Ludwig van Beethoven - Klavierkonzert Nr 1 in C-dur op 15

  • Abseits von der speziellen Diskussion zu Arrau, Backhaus, Schnabel - Pianisten die schon lange tot sind - interessiert es mich vielmehr, wer aus der lebenden Pianistengilde nennenswerte Interpretationen dieses Konzertes aufweisen kann. Ich hörte es kürzlich im Konzert gespielt vpn Andras Schiff und dem Konzerthausorchester Berlin. In seinen Vorbemerkungen wies er darauf hin, in Takt 172 des ersten Satzes auf dem Höhepunkt der Passage ein f zu spielen (statt des vorgeschriebenen fis), weil es so im Autograf geschrieben steht, wohl ein Streitfall unter den Beethoven-Forschern. Aber es hörte sich wirklich ungewohnt, doch nicht falsch an. Ich weiß nicht , ob er in seinen CD-.Aufnahmen es auch so handhabt.

    Unabhängig davon bin ich für CD-Empfehlungen zu diesem Konzert dankbar.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Wenn es nicht stört, lieber timmiju, dass der Dirigent schon tot ist, dann kann ich diese Aufnahme mit einer der größten lebenden Pianistinnen überhaupt empfehlen:

    Dame Mitsuko Uchida, die ich jedes Jahr im Konzert live erlebe, zuletzt im Februar in Köln mit Schubert-Sonaten, hat diese Gesamtaufnahme in den späten 90er Jahren mit Kurt Sanderling eingespielt. Wenn der Dirigent jedoch auch noch leben sollte, könnte ich mit dieser Aufnahme dienen:

    Hier spielt sie unter Sir Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern (2010), hier ein kurzer Ausschnitt:


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Eine andere aus meiner Sicht empfehlenswerte Aufnahme wäre noch diese:

    Sie ist erst vor wenigen Jahren entstanden, und der Protagonist, der Norweger Leif Ove Andsnes, dirigert vom Klaver aus das Mahler Chamber Orchestra.

    Auch hier ein Ausschnitt:


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke lieber Willi, für diese Hinweise. Nichts gegen die großen Meister der Vergangenheit, ich denke nur, dass in unserem Forum die aktuellen Künstler/innen etwas zu kurz kommen. Ove Andsnes habe ich in einer Einzelausgabe mit dem 3. Klavierkonzert. Kurt Sanderling schätze ich sehr als Dirigent und Mensch, vielleicht lege ich mir die Uchida-Aufnahme zu.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat von timmiju

    Kurt Sanderling schätze ich sehr als Dirigent und Mensch, vielleicht lege ich mir die Uchida-Aufnahme zu.

    Ich glaube auch nicht, dass die Sanderling-Aufnhame mit dem Bayerischen Rundfunk-Sinfonie-Orchester schwächer ist als die Berliner Aufnahme, nur ist sie zur Zeit preislich mit 13,29 € gegenüber der Berliner Aufnahme mit 49,90 € ungleich günstiger.^^


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Willis Empfehlungen bezüglich Leif Ove Andsnes und Uchida/Sanderling schließe ich mich vollinhaltlich an, vielleicht mit leichtem Vorteil zugunsten des Herrn Andsnes, weil es ihm gelingt, eine fast ideale Symbiose aus dem Klavier- und dem Orchesterpart zu formen.


    Eine dritte Empfehlung vielleicht noch (damit es nicht zu einfach wird ;) ): Perahia und Haitink



    Für mich eine der besten Gesamtaufnahmen der Klavierkonzerte überhaupt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Auch wenn es ein anderes Werk ist lieber Holger, habe ich genau dies immer bei dieser Sonate, speziell bei diesem Satz so empfunden:

    Lieber Willi,


    von op. 90 gibt es auch eine Aufnahme von 1928 von ihm - Dank apr zu haben:



    Bei Kempff ist es ungemein spannend finde ich, dass er eine Epochenschwelle selber durchlaufen hat und man den Wandel des Zeitgeistes verfolgen kann bei ihm. Das sind Einblicke, die man nicht bekommt, wenn man sich nur mit den lebenden Pianistengrößen beschäftigt. Wobei ja bemerkenswert ist, dass sich der junge und ganz junge Pianistennachwuchs gerade für die "Alten" interessiert.


    Herzlich grüßend

    Holger

  • Auch wenn es ein anderes Werk ist lieber Holger, habe ich genau dies immer bei dieser Sonate, speziell bei diesem Satz so empfunden:

    Lieber Willi,


    das habe ich mir gerade angehört und angesehen! Ganz wunderbar! :) Es gibt zwei Stellen wo er tatsächlich das Tempo rausnimmt, aber ansonsten versucht er für den ganzen Satz schon den Eindruck eines einheitlichen Grundtempos zu wahren, finde ich. Da werde ich mir tatsächlich de Aufnahme von 1928 auch zu Gemüte führen. :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

  • Zitat von Norbert

    Eine dritte Empfehlung vielleicht noch (damit es nicht zu einfach wird ;) ): Perahia und Haitink)

    Die hatte ich auch auf dem Schirm, lieber Norbert, wobei Bernard Haitink ja eine besondere Leistung vollbracht hat, auch eine Klammer zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschagen hat, denn er hat die Klavierkonzerte ja mit Arrau aufgenommen, mit Brendel, dann mit Perahia, mit Ashkenazy und mit Schiff, wenn ich keinen vergessen habe.

    Ich kenne keinen anderen Dirigenten, der mit so vielen verschiedenen Pianisten Beethovens Klaverkonzerte aufgenommen hat wie Haitink, und mit Brendel, Perahia und Arrau habe ich ihn ja auch in meiner Sammlung, und Schiff und Asheknazy stehen schon auf meinem Einkaufszettel.

    Bernard Haitink zählt für mich ohnehin zu den größten Dirigenten des 20. Und bisherigen 21. Jahrhunderts.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • … interessiert es mich vielmehr, wer aus der lebenden Pianistengilde nennenswerte Interpretationen dieses Konzertes aufweisen kann …

    Unabhängig davon bin ich für CD-Empfehlungen zu diesem Konzert dankbar.


    Eine weitere Empfehlung eines m.E. unterschätzten Pianisten:


    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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  • Hallo


    vom 1. Beethoven-Konzert habe ich folgende Aufnahmen lebender Pianisten und Dirigenten:


    Glemser/Weill (MDG, live)

    Berezovsky/Dausgaard (SIMAX)

    Argerich/Ozawa (BR, live)

    Buchbinder (Sony, live)

    Zimerman (DG)


    Alle top.


    LG Siamak

  • Lieber Willi,


    dem ist, außer Zustimmung ;) , nicht viel hinzuzufügen.


    Die Gesamtaufnahme mit Andras Schiff hatte ich gar nicht mehr im Gedächtnis, die habe ich mir auch auf meinen nicht kleiner werdenden Wunschzettel gepackt.


    Murray Perahia und Bernard Haitink sind deswegen eine Art "Referenz" für mich, weil das technisch hervorragende, fein differenzierende Klavierspiel wunderbar harmoniert mit dem klanglich bestens eingefangenen, transparenten und ebenfalls dynamisch gut abgestuften Orchester.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich danke erstmal allen für die interessanten Tipps, da fällt ja eine Auswahl nicht schwer. Das C-Dur-Konzert von Beethoven ist noch etwas unterschätzt, öfter werden die 3 letzteren Klavierkonzerte von Beethoven gespielt. Nachdem ich seine Sinfonien nun wirklich mehr als reichhaltig habe, sind die Konzerte in meiner Sammlung noch ein wenig unterbelichtet. Buchbinder sollte man vielleicht auch erwähnen, die habe ich komplett mit den Wienern auf DVD.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat von timmiju

    Das C-Dur-Konzert von Beethoven ist noch etwas unterschätzt,...

    Das ist alles eine Frage der Perspektive, lieber timmiju. Wenn man alle Klavierkonzerte betrachtet, die vor ihm da waren, ist es m. E. ein Quantensprung.

    Zum Beweis will ich noch einmal in die Vergangenheit greifen mit dieser Einspielung aus dem Jahre 1960 mit einem der größten Beethovenpianisten aller Zeiten, Swjatoslaw Richter, und dem Boston Symphony Orchestra unter seinem damaligen Chefdirigenten Charles Munch:

    Allein in der Orchestereinleitung des Kopfsatzes, wenn das erste ff-Tutti ertönt, läuft mir ein Schauer über den Rücken: da ist sie die neue Zeit, der Titan ist erwacht- und dann der erste Einsatz Richters- ein Traum. Ich gerate schon wieder ins Schwärmen. Aber Richter und Münch mit seinen Bostonern sind ein beredtes Beispiel dafür, wie groß dieses Klavierkonzert schon ist.


    Liebe Grüße


    Willi:)


    P.S. Die Buchbinder-GA ist natürlich auch eine gute Geldanlage und insofoern auch schon länger in meiner Sammlung, ich meine sogar auf Blu Ray.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zum Beweis will ich noch einmal in die Vergangenheit greifen mit dieser Einspielung aus dem Jahre 1960 mit einem der größten Beethovenpianisten aller Zeiten, Swjatoslaw Richter, und dem Boston Symphony Orchestra unter seinem damaligen Chefdirigenten Charles Munch:

    So ist es, lieber Willi! Für mich hatte das 1. Klavierkonzert von Beethoven immer eine herausragende Stellung, weil ich es eben durch eine herausragende Aufnahme kennenlernte: Arturo Benedetti Michelangeli! Sicher, man hat viele Einspielungen (vor allem Gesamtaufnahmen) in der Sammlung. Aber entscheidend für den persönlichen Stellenwert sind solche singulären Aufnahmen. Deswegen verstehe ich auch absolut die Gereiztheit nicht, wenn ich eine Aufnahme der überhaupt ersten Einspielung des Konzerts von 1925 - dazu noch die Erstveröffentlichung - hier vorstelle. Ich habe mir daraufhin Perahia, Ushida, Andsnes ausschnittsweise angehört. Keine(r) von ihnen haut mich so vom Sessel wie Kempff in dieser alte Aufnahme - auf alle kann ich letztlich verzichten, auf Kempff 1925 einmal gehört nicht mehr. Sicher sind das sehr gute Aufnahmen, und wer Ushida und Perahia sammelt, wird sie haben. Ich schätze ja beide auch. Aber Kempff hat einfach mehr zu sagen. Ich habe mir gestern noch mal im Vergleich die Aufnahme mit Leitner angehört. Der zweite Satz ist sagenhaft - ein Traum! Und auch der 3. So differenziert, so klassisch ausbalanciert, so schön gespielt, das ist unbeschreiblich. Absolute Meisterschaft kann man das nur nennen! Und wie anders ist das 1925! Da spielt er den langsamen Satz so gar nicht auf Ausgewogenheit achtend - breiter, exzessiver, mehr dem Moment verhaftet. Das Finale ist mit einer entwaffnenden Nonchalance gespielt, jugendlich frech und frisch. Da merkt man den ungehobelten Rheinländer Beethoven mit nicht so guten Manieren, den freiheitsliebenden Revolutionär. Bei Andsnes oder Perahia oder Ushida klingt das nur brillant im Finale - eloquent, aber glatt. Da fehlt das, was Kempff zu bieten hat, der Ausdruck - die Subjektivität. Ich sage das nicht, um etwas gegen Ushida und Co. zu sagen, nur solche Aufnahmen wie diese von Kempff von 1925 zeigen, was für Dimensionen dieses Werk hat, die im Laufe der Interpretationsgeschichte zum Vorschein kommen und wieder nahezu verschwinden. Meinetwegen sollen die Leute nur aktuelle Aufnahmen hören - aber sie verpassen damit etwas. Man entdeckt das Stück so für sich neu.


    Heute morgen habe ich Emil Gilels gehört - die Konzertmitschnitte aus Amsterdam von op. 78, op. 81a (Les Adieu) und op. 90 (Gilels liegt das 1. Klavierkonzert finde ich gar nicht!). Die klassizistischste Aufnahme von Gilels besonders von op. 78 und op. 81a, die ich kenne. Der langsame Satz von op. 78 ist zum Dahinschmelzen schön! Op. 90 ist ganz anders als bei Kempff! 1928 rückt Kampff die Sonate in die Nähe von Schubert - so klingt der 2. Satz seltsamer Weise lebhafter als der Erste. Sehr klug verhindert er eine falsche Romantisierung durch seine rhetorischen Akzente. Gilels spielt die Sonate viel "klassischer" und Beethoven näher wenn man so will, mit komplementären Kontrasten usw. Besonders op. 90 ist eine absolute Gilels-Sternstunde! So, und nun muss ich mich an die Arbeit machen! :)


    Liebe Grüße

    Holger

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  • RE: Gilels und das KK 1

    Gilels liegt das 1. Klavierkonzert finde ich gar nicht!

    Es mag ja sein, dass Pianisten wie Arrau und Richter noch mehr "Schmelz" herausholen, lieber Holger.

    :no: Aber das Gilels als Beethoven-Pianist das 1.KK nicht liegt finde ich recht übertrieben ausgedrückt.

    :) Mir persönlich liegen seine Aufnahmen mit Szell (EMI) und sogar auch die orchestral ungestüme (und klanglich nicht so perfekte) mit Masur (Brillant) sehr !



    Nun zu einer weiteren Aufnahme mit Ashkenazy:

    In den letzten Tagen habe ich mir eine Aufnahme angehört, die mir (als Solti-Fan) hier bei Tamino empfohlen wurde und die erst nach vielen anderen KK-GA recht spät im Jahre 2011 zu mir fand:

    Ashkenazy / Chicago SO / Solti (Decca)

    Auch hier überzeugt Solti orchestral mit zupackendem Zugriff und zeigt welcher Beethoven bereits im 1.KK (das ja eigentlich das Zweite ist) bereits in Beethoven steckt. Einfach Klasse in jeder Beziehung diese Aufnahme. Pianistisch brillant gespielt, wenngleich sicher nicht die alleroberste Spitze;) bei der vorhandenen Konkurrenz; aber mir gefällts absolut.

    Decca, 1972-3, 1984, ADD/DDD


    Wer hat diese Aufnahme(n) und kann meine Begeisterung nachvollziehen ?

    :hello:Willi, Du hast diese Decca-Box ja bereits auf seinem Einkaufszettel. ES lohnt sich !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • das Gilels als Beethoven-Pianist das 1.KK nicht liegt finde ich recht übertrieben ausgedrückt.

    :) Mir persönlich liegen seine Aufnahmen mit Szell (EMI) und sogar auch die orchestral ungestüme (und klanglich nicht so perfekte) mit Masur (Brillant) sehr !

    Lieber Wolfgang,


    aufgrund Deiner Antwort habe ich eben noch einmal in die Aufnahme Szell/Gilels reingehört und fühle mich bestätigt, dass dies eine der weniger gelungenen Aufnahmen des Konzerts ist. Schon in der Einleitung finde ich Szell sehr uninspiriert. Er dirigiert das Szell typsch exakt - aber hölzern und statisch wie einen Militärmarsch. Da fehlt die mitreißende Begeisterung, die ein Carlro Maria Guilini etwa hat, obwohl er ein gar nicht so frosches Tempo wählt. Szell ist auch nicht gerade schnell, was man auch nicht sein muss. Guilini versteht es eben, auch in einem solchen moderaten Tempo zu fesseln vom ersten Ton an. Und das Grundgebrechen dieser Aufnahme ist die fehlende Übereinstimmung zwischen Dirigent und Solist. Gilels spielt das Konzert nämlich absolut unkonzertant und stromlinienförmig wie ein verspätetes Mozart-Konzert. Also Szell ist militärisch zackig und Gilels macht genau das nicht mit. Sehr seltsam. Pianistisch ist das natürlich auf höchstem Niveau, aber unpassend, weil das früher Beethoven ist, konzertant und auch mit einer gewissen Energie gespielt werden sollte. Im langsamen Satz ist Szells Orchester fürchterlich betuhlich und bieder. Da kommt auch wieder keine Begeisterung auf. Und Gilels spielt das auch wieder spannungslos gelassen wie ein Mozart-Konzert. Dann kommt der große Stilbruch: Im Finale finden plötzlich Dirigent und Solist zusammen. Da ist auf einmal Temperament und Verve drin und es wird betont rhythmisch. Nur passt es nicht zum Vorherigen, das ist keine schlüssige Fortsetzung des vorher gewälten Interpretationsansatzes, sondern einfach ein abrupter Bruch. Ich erinnere mich auch, mir andere Gilels-Aufnahmen im Vergleich angehört zu haben. Auch da war ich nicht überzeugt. Ich habe ja nicht nur die EMI-Aufnahmen, sondern auch noch die mit Sanderling und der Tschechischen Philharmonie. Vielleicht höre ich das nachher gleich nochmals. Ashkenazy habe ich leider nicht - sonst habe ich die Sonaten von ihm, aber nicht die Konzerte. Sollte ich aber eigentlich haben als Ashkenazy-Sammler... ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Wolfgang,


    dann besorge Dir mal diese Aufnahme (gibt es nur noch bei amazon.com) - dann feurst du den Szell in die Ecke! Das Orchester hat Feuer und zugleich Eleganz bei diesem Radio-Live-Mitschnitt vom Festival Prager Frühling von 1958. Emil Gilels ist da noch der "junge Wilde", der er in seinen frühen Jahren war, der derb zupacken kann wenn es sein muss, aber auch fein und klassisch formbewusst spielen. Da spielt er völlig befreit, funkensprühend! Das ist früher Beethoven wie er sein muss! Diese Aufnahme jedenfalls gehört zu den allerbesten. In der Szell-Aufnahme wirkt das alles viel zu "überlegt" - da haben sich irgendwie Solist und Dirigent gegenseitig im Weg gestanden, zu viel "gewollt" offenbar. Das ist einfach Krampf - im Gegensatz zu dieser fabelhaften Aufnahme:


    914C8B2ej%2BL._SX300_.jpg


    Hier der Link (kleiner grauer Punkt):




    Der Punkt sehe ich gerade ist amazon.de, da wollen sie den Mondpreis von 270 Euro haben. Bei amazon.com kriegst Du die Box für 47 Dollar:


    https://www.amazon.com/Beethov…15&s=gateway&sr=8-1-fkmr1


    Schöne Grüße

    Holger

  • Zitat von Dr. Holger Kaletha

    Ich habe mir gestern noch mal im Vergleich die Aufnahme mit Leitner angehört

    Lieber Holger, die Gesamtaufnahme Kempff/Leitner aus der ersten Hälfte der 60er Jahre:

    war die erste überhaupt, die ich vor vielen Jahren auf CD erwarb und davor schon auf LP hatte. Ich halte sie als Gesamtaufnahme heute noch für eine Referenz, timmiju wollte ja den Fokus wohl auf Aufnahmen, speziell des op. 15, von lebenden Pianisten legen.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Holger,


    glaube ich Dir gerne, dass diese historische Aufnahme mit Sanderling der Szell - Aufnahme vorzuziehen ist. Die muss ich aber nicht auch noch haben ...


    *** Gilels hat das KK 1 mit sehr vielen Dirigenten aufgenommen. 8) Wenn man etwas nicht schätzt, dann ist das eigentlich ausgeschlossen !

    Die genannten mit Sanderling / Tschechische PH und Szell (EMI); vorher mit Vandernoot (die auch neben Szell in der Gilels-EMI-Box in Mono enthalten ist, die Du auch hast);

    dann auch noch einmal mit Sanderling / Leningrader PH (Melodiya);

    und dann die von mir trotz der immer wieder nachgesagten schlechten Orchesterleistung geschätzte mit dem Staatlichen SO der UDSSR / Masur (Brillant), die ich gar nicht so übel und packender als mit Szell empfinde !



    Unter meinen Favoriten für das KK 1 steht bei mir die Aufnahme mit Gould / Golschmann (SONY), wegen der ausgezeichneten Orchesterleistung des Columbia SO gepaart mit Glenn Goulds phantastischem genau dazu passenden Klavier. Eine Aufnahme, die wegen der Gould-Kadenz polarisiert, wie es bereits nemorino wenige Beiträge höher verlauten liess. (Mit Gould gefällt mir nur nicht die Stokowski-Aufnahme des KK5 wegen des "mal eben so gewählten" viel zu langsamen Tempos. Die KK 2 - 4 dazwischen mit Bernstein sind ebenso ganz oben auf meiner Favoritenliste).




    Die Willi im Vorbeitrag genannten Kempe / Leitner-Aufnahmen gehörten damals in die LP-Beethoven-Edition (DG), die habe ich in meinem Elternhaus auch zuerst kennengelernt ... und sie wurden als Spitzenaufnahmen immer hoch gehalten.

    Später dann bei mir auf CD von Brendel / Haitink (Philips) quasi abgelöst, bei der GA die Chorfantasie op.80 das non plus ultra bleibt !

    Gut, aber speziell beim KK 1 für mein Ohr kein Durchbruch war dann Fleisher / Szell (SONY);

    schon TOP, aber beim KK 1 fehlt mir Bernsteins starke Hand bei Zimerman / WPO (DG, habe ich auf DVD) ... dann kam noch so viel, was ich gar nicht mehr behaltenwert empfand.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • glaube ich Dir gerne, dass diese historische Aufnahme mit Sanderling der Szell - Aufnahme vorzuziehen ist. Die muss ich aber nicht auch noch haben ...


    *** Gilels hat das KK 1 mit sehr vielen Dirigenten aufgenommen. 8) Wenn man etwas nicht schätzt, dann ist das eigentlich ausgeschlossen !

    Die genannten mit Sanderling / Tschechische PH und Szell (EMI); vorher mit Vandernoot (die auch neben Szell in der Gilels-EMI-Box in Mono enthalten ist, die Du auch hast);

    dann auch noch einmal mit Sanderling / Leningrader PH (Melodiya);

    und dann die von mir trotz der immer wieder nachgesagten schlechten Orchesterleistung geschätzte mit dem Staatlichen SO der UDSSR / Masur (Brillant), die ich gar nicht so übel und packender als mit Szell empfinde !

    Lieber Wolfgang,


    ich habe gesehen, dass ich die Aufnahme mit Masur auch habe - die ist von 1976. Die werde ich mir anhören. Bei Gilels war es nachvollziehbar so, dass er mit reiferem Alter sich von seiner Jugend-Naivität in der Interpretation des Konzerts distanzieren wollte und so ein anderes Konzept wählte. Das ist ein Prozess, der natürlich Zeit braucht. Und Szell ist ihm damals einfach nicht entgegegengekommen bei diesem seinen Selbstfindungsprozess. Ich habe zudem bei Solti reingehört und er gefällt mir in der Einleitung schon genauso wenig wie Szell. Beide sind bezeichnend ungarische Dirigenten. Dabei ist mir klar geworden, woran es fehlt: Das ist zwar ein Marsch, aber es braucht eine tänzerische Note, um die Musik in die Schwebe zu bringen, damit sie klassische Leichtigkeit bekommt. Szell und Solti dirigieren hyperpräzise einen Marsch, interessieren sich jedoch nur für den Marschrhythmus - aber bleiben dabei völlig untänzerisch. Dann wirkt das trotz Präzision schwer und einfach zu "irdisch" am Boden klebend, militärisch gedrillt ohne Zauber. Gould finde ich auch bemerkenswert - weil die Aufnahme vom Mainstream abweicht und eine unverwechselbar eigene Note hat. Mit Zimerman kann ich weniger anfangen, er ist finde ich einfach kein Beethoven-Spieler.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Emil Gilels und Kurt Masur (Moskau 1976)



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    Es lohnt sich manchmal doch, die Aufnahmen, die man in der Sammlung hat, durchzuhören, auch wenn man mehrere Aufnahmen vom selben Interpreten hat! Hier ist Emil Gilels wieder ganz bei sich selbst. Schon der Auftakt ist bemerkenswert. Ich gebe den Link zum Notentext (Klavierauszug):


    http://kreusch-sheet-music.net…_Klavierkon_150_45485.pdf


    Bemerkenswert ist schon der Einsatz des Klaviers: In keiner anderen Aufnahme hört man so prägnant das Eröffnungsmotiv (Halbe und drei punktierte Viertel), dass der Pianist im Bass mit dem Orchester kommunizierend heraushämmert (S. 1 u. S. 7). Hier hat Gilels zu sich selbst gefunden. Da ist die Art zu spüren aus der Szell-Aufnahme, aus einem Fluß heraus zu musizieren. Aber dieses Detail zeigt, dass Gilels mit dem Orchester wirklich kommuniziert, die konzertante Seite nicht durch Verinnerlichung reduziert. Die Themen sind auch ungemein plastisch, klassisch klar. Dazu kommt die jugendlich-kraftvolle Art, zu der er hier wieder zurückfindet: der kernige kräftige Ton. Das ist ein völlig unsentimentaler Beethoven, ohne jede Romantisierung und Ästhetisierung. Die Kadenz im ersten Satz ist atemberaubend. Und auch der zweite ist singulär. In keiner anderen Aufnahme spürt man so Goethe im Hintergrund: "Das Romantische nenne ich krank, das Klassische gesund!" Das ist eine gesunde Klassizität, keine empfindsame Verzärtelung, Beethoven als Ausdruck von ungebrochener innerer Kraft, ohne dass es jemals deutsch-grobschlächtig werden würde. Im Finale packt Gilels zu - burschikos und sehr kraftvoll. Eine in ihrer Art unvergleichliche Aufnahme eines der ganz großen Beethoven-Spieler. So kann man dieses Konzert nur von Gilels gespielt hören. Und genau deshalb ist diese Aufnahme unverzichtbar!


    Nur noch ein Nachtrag: Alfred Brendel bemerkt übrigens das Problem des fehlenden Alla breve-Zeichens in vielen Ausgaben, dass auch in dieser oben abgebildeten Ausgabe (Klavierauszug) fälschlich fehlt.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    Es freut mich, dass die Gilels / Masur - Aufnahme von Dir so gut bewertet wird wie von mir.

    Allgemein wird immer die Orchesterleistung bemängelt, was ich nie nachvollziehen konnte. Ich schätze ja ohnehin den Klang des Staatlichen SO der UDSSR Moskau ... und dann noch mit Gilels ausgezeichneter Int :angel: .


    Ja, diese Kadenzen im KK1 sind mir auch gleich als ganz herausragend im Vergleich zu anderen Aufnahmen aufgefallen.

    :love: Du hast es erkannt ... Diese Aufnahme ist unverzichtbar. Sie trifft genau meinem Geschack für Beethoven.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Es freut mich, dass die Gilels / Masur - Aufnahme von Dir so gut bewertet wird wie von mir.

    Allgemein wird immer die Orchesterleistung bemängelt, was ich nie nachvollziehen konnte. Ich schätze ja ohnehin den Klang des Staatlichen SO der UDSSR Moskau ... und dann noch mit Gilels ausgezeichneter Int :angel: .


    Ja, diese Kadenzen im KK1 sind mir auch gleich als ganz herausragend im Vergleich zu anderen Aufnahmen aufgefallen.

    :love: Du hast es erkannt ... Diese Aufnahme ist unverzichtbar. Sie trifft genau meinem Geschack für Beethoven.

    :thumbup: Lieber Wolfgang, schön, dass wir uns da einig sind. :) Die Leistung von Dirigent und Orchester ist vielleicht in der Tat nicht in der allervordersten Reihe (da ist Kurt Sanderling mit der Tschechischen Philharmonie 1958 eindeutig besser, finde ich!) anzusiedeln, aber immer noch sehr gut. Das fällt dann einfach nicht ins Gewicht für mich. Gewisse Abstriche muss man auch bei der Aufnahmetechnik machen - die Aussteuerung, wie sie da am Laut-leise-Knopf gedreht haben und der Pegel schwankt, ist schon etwas eigenwillig, der 2. Satz z.B. viel zu leise. Aber auch das finde ich ist sekundär - ich bin kein Hifi-Fetischist. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Hallo,


    von den Klavierkonzerten Beethovens besitze ich eine recht große Sammlung.


    Ich höre sie regelmäßig, irgendeines der Fünf passt immer zuir Tagesstimmung.


    Anfangs waren es die kontrastreichen Einspielungen, im Laufe der Zeit hat sich das deutlich verändert.


    Was überhaupt nicht paßt, ist Beethoven a la Tchaikovsky.


    Referenz ist klar und eindeutig: Perahia


    Es grüßt


    Karl

  • Was überhaupt nicht paßt, ist Beethoven a la Tchaikovsky.

    Hallo Karl,


    wer macht denn sowas? Hast Du da jemand Bestimmten im Auge bzw. im Ohr? Würde mich echt interessieren.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Nemorino,


    es betrifft das Orchester, es reichen dabei die ersten 3 Minuten bei Gilels/Szell.


    Es grüßt


    Karl

  • es betrifft das Orchester, es reichen dabei die ersten 3 Minuten bei Gilels/Szell.

    Hallo Karl,


    das ist aber ein schwerer Vorwurf, den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann!

    Mich hat schon Holgers Kritik in Beitrag 287 irritiert:

    Schon in der Einleitung finde ich Szell sehr uninspiriert. Er dirigiert das Szell typsch exakt - aber hölzern und statisch wie einen Militärmarsch.

    ….. doch daß ein Dirigent vom Format George Szells Beethoven "à la Tschaikowsky" interpretiert, und das noch in einer Aufnahme, die in minutiöser Vorarbeit intensiv geprobt wurde, eben weil man mit der Kombination Gilels/Szell den Musikfreunden etwas ganz Besonderes präsentieren wollte, klingt für mich mehr als abenteuerlich.

    Nun bin ich nur ein musikbegeisterter Laie, dessen Urteilsvermögen demnach begrenzt ist, aber immerhin hat die GA der Beethoven-Konzerte mit Gilels/Szell mehrere internationale Preise erhalten, darunter auch den renommierten "Deutschen Schallplattenpreis 1970", dessen Jury mit so prominenten, anerkannten Musikwissenschaftlern und -Kritikern wie Dr. Arno Forchert, Jürgen Meyer-Josten und Gottfried Kraus hervorragend besetzt war. Hier ein kurzer Auszug aus den Jury-Protokollen: " ….. eine von der Interpretation her gewichtigste Kassette mit den fünf Beethoven-Konzerten. Dokument einer faszinierenden Partnerschaft, in Details von geradezu vollkommener Schönheit. Höhepunkte sind vor allem die langsamen Sätze (….) trotz der großartigen Versionen von Rubinstein, Arrau, Backhaus ein Beethoven mindestens für das kommende Jahrzehnt …."

    Ich kann Holger durchaus zustimmen, wenn er Giulinis (in der Aufnahme mit ABM, DGG) beweglicheres, lockeres Musizieren hervorhebt, aber daß Szells Orchester im langsamen Satz "fürchterlich betulich und bieder" klingt, erschließt sich mir auch nach mehrmaligem Hören nicht. Ich habe mir die Aufnahme in den letzten Tagen nach längerer Pause wieder vorgenommen (den 2. Satz sogar zweimal) und bin auch jetzt wieder begeistert von diesem großartigen Zusammenspiel. Lediglich die Aufnahmetechnik scheint mir nicht auf dem Stand des damals Möglichen zu sein. Es mag daran liegen, daß EMI auf das Equipment von CBS zurückgreifen mußte (die Aufnahmen entstanden in Cleveland, nach langwierigen Verhandlungen mit CBS und der russischen MELODIJA, und Bertelsmanns EURODISC, die den (west-)deutschen Exklusivvertrieb des Sowjetlabels in Händen hatte, wollte auch noch ein gewichtiges Wort mitreden. Schlußendlich erschien die LP-Kassette mit mehrmonatiger Verzögerung in Deutschland im Vertrieb von Eurodisc, obwohl EMI die Originalaufnahmen gemacht hatte. Erst lange nach Einführung der CD konnten die Aufnahmen in Deutschland unter "Angels Records" (EMI) vertrieben werden.


    Geschmäcker können bekanntlich sehr verschieden sein, aber "Beethoven à la Tschaikowsky" scheint mir denn doch eine sehr gewagte These zu sein, die der sachlichen Grundlage entbehrt. Das ist zumindest mein persönlicher Eindruck.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Nemorino,


    musikalische Beurteilungen - egal von wem - können Orientierung bieten und Hilfestellung sein. Gerade wenn man sich daran reibt, schält sich der eigene Geschmack umso besser heraus. Stör dich deshalb nicht an meiner Aussage, sie trägt letztendlich dazu bei, deine eigene Vorliebe zu begründen und zu verstehen.


    Grundsätzlich schätze ich Szell allerdings sehr, insbesondere seine Beethoven Sinfonien brauchen den Vergleich nicht zu scheuen.


    Ein kleiner Nachschub:


    Das 1.KK lebt von einer inneren Schönheit und Zartheit, die Szell nicht herausarbeitet.


    Aber hör dir mal die Sony Aufnahme mit Haitink/Perahia an, da erstrahlt das 1.KK im homogenen und fließenden Glanze.


    Es grüßt


    Karl

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