Beethoven - Die Klaviersonaten

  • Ich sehe gerade - da hat sich schon Alfred ausführlich und fundiert geäußert :

  • Es gibt nicht viele Live-Aufnahmen, soweit ich sehe! Trotz dieses Vorzugs lässt mich Buchbinder eher kalt.

    Lieber Christian,


    ich habe diese Box - sind die Aufnahmn mit der oben gezeigten identisch?


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    Da werde ich mal reinhören an den Stellen, die Du meinst. Meist prägt sich eine "Zuneigung" in den Jugendzeiten der Erstbegegnung. Da ist das Urteil meist "gnadenlos" - das ist mein Pianist oder er ist es nicht. Bei Buchbinder traf man zuerst auf seinen Haydn. Mir war er damals zu nüchtern und sein Ton zu hart. Von daher stand er auch später nicht im Zentrum "meiner" Pianisten. Im reifen "Alter" kann man das aber überprüfen. :D Ich werde in die Stellen, die Du angibst, mir mal zu Gemüte führen. :) :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • ich habe diese Box - sind die Aufnahmn mit der oben gezeigten identisch?

    Ja, sind sie. Buchbinder hat das Gesamtwerk noch einmal später eingespielt bei der DGG



    Meine erste Buchbinderbegegnung war mit den Diabelli Variationen, die ich immer noch gerne von ihm höre, damals trug er noch eine fürchterliche modische Brille und hatte noch nicht die Abgeklärtheit im Blick.

    Mir geht es bei ihm immer so, dass ich tatsächlich denke, dass er ein "Beethoven-Interpret" ist, aber im Detail mag ich andere Pianisten wie Gilels, Gulda auch Pollini wesentlich mehr.


    Mein nächster Versuch mit Beethoven geht in Richtung Brendel .... Da habe ich das Gefühl, mehr für mich herausholen zu können.


    Zitat


    damals trug er noch eine fürchterliche modische Brille und hatte noch nicht die Abgeklärtheit im Blick.

    Na, da hat mir die Erinnerung doch einen Streich gespielt. So schlimm war die Brille gar nicht :) Die Platte kam 1976 heraus, noch bei Telefunken


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  • Mir war er damals zu nüchtern und sein Ton zu hart. Von daher stand er auch später nicht im Zentrum "meiner" Pianisten.

    Buchbinder hat sich gewiss immens weiterentwickelt, verfügt für mich aber nicht über einen "Ton", der mich begeistern könnte. Er klingt zwar nicht so 'metallisch' wie Korstick, aber es geht doch in diese Richtung. Da hilft auch ein Fazoli nicht, finde ich. Auch Gilels hatte ja eine Pranke und konnte richtig scharf spielen, aber gleichzeitig konnte er ein unvergleichliches 'dolce' realisieren. Das sind dann doch Welten.

  • Buchbinder hat sich gewiss immens weiterentwickelt, verfügt für mich aber nicht über einen "Ton", der mich begeistern könnte. Er klingt zwar nicht so 'metallisch' wie Korstick, aber es geht doch in diese Richtung. Da hilft auch ein Fazoli nicht, finde ich. Auch Gilels hatte ja eine Pranke und konnte richtig scharf spielen, aber gleichzeitig konnte er ein unvergleichliches 'dolce' realisieren. Das sind dann doch Welten.

    Da geht es mir ganz ähnlich. Gilels konnte richtig zulangen und hatte eine riesen Dynamikspanne. Aber immer hat er dabei "Ton". Er war einer der großen Klangästheten - auch Kissin hat das mal in einem Interview gesagt: "Gilels tat alles für einen schönen Klang"! Gilels sagte mal, der Pianist müsse sich den Flügel "unterwerfen". Das Mechanische des Instruments zu überwinden, das ist die ganz große Kunst. Und das konnten bzw. können dann doch nur ganz, ganz Wenige! :hello:


    Einen schönen Sonntag wünschend

    Holger

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  • Da geht es mir ganz ähnlich. Gilels konnte richtig zulangen und hatte eine riesen Dynamikspanne. Aber immer hat er dabei "Ton". Er war einer der großen Klangästheten - auch Kissin hat das mal in einem Interview gesagt: "Gilels tat alles für einen schönen Klang"! Gilels sagte mal, der Pianist müsse sich den Flügel "unterwerfen". Das Mechanische des Instruments zu überwinden, das ist die ganz große Kunst. Und das konnten bzw. können dann doch nur ganz, ganz Wenige! :hello:


    Einen schönen Sonntag wünschend

    Holger

    Lieber Holger,


    ja, in Bezug auf den großen Gilels hast Du selbstverständlich Recht. Das wissen wir alle.
    Aber: Ich erlebte Buchbinder mehrfach live, in den letzten 5 Jahren einmal in München mit Beethovens 5. Klavierkonzert und einmal in Wien mit Griegs Klavierkonzert. Und ich muss sagen, dass genau die Attribute, die Du Gilels zuschriebst, IMO auf Buchbinder passten. Er kann so spielen, wenn er möchte ! Bei der Live-Einspielung der Beethoven-Sonaten in Dresden muss man sich quasi alle Sonaten anhören. Manchmal spielt er mit Ton, manchmal will er es offensichtlich nicht !

    LG Siamak

  • Wie etwas "richtig" gespielt werden soll ist eine Frage das Zeitgeschmacks und der prägenden"Influencer"- äh ich meine natürlich "Musikkritiker"

    Das erinnert mich an eine Erzählung eines Pianisten, mit de, ich in meiner Jugend bekannt war. In Kleinem Kreis berichtete er von einem Klavierabned. Er hatt schrecklich Kopfschmerzen während des Konzerts, und nur EINEN Gedanken. Hoffentlich ist das bald fertig, hoffentlich bringe ich das Konzert noch unfallfrei zu Ende.... Am nächsten Tag schrieb dann Ein Kritiker: Eine Sternstunde des Klavierspiels....(!!!)

    Über Buchbinders "nüchternem" Ansatz und härteren Anschlag wurde schon vor Jahrzehnten geschrieben. - aber er wurde schnell berühmt und konnte diese Berühmtheit bis heute bewahren: Die weiter oben im Thread erwähnte Aufnahme mit allen Klavierwerken von Haydn bekam übrigens 1976 den "Grand Prix du disce" (damals noch eine Referenz) Den Ruf als gesuchter Beethoven Spezialist hat er auch nichtbekommen, weil er "einer von vielen war". Sein "Manko" is vielleicht, daß er sich nicht mit dem "Flair des überirdischen Künstlers" umgeben hat, was andere - meist mit der Unterstützung ihres Labels - virtous praktiziert haben.

    Im Prinzip hört man das, was man hören will. Viel wird hineinprojiziert. und es ist sicher hilfreich, Kritiken über unantastbare Interpretengrößen aus der Vergangen zu lesen. Auch Gilels wurde dereinst ein brutaler Anschlag nachgesagt, Joahom Kaiser indes meinte, Alfred Brendel sei in seiner Jugend ein eher mittelmäßiger Pianist gewesen, der sich dann zu seinem Erstaunen zu einem erstklassigen entwickelt habe....Ich erinnere mich daß man Wilhelm Kempff nach seinem Ableben allmählich als "veraltet" aus den Katlaogen entfernen wollte, daß man Korstick (heute vorsichtig kritisch hier erwähnt)hier im Forum als "ideal" gepriesen hat, übrigens in der Vergangenheit auch

    Artur Schnabel, als den idealsten Beethoven-Interpreten schlechthin. Als ich vor einigen Jahren aus Neugier seine Aufnahmen erwarb musste ich mich erst eingewöhnen. BTW: Zeitgenossen waren mit Beethovens Klaviervortrag auch nicht immer einverstanden - des ungeachtet hatte er einen weitgehend unantastbaren Ruf.


    Seine wir froh, daß wir sie alle hören können - ein Privileg unserer Generation....

    (und eine Überlebensfrage für unser Forum und die Tonträgerindustrie :stumm:)


    mfg aus Wien

    Alfred

    SPARE IN DER NOT - DA HAST DU ZEIT DAZU



  • Das Mechanische des Instruments zu überwinden, das ist die ganz große Kunst.

    Das bringt es gut auf den Punkt! Ich habe in den letzten Jahren begonnen, zunehmend Pianisten aus dem asiatischen Raum zu hören. Technisch und auch musikalisch gibt es da viel zu entdecken, wie zum Beispiel bei dieser grandiosen Aufnahme von Sunwook Kim. Ihm ist es gelungen, eine völlig eigene Sicht dieser Werke vorzulegen - und das ist bei der späten Trias aufgrund ihrer großen Herausforderungen doch sehr selten. Auch klanglich ein Traum!


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    BTW Sunwook Kim setzt sich sehr für das schöne Klavierkonzert von Unsuk Chin ein!

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    Danke, astewes! Die Arietta-Variationen und insbesondere die berühmte, von Thomas Mann im Doktor Faustus beschriebene Stelle, die in einem freistehenden Ton ihren Höhepunkt findet, habe ich tatsächlich noch nie so fantastisch ausgespielt gehört wie hier!

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  • Es gibt nicht viele Live-Aufnahmen, soweit ich sehe! Trotz dieses Vorzugs lässt mich Buchbinder eher kalt.

    Ich habe eben den Anfang gehört den Beginn von op. 109 - die Aufnahme ist aus Dresden auf einem Steinway vom März 2011:


    Buchbinder finde ich dröge und ich habe Mühe, nicht auf die Stop-Taste zu drücken. Sicher gestaltet er sorgfältig, aber es fehlt der große Bogen, er verzettelt sich und die Gegensätze werden nicht herausgespielt.


    Aufregend dagegen Ashkenazy (Decca) von 1980! Sehr geistreich und individuell gestaltet, sehr irdisch, aber spannend mit Sinn für die Kontraste, den quasi-symphonischen Aufbau und also den größeren Zusammenhang.


    Igor Levit ist mir zu pauschal, auch Brendels Digitalaufnahme (Philips) ist natürlich gut, aber mir zu deutsch-gerade. Barenboim (die letzte Aufnahme mit dem Maene-Flügel) ist wirklich sehr schön und auch sehr profiliert eigen gestaltet, nur geht bei ihm dann auch etwas die Spannung verloren.


    Pollini - die alte Aufnahme. Da denkt man: Unfassbar! Wie ist so ein Niveau möglich? Olympisch. Und ganz oben auf dem Olymp natürlich Gilels - die Aufnahme kenne ich in- und auswendig. Diese seine letzte Aufnahme ist ein Vermächtnis.


    Die Ausschnitte mit Kim gefallen mir - aber sind natürlich zu wenig, um das zu beurteilen. Jedenfalls sehr klangschön gespielt ist das. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • An dieser Stelle sei allen derzeit noch lebenden und mitlesenden Pianisten gesagt, daß -pauschal gesagt - alle ihre Interpretationen, jene der überragen die vor einigen zig Jahren noch als das Maß aller dinge galten. Und das sowohl in Bezug auf ausgefeilte Interpretation, asl auch auf Technik. Man denke an die legendären Verspieler von Edwin Fischer (zum "Markenzeichen" hochstiisiert) oder an falsche Töne in der Aufnahme von Artur Schnabel. Beides sicher tolerierbar - und wurde auch toleriert. Fraglich ist lediglich ob das bei HEUTIGEN Pianisten toleriert wird. Interessant wäre auch, wie die strengen "Tamino-Rezensenten" die alten Schnabel- Aufnahmen generell einstufen (abgesehen von dem einen oder anderen falschen Ton oder dem Grundrauschen der Schallplatte und dem etwas beschnittenen Frequenzbereich...) ??

    Seinem Beethoven spiel wurde dereinst nachgesagt, es sei "unverfälscht" - ohne "Unarten";)

    die man anderen Pianisten anlastete......


    mfg aus Wien

    Alfred

    SPARE IN DER NOT - DA HAST DU ZEIT DAZU



  • Die CD von Sunwook Kim habe ich mir besorgt, hoffnungsvoller Nachwuchs ist ja nicht die Regel gerade bei den späten Sonaten Beethovens.


    Üblicher Maßstab sind bei mir Pollini, Goode, Gulda (1967), Kempff und ABM (1961).


    Verglichen wurde dabei die Arietta, deshalb ist Gilels nicht dabei.


    Welche Art von Interpretation ist und bleibt mir fremd und würde ein "ungenügend" erhalten:


    der Versuch, hier in gänzlich übertriebene philosophische und vergeistigende Sphären einzutauchen.



    Das mach Kim aber in aller Ausführlichkeit, da wird schon am Anfang fast jeder einzelne Ton für sich hingestellt und betrachtet.



    Dieses Werk lebt aber mMn von Energie und Zielstrebigkeit in seiner Aussage.


    Deshalb meine Referenz bezüglich der Arietta:


    ABM (1990) in London

  • Hallo in die Runde,

    auch wenn ich hier nur die letzten Beiträge gelesen habe, drängt es mich doch, mich dazu zu äußern - als Bonner aus der Geburtsstadt Beethovens sozusagen, wo Beethoven eine große Rolle wie beim gerade stattfindenden Beethovenfest spielt. Das Beethoven-Orchester Bonn hat sich darüber hinaus in den letzten Jahren zu einem bemerkenswert guten Orchester entwickelt.

    Zurück zu Beethovens Sonaten, bei deren Interpretation ich bislang vor allem Korstick schätze, auch wenn seine Interpretationen - u.a. in den langsamen Sätzen oft sehr langsame Tempi - da und dort zum Widerspruch reizen. Gerade durch die Vielfalt an Interpretationen gibt es aber immer wieder interessante Hörerlebnisse. Über ein interessantes Erlebnis möchte ich aber hier berichten, bei dem ich Rudolf Buchbinder sehr persönlich erleben durfte. Noch wichtiger: Der Anlass war seine Wahl, einem sehr jungen Pianisten den "Prix Serdang" zuzusprechen, mit dem vielversprechende Nachwuchskünstler ausgezeichnet werden. 2025 war das Colin Pütz, der trotz seiner gerade erst 18 Jahre Beethoven - woe auch andere Komponisten - immer sehr eigenständig und ungemein durchdacht interpretiert. Das Preisträgerkonzert war für einen solch jungen Künstler herausfordernd: Reden zum Prix Serdang, eine Laudatio auf den jungen Künstler von Rudolf Buchbinder, die Dankesrede des jungen Künstlers ... und dann gleich an den Flügel und unmittelbar unter den Augen des kaum drei Meter entfernt sitzenden Rudolf Buchbinder ein herausforderndes Beethoven-Konzert: erst die anspruchsvollen Eroica-Variationen und anschließend die Appassionata.

    Der junge Pianist wurde der Laudatio voll gerecht und spielte einen aus meiner Sicht brillanten Beethoven - zu hören und sehen hier:

    Colin Pütz zeigt: Auch heute kann man einen interessanten Beethoven spielen, der neben dem Übermaß an herausragenden, auf CD oder Schallplatte konservierten Interpretationen sehr gut bestehen kann und die Hoffnung nährt, dass auch junge Künstler künftig für aufregende Live-Erlebnisse sorgen können.