Den Hinweis von MSchenk auf diese CD finde ich auch höchst interessant und wichtig:
In diesem Zusammenhang von Trouvaille zu sprechene, wie Michael es tat, ist nach meinem Gefühl wunderbar treffend formuliert. Die so kurze wie bizarre Zusammenarbeit zwischen Elisabeth Schwarzkopf und Glenn Gould ist bemerkenswert und war lange in Vergessenheit geraten. Eigentlich ist es nur eine Episode gewesen, sonst nichts. Dafür aber legendenumrankt. Das Projekt, bei dem Lieder von Richard Strauss eingespielt werden sollten, scheiterte an unüberbrückbaren musikalischen und aufnahmetechnischen Auffassungen, zumal auch der für seine Perfektion bekannte Schwarzkopf-Mann Walter Legge im Hintergrund ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatte, wenngleich nicht in offizieller Funktion. Beide Seiten gingen im New Yorker Studio, damals noch CBS, nach dem, was ich in Erfrahrung bringen konnte, rasch und ohne Groll auseinander. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick mager: die drei Ophelia-Lieder, zuletzt erschienen bei Sony Classical im Rahmen der großen Glenn-Gould-Edition.
Kenner wussten immer, dass es noch mehr gibt, die Schwarzkopf selbst erzählte zu Lebzeiten mehrfach davon, in Diskographien wurden weitere Lieder als unveröffentlicht geführt. Sony hat auf der von Michael bereits gezeigten CD von den erhaltenen Urbändern die restlichen drei Titel erstmals herausgebracht: "Wer lieben will, muss leiden", "Morgen" und "Winterweihe". Die detailversessene Stimme der Schwarzkopf und das unorthodoxe, mal sachliche, mal wie gehauchte Spiel von Gould bilden einen spannenden Kontrast. Die Bedeutung der Aufnahme erschließt sich aber nicht allein über den künstlerischen Gehalt. Das Drumherum ist nicht weniger wichtig. Dieser Auffassung folgt auch die Konzeption des Sony-Doppelalbums, das auf der ersten CD die Lieder sowie zwei Klavierstücke, in die der Pianist auch singend eingreift, auf der zweiten ein im WDR produziertes Radio-Feature präsentiert, in dem die Geschichte der Aufnahme unter Hinzuziehung von Originaltönen nachgestellt wird – nämlich mit NICOLE HEESTERS als die Schwarzkopf und GERD WARMELING als Gould. Eine sehr gute Idee.
Schließlich möchte ich noch einen Passus aus der bereits weiter oben erwähnten kritischen Schwarzkopf-Biographie von Alan Jefferson zitieren: "Glenn Gould wollte sie in einem kurzen Strauss-Programm begleiten. Legge fand die Kombination Schwarzkopf/Gould hochinteressant, allerdings anders als erwartet." Dann zirtiert Jefferson die Sängerin direkt: "Wenn wir in der Kabine die Aufnahmen abhörten, kam er nie mit und spielte draußen weiter, mit fingerfreien Handschuhen und im Mantel ... Man konnte nicht einmal mit ihm dikutieren ... Bei Morgen und was weiß ich noch phantasierte er frei - er sagte, die gedruckten Noten seien legiglich 'Kurzschrift' für das, was Strauss wirklich gemeint habe."
sagitt bemerkt, die Schwarzkopf habe angeblich geäußert, dass man ihr doch hätte sagen müssen, "dass Herr Gould drogensüchtig ist....!" Davon habe ich nichts gehört. Aber - wie wir alle wissen - vieles ist halt Legende.
Gruß Rheingold