Quo vadis, Orgelmusik

  • Kinoorgeln auf Organ index:

    https://organindex.de/index.php?title=Kategorie:Kinoorgel

    Eine Orgel in einem Nobelhotel gab es in Berlin (als ich dort wohnte und mal anrief, kam ich viele Jahre zu spät..) - ob die wohl auch genutzt wurde?

    https://organindex.de/index.ph…n,_Hotel_The_Westin_Grand

    PS Im Übrigen würden "wir" auf Organ index uns über Mitbearbeitende freuen, es sind sehr wenig Leute, die über die Jahre teils unglaublich viel Zeit dort investiert haben (darf man hier wohl schreiben, da es ja keinerlei "Konkurrenz" zu hier darstellt). Z.B. hat ein Einziger Finnland quasi komplett eingetragen, über 1000 Orgeln.

  • Mal aus der Praxis, weil ich in der Vergangenheit ja bereits als Pastor und in der Gemeindeleitung gearbeitet habe!


    Eine Kantate oder Messe sub liturgie aufzuführen ist in der Tat selten geworden, selbst bei größeren Gemeinden - obwohl es hier spezialisierte Gemeinden gibt. In der Regel benötigt man dafür einen A- (oder B-Kantor), einen fähigen Chor, ggf. Solisten zur Hand und zumindest ein kleines Orchester oder Ensemble. Insofern die nicht alle Teil der Gemeindearbeit sind (was sehr selten ist), wird es schnell teuer. Wie Holger sagte, können klamme Gemeindekassen Solisten und Orchester nicht aus dem Ärmel schütteln. Da es ein Gottesdienst und kein Konzert ist, fallen ja auch Einnahmen durch Eintrittskarten aus. Ein gesonderter Aufruf zur Spende für den speziellen Gottesdienst bringt in der Regel lange nicht genug.


    Dennoch hatte ich schon das Glück, sowohl Kantatengottesdienste, als auch zwei Mal eine Messe sub liturgie (Missa brevis von Kodaly und KV 337). Dabei war es jeweils so: Kantorei ist als feste Gruppe der Kirchengemeinde quasi kostenlos, Leitung und Einstudierung im Dienstumfang des A-Kantors enthalten. Bezahlt werden mussten die Solisten und das kleine Orchester. Wir hatten da relativ feste Solisten, die wir dafür immer anfragen konnten (auch für das WO und einmal die h-Moll-Messe - hier lag der Fall aber jeweils anders, da es Konzerte mit Eintrittskarten waren) und auch das kleine Orchester aus Lübeck war Stammgast. Die haben uns Freundschaftspreise gemacht! Ansonsten wäre das noch viel seltener zu finanzieren gewesen.

    Es ist tatsächlich so, dass die Planung dieser Gottesdienste, für die Personal eingekauft werden muss, im Vorjahr in den Haushaltsentwurf, Bereich Kirchenmusik, eingeplant werden. Sie müssen dann z.B. durch reine Orgelkonzerte des festangestellten Kantors - für die er ja kein extra Honorar bekommt - gegenfinanziert werden. So unromantisch ist das bei einer ganz gewöhnlichen Kirchengemeinde mit Schwerpunkt Kirchenmusik.


    Generell kommen bei uns Lutheranern nicht nur Kantatengottesdienste vor, sondern wie erwähnt auch Messaufführungen im Rahmen der Liturgie - die Bestandteile des Ordinariums aus dem Canon Missae die sich als die klassischen Bestandteile herausgebildet haben (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei) hat Luther uns, wenn auch auf Deutsch, ja erhalten. Sie werden in konservativeren Gemeinden als Standard und in manchen Gemeinden z.B. einmal im Monat als Agende I Gottesdienste gefeiert - auf Deutsch natürlich.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Der Titel fragt nach der Zukunft von Orgelmusik, zumindest von derzeit aktiven Komponisten und nicht nach Instrumenten und Stücken von lange verstorbenen. Das Thema ist daher zeitgenössische, klassische Musik und vielleicht auch, wie und wo Pfeifenorgeln zukünftig gebaut sein könnten. Schade dass hier bisher nicht all zu viel dazu bei getragen wurde.


    Wir haben hier in der Nähe leider keine Kino- oder Studio-Orgel, sodass ich nicht in den Genuss gekommen bin, mir dort aktuelle Kompositionen an zu hören. In den grossen Städten und bei Rundfunkanstalten soll es aber solche Pfeifenorgeln geben. Man müsste sich mal Schlau machen, wann dort aufgeführt wird und dann solche Aufführungen besuchen, wenn das möglich ist.

    "Bach ist Anfang und Ende aller Musik." Max Reger

  • Man müsste auch fragen, ob "erstzunehmende" zeitgenössische Komponisten überhaupt noch für die Orgel komponieren (wollen). Da habe ich ja so meine Zweifel. Die Kirchenleitungen und Musikverantwortlichen sind ja abgebogen Richtung populäre Musik, des vermeintlichen "Massen"zuspruchs wegen (Masse ist für die ev. Kirche in Berlin meiner früheren Beobachtung nach in zu vielen Kirchen z.B. schon ein Gottesdienstbesuch über 15). Man vergleiche das mal mit den 50/60er Jahren.

    "Orgelruinen" gibt es so einige, nicht nur in Kirchen (vorwiegend in Ostdeutschland), auch richtig große, z.B. Villa Berg/SDR in Stuttgart (75 Register!). M.E. ist aber auch vom Rundfunk (für den man sich dumm und dämlich zahlt) diesbezüglich nicht mehr viel zu erwarten, die spielen doch in Dauerschleife ihre Publikumslieblinge. Sind noch nichtmal bereit,für Interessenten privat was aus ihrem riesigen (steuerzahlerfinanzierten) Archiv zugänglich zu machen, auch schonmal nicht für einen Interpreten der Aufnahmen (! schlicht unverschämt!), geschweige, es ausnahmsweise mal zu spielen. Verstauben lassen macht wohl mehr Spaß und natürlich weniger Arbeit. Sehr wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, z.B. BR.

    Betr. Villa Berg hier ein Link: https://organindex.de/index.ph…her_Rundfunk_(Villa_Berg), wenigstens ist die Messiaen-Aufnahme online, die ich natürlich gleich bearbeitet habe. Wirklich toll gespielt, gerade die so komplexe Rhythmik. Könnte man sich solcherlei Stücke zu Orgeleineinweihumgen heute noch vorstellen? Ich nie und nimmer. Soviel zu der an klass Musik uninteressierten damaligen Zeit. Übrigens ist den Leuten auch bei diesem schwierig zu hörenden Stück der Humor offensichtlich nicht abhandengekommen, irgendwo ist mal kurzes Gelächter zu hören...

    Für eine Aufführung und Fortschreibung der Neuen Orgelmusik wären natürlich keine säkularen Instrumente nötig, sondern nur Interesse und ordentliche Rahmenbedingungen bei den Kirchen und -musikern. Das gibt es durchaus hie und da, aber nicht in der Masse.

  • Zitat

    Man müsste auch fragen, ob "erstzunehmende" zeitgenössische Komponisten überhaupt noch für die Orgel komponieren .....

    Das geschieht durchaus. Einige Namen von "ernstzunehmenden" Komponisten, deren Werke öfter aufgeführt werden, z.B. bei den ORGEL-MIXTUREN in der Kirche Sankt Peter Köln:

    Michael Veltman, Dominik Susteck, Zsigmond Szathmáry, Peter Köszeghy, Christian Wolff, Luis Antunes Pena, Joanna Wozny, Samir Odeh-Tamim, Jamilia Jazylbekova und Martin Schüttler.

    Ich bin dann mal weg.

  • Das geschieht durchaus. Einige Namen von "ernstzunehmenden" Komponisten, deren Werke öfter aufgeführt werden, z.B. bei den ORGEL-MIXTUREN in der Kirche Sankt Peter Köln:

    Michael Veltman, Dominik Susteck, Zsigmond Szathmáry, Peter Köszeghy, Christian Wolff, Luis Antunes Pena, Joanna Wozny, Samir Odeh-Tamim, Jamilia Jazylbekova und Martin Schüttler.

    Da schätze ich aber doch, dass das abseits der wenigen "praktizierenden Organisten" anlassbezogene Auftragskompositionen waren. Was selbstverständlich nichts Schlechtes ist, aber damit nicht gerade auf reges Interesse schließen lässt. Das war durchaus mal anders.

  • Orgel und Kirche - und gegenseitige Befruchtung, die Zeit scheint mir zu Ende zu gehen. Man kann Kirchenmusik-Studienanfänger nur warnen - außer man ist ein Überflieger und kann sich die wenigen attraktiven Stellen aussuchen. Für die Masse braucht's m.E. kein Studium, da reicht ein C-Kurs. Das hören die zahlreichen Professoren und viel zu viel Ausbildungsstätten und "Berufsjubler" natürlich nicht so gern, egal.

    Zufällig gesehen, hier gehts zwar um Chöre, aber insgesamt eigentlich noch erschreckender, wenn man die schiere Masse an Ehren- und Nebenamtlichen und den vergleichsweise sehr geringen Betrag bedenkt (Vorsicht: fast fing ich wieder an, über Entschädigungszahlungen an einzelne Personen wegen perversen Bodenpersonals und direkt regelmäßig unfähiger Leitungsverantwortlicher zu schwadronieren). Dass es da ein Mindestmaß an Koordination und Vertretung braucht, dürfte unstrittig sein. Typisch für die Herren in Purpur mit ihren Sonntagsreden über den Wert der Kirchenmusik. Aber irgendwie braucht sich allgemein auch keiner zu wundern bei derart hilf- und zahnlosen Berufsvertretungen.

    https://katholisch.de/artikel/…ng-vor-ungewisser-zukunft

    https://www.facebook.com/photo…905&set=a.131486210520477

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  • Vielleicht wäre das Interesse am Besuch eines Orgelkonzertes anders, wenn wir hier mehr Kinoorgeln hätten, denn ins Kino gehen viele Leute gerne.

    "Bach ist Anfang und Ende aller Musik." Max Reger

  • Auf Kinoorgeln spielt man ganz Anderes, bzw. improvisiert. Die tradierte Literatur fällt da weg. M.E. keine Lösung, eher ein interessanter Farbtupfer. Eine Kirche mit (natürlich transferierter) Kinoorgel gibt es auch in D, ich glaube Lemgo.

  • Für Orgel-Traditionalisten ist Sonja Kühler wahrscheinlich ein Graus.

    Die Musikerin studierte Kirchenmusik und Musikpädagogik Sie arbeitet heute als Kirchenmusikerin und als und Musiklehrerin. Das Ziel ihrer öffentlichen Auftritte in Kirchen ist nicht, Gläubige in Kirchen zu locken, sondern Musikfreunde für die Orgel zu begeistern.

    Plakat-25.7.25-1086x1536.jpg


    Ich bin dann mal weg.

  • Weiß nicht, ob da ich angesprochen bin. Jedenfalls: 20 Sekunden reingehört in die "interessante Harmonik und Rhythmik". Finde ich gähnend langweilig, direkt ordinär. Wem's gefällt... Schöne Orgel aber offensichtlich. Im Übrigen ist sowas für mich eher (populär-) "traditionalistisch" im schlechten Sinn. Moderne Orgelmusik ist doch was völlig Anderes. Man stelle sich sowas auch mal als "liturgische Musik" vor (oder auch nur Orgelnachspiel, das bei den Katholiken ja nicht mehr zur eigentlichen Messe gehört), wird ja von so einigen Kirchenleitungen und vielleicht auch pseudomodernen "Ämtern für Kirchenmusik" (nachdem sie ihre Verlautbarungen von "vorgestern" schnell unterm Schreibtisch verschwinden lassen haben) propagiert. Direkt das Gegenteil von "erhebender" Kirchenmusik. Mir tun ja auch die Lehrer leid, wenn die Orgelschüler dann mit solchen Wünschen kommen.

    > Das Ziel ihrer öffentlichen Auftritte in Kirchen ist nicht, Gläubige in Kirchen zu locken, sondern Musikfreunde für die Orgel zu begeistern.

    Wer sagt das? Es soll ja auch Schnittmengen geben, auch bei den Komponisten...

  • Hab die ersten drei Minuten hineingehört. Nein, das ist völlig witzlos. Wenn es darum geht, die billige Vorlage auch billig zu präsentieren - dann passt das schon. Da muss ich den Kollegen jetzt wirklich unterstützen - auch meines Erachtens hat er sich anfangs etwas überarbeitet quasi an der anderen Dame, deren Namen ich wieder vergessen habe. Das hätte es nicht gebraucht, so gut schlecht war sie auch wieder nicht, da bin ich dann schon bei einigen von Euch! :)


    Ich kann nicht Orgel spielen, sondern nur ohne jede Professionalität Klavier, aber ich bin mit Sicherheit alles andere als ein Hör-Traditionalist und das auch nicht bei der Orgel.


    :cheers: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich ging davon aus, dass in diesem Thread mögliche Antworten auf die Frage "quo vadis?" gefunden werden sollten, wozu natürlich auch ungewöhnliche Wege ohne Spitzenniveau gehören.


    "Es war ein akustisch wie optisch einmaliges „Lichtkonzert“, das zahlreiche Besucher am Freitag in der vollen Baumburger Kirche in den Bann zog."

    Laut dieser Quelle hat es dem Publikum also gefallen.


    Statt dessen wird hier aber inzwischen mehr die Qualität der Organisten (m/w) bewertet. Tut mir leid, dass ich den Titel dieses Threads anscheinend falsch interpretiert habe. Ich werde daher in Zukunft hier nicht weiter stören.

    Ich bin dann mal weg.

  • So wie ich den Titel verstehe, geht es um die kommende Musik und nicht um tradierte Literatur. Denn wie Orfeo sagt, wird durchaus aktuell und zukünftig für Orgel komponiert. Das sollte man auf Konzert- oder Kino-, also modernen Orgeln spielen können. Dass Musik in Zukunft per MIDI vom Computer gespielt wird, gehört eben auch dazu und neue Orgeln werden diese Schnittstelle implementiert haben. Wir schreiben unsere Texte und Noten am Computer und nicht mehr von Hand mit Tinte und Federkiel.


    Mir gefallen solche modernen Stücke durchaus.

    "Bach ist Anfang und Ende aller Musik." Max Reger

  • Ich wollte halt den Kollegen unterstützen, der hier schon des Öfteren angegriffen wurde und gewiss ebenso angegriffen hat, weil ich das Arrangement eben als gleichermaßen uninteressant empfinde. Ansonsten stört mich der Thread nicht und Orfeo stört hier gewiss auch niemanden. Warum solltest Du stören? Die Lichtkunst finde ich ganz hübsch, aber das hat eigentlich nichts mit Orgelmusik zu tun, selbst wenn der Faden diese Frage stellt. Doc Brown hat sicher auch Recht aus seiner Perspektive - meine Erfahrungen mit Midi-Dateien haben mich bislang nicht überzeugt, aber ich verstehe von den Entwicklungen gewiss zu wenig.


    Eine Kirchenorgel möchte ich lieber ohne Manipulationen hören - weil das Instrument als Individuum seine Geschichte hat - mal bedeutender, mal weniger. Freilich gibt es heute zur Genüge Möglichkeiten der digitalen Erweiterung und Verfremdung von Klängen, so wie es einst mit der elektronischen Musik eines Stockhausen und anderer begonnen hat, und es ist leicht möglich, dass ich, da offen in dieser Hinsicht, meine Perspektive auch bezüglich der Orgel erweitern werde. Mein Sohn schleppt mich bisweilen in Konzerte, die den Klavierklang in der Popmusik und Elektronik stärker angenäherter Weise vielfältig manipulieren - relevant sind hier Begriffe wie Ambient, und das kann reizvoll sein ohne Zweifel, aber noch bin ich in dieser Hinsicht arger Laie.


    Um das Thema für mich abzuschließen: Soweit von mir gehört, erscheint mir das Arrangement oben völlig konventionell. Das allein kann kaum die "Zukunft" der Orgelmusik sein. Da ist ein Messiaen viel weiter gekommen, da ist eine Interpretin wie Iveta Apkalna mit dem Konzert für Orgel, Hammondorgel und Orchester von Peter Eötvös, das mir sehr gut gefällt und das auch nicht schwer zu hören ist, meine ich, ebenfalls viel weiter.


    Eines vielleicht noch: Ich könnte mir vorstellen, dass bisweilen auch die Aufnahmefähigkeit einigermaßen interessierter junger Leute unterschätzt wird. Wie, glaube ich, schon gesagt im Forum: Es muss nicht die anstrengendste Musik eines Messiaen sein, aber jener Eötvös ist vielleicht sehr wohl denkbar, wenn man sich nicht für die Begleitung von Kirchenliedern interessiert. Und dass es bei Eötvös nicht um den gottesdienstlichen Gebrauch der Orgel geht, ist klar. Ich wüsste aber eben auch nicht, was das obige Beispiel aus dem Musical von Lloyd Webber nebst Lichtspielen mit einem Gottesdienst zu tun hätte.


    Gut - Letzteres wurde nicht behauptet und es ist jetzt auch nicht mehr explizit Thema!


    Aber worum geht es dann eigentlich?


    :P Insofern drehe ich mich wahrscheinlich mit Euch im Kreis und mehr geschrieben als geplant habe ich auch.


    In diesem Sinne: :cheers: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Worum es geht? Beim Start des Threads bin ich von meiner eigenen Hörbiographie ausgegangen. Die Ogel war für mich immer mit der Kirche verbunden. Obwohl ich mit klassischer Musik groß geworden bin, fand Orgelmusik in meinem Elternhaus nicht statt, zum Radio kann ich nicht so viel sagen, da mein Zeitfenster zum Hören als Kind und auch später überschaubar war. Entdeckt habe ich de Orgel durch eine alten Tonbandaifnahme meines Vaters (das einzige Orgelwerk, das bei uns auf Tonträger zu finden war: Bachs Passacaglia und Fuge. So kam die erte Orgelplatte in meine Sammlung mit Marie-Claire Alain an der Orgel (die erste ihrer drei Aufnahmen des Werkes). Angestoßen durch einen TV-Vierteiler über Albert Schweitzer kamen dann Schweitzers Bach-Aufnahmen in meine Sammlung, Schellack-mono, aber immerhin.


    Zurück zur Sozialisation: in meiner Kindheit waren die katholischen Kirchen voll. Jede hatte zwei Messen am Sonntag, eine am Samstag Abend, und immer erklang die Orgel, die mal besser, mal schlechter klang, je nachdem, wer da oben am Instrumente saß. Heute sind die Kirchen leer, die Anzahl der heiligen Messen schrumpft, meine alte Kirche wir nunmehr aufgelassen, ggf. abgerissen, manche Kirchengemeinde hat statt der Orgel ein E-Piano, wir müssen uns also damit abfinden, dass die Orgel nicht mehr integrler Bestandtteil von Hörgewohnheit ist. Und bitte: keine Kirchenkritik. Es sind schon die Menschen selbst, die nach einem Grund suchen, die Kirche zu verlassen.


    Neben der Begleitung einer heiligen Messe gibt es aber auch unfassbar viel und schöne Orgelmusik, nur, wie die vermitteln? Werden Kirchengbäude abgerissen, verschwinden ach die Orgeln darin, also, nicht nur ein Glaubensort sondern auch ein Musikort weniger. Persönlich werde ich mit Konzerthaus-Orgeln nicht warm, aber eine Möglichkeit, Orgelmusik aufzuführen, ist das schon.


    Freilich:die Kirchen bemühen sich um die Orgeln, veranstalten Orgelkonzerte (in Dortmund zumindest die Innenstadtkirchen Probstei und Reinoldi). Dennoch erscheint mir die Orgel vergleichsweise unpopulär. Der Organist sitzt üblicherweise verborgen und kann kein effektvolles Show-Hampeln vollführen wie so mancher Pianist oder Dirigent.


    Und der Nachwuchs: wo soll der üben? Zuhause Hammond-Orgel und wenn man Glück hat auch mal an der großen Orgel in der Kirche? Oder noch besser: verschiedene Instrumente verschiedener Kirchen erkunden? Ich habe das schon verschiedentlich gehört oder gelesen, dass Organisten oftmals spätabends oder nächtens üben.


    Jedenfalls, so meine Wahrnehmung: ist die Kirche auf dem Rückzug, ist es auch ihr Kerninstrument, die Orgel. Daher die Frage: Quo vadis Orgelmusik? Sie ist Spezialistenmusik, ähnlich wie Kammemusik. Nur eben an einem sehr immobilen Instrument vorzutragen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Dein letzter Absatz, Thomas, umreißt, meine ich, ein Kernproblem, die Immobilität des Instruments.


    Stichwort: Spezialistenmusik. Es ist mir schon lange aufgefallen, dass Orgelkonzerte gegen einen im Allgemeinen geringen Obolus von kaum jemandem besucht werden. Ich erinnere mich an einen Extremfall: Die Organistin, ihr Adjutant, zwei zahlende Gäste und ich, der für die Zeitung geschrieben hat - ohne Kommentar zur Besucherzahl und mit einem Betrag für den Klingelbeutel. Die Organistin scheint sich nicht gestört zu haben, sie war bei der Kirche in Amt und Würden. Ich habe mich kurz mit ihr unterhalten.


    Vielleicht noch ein kurzer Abstecher für diejenigen, die vielleicht zu Recht sagen, dass der obige Eötvös immer noch zu schwer ist. Die folgenden Nummern von Jean Francaix und von dem in Paris wirkenden Naji Hakim - wenn das noch richtig ist - sind es bestimmt nicht. Und da gibt es noch etliches Niveauvolles und bei Weitem Geistreicheres als obiger Musicalverschnitt, das man auch als Laienspieler im Gottesdienst bewältigen kann, wie der Kollege unten mir gesagt und gezeigt hat. Er macht manchmal auch kleine Orgelführungen - vielleicht ein weiteres mögliches Modell im Sinne des Fadenthemas.


    Pfiffig, oft jazzoid, freilich wiederum im engeren Sinne keine Kirchenmusik sind diese Nummern, leichtere und schwerere. Doch im Weiteren stören sie während der Kommunion oder zum Ausgang absolut niemanden. Den Francaix (aus der Suite Carmelite) hat ein mit mir befreundeter Musikjournalist - ein echter, nicht einer aus Hobby immer mal wieder wie ich - zu unserer Hochzeit vor Jahrzehnten gespielt.


        



    Auf der CD klingt die Trompete natürlich souveräner. ;)

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Der Titel soll uns anregen, darüber nach zu denken, was möglicherweise die Zukunft der Orgelmusik sein wird und andererseits Wünsche für die Entwicklung zu äussern, insbesonders wie wir das Instrument, die Musik, den Saal und die Darbietung gestalten müssten, damit sie mit der Zeit geht und so weiter attraktiv bleibt. Da gehört vielleicht auch der Versuch dazu, den Event optisch wie in einer Disco auf zu peppen. Mit anderen alten Musikinstrumenten wird durchaus auch aktuelle Musik in total neuer Umgebung gemacht und sie konnten somit diesen verstaubten Nimbus in altem Gemäuer hinter sich lassen.

    "Bach ist Anfang und Ende aller Musik." Max Reger

  • Ich frage mich auch immer, was andere Musiker (Orchester, Pop, Pianisten, Geiger etc.) bei solcherart neuer Orgelmusik sagen. Können die das Instrument so vorgeführt ernstnehmen? Zu Frau Kühlers Können habe ich übrigens gar nichts gesagt, weil ich darüber auch nicht Bescheid weiß. Und mir ist es, kann es auch, egal, ob/wenn das die Menschenmassen in die Kirche zieht. Da habe ich es natürlich einfacher als vor Ort Verantwortliche.

    Apropos Pianisten, zur Läuterung empfehle ich das. Es wird wohl kaum zu bestreiten sein, dass das auf mehreren Ebenen ein ganz anderes Kaliber ist. Und doch durchaus nicht schwer anzuhören, man muss/kann ja meist nicht besonders weit "eindringen". Also, so weit war man schon. Dann kann das obige wirklich nicht die Zukunft sein.


  • Hier wurde doch der Choral "Herr Jesu Christ..." verlinkt. Kann man alles schon interessanter gestalten, Alt-, Tenor-, Bass-c.f, interessanteres Vorspiel... Leider wird das gottesdienstliche Orgelspiel (abseits von Domen) immer simpler und flacher, genauso die Liedauswahl an sich.

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    Live-Veranstaltungen mit Orgel rockt finden da statt, wo eine ausreichend große Orgel steht. (mindestens zwei Manuale und zwanzig Register). Veranstalter sind in der Regel Kirchengemeinden, kommunale Kultureinrichtungen oder Unternehmen.

    In über fünfzehn Jahren fanden inzwischen rund 520 Veranstaltungen mit mehr als 112.000 Zuhörern statt, dabei wechselt etwa alle zwei Jahre das Tourprogramm.


    250816-Lutherstadt-Wittenberg-OR-Erlebnisnacht-online.png

    Ich bin dann mal weg.

  • Implizit heißt doch die Frage: was bei Orgelmusik weist über Bach hinaus? Meine simple Antwort: nichts. Sorry.


    Mit Buxtehude (vorher), Händel (zur selben Zeit) und Fauré (später) gibt es Ansätze, die Bach vielleicht partiell in den Schatten stellen könnten, zumindest mal mit dem einen oder anderen Stück. Aber tatsächlich kenne ich nichts, gar nichts, das die Power der d-moll Toccaten und Fugen (565, 538) oder der Toccata und Fuge a-moll (543) oder ähnlicher Großtaten auch nur entfernt nachvollziehen könnte.


    Orgel ist Bach - war so, ist so, bleibt so.


    Ergo, quo vadis: same old old - repeated again and again. Ich gehe jedenfalls in kein Orgelkonzert, wo nicht Bach-Stücke mindestens 2/3 der gespielten Titel ausmachen.


    Natürlich kann man sich auch alternativ von Messiaen die Ohren abschrauben lassen...

  • Es wird nicht überraschen, dass ich auch "Orgel rockt" für langweilig und unpassend im Kirchenraum halte. Wenn 112000 das anders sehen, meinetwegen. Ändert aber rein gar nichts an meiner Meinung.

  • Implizit heißt doch die Frage: was bei Orgelmusik weist über Bach hinaus? Meine simple Antwort: nichts. Sorry.

    Nun, mein Lieber, mir ist natürlich auch bewusst, daß Dein Hörfenster ein deutlich schmaleres ist als das meine. Schadet nix. In der Verehrung Bachs sind wir uns gewiss einig, aber in den Jahrhunderten danch gab's doch einige schöne Blumen links und rechts vom Wege.


    Natürlich kann man sich auch alternativ von Messiaen die Ohren abschrauben lassen...

    Die bleiben bei mir schön dran, den höre ich durchaus gerne (frag' mich nicht warum).

    Ändert aber rein gar nichts an meiner Meinung.

    Das muss es auch nicht. Ich zitiere nur ungern Benedikt XVI (nicht mein Lieblingspapst) auf die Frage, wieviele Wege es zu gäbe antwortete, soviele, wie es Menschen gibt. Das heißt freilich im Umkehrschluss, daß mein persönlicher Weg, hier nun zur Musik, nicht mehrheitsfähig sein muss. Das fängt in meinem Falle schon damit an, das ich Menschenmengen nicht mag. Ich würde gerne Anna Lapwood nächtens beim üben zuhören, in den überfüllten Kölner Dom würde ich ihr noch nicht mal folgen, wenn sie ein Programm aus Byrd, Bach, Buxtehude, Franck und Messiaen (gäbe die Schwalbennetorgel das überhaupt her?) spielen würde. Menschenmengen ertrage ich -wenn überhaupt- bei guten Rockkonzerten. Aber da ist jeder Jeck anders.


    Die Frage ist dann doch immer: was macht die Leute an? Schreckt vielleicht der bieder Küster an der Orgel ab, zieht die gut, aber unter ihren Möglichkieiten spielende Anna Lapwood junge Menschen in den Kreis von Orgelliebhabern? Als Kind bin ich von einem Klavier-Duo namens Ferrante and Teicher für Klaviermusik angefext worden. Dream Concerto of Tchaikovsky hieß die Single, die hauptsächlich das bekannte Introduktionsthema ds b-moll-Konzertes vortrug. Packend gespielt. Fand wohl auch mein Vater, der sich das ganze Konzert von meiner Mutter zum Hochzeitstag schenken ließ. Die Ferrante and Teicher Fasung fand ich als Kind geschmeidiger (ich liebe sie noch heute), aber diese beiden klimpernden Instrumente, die fand ich schon toll. Ist bis auf den heutigen Tag mein Lieblingsinstrument (Instrumentengruppe, muss man ja sagen). Und seit einigen Jahren beginnen sich meine Ohre für die Orgel zu erweitern (ein Instrument, bei dem ich immer an de Rose aus Excuperys kleinen Prinzen denken muss).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich finde ja zu allererst kommt nicht die Orgelmusik, sondern die Orgel. :)


    Die Orgel ist ein magisches Instrument und ihrem magischen Klang kann man sich, wenn man ein offenes Ohr hat, nicht entziehen. Der Raum, an dem die Orgel spielt, ist mit entscheidend. Die Tonkonserve kann das finde ich nicht vermitteln.


    Zur Orgelmusik findet man nur als Liebhaber zur Orgel. Mit Kirche und Kirchenmusik hat das erst einmal nichts zu tun.


    Ich persönlich mag klassische Orgelmusik vom Barock bis zur Moderne. Pop und Rock ist meine Musik nicht. Es ist aber nicht einzusehen, warum nicht auch der Rock-Fan die Orgel für sich entdecken darf und entsprechend seine Musik auch gerne im Orgelkonzert hören möchte. Aus welchem Grund sollte man ihm das verbieten? Jedem das Seine. Das spricht doch nur für das Instrument Orgel und seine Magie, dem sich kein Musikliebhaber egal welcher Musikrichtung entziehen kann. 😊

  • ... Der Raum, an dem die Orgel spielt, ist mit entscheidend ... Es ist aber nicht einzusehen, warum nicht auch der Rock-Fan die Orgel für sich entdecken darf ....

    Das Problem ist für manchen Orgelliebhaber anscheinend der Aufführungsort Kirche. Aber wo sonst lassen sich noch Orgeln in Städten ohne Konzertsaal finden? In Wittenberg gibt es zwar zwei bemerkenswerte Orgeln, aber beide in Kirchen. Und wo finden wir Orgeln in St. Peter-Ording, Langenhorn, Nordstrand, Westerland/Sylt, den nächsten Stationen von "Orgel rockt" im September 2025?

    Kirche geht nicht würde bedeuten Orgel geht in diesen Orten auch nicht.

    Dann sähe die Zukunft der Orgel/Orgelmusik aber ganz schlecht aus, denn

    ... Die Tonkonserve kann das finde ich nicht vermitteln ....

    "Orgelmusik muss ein lebendiges Repertoire bleiben, sie muss die Herausforderungen und Erfahrungen der Zeit und ihrer Menschen aufnehmen".

    Ich bin dann mal weg.

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