Vladimir JUROWSKI - Orchesterwerke

  • Vladimir JUROWSKI - Sinfonie Nr 5 - Viel Lärm um Nichts ?


    Man beachte, daß ich diesen Titel unter Fragezeichen gestellt habe, denn ich bin mir hier noch nicht schlüssig. Der Komponist Vladimir Jurovski (oder in anderer Schreibweise: Jurowski) - nicht zu verwechseln mit seinem Enkel gleichen Namens, der Dirigent ist - war Zeitgenosse von Schostakowitsch,Kabalewsky und Chatchatjurian und Schüler von Mijaskowskij. Im Gegensatz zu den zuvor genannte ist er heute weitgehend unbekannt, wird in keinem Konzertführer erwähnt und Wikipedias Biographie und Werkverzeichnis sind mehr als lieblos-oberflächlich. Die französische WIKIPEDA - üblicherweise eine sichere Bank mit genauen Informationen, erwähnt ihn nicht mal. Die 5. Sinfonie ist sein letztes Großes Werk (1971/72) und die unterscheidet sich - laut Booklet von allen anderen Sinfonien, verwende bisher von ihm nie gekannte Klangfarben.


    Die Sätze:

    1) Andante sereno

    2) Andante amoroso

    3 Allegro vigoroso


    Die Sinfonie ist für meine Ohren schroff, weitgehend düster und geheimnisvoll. mit zahlreichen Effekten, wie Donnergrollen, Paukenschlägen, Gongs und -teilweise-schneidenden Fanfaren. Sie erreicht gelegentlich ohrenbetäubende Lautstärken, die melodischen Stellen fand ich indes belanglos. Soweit mein Eindruck.

    Orchester und Dirigent (übrigens der Sohn des Komponistern) leisten indes bei dieser Aufnahme hervorrgagendes - ditto die Tontechnik.

    Man mag sich fragen, weshalb in mit meiner eher distanzierten Haltung, dem Komponisten einen eigenen Thread spendiere.

    Die Antwort ist einfach: Zum einen glaube ich, daß das Werk durchaus seine Liebhaber finden wird und daß irgendwann auch andere Sinfonien von ihm erscheinen werden - zum anderen gibt es auf der gezeigten CD noch "sinfonische Bilder" nach russischen Malern. Das mag ganz interessant sein - und ausserdem besitze ich die CD nun mal......

    Die besprochene CD ist übrigen bereits gestrichen und allenfalls antiquarisch zu erstehen...



    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Spannend, dass der Blick auf diesen Komponisten fällt, der gewissermaßen als Begründer der Jurowski-Dynastie gelten kann. Heute dürften der Sohn, Michail Jurowski (1945-2022), und die beiden Enkel, Wladimir und Dmitri, allesamt Dirigenten, bekannter sein als der komponierende Großvater. An gewissen Spitzfindigkeiten kann man erkennen, dass Wladimir Jurowski d. Ä. in der Sowjetunion als Jude durchaus Schikanen unterworfen war. Er brachte es lediglich und relativ spät zum Verdienten Künstler der RSFSR (1969), die niedrigste der drei Rangstufen dieser begehrten Auszeichnung (darüber stand Volkskünstler der RSFSR und ganz oben Volkskünstler der UdSSR). Wie ich soeben recherchieren konnte, hat man beim sowjetischen Staatslabel Melodia immerhin einige seiner Werke eingespielt: Auszüge aus den Balletten "Unter dem Himmel Italiens" und "Rote Segel", ein paar Orchesterwerke ("Soja", "Othello", "Roter Platz", "Heroisches Poem", "Indische Märchen") sowie die 4. Sinfonie, die auf 1967 datiert. Wiederaufgelegt wurde leider gar nichts davon, so dass die cpo-Veröffentlichung derzeit die einzige auf dem Markt greifbare Einspielung darstellt. Daneben hat er zwischen den 1920er und 60er Jahren sehr viel Filmmusik komponiert. Seine Sinfonien Nr. 1 (frühe 1930er), Nr. 2 (1934), Nr. 3 (1964) sowie die Sinfonietta (1952) harren einer Aufnahme. Da gäbe es also noch einiges zu entdecken.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da gäbe es also noch einiges zu entdecken.

    Begnügen wir uns fürs erste mit dem was wir haben:

    Auf der in meinem Besitz befindlichen cd gibt es ein weiteres Werk, das sich "Russian Painters " nennt und in die Gruppe der Sinfonischen Dichtungen gehört.


    Eine Art von Suite

    Es werden 7 Gemälde von russischen Malern vertont, wobei jedes Bild einen einzelnen Satz darstellt

    in etwa vergleichbar mit Musorgskis "Bilder einer Ausstellung"

    Russische Maler des 19. Jahrhunderts sind IMO hervorragend - und weitgehend unterschätzt

    Daher war es mir eine Freude eine Nacht lang die zur Sinfonischen Dichtung gehörenden Bilder hier einzustellen

    Die Musik schildert die sehr plastisch und farbenfroh und ist durchwegs interessant.

    Unser Mitglied "teleton" wird seine Freude daran haben - glaube ich wenigstens....

    Wirklichen Interessenten empfehle ich die historischen oder traditionellen Zusammenhänge - wo welche bestehen - nachzulesen.


    Isaak Iljitsch Lewitan (1860-1900): Über der ewigen Ruhe (1894)



    Wiktor Michailowitsch Wasnezow (1849-1919): Iwan Zarewitsch reitet auf dem grauen Wolf



    Iwan Nikolajewitsch Kramskoi : Die Unbekannte



    Wassili Iwanowitsch Surikow: Der Morgen der Strelitzen-Hinrichtung (1881)



    Konstantin Alexejewitsch Korowin: Winterszene


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    Wiktor Michailowitsch Wasnezow: Alenushka



    Boris Michailowitsch Kustodijew: Maslenitsa



    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Vorerst mehr Freude und Erbauung als die 5. Sinfonie bereiteten mir die Russischen Maler von Jurowski sowohl musikalisch als auch in der sinnlich-illustrativen Aufbereitung durch Alfred. Das ist eine wunderbare Idee gewesen, auch wenn sie so zeitaufwändig war. Es hat sich aber gelohnt. Ich fand Gelegenheit, mein Wissen um die russische Märchenwelt, in der es bekanntlich reichlich Bezugspunkte zur deutschen gibt, neu zu beleben. Schon als Kind hatte ich diverse Märchenbücher. Am meisten bewegt mich die Geschichte vom Zarewitsch mit dem Feuervogel und dem grauen Wolf, der hier im Gegensatz zu seinem sonstigen Image in der Märchen- und Menschenwelt positiv in Erscheinung tritt. Das gefällt mir sehr. Der Wolf ist eines meiner Lieblingstiere – weil sozial, treu und ausdauernd. Bei Jurowski tritt die Legende musikalisch wie aus einem geheimnisvollen Nichts hervor. Er zeichnet den Ritt auf dem Wolf knapp und präzise. Alfreds Vergleich mit Mussorgskis Bildern einer Ausstellung finde ich trefflich. Dort wie hier ist der Schluss pompös. Jurowski schildert gleich dem Maler in starken Garben ein großes Volksfest heidnischen Ursprungs, wobei dem Winter der Garaus gemacht wird.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Vielen Dank für die Blumen:hello:

    Ein Hinweis noch zur 5. Sinfonie. Im Booklet erwähnt der Autor, daß die 5. Sinfonie, ein Spätwerk Jurkowskis, vielleicht sogar sein letztes (?) einen signifikanten Bruch mit dem Stil seiner Musiksprach darstellt - und er stellt sich (hilflos?) die Frage nach dem "Warum"

    Jurkowskis Stil sei im allgemeinen wenniger Aggressiv als in jener Fünften. Das kan man als ahnungsloser Leser glauben - oder nicht. "Russian Painters" sind indes eine Bestätigung dieser Aussage.

    mfg aus Wien

    Alfred

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    Ich wählte, was die cpo-CD angeht, die chronologische Reihenfolge und begann also bereits gestern mit den "Russischen Malern" (1956), die ganz in der spätromantischen Tradition des Landes stehen. Mit den sieben Gemälden, die Alfred dankenswerter alle herausgesucht hat, kann man diese Sinfonischen Bildern erst vollumfänglich auf sich wirken lassen. Nun war ich bezüglich der 5. Sinfonie (1971) schon auf atonale Klangwelten eingestellt, konnte aber schnell erleichtert aufatmen. Es handelt sich tatsächlich um das letzte Werk Wladimir Jurowskis des Älteren. Die Partitur wurde im Dezember 1971 vollendet. Wenige Wochen danach, am 26. Jänner 1972, verstarb der Komponist nicht einmal 57-jährig in Moskau. Das Foto oben, welches Wikipedia listet, datiert auf August 1971, also aus seinen letzten Lebensmonaten. Jedenfalls scheint mir die Tonsprache seiner abschließenden Sinfonie für das Entstehungsjahr eigentlich eher moderat als radikal. Da gab es von Komponisten wie Prokofjew, Schostakowitsch und Mossolow bereits in den 1920er Jahren einen rabiateren Tonfall. Es ist ein düsteres Werk, darüber besteht indes wohl kein Zweifel. Wollte man Weltenabschied hineininterpretieren, so gäbe es zumindest meinerseits keinen Widerspruch. Wobei: Einfallsreich ist die Orgel in der Schlusscoda allemal. Vielleicht doch ein Lichtblick ganz am Ende. Wenn Eckhardt van den Hoogen in seinem Einführungstext schreibt, es sei "nicht eigentlich wie ein Aufbruch in neue Regionen, sondern eher wie die Summe früherer Bilder und Eindrücke, die noch einmal zurückgeworfen werden", kann ich dies nachvollziehen. Als lärmend oder gar nichtig empfinde ich das Gehörte jedenfalls mitnichten. cpo hat seine Jurowski-Reihe in den letzten zehn Jahren leider bis dato nicht fortgesetzt. Wie der mittlerweile verstorbene Sohn, setzen auch die beiden Enkel ihren Vorfahren dann und wann auf ihre Konzertprogramme, wie ich herausfand. Der gleichnamige Wladimir Jurowski der Jüngere hat beispielsweise das Finale des Balletts "Die Purpursegel" (1942) vor ein paar Jahren dirigiert, nachfolgend als Videoausschnitt. Es basiert auf dem Roman von Alexander Grin von 1923 und wurde 1961 von Mosfilm auch verfilmt. Die Musik klingt für mich ziemlich genau danach, was ich mir unter Sozialistischem Realismus vorstelle.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões