György Kurtag, ist 80 Jahre alt geworden

  • Der ungarische Komponist György Kurtag feierte am vergangenen Wochenende seinen 80. Geburtstag. Er gilt als der bedeutendste zeitgenössische ungarische Komponist neben dem drei Jahre älteren György Ligeti.



    1926 wurde er in der heute zu Rumänien gehörenden Ortschaft Lugoj (dt. Lugosch) im Vielvölkergebiet an der Grenze des Banats zu Siebenbürgen geboren. In der Regionshauptstadt Timisoara (dt. Temeswar) nahm er als Gymnasiast Theorie- und Kompositionsunterricht bei Max Eisikovits. György Kurtág ist neben Ligeti der bekannteste Komponist seiner Herkunftsregion; ihre Geburtsorte liegen nur wenige Kilometer auseinander in dem Vielvölkerstaat, wo Ungarn, Deutsche und Rumänen seit Jahrhunderten zusammenlebten.
    Nach der Matura begab er sich 1944 illegal nach Budapest, wo er ab 1945 die Kompositionsklasse von Sandor Veress besuchte. Daneben studierte er in Budapest Klavier bei Pal Kadose und Kammermusik bei Leo Weiner Kurtag wurde 1948 ungarischer Staatsbürger und studierte Komposition an derselben Musikhochschule wie Ligeti in Budapest, u.a. bei Sandor Veress, der bekanntlich später jahrelang in Bern unterrichtete. Die bis zum heutigen Tage andauernde Freundschaft der beiden Komponisten nahm ihren Anfang in den Korridoren der Akademie, wo sie die erschütternde Nachricht vom Tod Béla Bartóks erreichte.
    Anfangs den kommunistischen Ideen und den Anschauungen des sozialistischen Realismus verpflichtet, stürzte Kurtag nach dem anti-sowjetischen ungarischen Volksaufstand von 1956 in eine schwere Lebens- und Schaffenskrise.
    1957 ging er mit einem Stipendium nach Paris und studierte bei Milhaud und Messiaen, Dort geriet er in eine tiefe Schaffenskrise und begegnete der ungarischen Psychologin Marianne Stein. Diese riet ihm zu einfachsten Formen ("nur zwei Töne verbinden"). Aus diesem Anfang entstand in Budapest als erstes Werk in ganz eigenem Stil das Streichquartett op 1. Kurtag sagt zum ersten, nur eine Minute dauernden Satz: "Ein Insekt sucht den Weg zum Licht. Den Lichtschein versinnbildlicht der Flageolettakkord (am Schluss) und dazwischen all dieser Schmutz". Sieben Takte am Anfang bilden die Exposition "Ein Fleckerlteppich, aus verschiedenen Farben und Mustern zusammengesetzt", Kurtag später: "Diese 7-Takt-Exposition ist nicht nur der Ausgangspunkt für diesen einen Satz, sondern für das ganze Quartett und darüber hinaus für ein ganzes Lebenswerk." Das Quartett und überhaupt Kurtags Lebenswerk verbindet Bartoks urmusikantisches ungarisches Idiom mit dem aufs wesentlichste abgemagerten Minimalismus Weberns. Kurtags Musik ist nie Kopfgeburt, nie angewandte Theorie und nie geschwätzig. Sondern sie ist immer dichtester musikalischer Ausdruck, Gestus, Aussage, Klang. Deshalb ist Kurtag für den unvoreingenommenen Hörer leicht und sinnlich erfahrbar. Dabei assoziert Kurtag frei und ohne Scheu Techniken und Material anderer Komponisten (Schumann, Webern, Stravinski, etc.), was er oft deklariert, indem er das Stück den betreffenden als "Hommage" widmet.
    Kurtag sieht sich in der abendländischen Musiktradition ("Meine Muttersprache ist Bartok, und Bartoks Mutterprache war Beethoven"). 1957/58 in Paris studierte er auch bei Milhaud und Messiaen. Dort geriet er in eine tiefe Schaffenskrise und begegnete der ungarischen Psychologin Marianne Stein. Diese riet ihm zu einfachsten Formen ("nur zwei Töne verbinden"). Aus diesem Anfang entstand in Budapest als erstes Werk in ganz eigenem Stil das Streichquartett op 1. Kurtag sagt zum ersten, nur eine Minute dauernden Satz: "Ein Insekt sucht den Weg zum Licht. Den Lichtschein versinnbildlicht der Flageolettakkord (am Schluss) und dazwischen all dieser Schmutz". Sieben Takte am Anfang bilden die Exposition "Ein Fleckerlteppich, aus verschiedenen Farben und Mustern zusammengesetzt", Kurtag später: "Diese 7-Takt-Exposition ist nicht nur der Ausgangspunkt für diesen einen Satz, sondern für das ganze Quartett und darüber hinaus für ein ganzes Lebenswerk." Das Quartett und überhaupt Kurtags Lebenswerk verbindet Bartoks urmusikantisches ungarisches Idiom mit dem aufs wesentlichste abgemagerten Minimalismus Weberns. Kurtags Musik ist nie Kopfgeburt, nie angewandte Theorie und nie geschwätzig. Sondern sie ist immer dichtester musikalischer Ausdruck, Gestus, Aussage, Klang. Seine Werke und Zyklen tragen Namen wie "Spiele", "Zeichen" oder "... pas à pas - nulle part. ..". Die einzelnen Stücke seines vergleichsweise schmalen Oeuvres dauern oft nicht länger als eine oder zwei Minuten. Ihre lapidare Kürze und meist sparsame Instrumentierung gehen mit einer präzisen Expressivität einher, die den Rezipienten zum aufmerksamen Hinhören zwingt. Seine Werke ab den siebziger Jahre weisen eine Tendenz zu stets noch höherer Dichte, noch lapidarerer Kürze, noch grösserer Einfachheit festzustellen ist. György Kurtágs Musik stellt sich bekenntnishaft und schonungslos der Oeffentlichkeit.
    Oft ist Kurtag für den unvoreingenommenen Hörer leicht und sinnlich erfahrbar. Dabei assoziert Kurtag frei und ohne Scheu Techniken und Material anderer Komponisten (Schumann, Webern, Stravinski, etc.), was er oft deklariert, indem er das Stück den betreffenden als "Hommage" widmet.
    1998 erhielt er den renommierten Internationalen Musikpreis der Münchner Ernst-von-Siemens-Stiftung.
    Zu Kurtags Schlüsselwerken zählt der zwischen 1963 und 1968 entstandene Zyklus "Sprüche des Peter Bornemisza" für Sopran und Klavier, eines seiner längsten Stücke. Sowie die mittlerweile auf sechs Bände angewachsene Miniaturen-Sammlung "Jatekok" (Spiele) und die "Botschaften des verstorbenen Fräuleins R. V. Troussowa" nach Gedichten der russischen Dichterin Rimma Dalos. Bei Konzerten spielt Kurtag das Werk Jatekok oft mit seiner Frau Marta zusammen, ergänzt mit Werken von J.S. Bach.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Zitat

    Original von romeo&julia


    Bei Konzerten spielt Kurtag das Werk Jatekok oft mit seiner Frau Marta zusammen, ergänzt mit Werken von J.S. Bach.


    Gibt es auch als CD:





    Kurtag und Bach

  • Hallo,


    auf Grund dessen, dass ich hier auf das Geburtstagsjubiläum aufmerksam gemacht wurde, habe ich meine CD mit der Streicherkammermusik von Kurtag wieder hervorgeholt.



    Die Musik hat irgend etwas, eine eigenartige, statische Atmosphäre. Aber ich gestehe, mir bisher zu wenig Zeit und Mühe für das Verständnis der Werke genommen zu haben. In den nächsten Tagen werde ich mir das erste Streichquartett noch etwas genauer betrachten.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zum Geburtstag Kurtags in bester Qualität auf CD erschienen: Die Kafka-Fragmente mit Andras Keller und Juliane Banse (womit nun mindestens zwei sehr gute Aufnahmen der Fragmente vorliegen, erfreulicherweise):



    Wir werden Herrn Kurtag mit einem Konzertbesuch gratulieren: Das Asko/Schönberg-Ensemble spielt unter der Leitung von Reinbert de Lleuw neben Bergs Kammerkonzert Kurtags "Botschaften des verstorbenen Fräuleins R.V. Troussowa, am morgigen Samstag um 20:30 im Muziekgebouw zu Amsterdam. Ich bin gespannt.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Eines seiner wichtigsten Werke der jüngeren Zeit ist sicherlich


    Hommage à R. Sch. Op. 15/d von 1990
    für Klarinette, Viola und Klavier


    Weist schon die Besetzung auf die „Märchenerzählungen“ Robert Schumanns zurück, so finden sich dann auch in den einzelnen Sätzen, angefangen bei den literarischen Motto-Formulierungen der Überschriften, immer wieder musikalisch-literarische Anspielungen auf den geliebten Komponisten der deutschen Romantik. „Merkwürdige Pirouetten des Kapellmeisters Johannes Kreisler“ (1. Satz) knüpft mit den Läufen auf und ab an die literarische Figur E. Th. A. Hoffmanns ebenso an wie an Schuamnns Klavierzyklus „Kreisleriana“. „Eusebius: der begrenzte Kreis“ (2. Satz) bearbeitet ein Lied in Kanon-Form aus Kafkas „Kafka-Fragmenten“ op. 24 und fügt ihm eine weitere Kanonstimme hinzu. Im 3. bis 5. Satz zitiert Kurtag musikalischliterarisch den Schumannschen Eusebius, den bedeutenden ungarischenDichcter Attila Jozsef und noch einmal Schumann mit dem rastlosen Charakter der „Traumeswirren“. Der abschliessende 6. Satz – er ist länger als alle vorhergehenden zusammen – wirft nun ein neues Licht auf die Komposition. „Abschied (Meister Raro entdeckt Guillaume de Machaut)“ ist er überschrieben; die ausgleichend abwägende literarische Figur Schuamnns steht neben Machaut als Symbol elaborierter Kompositionstechnik der abendländischen Musik – strenge Intervallfolgen im tiefen Register des Klaviers offenbaren eine gemessene Passacaglia, aber auch den Genre-Charakter eines Trauermarsches, eines schweren Kondukts (G. Mahler), der sich mächtig steigert und am Ende ins Nichts zurücksinkt. Die Folge von fünf sehr kurzen und einem sehr langen Satz, bezeichnenderweise „Abschied“ betitelt, gemahnt an Mahlers „Lied von der Erde“, und ähnlich wie dieser versucht Kurtag den Tod, der als Thema in seinem wie in Mahlers Werk immer wieder auftaucht, dadurch zu überlisten, dass er ihn ästhetisch bannt. Der Klarinettist – er benutzt das Instrument des menschlichen Atems, also des Lebenselexiers schlechthin – legt während der verhallenden Schlussakkorde des Klaviers sein Instrument weg und tut einen einzigen, kaum hörbaren Schlag auf die nur hier zum Einsatz kommende Grosse Trommel – ein letzter Herzschlag.


    Es gibt sogar mehrer Einspielungen dieses Werkes. Eine durchaus lobenswerte Einspielung ist bei ECM herausgekommen.



    mit Kashkashian, Brunner, Levin


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Kurtag ist für mich ein sehr wichtiger Komponist. Von den im Strang genannten Werken haben mich die Kafka-Fragmente besonders angesprochen. Noch ein bisschen konsequenter verfährt Kurtag übrigens bei den Attila-Jozsef-Fragmenten... zumindest soweit ich das der Patitur entnehmen konnte. Das Werk ist für Sopran solo und es liegen ihm Texte des besagten ungarischen Dichters zugrunde... natürlich auf ungarisch.


    Meines Wissens zufolge gibt es keine allgemein erhältliche Aufnahme. Und die Eigenschaften des Werks machen eine solche in naher Zukunft auch nicht gerade wahrscheinlich. Ein Mist.


    Tharon.

  • Kaum ärgert man sich über Nichtverfügbarkeit, da entdeckt man es dann doch: Kurtag, "Werke für Sopran", mit Adrienne Csengery, auf der wohl auch die Attila-Joszef-Fragmente enthalten sind. Ich habe sie bestellt. Sobald ich sie habe, folgt ein Bericht.




    Tharon.

  • So. Die Attila-Jozsef-Fragmente habe ich gerade zum ersten Mal gehört. Csengery hat eine angenehme, natürlich wirkende Stimme, die gut zur einfachen Struktur der Musik passt und die relativ häufigen Riesensprünge mühelos bewältigt. Der gesamte Zyklus enthält 20 Einzelstücke von 16 Sekunden bis knapp 2 1/2 Minuten und dauert insgesamt eine knappe Viertelstunde. Die meisten "Lieder" bestehen aus nur ein oder zwei musikalischen Gesten. Die Musik ist natürlich atonal, aber trotzdem leicht nachvollziehbar. Das Textheft enthält immerhin eine englische Übersetzung der ungarischen Texte.


    Eine Partitur kann man bei Editio Musica Budapest bestellen (knapp 30,- Euro, gut lesbarer Faksimile-Druck der Komponistenhandschrift).


    Wer Zugriff auf alte Ausgaben der Zeitschrift "Melos" hat, findet in der Ausgabe 1986/1 einen interessanten Artikel von Istvan Balazs zum Werk.


    Tolles Stück. Gleich noch ´mal hören.


    Tharon.


  • Mit dieser Aufnahme von György Kurtagg möchte ich darauf hinweisen, dass er entgegen dem Threadtitel heute schon


    89 Jahre alt wird.


    Herzlichen Glückwunsch!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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