Der Schriftsteller Thomas Mann kam am 6. Juni 1875 in Lübeck zur Welt. Nun ist also seines 150. Geburtsages zu gedenken. Auch in unserem Forum. Es gibt kaum einen anderen Autor von Weltrang, dessen literarisches Werk so tief und eng mit Musik verknüpft ist wie seines. Selbst sein unverkennbarer Stil, der nur eine kurze Jugendphase kennt, trägt musikalische Züge. Thomas Mann war von Anbeginn auf der Höhe der Meisterschaft. In Erzählungen und Romanen bediente er sich des Leitmotivs, zu dem er sich von Richard Wagner hatte inspirieren lassen. "Die Passion für Wagners zauberhaftes Werk begleitet mein Leben, seit ich seiner zuerst gewahr wurde und es mir zu erobern, es mit Erkenntnis zu durchdringen begann", bekennt er. Der Satz stammt aus dem großen Essay "Leiden und Größe Richard Wagners", der 1933 – einem Wagner-Gedenkjahr – entstand und gekürzt auch als Festrede diente. Bis heute büßte der Text nichts von seiner Wirkungsmacht ein. Er ist eine, wenn nicht die Keimzelle des moderne kritischen Wagner-Bildes. Vor allem in der Wagner-Stadt München wurde dies als Herabsetzung "unseres Musikgenies" missverstanden. Eine am 16./17. April 1933 in den Münchner Neuesten Nachrichten veröffentlichte Protestnote, die Richard Strauss, Hans Pfitzner, Hans Knappertsbusch und andere Persönlichkeiten unterzeichneten, hatte entscheidenden Anteil daran, dass sich Mann und seine Frau Katia zur Emigration entschlossen, die erst 1954 mit der Rückkehr in die Schweiz enden sollte. Deutschland kam als Altersitz nicht infrage. (Foto-Quelle: Wikipedia)

Thomas Mann - Der 150. Geburtstag
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"Mein Wunschkonzert" - Thomas Mann über Musik, die ihm wichtig ist
Im Frühsommer 1954 wurde Thomas Mann vom Süddeutschen Rundfunk eigeladen, über jene Stücke klassischer Musik zu sprechen, die ihm wichtig sind. Er besaß selbst eine ganz ansehnliche Plattensammlung und bereits in den 1930er Jahren ein Grammophon nach dem letzten Schrei der damaligen Technik. Es stand in der Halle der Münchner Villa, die in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr existiert. Erhalten hat sich aber das große Foto im Eröffnungsbeitrag, das seitenverkehrt auch für das Cover der CD-Ausgabe des Wunschkonzerts verwendet wurde. Was hören wir? An den Beginn setzt der Schriftsteller – wie nicht anders zu erwarten - das Vorspiel zu Wagners Lohengrin mit dem Tonhalle Orchester unter der Leitung von Hans Knappertsbusch von 1947. Ausgerechnet Knappertsbusch. Sollte er dem Dirigenten seine Unterschrift unter den Münchner Protest (siehe oben) verziehen haben? Das liegt nahe, denn Knappertsbusch hatte seinerzeit den Text gar nicht gekannt sondern sich angesichts seines streng konservativen Wagner-Bildes nur aus Prinzip angeschlossen. Mann nennt das Vorspiel den "Gipfel der Romantik", die ihren Höhepunkt nicht in der Dichtung sondern in der Musik, in Tönen, erreicht habe. Auf Wagner folgen die Einleitung zum Nachmittag eines Faun von Debussy, "Im Dorfe" aus der Schuberts Winterreise, "Zwielicht" aus Schumanns Liederkreis op. 39 und die Leonoren-Ouvertüre III von Beethoven. Die Laufzeit der CD beträgt 57 Minuten.
Bei YouTube ist ein Ausschnitt zu Lohengrin zu hören:
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Lieber Rüdiger,
schön, dass Du auf Thomas Manns Jubiläum hinweist. Seine Erläuterungen zum Lohengrin finde ich immer noch sehr hörenswert.
Und Bezüge seines Werks zur Musik gibt es viele. Etwa seine hoch selbstironische Tristan-Novelle:
Und natürlich:
Benjamin Britten schrieb eine Thomas Mann-Oper, Grundlage ist die Novelle Der Tod in Venedig, die ich bedauerlicher Weise wegen des Corona-Lockdowns verpasst habe in Münster.
Darauf hatte ich mich besonders gefreut. Schade, dass es von der Oper Münster keine Wiederholung im diesjährigen Jubiläumsjahr gibt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Death_in_Venice
Schöne Grüße
Holger