Kürzlich kam mir die Sängerin Fiamma Izzo D’Amico (*Juli 1964) unter. Da auf Anhieb wenig von ihr zu finden war (auch nicht hier im Forum) reizte es mich, ein wenig zu recherchieren. Italienische Quellen gibt es genug, um sich ein Bild über die Sopranistin machen zu können. Sind Aussagen wie diese haltbar? War es die Autorität Karajans, die Fiamma Izzo D’amico vor einem Buhorkan in Salzburg rettete? Sie ist die pure Ausdruckslosigkeit, singt streckenweise wie nur markierend, und wenn sie über eine mezza voce hinausgeht, klingt sie scharf-säuerlich. Außer einer Mimi ist von ihr nichts weiter überliefert, ihre Karriere war extrem kurz, und sie und ihre drei Töchter führten später ein erfülltes Leben als Synchronsprecherinnen. (Entstaubt: Die Salzburger Karajan-Opern - Opera Lounge)
In einem Punkt behält die strenge Rezensentin Recht: Besonders als Mimi ist Fiamma Izzo D’Amico noch heute ein Begriff – kein Wunder: Es war die Rolle ihres Lebens. Allein zwischen 1986 und 1989 hat sie diese an der Mailänder Scala, an der Grand Opera Paris, an der Wiener Staatsoper und sogar an der Metropolitan Opera verkörpert. Ihre Partner waren dabei die größten Rodolfos dieser Zeit: Domingo, Pavarotti, Dvorsky, Cupido. Dirigiert wurde u.a. von Carlos Kleiber und Nello Santi. Mit Luciano Pavarotti harmonierte sie in der Rolle besonders gut, ging mit ihm 1986 auf China-Tournee (wovon ein Filmdokument zeugt, siehe unten) und die beiden traten auch in Verona im Teatro Filarmonico auf. Karajan war dabei nie zugegen, er hätte sie auch nicht „retten“ müssen. Etliche Bewunderer sprechen von einer der berührendsten Mimis aller Zeiten. Eine Meinung, die angesichts der eben aufgelisteten Stationen und des tadellosen Aussehens der Sopranistin einige Zeit lang von vielen Opernmachern und großen Teilen des Publikums geteilt wurde.
Neben ihrer Bedeutung in dieser Rolle bleibt Fiamma Izzo D’Amico (bei dem Doppelnamen handelt es sich um die beiden Nachnamen ihrer Eltern) in den Operngeschichtsbücher verankert als „letzte Entdeckung Karajans“. Mit 19 Jahren hatte sie nach dem Gewinn eines Gesangswettbewerbs im Teatro Regio in Turin schon die Mimi gesungen. Es waren Mimi und Violetta an kleineren Theatern gefolgt. Im Sommer 1985 sang sie im Rahmen eines Urlaubs in Salzburg dem Maestro vor und Herbert von Karajan war offenbar begeistert. Er bot ihr für den darauffolgenden Sommer die Micaela in „Carmen“ an, engagierte sie dann jedoch schon vorher als Elisabetta in „Don Carlos“ bei den Osterfestspielen 1986. Beide Rollen studierte sie intensiv mit ihm ein, in beiden Opern war José Carreras schließlich ihr Partner. Danach überredete Karajan sie, mit ihm die Tosca einzustudieren – da war sie gerade mal 22 Jahre alt. Gegen den Rat ihrer Gesangslehrerin nahm sie an und sang die Rolle schließlich bei den Osterfestspielen 1988 an der Seite von Luis Lima – übrigens das einzige Mal in ihrer Karriere. Bei allen drei Karajan-Produktionen zeichnete der Maestro sowohl für die musikalische Leitung als auch für die Regie verantwortlich. Fiamma versprach dem greisen Karajan, sich weiter zu seiner Verfügung zu halten und vereinbarte eine Desdemona mit ihm – doch wie man weiß, starb Karajan im Sommer 1989.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie eine atemberaubende Karriere hingelegt. 1986 hatte sie im Teatro Comunale in Bologna noch die Mimi gesungen und war im Jahr darauf als Magda in „La rondine“ vorgesehen. Doch da hatte sie schlichtweg keine Zeit mehr für Häuser dieser Größe: In diesen Jahren zählten nur die allergrößten Stationen mit den allerbesten Partnern (alle „drei Tenöre“ innerhalb von zweieinhalb Jahren), dazu erschienen zwei Schallplattenaufnahmen (1988 Duette mit Peter Dvorsky und 1989 ein großes Solo-Recital bei EMI). Ab 1990 ist aber ein deutlicher Einschnitt in der Karriere zu bemerken. Sie selbst erklärt das in einem Interview so: Neben meinem Klavier habe ich Karajans Foto mit der Widmung "Für Fiamma in Bewunderung". Was will ich mehr? Natürlich habe ich teuer dafür bezahlt, dass ich mit ihm gesungen habe, denn alle Dirigenten nach ihm haben mich immer mit Misstrauen betrachtet. Aber ich wiederhole, es war eine großartige Erfahrung.
1990 kam sie noch einmal nach Wien, allerdings ins Konzerthaus, um mit Carlo Bergonzi in „Mefistofele“ aufzutreten, außerdem sang sie in Rom die Nedda neben Wladimir Atlantow. Danach musste sie etwas kleinere Brötchen backen. Nicht nur das Ableben Karajans beeinflusste ihre Karriere, sondern sicher auch ihr Hang zur Unabhängigkeit und das Gründen einer Familie. 1992 und 1994 gebar sie Töchter und als im Jahr 2000 auch die jüngere schulpflichtig wurde, hängte Fiamma ihre Karriere an den Nagel, worauf noch eine dritte Tochter folgte. Die letzten zehn Jahre ihrer Karriere mag sie nicht mehr so präsent gewesen sein wie zu Beginn, aber sie blieb bis zu ihrem freiwilligen Ende dennoch sehr aktiv. Sie pflegte ihre Rollen intensiv einzustudieren und konzentrierte sich insgesamt auf wenige Opern. Eine Schallplatte mit einem Stabat Mater von Pergolesi aus dem 1993 dokumentiert noch einmal ihre Stimme. Auf der Bühne war sie in den 1990er-Jahren u.a. für eine holländische Opernkompanie als Nedda, Micaela und Liu tätig – die tenoralen Hauptrollen sang meist Corneliu Murgu. In Palermo sang sie 1999 die Tatjana (unter Sergei Leiferkus, alternierend mit Mirella Freni) und im Jahr 2000 ein letztes Mal die Mimi. Eine schöne Abrundung der genau 16 Jahre anhaltenden Karriere der bildhübschen Sängerin.
Selbstverständlich ist Fiamma Izzo D’Amico unverhältnismäßig schnell in den Olymp aufgestiegen und auch ein Stück weit wieder heruntergefallen. Aber es steckt doch mehr hinter dieser Sängerpersönlichkeit als nur eine Karajan-Protegée. Sehen und hören kann man sie hier, um selbst zu urteilen:
La Boheme - Pavarotti- "Che gelida manina" Fiamma Izzo d' Amico "Si, mi chiamano Mimi"
"O soave fanciulla" La boheme Luciano Pavarotti & Fiamma Izzo d' Amico
Interessant noch ihr familiärer Background. Sowohl der Vater Renato Izzo als auch die ältere Schwester Simona Izzo waren in Italien im Filmbusiness tätig – bekannt vor allem in der Synchronbranche. Die Stimme war immer das wichtigste Instrument diverser Familienmitglieder, aber niemand war in der Opernwelt beheimatet. Dennoch schien es für Fiamma keine besondere Anstrengung zu bedeuten, aus ihrer Leidenschaft zur menschlichen Stimme und zum Gesang schließlich ein ernsthaftes Studium zu absolvieren. Sie beendete ihre Ausbildung in Rom, gewann Wettbewerbe und der Rest ging wie von selbst. Nach ihrer Gesangskarriere versuchte sie sich als Opernregisseurin, wechselte dann aber – sehr erfolgreich – ebenfalls in die Synchronbranche. Dort lieh sie nicht nur ausländischen Stars in den italienischen Filmversionen ihre Stimme, sondern schrieb auch Dialogbücher und führte Dialogregie. Der unkomplizierte Einstieg in diesen Beruf erleichterte ihr wohl auch den freiwilligen Bühnenabschied. Nicht immer ist eine Krise Schuld an einer frühzeitig beendeten Karriere. Manchmal ist es auch eine bewusste Entscheidung. Ein nachdenklich stimmender Satz sei hier zum Abschluss zitiert: Das Leben des Sängers abseits der Bühne ist die Hölle, es gibt nichts. Es gibt keine Freundschaft, es gibt keine Liebe, die hält. Es gibt keine menschlichen Beziehungen, es gibt nur ein Hotelzimmer und den Weg vom Hotel zum Theater. Es gibt sonst praktisch kein Leben. Ich mag es, mit meinen Schwestern und Freunden zusammen zu sein, zu kochen, mit meinen Töchtern zu sprechen, mit dem Mann zu kuscheln, den ich liebe, nach Hause zu kommen, mich im Fitnessstudio auszupowern, an einem regnerischen Tag ohne Regenschirm auszugehen, an den Strand zu gehen und zwei Stunden zu schwimmen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, ob ich meine Stimme verliere. Alles Dinge, die ich in den Jahren meiner Karriere nicht tun konnte.
Vielleicht kann jemand ein nettes Bild der Sängerin einstellen?