Ludwig van Beethoven - Klavierkonzert Nr 1 in C-dur op 15

  • das ist aber ein schwerer Vorwurf, den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann!

    Mich hat schon Holgers Kritik in Beitrag 287 irritiert:

    Lieber Nemorino,


    nein - ich glaube, Szell hat in seinem Leben Rachmaninow wohl überhaupt nie dirigiert. Ich verstehe auch nicht, was da nach Rachmaninow klingen soll!

    ….. doch daß ein Dirigent vom Format George Szells Beethoven "à la Tschaikowsky" interpretiert, und das noch in einer Aufnahme, die in minutiöser Vorarbeit intensiv geprobt wurde, eben weil man mit der Kombination Gilels/Szell den Musikfreunden etwas ganz Besonderes präsentieren wollte, klingt für mich mehr als abenteuerlich.

    Nun bin ich nur ein musikbegeisterter Laie, dessen Urteilsvermögen demnach begrenzt ist, aber immerhin hat die GA der Beethoven-Konzerte mit Gilels/Szell mehrere internationale Preise erhalten, darunter auch den renommierten "Deutschen Schallplattenpreis 1970", dessen Jury mit so prominenten, anerkannten Musikwissenschaftlern und -Kritikern wie Dr. Arno Forchert, Jürgen Meyer-Josten und Gottfried Kraus hervorragend besetzt war. Hier ein kurzer Auszug aus den Jury-Protokollen: " ….. eine von der Interpretation her gewichtigste Kassette mit den fünf Beethoven-Konzerten. Dokument einer faszinierenden Partnerschaft, in Details von geradezu vollkommener Schönheit. Höhepunkte sind vor allem die langsamen Sätze (….) trotz der großartigen Versionen von Rubinstein, Arrau, Backhaus ein Beethoven mindestens für das kommende Jahrzehnt …."

    Ich kann Holger durchaus zustimmen, wenn er Giulinis (in der Aufnahme mit ABM, DGG) beweglicheres, lockeres Musizieren hervorhebt, aber daß Szells Orchester im langsamen Satz "fürchterlich betulich und bieder" klingt, erschließt sich mir auch nach mehrmaligem Hören nicht.

    Mich hat diese Szell-Aufnahme besonders beim 1. Konzert nie überzeugt. Bei Gilels ist es glaube ich erhellend, wenn man die Szell-Aufnahme im Kontext der anderen hört. Dann stellt man fest, dass er dort bewusst seinen eher burschikosen und "robusten" Zugriff von 1958 reduziert hat, da ist eine Tendenz zur Verinnerlichung festzustellen - ein entspanntes Musizieren wie bei einem Mozart-Konzert, sehr stromlinienförmig. Und genau da spielen Szell und Gilels finde ich völlig aneinander vorbei. (Ein anderes Beispiel, was mir jetzt einfällt ist Van Cliburn. Beim Tschaikowsky-Konzert mit Kondrashin gibt es eine perfekte Übereinstimmung (Kondradshin war überhaupt einer der allerbesten Begleiter von Solisten, er garantiert immer eine gelungene Aufnahme, ist da sozusagen eine Bank), dagegen beim 2. Rachmaninow-Konzert spielen Fritz Reiner und Cliburn nebeneinander her statt zusammen.) Szell dirigiert das hyper exakt. Gewiss. Aber das ist sehr ungarisch - da fehlt die Transzendierung des Marsches ins Klassische. Es klingt einfach zu prosaisch. Beethoven ist aber kein Bartok! Das war das, was ich mit der tänzerischen Note meinte, welcher dem Marsch die Bodenhaftung nimmt und ihn in die Schwebe bringt. Das fehlt bei Szell. Gerade Gilels klassische Entspanntheit findet in Szells Angespanntheit keine Entsprechung. Er dirigiert das Konzert wie er es wohl immer dirigiert hat ohne Rücksicht auf den Solisten. Karajan z.B. konnte sich sehr gut auf die verschiedenen Solisten einstellen - hörbar beim Tschaikowsky-Konzert. Szells Aufnahme ist perfekt, wirkt aber steril. Da kommt für mich einfach keine Begeisterung auf. Gerade im langsamen Satz fehlt mir die Inspiration. Das London SO ist ein sehr brillantes Orchester - hier klingt es sehr britisch nüchtern. Kein Vergleich mit der Tschechischen Philharmonie. Da ist eine ganz andere Beseeltheit zu hören.


    Ich habe übrigens gestern Richter mit seiner Aufnahme aus Prag gehört. Da finde ich hat Gilels eindeutig die Nase vorn. Richter ist mir hier zu intellektuell, geht dieses Konzert zu sehr mit dem Kopf an. :hello:


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    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    gerade habe ich mal in Gilels/Szell hineingehört. Ich kann nachvollziehen, was du beschreibst.


    Die Aufnahme mit Sanderling und der Tschechischen Philharmonie kenne ich leider nicht. Ist sie evtl. auch in dieser Box

    drin? Ich finde nirgends zuverlässige Angaben.


    LG Barere

  • Szell dirigiert das hyper exakt. Gewiss. Aber das ist sehr ungarisch - da fehlt die Transzendierung des Marsches ins Klassische.

    Lieber Holger,


    ich gebe Dir insofern recht, als Giulini und auch Leitner (mit Kempff) den Anfang entspannter spielen lassen, doch mir gefällt auch Szells ganz andersartiger Ansatz durchaus. Es ist eben eine andere Sichtweise, die möglicherweise in Szells ungarischer Herkunft begründet ist. Aber daß die ersten drei Minuten "Beethoven à la Tschaikowsky" sein sollen, wie Karl das empfindet, das halte ich dann doch für ziemlich überzogen. Aber vielleicht wollte er ja wirklich nur polarisieren, wie er in seinem letzten Eintrag andeutet.


    Szells Aufnahme ist perfekt, wirkt aber steril. Da kommt für mich einfach keine Begeisterung auf. Gerade im langsamen Satz fehlt mir die Inspiration. Das London SO ist ein sehr brillantes Orchester - hier klingt es sehr britisch nüchtern. Kein Vergleich mit der Tschechischen Philharmonie.

    Hier muß ich Dich korrigieren, lieber Holger. Szell spielt nicht mit dem LSO, sondern mit seinem Cleveland Orchestra, das er seit 1946 unter seiner Fuchtel hatte. Er war ja bekannt für seinen Präzisionsfetischismus, und der ist natürlich nicht zu überhören. Uninspiriert möchte ich das allerdings nicht nennen, aber im Vergleich mit den oben genannten Kollegen klingt es härter, straffer, oder, wie Du es nennst, "militärisch".

    Ich habe heute in seine zweite Studioaufnahme mit Leon Fleisher (CBS) reingehört, die sieben Jahre früher, 1961, entstanden ist. Auch da dirigiert er das Cleveland Orchestra, und er ist sogar noch flotter unterwegs, die Orchestereinleitung dauert da nur 2.46 Min., während er in der Gilels-Aufnahme exakt 3 Minuten braucht. Die Aufnahme mit der Tschechischen Philharmonie kenne ich leider nicht.

    Anschließend habe ich mir noch die Einleitung des ABM-Mitschnitts von 1979 mit Giulini (DGG) und die von Karajan (in der Eschenbach-Aufnahme von 1966) angehört. Beide liegen tempomäßig fast gleich, Giulini 3.11 und Karajan 3.16 Min. Beide sind natürlich Welten von Szell entfernt, es klingt bei ihnen eleganter, klassischer, und Karajan arbeitet noch mehr die dynamischen Kontraste heraus und klingt noch eine Spur majestätischer als Giulini. Zumindest kommt es mir so vor.

    Ich denke, auch hier "führen viele Wege nach Rom", und letztlich möchte ich keine der genannten Versionen in meiner Sammlung missen.


    Ein schönes Wochenende nach Münster und

    liebe Grüße, Nemorino:hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Holger,


    kennst Du die Aufnahme von Svjatoslav Richter mit Münch und dem Boston Symphony Orchestra aus 1960, als Richter erstmals in den USA konzertieren durfte? Ich meine die Studioproduktion, nicht den Live-Mitschnitt des Konzerts. Ich hatte schon die Original-LP und später diese CD-Version gekauft:

    Ich habe die Aufnahme lange nicht mehr gehört, aber sie ist mir in lebhafter, vor allem sehr positiver Erinnerung. Ich müßte allerdings meine Eindrücke mal wieder auffrischen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • gerade habe ich mal in Gilels/Szell hineingehört. Ich kann nachvollziehen, was du beschreibst.


    Die Aufnahme mit Sanderling und der Tschechischen Philharmonie kenne ich leider nicht. Ist sie evtl. auch in dieser Box

    drin? Ich finde nirgends zuverlässige Angaben.

    Lieber Barere,


    das müsste sie sein! Denn ich wüsste nicht, dass Sanderling und Gilels mit der Tschech- Philh. in Prag etwas Anderes aufgenommen hätten als die Beethoven-Konzerte. Schön, wenn es so ist, dass die Aufnahmen wieder verfügbar sind! :)


    Einen schönen Sonntag wünschend

    Holger

  • ich gebe Dir insofern recht, als Giulini und auch Leitner (mit Kempff) den Anfang entspannter spielen lassen, doch mir gefällt auch Szells ganz andersartiger Ansatz durchaus. Es ist eben eine andere Sichtweise, die möglicherweise in Szells ungarischer Herkunft begründet ist.

    Lieber Nemorino,


    das halte ich auch für plausibel, zumal ihm sein ungarischer Landsmann Solti in diesem Punkt ja nicht unähnlich ist.

    Hier muß ich Dich korrigieren, lieber Holger. Szell spielt nicht mit dem LSO, sondern mit seinem Cleveland Orchestra, das er seit 1946 unter seiner Fuchtel hatte. Er war ja bekannt für seinen Präzisionsfetischismus, und der ist natürlich nicht zu überhören. Uninspiriert möchte ich das allerdings nicht nennen, aber im Vergleich mit den oben genannten Kollegen klingt es härter, straffer, oder, wie Du es nennst, "militärisch".

    Du hast natürlich Recht! Ich hatte da fälschlich die singuläre Szell-Aufnahme mit den Wunderhornliedern (Fidi und E. Schwarzkopf) im Kopf! :D Vielleicht ist des Rätsels Lösung, was mich da stört, auch die fehlende gewisse innere Freiheit, indem die Musiker wie Musterschüler ihres Meisters - zudem noch in einer Studioaufnahme "für die Ewigkeit" - es besonders korrekt machen wollen und ihr Spiel entsprechend ein bisschen steif wirkt. :)

    Ich habe heute in seine zweite Studioaufnahme mit Leon Fleisher (CBS) reingehört, die sieben Jahre früher, 1961, entstanden ist. Auch da dirigiert er das Cleveland Orchestra, und er ist sogar noch flotter unterwegs, die Orchestereinleitung dauert da nur 2.46 Min., während er in der Gilels-Aufnahme exakt 3 Minuten braucht.

    Die habe ich glaube ich auch, wenn sie in dieser Box drin ist:



    Dann höre ich mir das natürlich auch an - wahrscheinlich komme ich aber erst morgen dazu!

    Anschließend habe ich mir noch die Einleitung des ABM-Mitschnitts von 1979 mit Giulini (DGG) und die von Karajan (in der Eschenbach-Aufnahme von 1966) angehört. Beide liegen tempomäßig fast gleich, Giulini 3.11 und Karajan 3.16 Min. Beide sind natürlich Welten von Szell entfernt, es klingt bei ihnen eleganter, klassischer, und Karajan arbeitet noch mehr die dynamischen Kontraste heraus und klingt noch eine Spur majestätischer als Giulini. Zumindest kommt es mir so vor.

    Meinst Du die Karajan-Aufnahme mit Alexis Weissenberg?

    Ich denke, auch hier "führen viele Wege nach Rom", und letztlich möchte ich keine der genannten Versionen in meiner Sammlung missen.

    Du hast Recht mit Rom ;) - allein schon weil es Gilels ist will ich diese Aufnahme natürlich unbedingt haben, weil sonst eine wichtige Etappe in seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit diesem Werk fehlen würde.

    kennst Du die Aufnahme von Svjatoslav Richter mit Münch und dem Boston Symphony Orchestra aus 1960, als Richter erstmals in den USA konzertieren durfte? Ich meine die Studioproduktion, nicht den Live-Mitschnitt des Konzerts. Ich hatte schon die Original-LP und später diese CD-Version gekauft:

    Die habe ich leider nicht - nur diesen Mitschnitt aus Prag! :hello:


    Einen schönen Sonntag wünscht

    Holger

  • Hallo,


    wenn es denn mehr höfisch und pompös wie bei Szell zur Sache gehen soll - was dem 1 KK von Beethoven eine ganz andere Richtung verleiht - würde ich das in verträglicher Form abgemildert und in hervorragender Aufnahmequalität bei dieser Aufnahme suchen:



    Es grüßt


    Karl

  • Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Die habe ich glaube ich auch, wenn sie in dieser Box drin ist:

    Dann höre ich mir das natürlich auch an - wahrscheinlich komme ich aber erst morgen dazu!

    Lieber Holger,


    ich bin mir ziemlich sicher, daß sie in der Box enthalten ist. Die ist überhaupt ein echtes Juwel: die wichtigsten Aufnahmen von Leon Fleisher sind praktisch alle drin, u.a. neben den Beethoven-Konzerten auch die von Schumann, Brahms, Grieg (sämtlich mit Szell) und noch etliches andere mehr. Ich selber besitze sie nicht, habe aber fast alles in Einzelausgaben, so daß sich für mich die Anschaffung nicht lohnt.



    Meinst Du die Karajan-Aufnahme mit Alexis Weissenberg?

    Nein, ich meine die Einzelaufnahme mit Christoph Eschenbach von 1966 (DGG):

    Beethoven: Piano Concerto No.1 / Triple Concerto by Anne-Sophie Mutter

    Für mich nach wie vor die majestätischste Aufnahme des Werks. Wenn Eschenbach nur diese eine Aufnahme (als Pianist) gemacht hätte, so wäre ihm IMO ein Platz im CD-Olymp sicher! Allein das Adagio bringt mich immer wieder zum Schwärmen: mit 14.01 Min. ist es "rekordverdächtig". Trotz des breiten Tempos verliert der Satz keinen Moment seine Spannung, was natürlich auch dem Dirigenten zu danken ist. Ich bedauere immer wieder, daß aus dieser Zusammenarbeit keine GA geworden ist.

    Die GA Weissenberg/Karajan (EMI) steht auch bei mir, ich habe sie aber lange nicht mehr gehört. Daraus ist mir vor allem das Konzert Nr. 4 in bester Erinnerung.


    Richter/Münch: Es gibt m.W. von seiner USA-Reise sowohl einen Konzertmitschnitt sowie die im direkten Anschluß danach entstandene Studioproduktion vom 2./3.11.1960. Ich besitze nur die Studioaufnahme (wie weiter oben abgebildet), angeblich soll der Mitschnitt aus Boston noch beeindruckender sein, aber klanglich nicht so gut. Der Mitschnitt aus Prag liegt mir nicht vor.


    Schönen Sonntagabend und

    LG, Nemorino



    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Nein, ich meine die Einzelaufnahme mit Christoph Eschenbach von 1966 (DGG):

    Lieber Nemorino,


    ach ja, die Aufnahme hatte ich mir damals auf Dein Anraten hin doch besorgt! Das Alter! :D Je älterer man wird, desto trotteliger wird man! ;( Die Aufnahme ist wirklich außergewöhnlich! :)

    Die GA Weissenberg/Karajan (EMI) steht auch bei mir, ich habe sie aber lange nicht mehr gehört. Daraus ist mir vor allem das Konzert Nr. 4 in bester Erinnerung.

    Diese GA ist wirklich sehr gut, natürlich wegen Weissenberg - nur im 1. Konzert in der Einleitung gefällt mir Karajan mit seinem Legato gar nicht. Da fehlt mir die jugendliche Frische! ^^

    Richter/Münch: Es gibt m.W. von seiner USA-Reise sowohl einen Konzertmitschnitt sowie die im direkten Anschluß danach entstandene Studioproduktion vom 2./3.11.1960. Ich besitze nur die Studioaufnahme (wie weiter oben abgebildet), angeblich soll der Mitschnitt aus Boston noch beeindruckender sein, aber klanglich nicht so gut. Der Mitschnitt aus Prag liegt mir nicht vor.

    Leider habe ich beide Aufnahmen nicht. Ich hette mir von Richter zuletzt noch die Carnegie-Hall-Konzerte besorgt. Dann müssen die also auch noch kommen... :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • das müsste sie sein! Denn ich wüsste nicht, dass Sanderling und Gilels mit der Tschech- Philh. in Prag etwas Anderes aufgenommen hätten als die Beethoven-Konzerte. Schön, wenn es so ist, dass die Aufnahmen wieder verfügbar sind! :)

    Lieber Holger,


    vielen Dank für deine rasche Antwort. Die Box ist auf der Liste!


    LG Barere

  • Das Alter!

    Lieber Holger,


    das kann jedem passieren, mach' Dir nichts draus. Es kommt eher davon, daß man zuviel im Kopf hat!



    Diese GA ist wirklich sehr gut, natürlich wegen Weissenberg - nur im 1. Konzert in der Einleitung gefällt mir Karajan mit seinem Legato gar nicht.

    Wie gesagt, ich habe die Aufnahmen lange nicht mehr gehört, und deswegen auch nicht in meine Vergleiche einbezogen. Dabei stehen sie seit Jahren komplett in meinem Regal (noch bei Saturn in Köln gekauft!):



    Klavierkonzerte 1-5 (Ga)

    Leider gibt es nur eine sehr magere Textbeilage - es war eine Sonderauflage der Electrola.



    Leider habe ich beide Aufnahmen nicht.

    Das Live-Konzert vom 1.11.1960 gibt es auf dieser relativ preiswerten 2 CD-Box:

    die außerdem noch sehr interessante Live-Mitschnitte festhält:

    Das Brahms-Konzert Nr. 2, ebenfalls am 1.11.1960 in Boston mitgeschnitten, mit Charles Münch am Pult (die Studioaufnahme entstand erst am 30.11.1960 in Chicago, leider stand Münch als Dirigent nicht zu Verfügung, deshalb kam Leinsdorf zum Einsatz);

    + das Beethoven-Konzert Nr. 3 in einem Mitschnitt vom 5.11.1954 (mit dem Warschauer Philharmonischen Orchester, Dirigent: Witold Rowicki,

    + das Konzert Nr. 5 von Saint-Saens, mitgeschnitten am 3.4.1955 mit der Leningrader Philharmonie, Dirigent: Kyrill Kondrashin.

    Ich finde, das ist eine äußerst interessante Zusammenstellung. Du kennst aber meine Aversion gegen Live-Mitschnitte, deshalb habe ich nur die beiden kommerziellen Aufnahmen:

    und:

    vor allem die Brahms-Aufnahme ist legendär, aber auch das Beethoven-Konzert mit Münch ist mir als leuchtkräftige, imposante Aufnahme in Erinnerung. Die lange Original-Kadenz im Kopfsatz spielt Richter schier atemberaubend.


    LG Nemorino




    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,


    herzlichen Dank für die Tips zu Richter! Da muss ich nachher mal schauen, was ich habe und was nicht! Ich habe gerade Szell und Fleisher gehört. Auch hier wirkt Szell am Anfang wie eine Militärkapelle - aber in dieser Aufnahme ist er nicht so extrem. Zudem muss man feststellen, dass Szell auch nicht ganz konsequent ist. Wenn er schon so marschartig zackig artikuliert, hätte er auch bei den lyrischen Stellen rhetorischer spielen müssen. Aber Szell ist eben nicht Harnoncourt. Vielleicht wirkt deswegen das Marschartige etwas prosaisch. In der Aufnahme mit Gilels haben die Beteiligten vielleicht zu viel gewollt, zu perfektionistisch agiert. Hier mit Fleisher wirkt Szell eben nicht so steif. Die beiden harmonieren auch besser. Fleisher spielt sehr einnehmend unforciert und klassisch-natürlich, aber auch mit der gewissen Frische eines Amerikaners. In der Kadenz kommt er eindeutig nicht an Benedetti Michelangeli heran - aber da wirkt selbst dessen Meisterschüler Maurizio Pollini etwas pomadig im Vergleich mit seinem Meister. ^^ Im langsamen Satz ist er auch sehr rund, vielleicht aber ein wenig zu glatt. Zuletzt habe ich deshalb noch die Aufnahme mit Paul Badura-Skoda und Hermann Scherchen von 1954 gehört:



    Interessant ist das ganz hervorragende Dirigat von Hermann Scherchen. Ähnlich wie Szell und Solti dirigiert er die Einleitung staccato und marschartig. Doch der Unterschied ist, dass es bei ihm nicht nach Militärkapelle, sondern nach großem Orchester klingt. Er phrasiert einmal emphatischer und vor allem spielt er die thematischen Strukturen und Kontraste viel deutlicher heraus, so dass man sich primär auf die thematische Logik des gegenseitigen Antwortens und damit den symphonischen Satz konzentriert und die Marschidiomatik zwar da ist, aber nicht so penetrant vordergründig. Vom hervorragenden Niveau her tun sich Badura-Skoda und Fleisher nichts. Nur phrasiert Baduro-Skoda doch etwas plastischer, sprechender, gerade im langsamen Satz. Da macht er mehr daraus. Zudem spielt er eine hochinteressante eigene Kadenz. Insgesamt finde ich diese bemerkenswerte Aufnahme einen Tick besser als Szell/Fleisher. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Dank für die Tips zu Richter! Da muss ich nachher mal schauen, was ich habe und was nicht!

    Lieber Holger,


    vielen Dank für Deine Antwort.

    Svjatoslav Richter hat ja interessanterweise nur Beethovens Konzerte Nr. 1 & 3 im Repertoire gehabt, während er um Nr. 2, 4 & 5 zeitlebens einen Bogen gemacht hat, aus unerfindlichen Gründen.

    Das dritte Konzert hat er sogar 2 x im Studio aufgenommen:

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    9/1962 in Wien für die DGG mit den Wiener Symphonikern, Dirigent: Kurt Sanderling (linke Abb.)

    9/1977 in London für EMI mit dem Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Riccardo Muti (rechte Abb.), gekoppelt mit Mozarts Konzert KV 482 (rec. 4/1979), in dem er die Kadenzen von Benjamin Britten zu Gehör bringt.

    Ich habe beide CDs in meiner Sammlung; insgesamt würde ich die frühere DGG-Aufnahme vorziehen, die außerdem das Mozart-Konzert KV 466 aus 1959 (mit Wislocki) und als Zugabe noch das schöne B-dur-Rondo WoO 6 in gleicher Besetzung bringt.


    die Aufnahme mit Paul Badura-Skoda und Hermann Scherchen von 1954

    Die hatte ich bereits mehrfach auf meine Wunschliste gesetzt, zuletzt in dieser Ausgabe:

    aber dann doch nicht gekauft, weil ich bereits 13 GA besitze, die Einzelaufnahmen gar nicht gerechnet. Wann soll man das alles hören, und wo unterbringen? :(



    Szell und Fleisher

    Die GA hatte ich bereits auf LP, später als Einzel-CDs neu beschafft. Fleisher/Szell war immer eine großartige Kombination, leider klingen die alten CBS-Aufnahmen trotz Stereo nicht so gut wie die Gilels/Szell-Produktion von EMI. Sie sind ja auch fast ein Jahrzehnt älter.

    In der Aufnahme mit Gilels haben die Beteiligten vielleicht zu viel gewollt, zu perfektionistisch agiert.

    Das scheint mir eine einleuchtende Erklärung zu sein für den "Erdenrest" dieser ansonsten großartigen Einspielung, die ich auch schon als Eurodisc-LPs hatte und später auf EMI erneut gekauft habe, in diesen 2 CD-Alben:

    Inzwischen hat Warner Classics sie als geschlossene Box wieder veröffentlicht.


    LG Nemorino




    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • vielen Dank für Deine Antwort.

    Svjatoslav Richter hat ja interessanterweise nur Beethovens Konzerte Nr. 1 & 3 im Repertoire gehabt, während er um Nr. 2, 4 & 5 zeitlebens einen Bogen gemacht hat, aus unerfindlichen Gründen.

    Das dritte Konzert hat er sogar 2 x im Studio aufgenommen:

    Lieber Nemorino,


    die DGG-Aufnahme habe ich! :)


    Heute habe ich eine Aufnahme des 1. Klavierkonzerts gehört, in die man sich nur verlieben kann: Geza Anda als Solist und Dirigent 1969:



    Anda ist ja nun auch Ungar, aber dirigiert das so gar nicht "militärisch"! Schon die Einleitung hat eine unglaubliche Leichtigkeit und feine, graziöse Eleganz, dabei dirigiert und spielt er super präzise und die Übereinstimmung von Klavier und Orchester ist perfekt! Er denkt in großen Bögen. Sein Spiel ist von einer betörenden Leichtigkeit und Klarheit, hat Esprit und vor allem: Schönheit! Anda nivelliert nichts, seine Akzente sind lebendig und höchst flexibel, aber er vermeidet zugleich jede Knalligkeit, da gibt es kein "Poltern". Ein klassischer Beethoven, geistreich und vorgetragen mit poetischer Wärme und Charme. Einfach nur wunderbar! :) :) :)


    Ich habe noch eine zweite Aufnahme von ihm:



    Die höre ich vielleicht morgen auch noch!


    Herzlich grüßend

    Holger

  • Heute habe ich eine Aufnahme des 1. Klavierkonzerts gehört, in die man sich nur verlieben kann: Geza Anda als Solist und Dirigent 1969

    Lieber Holger,


    leider liegen mir beide Aufnahmen nicht vor, aber trotzdem ist Géza Anda bei mir mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 vertreten:

    Bach / Mozart: Concertos for 2 Pianos, Beethoven: Piano Concerto No.1 by Clara Haskil (1996-01-01)

    mit dem Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Alceo Galliera (Aufnahme: 2/1955, Abbey Road Studios, London, MONO).

    In einer alten vergleichenden Besprechung von 1959 wird sie ausdrücklich empfohlen, zusammen mit Schnabel/Dobrowen (EMI) und Kempff/van Kempen (DGG).

    Leider ist es eine kleine Ewigkeit her, daß ich sie gehört habe. Deshalb kann ich im Moment wenig dazu sagen. Doch wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, ist sie künstlerisch von hoher Qualität. Natürlich läßt die Klangtechnik einige Wünsche offen.

    Gekoppelt ist das Konzert mit J.S. Bachs Konzert für 2 Klaviere C-dur, BWV 1061 und dem Mozart-Konzert für 2 Klaviere Es-Dur, K. 365, beide aufgenommen im April 1956, sogar in Stereo. Insgesamt eine sehr empfehlenswerte CD, sowohl für Anda- als auch für Haskil-Verehrer (Clara Haskil ist die Partnerin Andas in BWV 1061 und KV 365).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Noch einmal zurück zu Szell und Gilels. Mir hat das doch keine Ruhe gelassen, und auf der Suche nach meiner Gilels-Icon Box:

    habe ich zuerst diese eines österreichischen Pianisten gefunden, der aus dem berühmte Pianisten-Jahrhundert-Jahrgang 1903 stammt:

    und dann habe ich die zuerst gehört, weil dort laut Zeitangabe der Kopfsatz gut zweieinhalb Minuten länger dauert. Ich hatte mir schon vorher gedacht: Szell-Ormandy, da kann es eigentlich nur an der Auswahl der Kadenz liegen.

    Sie war gut drei Jahre vorher, im Januar 1965 in der Town Hall in Philadelphia aufgenommen worden. Was soll ich sagen, Das Orchesterspiel aus Philadelphia war überragend, gefiel mitr etwas besser als das doch etwas schwerer daherkommende Spiel des Cleverland Orchestra unter Szell. Das war etwas mehr maestoso und in der Severencce Hall in Cleveland aufgenommen worden. Ausgeglichen wurde das in der Cleveland-Aufnahme durch das etzwas luzidere Spiel Emil Gilels', der doch nicht verkannte, dass das 1. KK, zumindest im Klaviersatz, noch etwas mozartinischen Geist hauchte. Serkins Spiel dagegen war, im durchaus positiven Sinne, etwas zupackender, ich sage auch gerne in meinen Sonatenbesprechungen "diesseitiger". Das "luzidere" bezieht sich allerdings nicht auf das Orchesterspiel aus Cleveland.

    Dafür gefiel mir an der Serkin-Aufnahme die berühmte, 4:37 min. lange Kadenz, jedenfalls in seinem Spiel, und daraus erklärte sich auch letzten Endes der Zeitunterschied der beiden Kopfsätze (17:01 zu 14:27) hauptächlich. Emil Gilels spielte nur eine 63-Sekunden-Kadenz, Und ich nehme an, dass er sie in der zweiten, in dieser Box enthaltenen Aufnahme mit dem Orchestrede la Société du Conservatoire Paris unter André Vandernoot auch spielte, in ihr ist der Kopfsatz laut Booklet ganze 3 Sekunden kürzer.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • leider liegen mir beide Aufnahmen nicht vor, aber trotzdem ist Géza Anda bei mir mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 vertreten:

    Lieber Nemorino,


    die CD habe ich natürlich auch - und das glatt vergessen. Denn sie ist bei mir nicht bei Anda, sondern bei Haskil einsortiert! ^^ Heute morgen habe ich Anda mit Liszts Sonate h-moll gehört (Audite CD Vol II, s.o.!). Da hört man wirklich Mephisto an die Tür klopfen. Eine - vielleicht sogar die - aussagekräftigste Interpretation der Sonate überhaupt. Von seiner atemberaubenden Pianistik ganz zu schweigen. Da realisiert man erst, was man bei vielen Anderen nicht hört... :)

    habe ich zuerst diese eines österreichischen Pianistten gefunden, der aus dem berühmte Pianisten-Jahrhundert-Jahrgang 1903 stammt:

    Lieber Willi,


    die Box fehlt mir leider noch in meiner Sammlung. Das wird sich aber wohl ändern... :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

  • Es gibt so viele wunderbare Aufnahmen gerade von BEETHOVEN's Klavierkonzert Nr. 1, die z. T. hier auch schon genannt wurden. Ich möchte gerne noch auf drei weitere äußerst hörenswerte Einspielungen hinweisen, die - sofern ich diese nicht übersehen habe - noch keine Erwähnung fanden:


    - die Aufnahme durch GLENN GOULD mit dem COLUMBIA SYMPHONY ORCHESTRA unter VLADIMIR GOLSCHMANN - die meiner Meinung nach wohl gelungenste Interpretation eines BEETHOVEN-Werkes durch GLENN GOULD! Da gibt es kaum etwas auszusetzen.



    - Die Aufnahme mit WILHELM BACKHAUS und den WIENER PHILHARMONIKERN unter HANS SCHMIDT-ISSERSTEDT



    - Die alte mono-Aufnahme mit dem großartigen BEETHOVEN- und SCHUBERT- Interpreten FRIEDRICH WÜHRER und dem PRO MUSICA-SYMOPHONIE-ORCHESTER WIEN unter HANS SWAROWSKY, die selbst in mono immer noch für sich einnimmt.



    wok

  • Nun musste ich auch noch eine andere "klassische" Aufnahme aus meiner Sammlung hören Arthur Rubinstein und Erich Leinsdorf:



    "Zeitlos gültig" ist hier das richtige Wort! Rubinstein spielt Beethoven mit den Tugenden des großen Chopin-Spielers, die Fähigkeit, die Linie zu wahren, immer Ausgewogenheit herzustellen und den richtigen klassisch-romantischen Ton zu finden. Wo Andere nur "linear" spielen, gestaltet er eine große runde Melodielinie. Die Kadenz beeindruckt durch Rubinsteins einfühlsame Bearbeitung, die ihr Saft und Kraft gibt mit einem dunklen Bass. Im langsamen Satz rückt er Beethoven in die Nähe von Brahms - Beethovens Lyrik bekommt eine gewisse Gewichtigkeit und streng-ernste Klangschönheit. Das Finale ist wie bei Rubinstein üblich lebensfroh, aber niemals lärmend naiv, trotzdem mit slavischer Feinsinnigkeit gespielt. Rubinstein rückt Beethoven in die Nähe eines Romantikers, ohne ihn zu romantisieren. Leinsdorf unterstützt diesen Ansatz und dann ist auch noch die Aufnahmetechnik hervorragend! Einfach beglückend! Rubinstein zeigt immer wieder, dass großes Klavierspiel keine vordergründigen Aufreger braucht. Die Substanz wirkt. Eine gestalterisch und klangästhetisch in sich vollendete Aufnahme. Ich möchte sie in meiner Sammlung nicht missen! :) :) :)


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Artur Rubinstein, lieber Holger,


    hat m. E. das Feld der 5 Beethovenschen Klavierkonzerte zusammen mit Alfred Brendel am meisten "gerockt", wie es heutzutage so schön auf "neudentsch" heißt. Und Rubinsteins sämtlichen drei GA mit Josef Krips und der "Symphony of the Air" 1956, aufgenommen im Dezember in nur 11 Tagen, wobei er nur für das 4. KK zwei Tage gebraucht hat, dann seine GA mit Erich Leinsdorf und der Boston Symphony, die sich jedoch von 1963 bis 1967 über ganze 5 Jahre erstreckte, und schließlich seine GA mit Daniel Barenboim und dem London Philharmonic aus dem Jahre 1975 gehören zu den Perlen meiner recht ansehnlichen Beethoven-KK-Sammlung. Bei der Aufnahme 1975 war er 88 Jahre alt, und wzei Jahre vorher, als er erst 86 war, nahm er dieses Konzert auf:

    mit Beethoven KK Nr. 3, Brahms KK Nr. 1, Schubert Impromptu Nr. 4 As-dur D.899, Brahms Capriccio b-moll op. 76 Nr. 2, Intermezzo b-moll op. 117 Nr. 2 und Chopin, Scherzo b-moll op. 31 - welch ein Programm!!


    Liebe Grüße


    Willi:)


    P. S. Jetzt muss ich Erinnerungen schreiben, ich war den ganzen Vormittag mit meiner Frau im UKM Münster wegen ihres Herzschrittmachers und ihres Hirnschrittmachers.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • die CD habe ich natürlich auch - und das glatt vergessen. Denn sie ist bei mir nicht bei Anda, sondern bei Haskil einsortiert!

    Lieber Holger,


    …. auch bei mir steht ist sie bei Haskil, aber als ich ANDA las, fiel mir die CD sofort ein. Sie liegt schon bereit zum Hören, aber "gut' Ding braucht Weile". Ja, Géza Anda war ein großartiger Pianist; sein früher Tod war ein unersetzlicher Verlust für die Musikwelt.


    Nun musste ich auch noch eine andere "klassische" Aufnahme aus meiner Sammlung hören Arthur Rubinstein und Erich Leinsdorf


    Die besitze ich leider nicht, aber ich habe die frühere Ausgabe mit Josef Krips und der Symphony of the Air (ex NBC), aus dem Jahr 1956, die Willi bereits in seinem vorigen Beitrag genannt hat. Ich hatte diese Aufnahmen schon auf LP, später aber, als sie in einer 3 CD-Box herauskam, sofort neu angeschafft. Die scheint leider z.Zt. vergriffen zu sein, lediglich als MP3-Download habe ich sie gefunden:

    Nachdem in FonoForum 1971 zu lesen stand "Die zweite Rubinstein-Einspielung mit Leinsdorf bietet orchestral weniger Feinarbeit und reicht an Frische und Spontaneität nicht an die erste unter Krips heran" habe ich von der Anschaffung abgesehen (die GA mit Barenboim am Pult erschien erst 1975, auch die fehlt bei mir). Deshalb kann ich auch zu den letzten beiden keine Stellung nehmen. Ich lese aber mit großem Interesse, daß Du von der Leinsdorf-Version ganz begeistert bist. Sollte ich da was verpaßt haben? Die Aufnahmetechnik der 1956er Aufnahmen ist übrigens überraschend gut.


    die Aufnahme durch GLENN GOULD mit dem COLUMBIA SYMPHONY ORCHESTRA unter VLADIMIR GOLSCHMANN

    Lieber wok,


    obwohl wir oft musikalisch auf einer Wellenlänge liegen, hier kann ich Dir leider nicht folgen. Ich habe mir vor einiger Zeit diese hochgerühmte, fast legendäre Aufnahme mit Gould/Golschmann angeschafft - und war ziemlich enttäuscht! Und zwar vor allem von dem 1. Konzert. Das liegt weniger am Klang oder an der eigenwilligen Kadenz Goulds, sondern an der gesamten Interpretation. Ich habe mir die Aufnahme wiederholt angehört, aber ich werde einfach nicht warm mit ihr. Der zweite Satz scheint mir noch am besten gelungen. Für mich kein Vergleich mit ABM/Giulini, Eschenbach/Karajan (beide DGG), Richter/Münch (RCA), Serkin/Ormandy (CBS) oder Arrau/Haitink (Philips), um nur einige zu nennen, die mir gerade spontan in den Sinn kommen.


    Nun habe ich mir heute noch folgende Aufnahme aus dem Regal genommen, nicht zuletzt, weil der Pianist bei mir einen ganz besonderen Rang einnimmt:

    Walter Gieseking (Klavier) und das Philharmonia Orchestra London, Dirigent: Rafael Kubelik (Aufnahme: 10/1948, Abbey Road Studio No. 1, London).

    Eine IMO ganz wundervolle Aufnahme! Federnd leicht und locker setzt das Orchester ein, entfaltet sich aber bis zum Einsatz des Klaviers zu voller Kraftentfaltung, ohne aber jemals schwer oder gar schwerfällig zu werden. Und noch eine Überraschung: Kubelik braucht für die Orchestereinleitung exakt 2.29 Min., während die meisten ca. 3 Minuten in Anspruch nehmen. Überhaupt ist der 1. Satz mit 12.18 Min. fast rekordverdächtig. Allerdings spielt Gieseking Beethovens zweite, d.h. die kürzeste Kadenz (60 Sek.), aber das allein erklärt nicht die kurze Spielzeit. Kubelik hält unbeirrbar ein flottes Tempo vor, und Gieseking spielt mit einer jugendlichen Frische, die staunen macht. Das Booklet ist nur in englischer Sprache abgefaßt; ihm ist zu entnehmen, daß die Aufnahme während der ganzen LP-Zeit ohne Nennung des Dirigenten erschienen ist, sogar in diversen Auflagen, weil Kubelik vertraglich zu dieser Zeit anderweitig verpflichtet war. Zur Kadenz im Kopfsatz bemerkt der Verfasser Farhan Malik: "..... die von den meisten Pianisten bevorzugte lange, dramatische dritte Kadenz würde angesichts der intimen Spielweise Giesekings total aus dem Rahmen fallen". Das klingt einleuchtend. Die Klangtechnik ist übrigens erstaunlich gut und fast rauschfrei.


    Ich habe mir seinerzeit diese CD vor allem wegen der Aufnahme des 5. Konzerts gekauft, weil das die einzige STEREO-Produktion ist, die vor dem Ende des 2. Weltkriegs aufgenommen wurde. Laut Textheft entstand die Aufnahme am 23. Januar 1945 (!) im Haus des Rundfunks, Berlin. Der Dirigent war Arthur Rother. Wer gute Ohren hat, kann an manchen Stellen in der Ferne die Flak schießen hören. In jeder Hinsicht eine abenteuerliche Einspielung. Die Stereowirkung scheint mir allerdings recht bescheiden zu sein. Aber immerhin, für die chaotische Zeit eine innovative Aufnahme für die Geschichtsbücher. Über diese Produktion haben wir uns vor einiger Zeit schon im Gieseking-Thread ausgetauscht.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • hat m. E. das Feld der 5 Beethovenschen Klavierkonzerte zusammen mit Alfred Brendel am meisten "gerockt", wie es heutzutage so schön auf "neudentsch" heißt. Und Rubinsteins sämtlichen drei GA mit Josef Krips und der "Symphony of the Air" 1956, aufgenommen im Dezember in nur 11 Tagen, wobei er nur für das 4. KK zwei Tage gebraucht hat, dann seine GA mit Erich Leinsdorf und der Boston Symphony, die sich jedoch von 1963 bis 1967 über ganze 5 Jahre erstreckte, und schließlich seine GA mit Daniel Barenboim und dem London Philharmonic aus dem Jahre 1975 gehören zu den Perlen meiner recht ansehnlichen Beethoven-KK-Sammlung. Bei der Aufnahme 1975 war er 88 Jahre alt, und wzei Jahre vorher, als er erst 86 war, nahm er dieses Konzert auf:

    Lieber Willi, da muss ich meine Rubinstein-Sammlung noch ergänzen.... :)

    Die besitze ich leider nicht, aber ich habe die frühere Ausgabe mit Josef Krips und der Symphony of the Air (ex NBC), aus dem Jahr 1956, die Willi bereits in seinem vorigen Beitrag genannt hat.

    Lieber Nemorino, die Krips-Aufnahmen hatte ich vor mehr als einem Jahr bei amazon zu bestellen versucht. Leider sind sie vergriffen. Ich habe erst 6 Monate gewartet und dann wurde die Bestellung storniert. Leider! Ich muss mal schauen, ob ich Gieseking auch habe! Toscanini hatten wir glaube ich schon mal besprochen! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • - Die alte mono-Aufnahme mit dem großartigen BEETHOVEN- und SCHUBERT- Interpreten FRIEDRICH WÜHRER und dem PRO MUSICA-SYMOPHONIE-ORCHESTER WIEN unter HANS SWAROWSKY, die selbst in mono immer noch für sich einnimmt.

    Lieber Wok,


    die Beethoven-Konzerte (das kurze Reinhören hat mich überzeugt) gibt es komplett in folgender CD-Box:



    51CnGFW-4FL._SX300_.jpg



    :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    Vielen herzlichen Dank für diesen Hinweis. Ich wußte, daß es diese CD-gibt, hatte diese Referenz aber für meinen Beitrag nicht gleich gefunden.

    Es freut mich ganz besonders, daß Dich diese Aufnahme von BEETHOVEN's 1. Klavierkonzert mit FRIEDRICH WÜHRER beim kurzen Reinhören überzeugt, und ich bin sicher, daß sich dieser positive Eindruck auch nicht ändern würde, wenn Du die ganze Aufnahme hörst.


    Viele Grüße

    wok

  • Lieber Nemorino,


    Vielen Dank für Deinen Kommentar zu der GOULD/GOLSCHMANN-Einspielung, der mich schon etwas überrascht. Aber man kann natürlich nicht immer in allen Punkten übereinstimmen. Über die von GOULD gespielte ungewohnte Kadenz kann man gewiiß streiten, doch finde ich seine Deutung dieses Konzertes durchaus schlüssig und seine Spieltechnik ohnehin genial. Da ich auf Grund Deiner recht negativen Meinung nun doch etwas an der meinen zweifeln muß, habe ich mir nun einmal einige andere Meinungen in diesem Forum angesehen und festgestellt, daß diese überwiegend ebenfalls von der GOULD/GOLSCHMANN-Einspielung sehr angetan sind.


    So hält Johannes Roehl diese Aufnahme (wie auch die des 2. Klavierkonzertes) für die beste Konzertaufnahme GOULDs. Und teleton äußerte sich dazu wie folgt: "Eine Aufnahme, die orchestral und pianistisch mit richtig grosser Klasse ist die mit Gould / Golschmann (SONY, 1958). ...... Es gibt keine Aufnahme des Klavierkonzertes Nr.1, die nicht nur pianistisch ausgefeilt ist, sondern auch orchestral so zupackend ist und auch meine geliebten Paukenstellen so prägnant rüber bringen".

    Und Willi schrieb gar: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal eine Aufnahme Glenn Goulds so bejubeln würde wie dieses Konzert".


    So unterschiedlich sind nun einmal die Ansichten, und jeder hat bestimmt gute Argumente für seine Sichtweise.


    Die Aufnahme GIESEKNG/KUBELIK ist natürlich auch über alle Zweifel erhaben. Bei GIESEKING weiß man nicht, was man mehr bewundern soll: seine kühle Klarheit, die aber gleichzeitig ein Wohlfühlgefühl verbreitet, sein müheloses, von seltenem Ebenmaß geprägtes Passagenspiel, oder seine außergewöhnliche Fähigkeit der dynamischen Abstufungen.


    GIESEKING war ja besonders für seine DEBUSSY-Interpretationen berühmt, aber ob BACH; SCHUMANN, SCHUBERT, MOZART, BEETHOVEN, RACHMANINOW, BRAHMS oder GRIEG, er beherrschte dieses große Repertoire verschiedenster Musikrichtungen stets auf höchstem Niveau. Ganz besonders gefällt er mir mit SCHUBERT's Impromptus.


    Viele Grüße

    wök

  • Jetzt muss ich Erinnerungen schreiben, ich war den ganzen Vormittag mit meiner Frau im UKM Münster wegen ihres Herzschrittmachers und ihres Hirnschrittmachers.

    Lieber Willi,


    erst soeben ist mir dieser Satz ins Auge gefallen.

    Ich wünsche Dir und Deiner Frau unbekannterweise alles Gute und hoffe sehr, daß alles "im grünen Bereich" ist.


    Liebe Grüße,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Willi, durch Nemorino fällt mir jetzt Diese Deine persönliche Auskunft auf, die ich gestern beim schnellen Überfliegen sträflicher und unhöflicher Weise überlesen habe. Auch von mir aus alles Gute für Deine Frau!


    Liebe Grüße

    Holger

  • Vielen Dank für Deinen Kommentar zu der GOULD/GOLSCHMANN-Einspielung, der mich schon etwas überrascht.

    Lieber wok,


    …. ich war selber überrascht, daß mir diese hochgelobte Aufnahme so gar nicht gefallen hat. Ich habe sie, wie gesagt, eigentlich nur gekauft, weil sie von so vielen als großartig beschrieben wurde. Goulds Spieltechnik ist über allen Zweifel erhaben, darum geht es auch gar nicht.

    Ich denke, daß ich durch meine absolute Lieblingsaufnahme, Eschenbach/Karajan (DGG), geschmacklich in eine ganz andere Richtung geführt worden bin. Anders kann ich mir das nicht erklären. Trotzdem werde ich mir die Aufnahme, die ich nur einmal gehört und dann irritiert zur Seite gelegt habe, demnächst noch einmal vornehmen. Vielleicht komme ich dann zu anderen Einsichten. Neben Eschenbach/Karajan (die übrigens ganz sicher keine Idealinterpretation ist, aber welche ist das schon?) sind meine Favoriten vor allem die bereits gestern in Beitrag 322 genannten. Der damals junge Eschenbach und Karajan haben 1966 eine wunderbar leuchtkräftige, technisch und musikalisch brillante Aufnahme hingelegt, die aber wohl mehr nach spätem Beethoven klingt, obwohl es sich ja eigentlich um ein Frühwerk handelt. Vielleicht macht das (für mich) ja den besonderen Reiz aus. Jedenfalls habe ich das Werk weder früher noch später so majestätisch, in ungewöhnlich breiten Tempi gehört. Eschenbach hat sich ja in späteren Jahren mehr dem Dirigieren zugewandt; wenn ich diese Aufnahme höre, bedauere ich das immer wieder zutiefst. Er war, nach den mageren Nachkriegsjahren, der erste ernstzunehmende deutsche Pianist nach der Generation Gieseking/Backhaus/Kempff. Doch die Erwartungen, die man in ihn gesetzt hat, haben sich leider nicht erfüllt. Als Dirigent hat er sich zwar einen Namen gemacht, jedoch ist er nie in eine wirkliche Spitzenposition aufgerückt. Nachdem er viele Jahre in den USA gewirkt hat, ist der gebürtige Breslauer m.W. seit ca. 2002 Leiter des Schleswig-Holstein-Festivals.


    Der Name Friedrich Wührer sagt mir natürlich etwas, ich muß aber gestehen, daß ich in meinem CD-Bestand keine Einspielung von ihm habe.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eschenbach

    Als Dirigent hat er sich zwar einen Namen gemacht, jedoch ist er nie in eine wirkliche Spitzenposition aufgerückt.

    Hier, lieber nemorino, muss ich doch einhaken. Ich weiß zwar nicht, was für Dich persönlich eine wirkliche Spitzenposition im Orchesterbetrieb ist, aber Christoph Eschenbach war doch u. a. Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich (das nicht wenigen als führendes schweizerisches Orchester gilt), des Orchestre de Paris (welches französische Orchester hat international mehr Renommee?) und des Philadelphia Orchestra (eines der amerikanischen Big Five). Das Sommerfestival des Chicago Symphony Orchestra (gilt vielen als bestes US-Orchester) in Ravinia leitete er zudem jahrelang. Außerdem stand er mit dem Houston Symphony, dem NDR-Sinfonieorchester und dem National Symphony Orchestra in Washington, D.C., auch nicht gerade drittklassigen Klangkörpern vor. Ich würde insgesamt eher sagen, dass Eschenbach eine ziemlich spektakuläre Dirigentenkarriere hingelegt hat, die bei seinen dirigentischen Anfängen so wohl kaum absehbar war.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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