Freude schöner Götterfunken - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 9 in d-moll op 125

  • Nun ist sie da, die Einzelaufnahme mit Immerseel !


    Und gefällt mir sooo gut.
    Inzwischen habe ich auch nachgelesen, was Jonathan del Mar gemacht hat, denn im Booklet kann man gut nachlesen, was sich denn da Besonderes auf der CD ereignet.
    Empfehlen kann ich da den Zeit-Artikel, der an 2. Stelle zu lesen ist, wenn man den Namen bei Google eingibt.


    Wenn man das erfährt, dann kann man eigentlich nicht gegen HIP sein, wie es manchmal hier anklingt.
    Wahrscheinlich macht die Schärfe der Diskussion, daß immer alles kompromislos gesehen wird.


    Ich gebe zu, daß die gewohnten Trampelpfade der Hörgewohnheiten gemütlich sind. Dafür hat man ja die Möglichkeit, ohne pleite zu gehen, die herkömmlichen Scheiben zu besitzen und hören.

    Aber ist denn z.B. einer so hochstilisierte Sache, wie der 9.nicht viel mehr gedient, wenn man nichts Fremdes hineinbringt und wirklich nur das daraus macht, was gedacht, geplant und aufgeschrieben war ?


    Zum Hören lasse ich mir Zeit.
    1., 2. und 3. Satz hörte ich wiederholt und werde mich dem 4. Satz separat widmen.


    Das reduzierte Orchester klingt und füllt den Aufnahmeraum vollständig aus, man kann die wunderbaren tiefen Töne der großen Streichinstrumente besser als sonst hören, das gilt auch für den differenzierten Klang der Holz- und Blechbläser. Besonders profitiert davon der 3. Satz. Da freue ich mich jetzt auf den 4.


    Wem die 9. zu "gewaltig", zu "aufdringlich" zu "überhöht" ist - hier findet er eine Aufnahme mit dem ganzen Beethoven'schen Temperamentspektum ohne die üblichen Übertreibungen. Hier nimmt man ihm die Botschaft ab, die er sicher dabei im Sinn hatte.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu


  • Hab ich inzwischen gehört: Mein Eindruck ist - rein orchestral - ein recht guter und ordentlicher. Ich weiß ja aus der Partitur, daß ich die 9te eingentlich heiß und innig liebe - aaaaber... bis jetzt habe ich keine Interpretation gefunden, die das wiedergibt, was ich hören will. Definieren kann ich das zwar auch nicht wirklich, aber die Glut, die in den Noten steht, kommt einfach nicht heraus. Die ersten drei Sätze sind in Ordnung - der "schröckliche Akkord" zu Beginn des Finales ist mir zu weich und zu sanft... der sollte eigentlich mehr schocken. Auch finde ich den Baß eher furchtbar. Daniel Borowski erreicht die Tiefe nur mit Mühe, was zu hören ist. Auch singt er sehr undeutlich - nicht jeder Zuhörer kennt den Text auswendig. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Solisten und den Chor, der ansonsten ausgesprochen gut ist. Die Sopranistin ist bei der "Jodel-Stelle" auch unerträglich. Ich weiß aber nicht, ob man diese Stelle auch anders singen kann...?


    Jedenfalls wurde mein gestörtes Verhältnis zu diesem Werk bis jetzt nicht geheilt, ganz im Gegensatz zur 'Missa solemnis', deren drei Auszüge [Kyrie, Credo, Agnus] mir hier besonders zugesagt haben, besser jedenfalls als die viel gerühmte und von mir verachtete Gardiner-Aufnahme.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Im Dezember wird Paavo Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und dem Deutschen Kammerchor dreimal die Neunte geben:


    Bremen, Die Glocke
    Mi., 17.12.2008, 20:00 Uhr
    Fr., 19.12.2008, 20:00 Uhr


    Christiane Oelze, Sopran
    Petra Lang, Mezzo-Sopran
    Donald Litaker, Tenor
    Matthias Goerne, Bariton


    Stuttgart, Liederhalle
    Do., 18.12.2008, 20:00 Uhr


    Christiane Oelze, Sopran
    Annely Peebo, Mezzo-Sopran
    Donald Litaker, Tenor
    Matthias Goerne, Bariton


    Mein Gesangslehrer, der im Chor als Bassist dabei ist, hat mir mitgeteilt, daß der Chor insgesamt nur aus 40 Sängerinnen und Sängern bestehen wird. Vermutlich in dieser Besetzung wird auch eine CD erscheinen, im Rahmen des entstehenden Järvi-Beethoven-Zyklus'.


    Werde voraussichtlich in Stuttgart dabeisein und bin gespannt drauf.

  • Sagitt meint:


    ich werde sie in Bremen hören und bin gespannt ,ob meine Vor-Erfahrungen mir im Wege stehen ?



    ich schätze bei der Neunten sehr Furtwängler 1942.Die Aufnahme vom März 1942 ist ein überwältiger Aufschrei.
    Dann aber auch-hier noch gar nicht erwähnt-Norrington mit seinem Stuttgarter Zyklus.Das klingt alles so organisch musiziert. Gar nicht auf Fest-Veranstaltung getrimmt. Eine absolut durchdachte Aufführung mit sehr guten Solisten.

  • Hallo!


    Ich suche eine passende Drittaufnahme der Neunten Symphonie.
    Ja, ja, ich habe bereits mehr als drei, allerdings wirklich nötig finde ich bei mir nur zwei Aufnahmen - die pathosdonnernde 1942er-Furtwängler-Aufnahme und die asketisch-HIPe von Gardiner (oder alternativ Zinman).
    Und nun suche ich eine sehr gute Aufnahme, die genau dazwischen liegt. D.h. sie sollte möglichst nahe der folgenden Charakterisierung kommen:


    - dem Pathos des Werkes gerecht werdend, aber nicht in übertriebener Weise
    - nicht zu langsam, nicht zu schnell (im Tempovergleich im Durchschnitt liegend)
    - nicht HIP
    - sehr hohe Qualität (Dirigat, Orchester, Solisten, Chor)
    - eine Aufnahme "für alle Tage", ohne Extravaganzen, Extreme oder anderes Sonderbares


    Spontan würde ich auf Fricsay (DGG Originals), Karajan (DGG Originals) oder Wand (RCA) tippen, ohne die Aufnahmen zu kennen. Liege ich da bei zumindest einer der dreien richtig?
    Oder welche paßt noch besser in das Schema?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    Spontan würde ich auf Fricsay (DGG Originals), Karajan (DGG Originals) oder Wand (RCA) tippen, ohne die Aufnahmen zu kennen. Liege ich da bei zumindest einer der dreien richtig?


    Lieber Pius,


    Bei Fricsay greifst Du wohl auf keinen Fall daneben (so Dir Supertonqualitäten nicht lebenswichtig sind; die Aufnahme ist schließlich nicht die jüngste, für mich aber noch immer eine der besten). Ob Karajan mehr für den Sonntag oder für alle Tage ist, ist Geschmacksache. Zu Wand kann ich leider nichts sagen.


    LG


    Waldi

  • Ich würde unter den gegeben "Anforderungen" unbedingt noch die Böhm-Aufnahme mit den Wienern in die Liste aufnehmen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Pius
    Spontan würde ich auf Fricsay (DGG Originals), Karajan (DGG Originals) oder Wand (RCA) tippen, ohne die Aufnahmen zu kennen. Liege ich da bei zumindest einer der dreien richtig?
    Oder welche paßt noch besser in das Schema?


    Meine Empfehlung ist Wand, der mE alle von Dir genannten Kriterien erfüllt und gegenüber Fricsay die bessere Klangqualität besitzt. Wobei das "alltäglich" hier in dem Sinne zu verstehen ist, daß er die Symphonie werkgetreu spielt und ohne sich als Dirigent in den Vordergrund zu rücken. Kapellmeisterlich im besten Sinne.


    In diese Kategorie fällt für mich noch Horenstein, aber seine Aufnahmen sind aus den 50ern und 60ern.

  • Auch wenn ich den Wand nicht recht präsent habe (obgleich im Regal), scheinen mir alle drei geeignet zu sein. Fricsay kann stellenweise ein wenig "Furtwänglerisch" (etwa im sehr langsam genommenen Adagio) sein. Der Klang ist für das Alter ziemlich gut, in den ersten drei Sätzen sogar sehr gut, im Finale leider stellenweise etwas seltsam balanciert: die (sehr guten) Solisten zu sehr im Vordergrund, das Orchester etwas schwächlich.
    Karajan (1962) hat sehr gute Solisten (keinen besonders tollen Chor, aber damals normal), ist hier m.E. weiter von Furtwängler weg als Fricsay. Stellenweise vielleicht ein bißchen glatt, aber schon eine sehr gute Aufnahme (ich habe das Stück allerdings so auf LP kennengelernt, daher bin ich vielleicht geprägt, allerdings ewig nicht gehört, da ich mir dieses Werk inzwischen eher selten anhöre).
    Zu Wand kann ich aus dem Stand nichts sagen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Von den dreien passt Wand am besten zu deiner Beschreibung, obgleich man vor allem Fricsay kennen sollte. Die Wand-Aufnahme ist mir eine der liebsten. Einziges Manko ist IMO die Sopranistin, die a bissl sehr vibrato singt.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

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  • Hallo Pius,


    mit allen drei Aufnahmen wirst Du Deine Freude haben.


    Ebenfalls empfehlenswert (und zudem sehr preisgünstig zu erstehen) ist die Aufnahme mit Carlo Maria Gilulini und den Berliner Philharmonikern:



    Es singen Julia Varady, Jard van Nes, Keith Lewis. und Simon Estes.


    Schöner ausmusiziert kann man Beethovens 9. kaum sonst hören. Die Tempi: 17'05'', 12'57'', 18'33'' und 27'05'' (okay, eindeutig eher auf der "langsamen Seite", aber niemals verschleppt).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo,


    vielen Dank für Eure Einschätzungen!


    Tja, wer die Wahl hat... sie haben ja zudem auch alle drei den gleichen Preis.
    Im Moment tendiere ich aufgrund des Feedbacks hier eher zu Wand.
    Dann werde ich bei JPC mal in die Hörschnippsel reinhören. Mal sehen, ob mir das weiterhilft.
    Im 1. Quartal 2009 wird dann sicher eine Aufnahme angeschafft.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Dann werde ich bei JPC mal in die Hörschnippsel reinhören. Mal sehen, ob mir das weiterhilft.
    Im 1. Quartal 2009 wird dann sicher eine Aufnahme angeschafft.


    Ja, ja, von wegen... bei Amazon Marketplace habe ich ein Super-Schnäppchgen-Angebot erspäht, und schon ist die Wand-Aufnahme zu mir unterwegs. :D

  • Eine interessante Radiosendung läuft heute Abend auf SWR2:


    Mittwoch, 17.12.2008, 20.03 bis 22.00 Uhr


    Ludwig van Beethoven, Sinfonie
    Nr. 9, 4. Satz "Ode an die Freude"


    oder


    "Macht und Ohnmacht der Musik"


    Hans-Peter Jahn im Gespräch
    mit Wolfgang Hofer


    Beethovens 9. Sinfonie ist ohne Zweifel ein Meisterwerk, ein Meilenstein der Musikgeschichte, aber auch eine missbrauchte Komposition. Der Schlusssatz ist eine Bombe. Wenn Solisten und Chor "Freude schöner Götterfunken" anstimmen, sprengt Beethoven nicht nur die Grenzen der Gattung Sinfonie, sondern reißt sein Publikum in unterschiedliche Himmel hinein - über Jahrhunderte hinweg und rund um die Welt. Auf die Fragen, warum das so ist und was Beethoven dabei bewegt haben mag, sucht Hans-Peter Jahn zusammen mit dem Literaturwissenschaftler und Musikdramaturgen Wolfgang Hofer Antworten in der Partitur. Doch reicht es nicht, bei dieser Musik nur über die Partitur zu reden, denn mit diesem Werk wurde seit jeher Politik gemacht. Die "Instrumentalisierung" des Schluss-Satzes zum Zwecke von Messeeinweihungen, von Silvesterbällen, von NS Regime-Inszenierungen bis hin zur Mauerfallweihung ist einzigartig. Ein Präzedenzfall von Macht und Ohnmacht der Musik, den diese erweiterte, zweistündige Ausgabe von Musik kommentiert mit Zeugnissen aus Literatur und Zeitgeschichte dokumentiert und diskutiert.


    (Quelle: "www.swr.de")



    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Paavo Järvi hat in der letzten Woche die Neunte dreimal aufgeführt; an diesem Wochenende zog der ganze Troß nach Berlin, um den Beethoven-Zyklus im Studio zu vervollständigen. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und der Deutsche Kammerchor mit folgenden Solisten:


    Bremen, Die Glocke (17.und 19.12.2008)


    Christiane Oelze, Sopran
    Petra Lang, Mezzo-Sopran
    Donald Litaker, Tenor
    Matthias Goerne, Bariton


    Stuttgart, Liederhalle (18.12.2008)


    Christiane Oelze, Sopran
    Annely Peebo, Mezzo-Sopran
    Donald Litaker, Tenor
    Matthias Goerne, Bariton


    Ich war in Stuttgart dabei, Sagitt am 17.12. in Bremen; zunächst seine Besprechung:



    In Stuttgart war die 9. Symphonie der einzige Programmpunkt.


    "Lieder und Tänze des Lebens": So würde ich meine Eindrücke - in Abwandlung des Titels eines Liederzyklus' von M. Mussorgski, den ich gerade kennengelernt habe - zusammenfassen. Es war eine außerordentlich lichtvolle und im Ganzen optimistische, ja heitere Sicht des Lebens: Schon der erste Satz verzichtete hier ganz auf Dämonisch-Titanisches; für mich war es die Dramatik eines Lebens, auf die ein alter Mann, keineswegs bitter und resigniert, sondern immer noch in der Fülle seiner Energie zurückblickt: die Kämpfe des Lebens aus der Perspektive eines Menschen, der selbst nicht mehr kämpfen muß. ("Man merkte keinen Kampf mit dem Material", schreibt Sagitt. Kann ich nachvollziehen, doch Järvi und die Seinen zielten, meine ich, auf etwas anderes: Der Komponist muß nicht mehr kämpfen, weil er eine neue Bewußtseinsstufe erreicht hat, die ihm erlaubt, auf alles Hemmende und Quälende gelassen zurückzublicken.) All das geschah mit rasender Geschwindigkeit: Järvi und sein Orchester musizierten in, wie mir schien, aberwitzig schnellem Tempo, in allen vier Sätzen (Dauer insgesamt ca. 65-70'); es kam mir allerdings nicht so vor, daß der Dirigent antreiben mußte, im Gegenteil: Er schien die überschäumende Energie immer wieder bremsen zu müssen, wie ein Reiter, der darauf achtet, daß sein Pferd ihm nicht durchgeht. Faszinierend war das!


    Im Scherzo fehlte das Unbarmherzig-Harte: Die Kopfteile erinnerten mich an den Witz der 8., das Trio erschien mir "pastoral". Auffallend auch hier die Herausarbeitung von Nebenstimmen in den Bläsern, die oft eher skurril-freundlich klangen. Wer an Brucknersche Scherzi denkt und hier die Anlage dafür sucht, konnte hier unerwartet Neues finden.


    Im Adagio kam wenig Ruhe auf, es wirkte eher wie eine schnelle Episode mit Blick auf das Finale, in das Järvi denn auch mit atacca überleitete. Großartig - für mich fast so etwas wie ein Höhepunkt der ganzen Interpretation - die grandiose Steigerung, wenn gleich zu Beginn, ausgehend von den Bässen, das berühmte Hauptthema aufsteigt.


    Der ganze Schluß, die Feier der Freude mit Orchester, Chor und Solisten überwältigte mich derart, daß mir Tränen kamen - das war so wunderbar musiziert - von allen! -, ich kann es kaum beschreiben; selten berührt mich Musik so tief. Alles Martialische und Aggressive, das ich im Finalsatz schon wahrgenommen hatte, auch mit Befremden - das fehlte hier gänzlich. Vielleicht die Idee der aus der Aufklärung gewonnenen Humanität, die lebt und lebensfähig bleibt - auch wenn die weitere Entwicklung unserer Welt in den letzten 200 Jahren in andere, katastrophale Richtung gehen mag.


    Das Fehlen der massiven Wirkung verdankte sich sicher auch der Besetzung und Aufstellung des Orchesters: Streicher 9 - 8 - 6 - 6 - 4; die Kontrabässe ganz links, Violinen antiphon geteilt, Celli direkt vor dem Dirigenten, ganz rechts die Pauken. Die Solisten unmittelbar hinter dem Orchester, direkt hinter ihnen (nicht auf der Empore, was die Liederhalle auch ermöglicht hätte) der Chor - das ergab einen insgesamt sehr homogenen Höreindruck.


    Von den Solisten könnte ich keinen hervorheben: Es wirkte stimmig und geschlossen, was das Quartett bot. Ebenso der Chor, nur etwas über 40 Sänger/innen! Welche feinen Abstufungen zwischen pp und ff da hörbar waren, bei klarer Textverständlichkeit, auch das fand meine Bewunderung. Klasse war's!


    Ich kann Sagitts Enttäuschung gut verstehen: Zwischen Furtwängler und Järvi liegen Welten. Järvis Weg zu Beethoven hat mich überzeugt; ich habe mich gern und willig darauf eingelassen, ihn mitzugehen, weil ich auch diese Lesart für "existenziell" halte, in einem neuen Sinn.


    Beethovens große letzte Symphonie, der ich jahrelang mit einer Mischung von Bewunderung und Skepsis begegnete, hat sich mir jetzt auf eine neue, wunderbare Weise erschlossen - ich bin darüber sehr glücklich.


    Auf die Studioeinspielung bin ich gespannt; ich freue mich drauf.


    Nachtrag: Dies war übrigens meine erste Begegnung mit Paavo Järvi/Beethoven; seine schon veröffentlichten Symphonie-Einspielungen sind mir noch nicht aus eigener Hör-Erfahrung bekannt.

  • Es gibt ein Video der Neunten unter Klemperer mit dem herausragenden Ernst Haefliger (und auch sonst phantastischer Besetzung) von 1964.


    Weiß jemand, ob es diese Aufnahme mittlerweile auch auf DVD oder CD gibt?


    Bzw.: In welchen Aufnahmen der Neunten singt Haefliger sonst noch mit?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph, du hast ganz recht, das ist eine hervorragende Aufführung, die ich auf DVD habe.



    Die Aufnahme ist bei jpc erhältlich. Andere Einspielungen sind mir leider nicht bekannt.


    Beste Grüße

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Nachdem ich bereits hier ein paarmal über die IX. unter Otto Klemperer gelesen habe, aber keinen genauen Überblick habe, ob er diese Symphonie mehrmals aufgenommen hat, würden mich Meinungen zu dieser Aufnahme interessieren:



    Zum einen, ob es sich hier um eine empfehlenswerte Einspielung handelt, zum anderen, ob man sie noch als Ergänzung haben sollte.


    (Zu Furtwängler 1942, Fricsay, Abbado mit Wienern, Karajan 60er und 70er, Herbert Blomstedt mit Staatskapelle Dresden)

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Bzw.: In welchen Aufnahmen der Neunten singt Haefliger sonst noch mit?


    Euer Gnaden,


    Euch wird doch seit Jahr und Tag in diesem Forum gepredigt, dass "die Referenzeinspielung" der Neunten diejenige unter Fricsay sei (Wortspiel).
    Und da singt naturgemäß auch der Haefliger mit mit.


    Seefried / Forrester / Haefliger / Fischer-Dieskau / Berliner Philharmoniker / Chor St.-Hedwigs-Kathedrale / Ferenc Fricsay


    1958 stereo



    aber von Klemp möchte ich natürlich keinesfalls abraten.... Klemperer ist für mich auch eine der höchten nicht-HIP-Beethoven-Instanzen. Die oben von novecento genannte Studioeinspielung ist mir genauso lieb und wert.

  • Danke für die zahlreichen Antworten!


    Daß Haefliger unter Fricsay singt, war mir gar nicht mehr bewußt. Umso besser, da diese Aufnahme ja auch sonst immer hochgelobt wurde.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Bisher kaum genannt oder gar besprochen wurde die IX. Sinfonie unter Sir Georg Solti - woran mag das liegen?


    Da scheint es sogar (mindestens) zwei Aufnahmen zu geben:


    Einmal aus dem 70er-Zyklus:



    Und einmal aus dem 80er:



    Wie sind die beiden Neunten darin? Welche wäre im direkten Vergleich vorzuziehen?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph,


    die Solti-Aufnahme der Sinfonie Nr.9 habe ich in der ADD-GA seit den 80er-Jahren. Sie hat mich jahrelang zufrieden begleitet und damals meine Klemperer EMI-Doppel-LP erfolgreich abgelöst (damals kaufte ich möglichst nur eine CD/LP von einem Werk und achtete immer darauf nichts doppelt zu haben - das wäre heute undenkbar :faint:).


    :yes: Ich bin der Meinung das diese Aufnahme (nicht nur für mich) zu den besten Aufnahmen der Nr.9 zählt: dramatisch, zupackend, ausgewogen, werkgetreu.


    Heute wird diese Solti-Aufnahme durch zahreiche andere Favoriten (Karajan, Szell, Bernstein) ergänzt (und damit etwas verdrängt). Die Neunte hört man ja nicht wöchentlich und dann greift man aus Zeitgründen zu den Favoriten, die noch mehr Emotion drauf haben.



    DECCA, ADD, 70er-Jahre



    :hello: Interessant Dein Hinweis auf die Digital-Decca-CD-GA aus den 80ern in DDD !
    Ich denke die ist bei den Meisten unbekannt und gar nicht ins Bewußtsein der Existenz gerückt !?!


    Unterschiede zum ADD-Zyklus würden mich sehr interessieren.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton,


    ich danke Dir für diese Ausführungen!


    Auf amazon.com kann man zahlreiche Rezensionnen über beide Aufnahmen lesen, wobei die 72er eigtl. durchgängig mit sehr gut bewertet wird, die 86er z. T. besser (!), meistens aber etwas schlechter, ohne wirklich schlecht zu sein.
    Für die ältere sprechen scheinbar die bis auf einen Fall besseren Solisten (Yvonne Minton, Pilar Lorengar, Martti Talvela, Stuart Burrows), bei der neueren kann Jessye Norman (neben Reinhild Runkel, Robert Schunk, and Hans Sotin) punkten. Chor und Orchester sollen in beiden Fällen hervorragend sein, also ist es vermutlich eher eine Geschmacksfrage, was die Solisten angeht.
    Klanglich soll die DDD-Aufnahme natürlich noch besser sein, zudem ist sie im 1. und 3. Satz langsamer dirigiert:


    1972:
    1. 17:39
    2. 13:57
    3. 19:46
    4. 24:59


    1986:
    1. 18:11
    2. 11:51
    3. 19:59
    4. 24:41


    Es gibt übrigens noch eine weitere Einspielung der Neunten von Solti, für den Film "Ludwig van B." von 1994. Ich weiß allerdings nicht, ob für den Film-Soundtrack die gesamte Sinfonie oder nur der 4. Satz eingespielt wurde.


    P.S.: Scheinbar ist nur der 4. Satz für den Film aufgenommen worden.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Theiresias!


    Zitat

    Original von Theiresias
    Hi, kennt hier jemand die Aufnahme unter Günter Wand?



    Ja, ich kenne sie. :yes:


    Viele Grüße,
    Pius.


    P.S.: Sie gefällt mir sogar sehr gut.

  • Hallo allerseits


    Ich such eine neuere Aufnahme von der neunten. Zinman gefällt mir nicht. Kennt jemand diese Aufnahme, und ist er auch so überzeugt und begeistert von dieser Aufnahme.



    Zitat

    L. van Beethoven: Symphonie Nr. 9; Helena Juntunen, Katarina Karneus, Daniel Norman, Neal Davies, Minnesota Chorale, Minnesota Orchestra, Osmo Vänskä; 1 SACD BIS 1616; 01/06 (65’46
    Gibt’s das noch? Kann es sein, dass selbst ein Werk wie Beethovens Neunte in einem nie dagewesenen frischen Glanz erstrahlt und sich dabei sehr deutlich von all dem absetzt, was wir in den letzten Jahrzehnten auf CD von dieser Symphonie haben vorgesetzt bekommen? Kann es sein, dass dieses Werk noch immer Geheimnisse parat hält, die man nur dann ergründen kann, wenn man sich ernsthaft, engagiert und unbefangen auf dieses Opus summum einlässt? Gibt’s das wirklich noch? Wir können diese Fragen nur mit einem begeisterten Ja beantworten. Denn diese sensationelle Neunte kommt relativ unerwartet und wird vom Minnesota Orchestra und dem finnischen Dirigenten Osmo Vänskä interpretiert. Doch was ist so anders, so neu? Eigentlich alles! So präzise und dynamisch, so plausibel und schön, so dramatisch und sensibel, hat man die Neunte wohl noch nie gehört.
    Sicher, Furtwängler, Karajan, Fricsay, Harnoncourt haben Maßstäbe gesetzt, jeder auf seine Art und Weise, doch jetzt schlägt Vänskä ein neues Kapitel auf. Er schafft es wie kein anderer mir bekannter Interpret, die Neunte als ein Werk klaffender Unterschiede zu sehen. Allein der letzte Satz wird so zu einem Wunder an Ausdrucksmöglichkeiten. Vänskä operiert zuerst mit einer urgewaltigen Aggressivität, lässt dann die stärker werdenden Hoffnungselemente immer wieder einbrechen um zum Schluss dann eine menschliche Größe in der Musik zu erlangen, wie wir sie vielleicht nur von Furtwängler her kennen. Jeder Satz wird zu einem Erlebnis, jede Note lässt den Hörer die Luft anhalten. Das Minnesota Orchestra braucht die Konkurrenz anderer großer Orchester nicht zu fürchten. Hinzu kommen eine phänomenale Klangtechnik, ein überragender Chor und vier erstaunlich homogene und stimmprächtige Solisten. Steff/Pizzicato 03/09


    Kann jemand diese Begeisterung teilen. Mit dieser neunten wäre die Gesamteinspielung fertig.
    Ich weiß leider noch nicht wann die GE auf dem Markt ist.


    gruß
    Roman

  • Hallo allerseits! Bin neu hier!
    Tja die Neunte von Beethoven...ein echt interessantes Werk... :yes:
    Zum einen gibt es Stellen die grandios sind, fantastisch muss man sagen, da lege ich mich Beethoven wirklich zu Füßen ( :jubel:)...
    Allerdings gibt es dann auch Stellen die so überaus monströs, roh, wild und vor allem geschmacklos sind, dass man sich getrost fragen kann, wie solch ein Genie wie Beethoven so etwas schreiben kann? ?(
    Es ist quasi absolut trivial zum Text der "Ode an die Freude" von Schiller. "Freude SCHÖNER Götterfunken"...na ja...schön...das ist so eine Sache... :no:


    Gute Aufnahmen gibts von Abbado (echt toll :yes:), und auch von die von Karajan ist nicht übel...da gibts mehrere gute...


    Ob die Aufnahmen im Laufe der Zeit immer besser werden, will ich einmal stark anzweifeln...


    :hello:
    Grüße

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Hallo,
    oben wurde von Novecento gefragt, was es von Klemp an Beethovens Neune so gäbe.


    Hier die Antwort mit Kommentaren meinerseits:


    Symphony No.9 in d op.125 'Choral'
    (1) ACO. cho. G.Brouwenstijn(S) A.Hermes(A) E.Haefliger(T) H.Wilbrink(Bs) 56.5.17L Concertgebouw, Amsterdam
    Bei Music and Arts publiziert. Klangqualität ist Mist, aber die Aufnahme an sich ist genial. Was für ein Drive!
    Das Adagio, mal in Klemps Tempo gehört, wirkt absolut richtig.
    Wer da noch Dr. Willem von 1942 (in meinen Augen eine eher psychopathische Aufnahme) bevorzugt?....
    Ich weiß nicht.


    (2) PO. cho. A.Nordmo-Lovberg(S) C.Ludwig(A) W.Kmentt(T) H.Hotter(Br) 57.10.30-31,11.21-23 Kingsway Hall, London (EMI) Stereo
    Die bekannte Standardaufnahme, die wegen der Studioatmosphäre recht langweilig geraten aber dennoch beliebt ist.


    (3) PO. cho. A.Nordmo-Lovberg(S) C.Ludwig(A) W.Kmentt(T) H.Hotter(Br) 57.11.15L Stereo
    Hier geht die Post ab. Liveaufnahme der Studioaufnahme und wer Klemp kennt, der weiss, dass er Live abging wie ein Berserker!
    Klingt VIEL besser als 1) ist aber nur fast so gut.


    (4) PO. Singverein cho. W.Lipp(S) U.Boese(A) F.Wunderlich(T) F.Crass(Bs) 60.6.7L Musikvereinssaal, Vienna Mono
    Da war er nach langer Krankheit wieder genesen, aber noch nicht in Höchstform. Zu starr.


    (5) PO. cho. A.Giebel(S) C.Ludwig(Ms) R.Lewis(T) W.Berry(Br) 61.11.27L Royal Festival Hall Mono
    Kenn ich nicht!


    (6) NPO. cho. A.Giebel(S) M.Hoffgen(A) E.Haefliger(T) G.Neidlinger(Br) 64.10.27 LD/VHS
    Die DVD Aufnahme. Recht nett, aber meilenweit vom Klemp 1956 in Amsterdam und 1957 Live in London entfernt.


    (*) Kölner Rso. cho. M.Stader(S) G.Hoffman(Ms) W.Kmentt(T) H.Hotter(Bs) 58.1.6L Mono<CDR>
    Steht auf meiner Beschaffungsliste ganz oben, weil der zeitliche Zusammenhang zu Amsterdam und London nur Gutes verheißen kann.
    Klemp war von 1954 bis Mitte 1958 in der Form seines Lebens.


    (*) NPO. cho. Zylis-Gara(S) J.Baker(A) G.Shirley(T) T.Adam(Bs) 70.6.30L Royal Festival Hall, London Mono <CDR>
    Kenn ich nicht, muss aber lt. Heyworth sehr beeindruckend gewesen sein, wenn auch lang :D


    Fazit: Klemps Liveaufnahmen sind etwas ganz anderes als die aus dem Studio, wo er viel zu starr und damit eindimensional wirkt.
    Wer die Aufnahmen aus Amsterdam 1956 bzw. London 1957 gehört hat, weiß, warum dieser alte Mann so verehrt wurde und warum ich ihn mit als paradigmatisch für zumindest die Jahre 1950 - 1965 halte.


    Gruß S.

    Einmal editiert, zuletzt von s.bummer ()

  • Zitat

    Original von Hammel
    Hallo allerseits! Bin neu hier!


    Allerdings gibt es dann auch Stellen die so überaus monströs, roh, wild und vor allem geschmacklos sind, dass man sich getrost fragen kann, wie solch ein Genie wie Beethoven so etwas schreiben kann? ?(
    Es ist quasi absolut trivial zum Text der "Ode an die Freude" von Schiller. "Freude SCHÖNER Götterfunken"...na ja...schön...das ist so eine Sache... :no:
    :hello:
    Grüße


    Grüß dich, Hammel,


    erläutere bitte etwas näher, welche Stellen dich zu deiner obigen Aussage veranlasst haben. Ich möchte gerne noch dazulernen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    erläutere bitte etwas näher, welche Stellen dich zu deiner obigen Aussage veranlasst haben. Ich möchte gerne dazulernen


    Hallo Siegfried!
    Oje...da hab ich wohl den empfindlichen Nerv getroffen, oder :D
    Nun ja Fakt ist für mich, dass ich viele der letzteren Werke Beethovens nie so richtig mochte wie die früheren von Beethoven.
    Ein gutes Beispiel dafür ist die "Eroica"! Ein unglaubliches Stück und für mich persönlich seine größte Sinfonie, aber es war eben die 3., eine frühe:)
    Weite Teile des 4. Satzes sind einfach roh, schlicht gesagt, mir fehlt einfach das "Beethoven-Feeling", das ich bei den fühen Werken immer hatte... :untertauch:
    Tja, jeder hat seine Meinung...


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

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