Gänsehautstellen

  • Da ich, wie ich beim Rückblick über die letzten Einträge in diesem Thread feststelle, wohl wieder einmal derjenige war, der mit einer kritischen Fragestellung den "Seelenfrieden" hier gestört hat - wie man der Bemerkung von Rheingold 1876 entnehmen kann -, habe ich mir die von Oolong hier angezeigte CD mit Wiegenliedern einmal etwas genauer angehört. Man soll es sich ja nicht so einfach machen und sein eigenes, vielleicht vorschnelles Urteil selbstkritisch überprüfen. (Auch schon wieder die falsche Haltung?)


    Und siehe: Da ist alles in der dem jeweiligen Lied völlig angemessenen Weise perfekt musiziert und spricht einen ganz unmittelbar an. Bei "Die Blümelein, sie schlafen", von Angelika Kirchschlager gesungen, war ich regelrecht hingerissen. Und völlig verblüfft war ich, dass mir sogar die "Mondnacht" von Schumann entgegenkam, - ebenfalls völlig unverkitschte Wiedergabe des Notentextes.


    Zweiterbass meint: "Meinungen dürfen aber schon noch ausgetauscht werden, oder?"


    Meine ich auch. Wozu wären wir sonst hier in diesem Forum? Immerhin bewirkt ein solcher "Meinungsaustausch" - wie in meinem Falle - , dass man auf etwas stößt, was man bislang gar nicht kannte. Und recht angetan ist davon!


    Im übrigen, denke ich, ist eine unserer zentralen Fragestellungen hier die nach der jeweils adäquaten Interpretation von musikalischen Werken, - welcher Art auch immer.

  • Sekundenlange Stille - Franz Schubert, Takt 250, die Generalpause im zweiten Satz der 9.Sinfonie "Die Große" D. 944 zwischen dem Orchestertutti im dreifachen fff und dem pp Pizzicato der Streicher.
    Eine meiner Gänsehautstellen in der Musik, denen ich begegnet bin.
    .

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Meinungen dürfen aber schon noch ausgetauscht werden, oder?


    Schrieb ich etwas anderes? Wohl kaum. Ich liebe diese Lieder auch sehr, meine Sammlung ist voll davon. Ich unterbreitete lediglich einen Vorschlag, den ich großzügig auch Meinung hätte nennen können. Mehr nicht. Schon gar nicht erhebe ich mich, Meinungen anderer zu ignorieren. Der oft rüde Umgangston im Forum, der nach meinem Eindruck meist drauf zurückzuführen ist, dass die Beiträge nicht genau gelesen werden, mahnt mich ohnehin zur Vorsicht. Und ich befleißige mich, das, was ich äußere, immer noch zusätzlich als eigene Meinung zu kennzeichnen, obwohl ich ja nichts als meine Meinung von mir gebe, wenn ich einen Beitrag leiste.


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zit.: "Schrieb ich etwas anderes? Wohl kaum. "


    Doch, lieber Rheingold1876, das tatest Du sehr wohl. Du hast nämlich denjenigen, die sich mit der - dem Diskurs in diesem Forum durchaus angemessenen - Frage der Adäquatheit musikalischer Interpretation auseinandersetzen wollten, vorgeworfen, gedanklich mit unangebrachten Kategorien zu operieren. Wie anders soll man dieses "Immer gleich dieser kulturelle Überbau" sonst verstehen?

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  • (Pardon! Ein versehentliches Duplikat)
    Aber ich nutze die Gelegenheit, einzugestehen, dass ein Thread mit dem Titel "Gänsehautstellen" nicht der Ort für heftige diskursive Auseinandersetzungen oder gar Streitereien ist.

  • Du hast nämlich denjenigen, die sich mit der - dem Diskurs in diesem Forum durchaus angemessenen - Frage der Adäquatheit musikalischer Interpretation auseinandersetzen wollten, vorgeworfen, gedanklich mit unangebrachten Kategorien zu operieren.


    Sollte ich jetzt eine Strafarbeit vorlegen, lieber Meister?


    Würde es reichen, wenn ich 100 mal folgenden Satz schreibe?


    "Ich darf nicht denjenigen, die sich mit der - dem Diskurs in diesem Forum durchaus angemessenen - Frage der Adäquatheit musikalischer Interpretetion auseinandersetzen wollten, vorwerfen, gedanklich mit unangebrachten Kategorien zu operieren."


    ^^


    Schüler Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Solltest Du Dich von mir "geschulmeistert" fühlen, dann tut mir das leid, lieber Rheingold1876.


    Diese Unterscheidung zwischen "Meister" und "Schüler", die Du da vornimmst, bedrückt mich, denn eine solche Denkweise ist mir völlig fremd. Ich kann nichts dafür, dass dieses Wort unter meinem Namen steht, es hat sich mit der Zahl meiner Beiträge ganz automatisch an micht gehängt. Wenn ich mich hier im Forum als überhaupt etwas fühle, dann als Dilettant.

  • :):):)


    Lieber Helmut, so war es nun auch nicht gemeint. Ich danke Dir sehr für Deine freundliche Antwort.


    Herzlichst Rüdiger

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Du bringst mich in Verlegenheit, lieber Stefan.


    Wenn das alles sein sollte, was ich zu Deinem Thread beitragen konnte, dann ist das ja nun doch ein bisschen wenig. Erst Querulant und dann ein ganz einfach nur um Versöhnung Bemühter. Wirklich zu wenig für einen Thread, in dem es um Musik geht, die so schön ist, dass sie Gänsehaut verursacht.


    Mein Problem nun aber: Ich habe noch niemals „Gänsehaut“ beim Musikhören gekriegt. Ich schäme mich fast, dieses einzugestehen.


    Ich fürchte also, ich bewege mich in diesem Thread auf einem Terrain, auf das ich nicht gehöre. Wenn ich in dem Thread, in dem ich zur Zeit zugange bin, dem über die Lieder Franz Liszts nämlich, bekennen würde, dass es mir ziemlich gleichgültig ist, wer da gerade singt,- Hauptsache ich höre den Notentext umgesetzt, den ich gerade vor mit habe, …. so mancher Verehrer und Liebhaber der hohen Sangeskunst und ihrer Protagonisten würde sich an den Kopf greifen.


    Aber ich kenne natürlich auch dieses wunderschöne Gefühl, von Musik tief im Innern angerührt zu werden. Und ich glaube: Darum geht es ja hier. Deshalb möchte ich einfach mal ein Musikstück nennen, bei dem genau dieses immer wieder eintritt, wenn ich es höre.


    Es ist der vierte Satz von Gustav Mahlers „Zweiter Symphonie“. Genauer: Es ist eine einzige Stelle daraus. Hier hat Mahler ja diesen Text aus „Des Knaben Wunderhorn“ sinfonisch aufgegriffen, den er auch als Klavierlied vertonte: „Urlicht“ ( „Der Mensch liegt in größter Not“). Und da ist es nun eine Stelle, die mich tatsächlich tief ergreift, wann immer ich sie höre. Die geht so:


    O Röschen rot.
    Der Mensch liegt in größter Not!
    Der Mensch liegt größter Pein!
    Je lieber möchte ich im Himmel sein…


    Die Verse zwei und drei werden musikalisch wie eine Introduktion artikuliert. Wie zögerlich setzt die melodische Linie ein, beim dritten Vers in identischer Form, nur harmonisch verschoben.


    Dann aber, mit dem „Je lieber…“, entfaltet sich eine himmelstürmende Kantilene, die wahrlich hinreißend ist. Die Worte „im Himmel sein“ kann man nicht schöner in Musik setzen.


    Finde ich. Jetzt mal ganz unreflektiert. Hingerissen, - aber (leider) ganz und gar ohne „Gänsehaut“.

  • Zitat

    Mein Problem nun aber: Ich habe noch niemals „Gänsehaut“ beim Musikhören gekriegt. Ich schäme mich fast, dieses einzugestehen.


    Hallo Helmut,


    du hörst nur Klassik?


    Gehz mir in dieser Sparte fast genau so. Aber im Rock/Pop geht es mit den Emotionen nur so ab...


    Ich verlange das von diesen "Primitivsparten"!!!

  • Nein, lieber Thomas, ich höre nicht nur Klassik. Ich bin, was Musik anbelangt, alles andere als ein Purist und kenne einige Popgrößen sehr wohl. Im Augenblick interessiert mich zum Beispiel die neue CD mit postumer Musik von Amy Winehouse, über die ich gerade eine Besprechung in der FAZ gelesen habe. "Interessieren" heißt freilich nicht, dass ich mich gründlich damit beschäftige oder mir Pop-CDs kaufe. Aber ich bin schon mal tatsächlich mit dem Auto an den Straßenrand gefahren und habe angehalten, weil mich der Song "Me and Bobby McGee" von Janis Joplin buchstäblich in Bann geschlagen hat, als ich ihn zum ersten Mal hörte.


    Was ich meinte, mit dem Bekenntnis, dass ich keine "Gänsehaut" beim Hören von klassischer Musik kriege, ist dieses: Das Hören ist bei mir selbstverständlich mit Emotionen verbunden, vor allem wenn es im Konzertsaal stattfindet. Das kann bis zum Hingerissen-Sein gehen. Aber ich bin selbst dann nie "ganz weg", und das emotionale Angesprochensein geht nie so weit, dass es auf die "Physis" durchschlüge, also "Gänsehaut" sich einstellte. Ein gewisses Maß an "bewusstem Hören", rationaler Distanz also, bleibt allemal erhalten.


    Aber - und das hier zu betonen ist mir wichtig -: Ich würde daraus niemals eine Tugend machen. Vielleicht ist es ja vielleicht sogar eine Art Defizit, und der Mensch, der zu "Gänsehaut-Hören" fähig ist, kommt der klassischen Musik näher, als ich das kann.

  • Vielleicht ist es ja vielleicht sogar eine Art Defizit, und der Mensch, der zu "Gänsehaut-Hören" fähig ist, kommt der klassischen Musik näher, als ich das kann.


    Lieber, verehrter Helmut
    Mit großem Interesse und auch ein wenig Schmunzeln (ist aber nett und positiv gemeint), habe ich Deine Beiträge, besser, Deine Sorge über das "sich nicht Einstellen der Gänsehaut" gelesen. Ich glaube, Du machst Dir da zu viele unnötige und unbegründete Gedanken und Du hast diesbezüglich garantiert kein Defizit. Vor allem solltest Du diese Gänsehaut nicht zu sehr wörtlich auf den Körper bezogen sehen. Ob man immer tatsächlich diese Gänsehaut erlebt, ist auch nicht primär. Manchmal kriegt man sie und manchmal nicht. Gemeint ist vor allem das psychische, seelische, emotionale Empfinden und dieses löst evtl. den körperlichen Reflex der Gänsehaut aus oder auch nicht. Du schreibst doch in Deinem Beitrag selbst, wie sehr Dich bestimmte Stücke oder Stellen in der Musik berühren. Ich zitiere Dich:

    Aber ich kenne natürlich auch dieses wunderschöne Gefühl, von Musik tief im Innern angerührt zu werden. Und ich glaube: Darum geht es ja hier. Deshalb möchte ich einfach mal ein Musikstück nennen, bei dem genau dieses immer wieder eintritt, wenn ich es höre.

    Siehst Du, das ist es doch. Darum und nur darum geht es, nämlich, daß einen irgendetwas ganz stark emotional ergreift. Vielleicht sollte man es auch "seelische Gänsehaut" nennen.
    Ich selbst kenne und erlebe so einige Musikstücke und Stellen in der klassischen Musik. Könnte Dir da etliche Beispiele nennen. Manchmal bedarf es aber gar keiner Musik. Da ist es nur ein herrlicher, unbeschreiblicher Moment. Gewiß kennst Du die "Tosca". Im Juni 1994 durfte ich diese Oper in Wien erleben. Ich nehme an, Du kennst die Handlung der Oper. Die ersten Takte, Angelotti singt seinen kurzen Part und geht von der Bühne ab. Aus dem Bühnenhintergrund kommt Cavaradossi und zwar Luciano Pavarotti. Er kommt, zeigt sich, hat noch keinen einzigen Ton gesungen und ein unbeschreiblicher Beifall im Publikum braust auf. Weißt Du, lieber Helmut, was das für ein Gefühl war, das zu erleben, live dabei zu sein? Das war Gänsehaut pur!!!
    Solche Empfindungen gibt es aber zum Glück nicht nur in der Klassischen Musik. Deshalb finde ich die Bemerkung von Thomas Sternberg richtig toll und passend:

    Aber im Rock/Pop geht es mit den Emotionen nur so ab...

    Als ich 1998 mit ca. 50.000 - 60.000 Fans im alten Gelsenkirchener Stadion zum Live- Konzert einer bekannten englischen Rockband war (jetzt werden vielleicht wieder einige unserer Mitglieder verständnislos den Kopf schütteln) und der erste Musiker auf der Bühne erschien und den Riff eines weltbekannten Hits anspielte... dann kommen die anderen, dazu eine gigantische Lichtshow und Lautstärke...Das löste Begeisterung, totale Emotion und mit Sicherheit auch körperliche Schauer und Gänsehaut aus.
    Lieber Helmut, vielleicht hat Dir meine Antwort ein wenig geholfen, daß Du merkst, Du hast kein Defizit. Ich sehe das jedenfalls so.


    Herzliche Grüße und Dir einen schönen Abend und einen besinnlichen 2. Advent
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Werter Helmut,


    vielleicht etwas zu Amy: Das Album Back to Black ist ein Traum, hat Potential ein Klassiker des Pop zu werden. Leg dir besser dieses zu.


    Vielleicht beschreibst du ja etwas, das auch im Wesen der klassischen Musik liegt. Die Ideale, die dort behandelt werden, der Bezug zur Welt, die Gesellschaft, Glaube, Relligion, Lebensumstände, zu all diesen Dingen haben wir heute keinen Bezug mehr. Es war wie das Leben auf einem anderen Planeten.


    Jetzt kommt was provokantes: Die Hörer, die mit den heutigen Maßstäben den Inhalt dieser Musik interpretieren, können nur daneben liegen. Man "verbiegt" die Musik.


    Vielleicht erkennst du das auch und baust dann eine emotionale Distanz auf. Der Kopf spielt in den Bauch. Darüber musst du dir aber nun wirklich keine Gedanken machen. Man ist so wie man ist (ißt) :D


    P.S. du schreibst sehr persönlich, dabei zurückhaltend. Sehr sympathisch, kann aber in einem "ruppigen" Forum der Gefahr unterliegen, "zerpflückt" zu werden. Sollte ich mal eine These von Dir kritisieren, bitte, bitte, nicht persönlich nehmen!


    Die herzlichsten Grüße Thomas

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  • Zit: "....kann aber in einem "ruppigen" Forum der Gefahr unterliegen, "zerpflückt" zu werden."


    Das ist mir, lieber Thomas, durchaus schon widerfahren. Ich meine aber, dass in bestimmten Fällen das, was Du "persönliches Schreiben" nennst, wichtig für den Diskurs ist, der ja zentraler Inhalt dieses Forums sein sollte, - so wie ich das sehe. Ich möchte eigentlich wissen, wie der andere über eine Sache wirklich ganz persönlich denkt, die hier zur Diskussion steht. Wenn ich nur eine Partitur beschreibe, liefere ich keine hinreichende Grundlage für eine dialogische Auseinandersetzungen über ein Werk. Dafür muss man halt riskieren, einmal "zerpflückt" zu werden.

  • Über diesen Satz bin ich erst eben, beim zweiten Lesen Deines Beitrages gestolpert, lieber Thomas:


    "Jetzt kommt was provokantes: Die Hörer, die mit den heutigen Maßstäben den Inhalt dieser Musik interpretieren, können nur daneben liegen. Man "verbiegt" die Musik. "


    Diese Aussage ist aus meiner Sicht diskussionswürdig. Was heißt "verbiegen" in diesem Zusammenhang? Jede Rezeption von musikalischer Kunst - ja Kunst überhaupt - erfolgt aus der subjektiven Situation des Rezipienten, wobei mit "Situation" sowohl die Zeit gemeint ist, in der er lebt, als auch seine ganz persönlichen Rezeptionbedingungen.


    Das erfolgt aber kein "Verbiegen" des ursprünglichen Werkes, sondern es entsteht sozusagen etwas Neues, in das von der einen Seite das Kunstwerk, und von der anderen Seite der Rezipient mit all seinen subjektiven Gegebenheiten eingeht. Das ist schon immer so, solange Kunstwerke von Menschen angesehen, angehört oder wie auch immer rezipiert wurden.


    Selbstverständnlich kann ich Liszts "Années de pèlerinage" auch heute noch verstehen, obwohl die Lebensumstände, in denen Liszt sie komponiert hat, heute völlig andere sind und ich die Art, wie dieser Komponist damals gefühlt und gedacht hat, nicht mehr nachvollziehen kann. Es entsteht beim Hören dieses Klavierwerks tatsächlich etwas Neues! Und nichts wird dabei "verbogen", weil ohnehin das "Urwerk" in seinem Ansichsein prinzipiell unzugänglich ist, - vom Augenblick seines In-die Welt-Tretens.

  • du hörst nur Klassik?


    Gehz mir in dieser Sparte fast genau so. Aber im Rock/Pop geht es mit den Emotionen nur so ab...


    Ich höre (fast nur) "Klassik", weil ich diese Musik sehr viel mitreißender und emotionaler finde als fast alle andere Musik.
    Was nicht bedeutet, dass mich (selten) auch ein Rock/Pop-Stück ergreifen kann. Aber das hat oft mehr mit Situationen, Erinnerungen usw. zu tun als mit der Musik selbst...
    Es gibt natürlich Klänge, die irgendwie direkt ins Rückenmark gehen. Mein Musterbeispiel ist hier weder Rock noch Klassik, sondern zB Dudelsack oder auch manche Marschmusik, die man vielleicht wegen der Primitivität oder militärischer Konnotationen eigentlich ablehnt.


    Aber das meine ich nicht mit Gänsehautstellen. Die vielleicht oben schon genannte Stelle aus dem Lied v.d. Erde ("wie eine Silberbarke schwebt der Mond...") verwendet weder dröhnenden Bordun noch packende Rhythmen.


    Natürlich ist das individuell verschieden. Viele berühmte Opernpassagen, die vielen als besonders emotional gelten, finde ich eher kitschig, oder überhaupt nicht besonders bemerkenswert. "Nessun dorma", offenbar stadiontauglich, sagt mir zB eher wenig. Dagegen finde ich die Atmosphäre der ersten Szenen von Turandot, obwohl man die Exotismen vermutlich auch entsprechend kritisieren könnte, außerordentlich faszinierend.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Vielleicht beschreibst du ja etwas, das auch im Wesen der klassischen Musik liegt. Die Ideale, die dort behandelt werden, der Bezug zur Welt, die Gesellschaft, Glaube, Relligion, Lebensumstände, zu all diesen Dingen haben wir heute keinen Bezug mehr. Es war wie das Leben auf einem anderen Planeten.


    Wie kommst Du denn darauf?
    Viele hundert Millionen Menschen hängen zB derselben Religion an wie JS Bach. Die "Ideale" der franz. Revolution, die Beethoven inspirierten, stehen heute mehr oder minder in der Erklärung der Menschenrechte und den Grundrechten des GG und anderer Verfassungen. Menschen sind nach wie vor glücklich oder unglücklich verliebt, einsam oder gesellig usw. Die Wirkung der Kunst ist doch nicht davon abhängig, ob man im Auto oder hoch zu Ross unterwegs ist oder ob man Shampoo verwendet... ;)


    Allein weil Musik ziemlich "abstrakt" ist, hängt sie nicht so eng an Lebensumständen. Abgesehen davon werden z.B. fast alle Stücke Shakespeares nach wie vor häufig gespielt. Sprechtheaterstücke, die im Prinzip viel eher an seinerzeitigen Lebensumständen hängen müsste, die zudem etwa 200 Jahre vor zB Beethoven entstanden sind. Ich vermute mal, dass keiner von uns je in der Situation gewesen ist, seinen Vater gegenüber einem Stiefvater und einer verräterischen Mutter zu rächen (ebensowenig entsprach das typischen Alltagssituationen von Shakespeares Publikum) :D Ebensowenig in typischen Situationen der Helden von Hollywoodthrillern oder Tatorts. Dennoch bereitet uns das alles offensichtlich großes ästhetisches Vergnügen.
    Für unsere Großväter war es beinahe "normal" in einem Krieg gekämpft zu haben. Normal, weil es für ihre Väter und Großväter meistens ebenso gewesen war. Verstehen wir deshalb Kunst aus der ersten Hälfte des 20. Jhds. nicht mehr, weil fast allen von uns diese Erfahrung glücklicherweise erspart geblieben ist?
    So einfach kann das mit dem Veralten wohl dann doch nicht sein.

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    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes, Helmut,


    schön, das ihr auf meine Denkanstöße eingeht.


    Ich hinterfrage den Einfluss der äußeren Lebensumstände auf das Gefühlsleben der Menschen. Und ob wir es uns heute nicht zu einfach machen, indem wir die Musik quasi für uns adaptieren, und vor allen Dingen, aus der heutigen Sicht erklären wollen!


    Viele Grüße Thomas

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  • Zitat: "Viele hundert Millionen Menschen hängen zB derselben Religion an wie JS Bach. Die "Ideale" der franz. Revolution, die Beethoven inspirierten, stehen heute mehr oder minder in der Erklärung der Menschenrechte und den Grundrechten des GG und anderer Verfassungen."


    Diesbezüglich machst Du es Dir ein wenig zu einfach, lieber Johannes Roehl. Zwar bin ich, wie ich oben dargestellt habe, anderer Meinung als Thomas, was die Rezeption von musikalischen Kunstwerken anbelangt. Aber Bach hat religiös anders empfunden als einer, der heutzutage seinem Glauben angehört. Und die "Ideale" der französischen Revolution kann ich selbst als Historiker, der sich damit intensiv befasst hat, nicht mehr kognitiv und emotional so nachvollziehen, wie das etwa Robespierre tat. Zur Zeit beschäftige ich mich mit Franz Liszt. Ich habe große Mühe, ihn in seinem Denken und Fühlen zu verstehen.


    Von daher ist ein Rezeptionsprozess in seiner Werkadäquatheit nicht hinreichend zu begründen!



    Nein, es ist schon so, wie ich oben sagte: Im Prozess der Rezeption von musikalischer Kunst entsteht ein jeweils genuin Neues. Und es ist immer wieder neu, je nach zeitlicher Situation und Rezipient in seinen subjektiven Konditionen. Aber es ist immer eine Begegnung mit der künstlerischen Botschaft des Werkes, die in die gegenwärtige Zeit hineinzuwirken vermag, - wenn man sich ihr denn öffnet.

  • Zitat

    Nein, es ist schon so, wie ich oben sagte: Im Prozess der Rezeption von musikalischer Kunst entsteht ein jeweils genuin Neues. Und es ist immer wieder neu, je nach zeitlicher Situation und Rezipient in seinen subjektiven Konditionen.


    Werter Helmut,


    völlig einer Meinung.


    Grüße Thomas

  • Aber Bach hat religiös anders empfunden als einer, der heutzutage seinem Glauben angehört.


    Lieber Helmut,


    zuerst einmal, ich bin froh über jede Diskussion die nicht in Wortklauberei abdriftet, sondern die in gegenseitiger Achtung und mit geteilter Freude an der Sache geführt wird - daher passt auch der Dank! :yes:


    Zweitens: " Gänsehaut" verstehe ich natürlich AUCH als Synonym für Momente in der Musik, bei denen für mich einfach alles stimmt und ich, manchmal für Sekundenbruchteile mit der Musik eins werde, das geschieht bei mir wortwörtlich manchmal mit Gänsehaut, manchmal mit einer Träne und manchmal hebt mich Musik körperlich spürbar an ( ich meine gute Musik, schlechte kann das aber auch... :D ) Und ich glaube, die Symptome mögen sich unterscheiden, diese besondere Kraft der Musik kann dennoch jeder spüren, auf seine ganz eigene Weise.


    Doch nochmal zu dem ausgewählten Zitat: Ihr habt natürlich recht, wir glauben niemals wie Bach, denken nicht wie Robespierre und können uns auch nicht komplett in die Gedankenwelt von Franz Liszt eindenken - als Beispiele.


    Und doch, versuche ich als theologisch nicht gänzlich unbewanderter Hörer mich bewußt über das Medium Musik in den Glauben Bachs einzufühlen, will sagen, mich interessiert gar keine zeitgemäße Übertragung der Inhalte eines Kantatentextes, sondern ich versuche zu erspüren, wie ein Glaube sein muss, der Sätze wie: " Komm, oh Tod, Du Schlafes Bruder" oder " Lieber Gott, wenn werd ich sterben"spricht. Und ich kann sagen, dieses Nachspüren bereichert mich und rückt mich näher an Bach heran,an dessen lebensfrohen, widerständigen, aber auch stets mit getroster Gewissheit über das Grab hinausschauenden, gottergebenen Glauben. Und über das Bereichern hinaus, empfinde ich oft einen tiefen Trost, den ich sonst in unserer hoch abgesicherten und doch stets furchtsam zitternden modernen Welt vermisse...


    Tja so gehts es mir - ganz unwissenschaftlich - mit der Rezeption... :)


    Herzliche Grüße


    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Lieber Stefan, wenn Du sagst: "... Und ich kann sagen, dieses Nachspüren bereichert mich und rückt mich näher an Bach heran"


    ...dann sind wir ja vollkommen beisammen. Natürlich ist es möglich, sich in die Glaubenswelt, wie sie in Bachs Matthäus-Passion zum Beispiel sich musikalisch artikuliert, einzufühlen, ihr "nachzuspüren", wie Du sagst. Man kann zu dem speziell kompositorischen Aspekt dieses Werkes einen weiteren Zugang finden, wenn man um die mittelalterlichen und frühbarocken Einflüsse weiß, die sich darin finden.


    Das ist ja genau der Prozess der Verschmelzung verschiedener Sinn- und Verstehenshorizonte, der sich bei jeder Rezeption ereignet. Indem Du dich in Bachs Passion einfühlst, bringst Du aber Deine ganz persönliche Art des Fühlens, Denkens und Empfindens bei Hören in das Werk selbst ein. Du empfindest nicht wie Bach, als er etwa das Rezitativ "Der Heiland fällt vor seinem Vater nieder" komponiert hat. Was Du leisten kannst, ist den theologischen Hintergrund dessen, was hier gesungen wird, zu verstehen und all das, was die Musik selbst an dieser Stelle aussagt, mitfühlend und verstehend in Dich aufzunehmen.


    Was aber nur schwer möglich ist, das ist die stark pietistisch geprägte, auf der Grundlage einer personalen Begegnung mit Jesus sich musikalisch entfaltende Frömmigkeit im Vorgang der Rezeption wirklich wieder aufleben zu lassen. Ich will nicht sagen, dass dies völlig unmöglich ist. Ich erinnere mich gut, wie sehr mich in meiner Kindheit zum Beispiel der dritte Choral mit seiner Anrede "Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen" tief angerührt hat. Aber dieses Angerührt-Werden war eben mein ganz eigenes. Ein sozusagen von Bachs Musik evoziertes, in meiner gegenwärtigen Welt auf seine ganz eigene Weise sich ereignendes.

  • Lieber Helmut!


    genauso wie von Dir beschrieben, sehe ich das- wir sind d'accord! :)


    Gruß


    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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  • Zitat: "Viele hundert Millionen Menschen hängen zB derselben Religion an wie JS Bach. Die "Ideale" der franz. Revolution, die Beethoven inspirierten, stehen heute mehr oder minder in der Erklärung der Menschenrechte und den Grundrechten des GG und anderer Verfassungen."
    Diesbezüglich machst Du es Dir ein wenig zu einfach, lieber Johannes Roehl. Zwar bin ich, wie ich oben dargestellt habe, anderer Meinung als Thomas, was die Rezeption von musikalischen Kunstwerken anbelangt. Aber Bach hat religiös anders empfunden als einer, der heutzutage seinem Glauben angehört. Und die "Ideale" der französischen Revolution kann ich selbst als Historiker, der sich damit intensiv befasst hat, nicht mehr kognitiv und emotional so nachvollziehen, wie das etwa Robespierre tat. Zur Zeit beschäftige ich mich mit Franz Liszt. Ich habe große Mühe, ihn in seinem Denken und Fühlen zu verstehen.


    Natürlich war das mit Absicht ein wenig überspitzt.(Allerdings betont zB Suzuki in einem Beitext zu einer Kantaten-CD, dass er persönlich es für relevant hält, dass er Bachs Glauben teilt. Ich will darüber nicht urteilen.) Es geht mir auch keineswegs um persönliche Empfindungen (die sind per def. persönlich). Aber soweit ich mich erinnere ist das Glaubensbekenntnis nach wie vor dasselbe, ebenso die Grundzüge der Liturgie usw. Und kognitiv kann ich, bei entsprechendem Studium auch geänderte Lehrinhalte usw. nachvollziehen. Die größte Änderung betrifft weniger den Glauben oder Glaubensinhalte selbst, sondern den selbstverständlichen Stellenwert der Religion in Leben und Gesellschaft.


    Ich halte es jedenfalls für eine Überspitzung in die anderen Richtung, eine Art radikale Fremdheit bzgl. der Kunst der Vergangenheit zu behaupten bzw. in der Folge dann, dass wir heute beinahe beliebiges "hineinlesen" oder hören und somit mit anderen Ohren eine völlig andere Musik hören als damals. Es ist wohl sicher keine Einbildung, dass Beethovens oder Schuberts Musik vielen von uns spontan näher ist als Schützens und Schützens näher als Dufays. Es mögen alle Epochen gleich nahe zu Gott sein, aber nicht gleich nahe zum modernen Rezipienten.
    Natürlich ist die naive Idee, unmittelbar mit einem Komponisten oder einer vergangenen Zeit in Kontakt zu treten, abzulehnen. Und es gibt sicher einige sehr tiefgreifende Schnitte in der historischen Entwicklung, aber eben auch viele Kontinuitäten. Und selbst solche Schnitte bedeuten nicht, dass wertvolle "zeitlose" Aspekte überdauern. Sonst wäre schwer zu erklären, warum zumindest einige Kunstwerke wie Romane oder Schauspiele, die viel stärker an teils zeitabhängige Gepflogenheiten, Moralvorstellungen usw. gekoppelt sind wie "abstrakte" Musikstücke, nach wie vor mit ästhetischem Genuss rezipiert werde.
    Bis vor weniger als hundert Jahren war in Westeuropa über mehrere Jahrhunderte weitgehend anerkannt, dass das wesentliche Gewicht der Ausbildung des Nachwuchses für intellektuell anspruchsvolle Aufgaben jeglicher Art auf die Beschäftigung mit Schriften, die knapp 2000 bis 2400 Jahre alt waren, zu legen sei. Und nicht, weil man in eine fremde Welt eintauchen wollte, sondern weil man anscheinend meinte, dass man nirgends so gut sprachliche und stilistische Ausdruckskraft und Brillanz, logischen und rhetorisch überzeugenden Aufbau von Argumenten oder längeren Texten usw. lernen könnte.



    Zitat

    Aber es ist immer eine Begegnung mit der künstlerischen Botschaft des Werkes, die in die gegenwärtige Zeit hineinzuwirken vermag, - wenn man sich ihr denn öffnet.


    Und es ist eben immer noch dasselbe Werk bzw. gibt es einen Kern, der allen Aufführungen gemeinsam ist und damit gemeinsames "Material" für jeden Rezipienten. Es mag ja naiv von mir sein, aber sofern uns zeitgenössische Berichte über die Wirkung bestimmter Musik vorliegen, sind diese oft durchaus nachvollziehbar. Manchmal freilich auch eher befremdlich.

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  • Zitat Johannes Roehl: Ich halte es jedenfalls für eine Überspitzung in die anderen Richtung, eine Art radikale Fremdheit bzgl. der Kunst der Vergangenheit zu behaupten bzw. in der Folge dann, dass wir heute beinahe beliebiges "hineinlesen" oder hören und somit mit anderen Ohren eine völlig andere Musik hören als damals.


    Falls Du, lieber Johannes Roehl, diese Position aus dem herausgelesen haben solltest, was ich her zu diesem Thema ausführte, so wäre dies ein Missverständnis, bzw. ich hätte mich unpräzise ausgedrückt. Natürlich gibt es zunächst einmal das musikalische Werk in seinem "Ansichein", die musikalischen Partitur also und die ihr inhärente kompositorische Aussage. Auf dieses "Ansichsein" richtet sich der Rezeptionsprozess, und das heißt: Es gibt keine irgendwie geartete "Beliebigkeit" der Interpretation. Es gibt lediglich einen gewissen Spielraum, der in der Polyvalenz jedes musikalischen Kunstwerkes gründet. Ich kann die Matthäus-Passion mit unterschiedlichen Gefühlregungen hören, mich ganz mit der musikalischen Aussage des Werkes identifizieren oder sie aus der Distanz eines Musikologen hören, der die kompositorische handhabung des Zusammensspiels von Rezitativ und Arie bei Bach untersucht. In allen Fällen ist aber das musikalische Werk in seiner ihm eigenen kompositorischen Substanz eine Art "Faktum", an dem ich mich rezpierend und interpretierend "abarbeite".


    Was die "Fremdheit" anbelangt, so gibt es in der Tat unterschiedliche Grade, die ganz wesentlich mit der historischen Zeit zu tun haben, in der das Werk entstand. Grundsätzlich ist aber "Fremdheit" keine unüberwindliche Schranke für eine werkadäquate Rezeption, denn sie ist überwindbar. Ein Mensch aus einem nichteuropäischen Kulturkreis, der zum Beispiel nicht vertraut ist mit elementaren Kenntnissen über das Christentum, dürfte große Probleme damit haben, die Metaphorik der Texte zu verstehen, die der Musik Bachs in der Matthäus-Passion zugundeliegen. Das kann man sich aber durchaus aneignen, und damit den Grad der "Fremdheit" dieses Werks zu einem wesentlichen Teil reduzieren. Genauso kann ich mich mit einer "musikalischen Sprache" die mir zunächst einmal fremd und unverständlich erscheint, allmählich vertraut machen.


    Zeitgenössische Urteile über musikalische Kunstwerke sind eine heikle Sache. Sie sagen keineswegs etwas über die kompositorische Qualität des jeweiligen Werkes aus, sondern nur über das zeittypische oder gesellschaftspezifische Rezeptionsvermögen. Liszts sinfonische Werke stießen in Weimar auf Ablehnung. Sie waren dem damaligen Hörerpublikum entschieden zu modern, und man hat diesen Komponisten damals regelrecht aus der Stadt hinausgeekelt. Wir hören sie heute anders, was wiederum bestätigt, was ich zum Gesichtspunkt "Fremdheit" sagte. Es gibt sie, - aber sie ist reduzier,- bzw. überwindbar.

  • Ich empfinde keine Fremdheit sondern eher eine ganz besondere Nähe zu Musik/Komponisten aus der Zeit vor Bach.
    Ich habe versucht, das zu verstehen, und als historisch interessierter Laie habe ich mir Folgendes zusammengestrickt:
    Es gibt Historiker, die die beiden Weltkriege des vorigen Jahrhunderts mit dem Dreißigjährigen Krieg fast genau 300 Jahre vorher vergleichen. Selbst als Nachkriegskind empfinde ich die Katastrophe dieses „zweiten Dreißigjährigen Krieges“ als etwas, was irgendwie permanent auf mir lastet. Ist es nachvollziehbar, dass man eine gewisse Nähe zu den Menschen und ihrer Musik empfindet, die vor 300 Jahren einen ähnlichen "Ballast" zu tragen hatten? Dabei ist es ganz egal, ob es sich um traurige Musik handelt (z.B die Courant dolorosa von Scheidt) oder um Musik, mit der man vielleicht versucht hat, die schlimmen Gedanken zu verdrängen. Selbst bei Tanzsätzen in Suiten oder Sonaten empfinde ich immer eine gewisse Melancholie. Kann man unter diesem Aspekt verstehen, dass man über 300 Jahre hinweg eher eine größere Nähe zu Musik aus dem Hochbarock als zu Klassik und Romanitk empfindet?

  • Wie ich schon heute Abend im Thread über die Achte Beethovens sagte, empfinde ich nahezu das gesamte Finale der Achten in der Interpretation Riccardo Chaillys als Gänsehautstelle.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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