Elisabeth Schwarzkopf - Eine Jahrhundertstimme

  • Lieber Rüdiger,


    als 'Nachzügler' zu meinem Beitrag Nr. 232 vom 11. 10. 2019 möchte ich Dir mitteilen, dass ich beim 'Durchwühlen' alter Rundfunkzeitungen (auf der Suche nach Aufnahmen mit József Réti) folgende Sendung der BBC gefunden habe:


    "La Damnation de Faust" (Berlioz): Marguerite - Elisabeth Schwarzkopf / Faust - David Lloyd / Méphistophélès - Michel Roux / Brander - Owen Brannigan / The Goldsmith's Choral Union / Chorltg.: Frederick Haggis / The Philharmonia Orchestra London / Dirigent: Massimo Freccia (London, Royal Festival Hall, 25. 6. 1957). Einen Mitschnitt der Sendung hat vor Jahren 'Mr. Tape' aus New York auf Tonband angeboten. (Das ist eine interessante Ergänzung zum Konzert vom 26. 8. 1950 aus dem Luzerner Kunsthaus unter Wilhelm Furtwängler.)

    Lieber Carlo, das ist eine wichtige Ergänzung. Danke. Wenn ich es richtg sehe, hat sie die Marguerite später nicht noch einmal gesungen. Diesen Mitschnitt habe ich leider nicht. 1957 war - wie viele Jahre im Leben dieser außergewöhnlichen Sängerin - ein sehr ausgefülltes Jahr. Sie bereiste fünfzehn europäische Metropolen und in den USA vier Großstädte, darunter New York. Den Sommer verbrachte sie bei den Festspielen in Salzburg mit "Figaro"-Gräfin (vier Vorstellungen), "Falstaff"-Alice (3) und einem Wolf-Liederabend. Wenn man sich mal das gesamte Programm dieses Festspielsommers anschaut, wird einem ganz schwindelig. Da war wirklich alles vertreten, was Rang und Namen hatte. Diese musikalische Fülle, dazu noch Schauspiele, gibt es längst nicht mehr.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Die unerbittliche Kunst" ist der Titel eines Fernsehinterviews von 1988 in welchem Elisabeth Schwarzkopf einen Einblick in den Beruf des Sängers gibt, so wie sie ihn versteht. Hier wird auch deutlich welche Perfektion sie selbst anstrebte und welchen Maßstab sie anlegte. Das gesamte Interview ist faszinierend, man hört ihr wirklich ganz gebannt zu. So zum Beispiel auch im zweiten Teil als die Frage kommt, warum sie so hart zu ihren Schülern ist. Ihre Antwort hier ist sehr deutlich.


    Ihre "Hater" sprechen Schwarzkopf ja gerne auch schon mal Menschlichkeit ab. Eigenartig. Hier höre ich sehr viel Menschliches.





    Gregor

  • Zitat von Gregor

    Ihre "Hater" sprechen Schwarzkopf ja gerne auch schon mal Menschlichkeit ab.

    Zu denen gehöre ich auch und das aus gutem Grund, eine bösartige alte frustrierte Frau!


    Zitat von Gregor

    Eigenartig. Hier höre ich sehr viel Menschliches.

    Natürlich, ist ja auch gestellt!


    Ich habe sie Live erlebt in Meisterkursen, sie hat vor dem Publikum Schüler total blossgestellt!

    In meiner CD Sammlung gibt es keine Solo Aufnahmen mehr von ihr und nur noch vereinzelte GA, aber nicht mehr wegen ihr.


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Nun, bei der Aufnahme der "Letzten Lieder" mir ihr unter George Szell hatten sich ein Pultdiktator und eine perfektionistisch-strenge Sängerin gefunden. Und, was soll ich sagen: Das Ergebnis ist eine Sternstunde.


    Gutes Hören

    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Nun, bei der Aufnahme der "Letzten Lieder" mir ihr unter George Szell hatten sich ein Pultdiktator und eine perfektionistisch-strenge Sängerin gefunden. Und, was soll ich sagen: Das Ergebnis ist eine Sternstunde.

    Da meinst wohl diese Aufnahme:



    Eine Sternstunde, finde ich auch!


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Das Ergebnis ist eine Sternstunde.


    Bestechend an den "Vier letzten Liedern" ist, wie hier die Sopranstimme in die Orchestrierung einbezogen wird und sich doch zugleich in eigenständiger Weise zu artikulieren vermag. Und hier liegt auch der Grund, warum die Aufnahme mit Elisabeth Schwarzkopf unter den anderen, die ich kenne , herausragt. Strauss legte größten Wert auf die Wahrung der Aussagekraft des lyrischen Textes.


    Genau diese Fähigkeit des Erfassens derselben besitzt Elisabeth Schwarzkopf in hohem Maße. Wenn es im zweiten Lied heißt: "Der Garten trauert, / Kühl sinkt in die Blumen der Regen", dann hebt sich die Aussage des lyrischen Textes einerseits markant aus dem Orchesterklang heraus, zugleich aber empfindet man diesen als klangliche Artikulation dessen, was der lyrische Text Hermann Hesses sagen will. Da sind in sich ruhende Wechselharmonien zu hören, in die fallende Melodielinien eingearbeitet sind. Schwarzkopf gestaltet sängerisch eine solche Linie in wunderbar klarerer Weise. Aber sie tut es so, dass sie einerseits markant aus dem Orchesterklang heraustritt, andererseits zugleich Teil dieser fallenden Melodielinien bleibt.

    Ich habe das nie besser gehört.


    Im übrigen: Die herrisch-regulatorische, gar schroff anmutende Weise, wie Elisabeth Schwarzkopf mit ihren Schülern umging, ist Folge und Niederschlag der Art und Weise, wie sie mit sich selbst und ihrem Gesang umgegangen ist: In geradezu gnadenloser Selbstkritik.

    Aber ich weiß natürlich um die Problematik einer solchen auf höchstmögliche Perfektion in Deklamation und Stimmführung abzielenden künstlerischen und menschlichen Grundhaltung. An ihrer Interpretation der Liedmusik von Hugo Wolf kann man das erfahren und erkennen. Die ist ja von dem Zwiespalt zwischen pointierter Deklamation und liedhaft strömendem Melos geprägt, und hier besteht bei ihr die Gefahr, dass durch die Konzentration auf die deklamatorische Komponente die Bindung der melodischen Linie abreißt und das Lied seine innere Geschlossenheit verliert.


    Aber bei Strauss besteht diese Gefahr natürlich nicht. Ganz im Gegenteil. Hier wirkt sich das Bestehen auf deklamatorischer Klarheit und Präzision geradezu segensreich aus, führt es doch zur Strukturierung des Melos, das, wenn sich ein gesanglicher Interpret seinem Strömen unkontrolliert überlässt, Gefahr läuft, seiner Binnenkonturierung verlustig zu gehen.

  • Ich habe das nie besser gehört.

    Ich auch nicht, lieber Helmut. Diese "Vier letzten Lieder" sind für mich auch aufnahmetechnisch ein Kunstwerk der Sonderklasse. Die von Dir beobachtete Einbeziehung der Stimme in die Orchestrierung ist ohne die Stereofonie kaum vostellbar. Damit scheint mir auch der oft an den Produzenten Walter Legge ergangene Vorwurf, er habe mit der neuen Aufnahmetechnik nichts anfangen können, zumindest teilweise widerlegt. Wer möchte, kann entsprechende Vergleiche enstellen, denn es existieren mehrere Aufnahmen der Lieder mit Elisabeth Schwarzkopf, wobei die Alternativen sämtlich in Mono überliefert sind.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Auch ich rechne die "Vier letzten Lieder" mit Schwarzkopf/Szell zu den wenigen klassischen Kultaufnahmen, die niemals übertroffen wurden.

    eine bösartige alte frustrierte Frau!

    Nicht abschrecken lassen. Elisabeth Schwarzkopf zählt, zusammen mit Maria Callas und Montserrat Caballé (ich möchte noch Gundula Janowitz nennen, aber deren Repertoire war denn doch im Vergleich deutlich begrenzter) zu den allergrößten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts. Daran ändert auch nichts, daß sie als Gesangslehrerin oft unerbittlich und mit hartem Urteil war. Diese Erziehung zur Sängerin hatte sie bei ihrem Ehemann Walter Legge, dem berühmten Columbia/EMI-Produzenten, erhalten. Das war zwar hart, aber es hat sich ausgezahlt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Auch ich rechne die "Vier letzten Lieder" mit Schwarzkopf/Szell zu den wenigen klassischen Kultaufnahmen, die niemals übertroffen wurden.

    Nicht abschrecken lassen. Elisabeth Schwarzkopf zählt, zusammen mit Maria Callas und Montserrat Caballé (ich möchte noch Gundula Janowitz nennen, aber deren Repertoire war denn doch im Vergleich deutlich begrenzter) zu den allergrößten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts. Daran ändert auch nichts, daß sie als Gesangslehrerin oft unerbittlich und mit hartem Urteil war. Diese Erziehung zur Sängerin hatte sie bei ihrem Ehemann Walter Legge, dem berühmten Columbia/EMI-Produzenten, erhalten. Das war zwar hart, aber es hat sich ausgezahlt.


    LG Nemorino

    Das ändert auch nichts an der Tatsache, dass ich bei meiner Meinung bleibe! :!:

    Es gibt auch ein Leben ohne Schwarzkopf! :P


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ich vermelde einen "Platzhalter" freien Thread.


    Beim Ausbessern hörte ich erstmals



    (wobei das Restaurieren weitaus mehr als eine Stunde dauerte) und kann die Lobeshymnen sehr gut nachvollziehen.


    Helmut Hofmann hat die Vorzüge der Aufnahme so trefflich beschrieben, dass es keiner weiteren Worte von mir bedarf, außer: so ist es. ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Helmut Hofmann hat die Vorzüge der Aufnahme so trefflich beschrieben, dass es keiner weiteren Worte von mir bedarf, außer: so ist es. ;)

    Zur Schwarzkopf-Szell-Aufnahme der "Vier letzten Lieder" hat es hier eine interessante Diskussion gegeben (leider inzwischen weitgehend ein "Platzhalter-Thread"). Meine Meinung zu dieser Aufnahme hat sich nicht geändert.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.