Ich möchte einen Thread starten, in dem deutsche Komponisten und deren Werk nach 1970 vorgestellt und besprochen werden. Allgemeine Threads über das 20. Jh. eignen sich dazu nicht, weil das Gebiet viel zu unübersichtlich ist.
Damit diese Abgrenzung verständlich wird, muss ich kürzest die Situation vor 1970 andeuten:
Nach dem Krieg führte die Wiederentdeckung der Entarteten zu einer Renaissance der Reihentechnik. Diese wurde in abgewandelter Form auf alle möglichen Parameter der Musik (Dauern, Lautstärken, etc.) angewendet. Der Terminus "Serie" für "Reihe" gab der Strömung den Namen "Serialismus". Eine Legion junger Komponisten ging durch diese Schule der Konstruktion, der einflußreichste Deutsche war Karlheinz Stockhausen, der sich von Beginn an auch um unmittelbaren musikalischen Ausdruck und eine gewisse Art von Fasslichkeit der konstruierten Stücke bemühte ("Gruppenkomposition" soll heißen, dass die Töne zu Gruppen zusammengefaßt als Einheit wahrgenommen werden können, "Momentform" soll heißen, dass man jeden Abschnitt als Abenteuer für sich hören soll und nicht nach Anfang und Ende des Stückes fragen soll etc.)
Die Beengtheit des Komponierens im seriellen Korsett, dessen musikhistorische Notwendigkeit wohl auch dem einen oder anderen nicht eingegangen sein mag, machte die Aufführung von Cages Klavierkonzert (1957-58 ) in Europa zu einem Schlüsselerlebnis. Freude an allen möglichen Klängen und Geräuschen, am konzeptuellen Spiel, am Verstoßen gegen etwaige Regeln sowie das neodadaistische Verwischen der Grenzen zwischen den Künsten bestimmten weite Bereiche des Komponierens der 60er Jahre, exemplarisch bei Dieter Schnebel.
Doch wie nun eine Grenze ziehen zu dem Stilpluralismus der Gegenwart, in dem gleichzeig Schaffende manchmal nichts gemeinsam haben, als die Lebensdaten? Ich wähle Bernd Alois Zimmermanns Selbstmord als Zäsur, da damit des Werk eines der wichtigsten Vertreter der "klassischen" Nachkriegsavantgarde beschlossen (und von diesem Thread ausgeschlossen) wird. Zimmermann, etwas älter als Stockhausen und Schnebel, komponierte vor der Begegnung mit dem Serialismus expressionistisch und neoklassizistisch und hatte keine Lust, Strawinsky zu verpönen, auch, als er bereits seine "klassische" Mischung aus Serialismus und Pluralismus gefunden hatte. Sein Pluralismus ist eine zitierende Beschäftigung mit der Musikgeschichte, die "Rückbesinnung" auf die alten Meister (auch und vor allem der "klassischen Moderne") wird für viele Komponisten nach 1970 ein zentrales Anliegen sein.
Ich bitte, nur einen Komponisten pro Beitrag zu behandeln, besser noch nur ein Werk, Wiederholungen sind gestattet. Dadurch soll dem Stilpluralismus und der Problematik der Gruppenbildung begegnet werden. Auch ältere, z.B. neoklassizistisch oder zwölftönig komponierende Deutsche sind willkommen, sofern sie nach 1970 noch geschaffen haben.
Außerdem bitte ich darum, in der Überschrift den Namen des Komponisten vollständig und mit Lebensdaten anzuführen, sowie den Titel und das Entstehungsdatum des besprochenen Werks.