inzwischen bei Wagner und Strauss ein Niveau erreicht hat, das aktuell beispiellos ist und bereits jetzt zu den ganz großen Leistungen dieses Repertoires zählt. Die Wiener verschmelzen als Klangkörper mit Thielemanns Dirigat und seinen musikalischen Vorstellungen. Es fließt und dräut dass es eine Freude ist. Hinzu kommt ein perfektes Gefühl für die deklamatorische Sprachmelodie und eine perfekte Ausgewogenheit zwischen Sprache, spätromantischen Melos und Anklängen an die alte Walzerseligkeit. Thielemann mixt daraus einen Klang, bei dem ich überhaupt nicht mehr an den Rosenkavalier, sondern eher an die Danae denken muss.
Ich kenne zudem keinen Dirigenten (in der Live-Anschauung), der derartig viel und detailliert mit der linken Hand arbeitet, wie Thielemann. Er wirkt als wollte er selber den gewünschten Klang erzeugen und aus seinen Fingern direkt ins Orchester fließen lassen. Und wie das momentan funktioniert, das ist schon fast unheimlich.
Regie
Unauffälligkeit ist das Motto des Abends. Die Musik wird nicht gestört, die Handlung aber auch nicht aufgebrochen. Einerseits ist das angenehm, andererseits verträgt dieses Libretto - mit seinen starren Geschlechterrollen - durchaus eine Auffrischung. Sätze wie "und du sollst meine Gebieter sein" stehen dort neben den zaghaften feministischen Ansätzen der Arabella-Rolle und bleiben ungedeutet stehen.
Das Bühnenbild und die Ausstattung sind dafür angenehm klar, handlungsstützend und eben unauffällig. Die Ballszenen sind absolut angemessen varietéhaft und machen mit dem zahlreichen Personal auf der Bühne und einigen interessanten Kostümen einfach Spaß.
Fazit
Und mehr möchte die Regie an diesem Abend dann auch nicht, außer eben diese Oper erzählen. Dass dies so gut funktioniert liegt vor allem an Thielemann, dem Opernorchester und den glänzenden Darstellern. Dieser Abend hat sich gelohnt und wird mir lange in Erinnerung bleiben: Die Wiener Staatsoper macht Eindruck, dazu brilliert Thielemann mit einem meiner Lieblings-Komponisten. Weiterempfehlen geht für diese Spielzeit nicht mehr, ich besuchte die letzte Aufführung.