ZitatAlles anzeigenOriginal von thalion
Hallo,
um mich mit dem Werk besser beschäftigen zu können, wäre eine Handlungsangabe (was soll welcher Teil "darstellen") sehr hilfreich.
Hat jemand Hinweise (gar Links), wo man sowas nachlesen könnte?
Herzliche Grüße
Stephan
pfhu, gerade noch mal davon gekommen :]
den frühlingsbeginn hab ich mir angenehmer vorgestellt
große schocks kann man mit großer aktivität überwinden.
-bei mir reicht's gerade mal zu einer scheinaktivität, ganz simpel kopiert:
Die Insel der Seligen Daphnis und Chloe
Hermann Schreiber
Ein Dichter, von dem man nur den Namen und das Jahrhundert kennt und sonst nichts, hat den schönsten Liebesroman der ganzen alten Welt geschrieben und eines der liebenswürdigsten Bücher, das die Menschheit überhaupt besitzt. Goethe nennt die kurze Prosaerzählung ein Gedicht und sagt, es sei »so schön, daß man den Eindruck davon, bei den schlechten Zuständen, in denen man lebt, nicht in sich behalten kann, und daß man immer von neuem erstaunt, wenn man es wieder liest. Es ist darin der helleste Tag ... «
Wörtlich lautete der Titel »Hirtengeschichten von Daphnis und Chloe«, und tatsächlich sind der schöne Knabe Daphnis und das lieblich-naive Mädchen Chloe Hirten an einem meernahen Gestade der Insel Lesbos, die vielleicht die Heimat des Dichters Longos ist, dem die reizende Schöpfung gelang. Seine Helden sind Findelkinder und somit zunächst die Opfer einer nachklassischen Welt, in der die Inseln einander bekriegen, in der Seeräuber die Dorfbewohner vor allem dann entführen, wenn diese sich auf den Sklavenmärkten gut verkaufen lassen; eine Welt, in der die ländliche Idylle und der große Schrecken so eng benachbart sind, daß man sagen muß, sie sind beide Wesenselemente der Welt und der Zeit.
Um so mehr genießen Daphnis und Chloe den Frieden ihrer Weidehänge, leben mit den ihnen anvertrauten Tieren, den Pflanzen und den Gottheiten von Feld und Flur, wie sie für das Griechenvolk zur Landschaft gehören, vor allem also den Nymphen einer Höhle und dem kleinen Pan, einem kaum beachteten Standbild im Grünen. Diese ahnungslos-glückliche Existenz im ewigen Schönwetter der ägäischen Inselwelt ist jedoch von Spannungen erfüllt, von einem sich bisweilen schmerzlich steigernden Unbehagen und verzweifelter Ratlosigkeit, weil die zwei jungen Leute, an der Schwelle zur Reife und in der naturnahen, friedlichen Zweisamkeit ihres Daseins, von Tag zu Tag mehr füreinander empfinden; weil sie von der Freundschaft und der Zusammengehörigkeit im gemeinsamen Schicksal fortschreiten wollen zur Liebe. Aber sie können nur ahnen, was die Liebe ist und welche Wege sie jenen weist, die ihr verfallen sind. An sich harmlose Zwischenfälle werden in diesem Spannungsfeld zu beunruhigenden Rätseln: Ein Bad in einem Tümpel, bei dem Chloe den schönen Daphnis nackt sieht, oder der Raub der Chloe durch die jungen reichen Nichtstuer einer Nachbarinsel, der in Daphnis Ängste auslöst, die er sich nicht zu deuten weiß, so daß er sich den Nymphen anvertraut und sich bei ihnen beschwert, weil sie dies zugelassen hatten. Und die Nymphen der heiligen Höhle sind es dann, die den Unglücklichen an den mißachteten Pan verweisen, das überwachsene kleine Standbild des bocksbeinigen Gottes, der dann den Schiffen nacheilt, seine boshaften Wunder tut und erst wieder fröhliche Flötentöne von sich gibt, als das Mädchen unversehrt freigelassen wird.
»Sicher bin ich krank, aber woran ich kranke, weiß ich nicht«, sagt Chloe am Anfang des Romans. »Schmerzen habe ich und bin doch nicht verwundet, traurig bin ich, dabei leben alle meine Schafe, ich brenne wie Feuer und sitze doch im dichten Schatten.«
Sie ahnt, daß Daphnis die Ursache dieser Zustände ist oder doch etwas mit ihnen zu tun hat: »Schön ist Daphnis, aber sind dies nicht auch die Blumen? Lieblich klingt seine Hirtenflöte, aber lieblich singt auch die Nachtigall, und doch tut sie mir nicht weh. Wäre ich doch seine Flöte, daß er auf mir bliese, oder eine Ziege, daß ich von ihm gehütet würde! Du böses Wasser: Nur ihn hast du schön gemacht, mein Baden war vergeblich.«
Die in Chloe aufkeimende Liebe hat die Natur in ein magisches Gefilde verwandelt, was um so schneller und vollständiger vor sich geht, als die naturbeseelenden Götter ja noch allgegenwärtig sind. Badet Chloe, so fühlt sie sich unverändert, so bleibt dies ohne Magie; der nackte Daphnis im Wasser hingegen wird göttlich überglänzt und zur schmerzlichen Herausforderung für Chloe, die sich ihre unbewußte und durchaus natürliche Reaktion nicht zu erklären vermag und an sich, an der Welt und an den sonst so hilfreichen Göttern verzweifelt.
Mit einer Kunstfertigkeit, die uns bedauern lägt, daß wir von Longos nur dieses eine kleine Werk kennen, läßt der Dichter auch in dem Jüngling die Ahnung des Verlangens heranreifen; der spielerisch-kindliche Kuß der Chloe entflammt ihn, »doch so, als sei er nicht geküßt, sondern verwundet worden ... Schauder liefen ihm über den Rücken, das schlagende Herz hätte er gerne festgehalten, in einem fort wollte er Chloe ansehen und erglühte, sobald er es tat ... Als er einmal allein war, redete er so zu sich selbst: Was hat Chloes Kuß mir angetan? Rosen sind nicht so zart wie ihre Lippen, Honig ist nicht so süß wie ihr Mund, aber ihr Kuß tut mehr weh als der Stachel einer Biene. Oft habe ich kleine Böcklein in den Arm genommen und Hündchen, kaum geborene, geherzt ... aber dieser Kuß ist etwas ganz anderes!«
Im kunstvollen Wechselgesang läßt der Dichter schließlich beide gemeinsam vor uns hintreten, in einer beinahe musikalisch zu nennenden Stimmführung dieses kostbaren kleinen Romans: »Es war schön, zusammen zu sein, und bitter, sich zu trennen. Sie sehnten sich nach irgend etwas und konnten doch nicht sagen, wonach. Nur eins wußten sie, daß für ihn der Kuß und für sie das Bad (des Daphnis) ein Unheil gewesen war. Außerdem entflammte sie die Jahreszeit.«
Im Gang dieser Jahreszeiten, von Frühling zu Frühling, steigern sich die Szenen der Annäherung, und selbst der harte Einbruch der Außenwelt in ihre erotische Idylle kann die ansteigende Spannung nicht unterbrechen: Daphnis, nur kurz von Seeräubern entführt, entrinnt schwimmend, auf die Hörner zweier schwimmender Stiere gestützt.
Der Stier, der Europa trug, der Stier im Labyrinth des Minotaurus, er ist das heilige Tier des Mittelmeerraums und wirkt in dieser mit vielen magischen und religiösen Symbolen ausgestatteten Dichtung ebenso mit wie die Halbgötter: Es sind die Nympen, die Chloe in ihrer Grotte zum Bad laden, und nun hat auch Daphnis die Freundin nackt gesehen, nun sind sie im Stand von Adam und Eva vor dem Sündenfall, voneinander wissend und dennoch unschuldig. Und sie bleiben es auch, als ihnen ein alter Hirte, der ihre Not nicht mehr mit ansehen kann, den wohlgemeinten, wenn auch etwas bedenklichen Rat gibt, gegen ihr gemeinsames Übel hülfen Küsse, Zärtlichkeiten und das Beieinanderliegen im Gras. Aber wenn sich zwei wirklich mögen, wenn sie so vertraut miteinander sind wie diese Findelkinder von Lesbos, die mit jungen Ziegen und Hündchen leben und jede Form der Zärtlichkeit kennen, dann bleibt ihnen die Unschuld auch in der Berührung erhalten. Und selbst als Daphnis von Lykainion, einer erfahrenen Frau, unterwiesen wird, ändert sich zwischen den Liebenden nichts, weil er zu Recht ahnt, daß der Zauber sehr zart und verletzlich ist und völlig schwinden könnte, würde er ihn zerreißen.
Es sind die Nymphen, die schließlich einen Ausweg finden, weil alle anderen Fingerzeige versagt haben: Sie zeigen Daphnis einen Schatz, der ihn, den armen Hirtenjungen, in die Lage versetzt, um die schöne leibeigene Chloe zu werben. Ehe dies möglich wird, muß freilich der Herr des Landes und aller Hirten die beiden besuchen; er heißt Dionysophanes und entpuppt sich - wie sollte es anders sein - als der Vater des Daphnis, der seinen schon totgeglaubten und nun wiedergefundenen Sohn überglücklich in die Arme schließt.
Nun kann die Verlobung als Festmahl im Palast zu Mytilene ausgerichtet werden, und unter den Gästen ist auch der Vater der Chloe, der reiche Megakles, dem man vor Zeiten die Tochter geraubt hatte. Die Brautleute wollen jedoch die eigentliche Hochzeitsfeier vor die Höhle der hilfreichen Nymphen verlegen. Dann, da sie nun Mann und Frau sind, lernt Chloe, »daß alles, was sie einst am Waldrand getrieben hatten, nur Hirtenspiel gewesen war ... Und nicht nur an diesem einen Tag, sondern so lange sie lebten, hielten sie es mit den Hirten, verehrten deren Götter - die Nymphen, Pan und Eros -, schafften sich große Herden von Schafen und Ziegen an und erklärten Früchte und Milch als die bekömmlichste Kost. Und alle diese Bräuche behielten sie bis in ihr hohes Alter bei.«
Das Ritardando, das langsame Herantasten an die volle Lust, hat Goethe an diesem kleinen Roman besonders bewundert; aber da das Buch immerhin achtzehnhundert Jahre alt ist, gab es natürlich auch Zeiten, in denen das Bekenntnis zu Pan, Eros und den Nymphen und der kindlich-unbefangene, unbewugt-zielstrebige Weg zu der geschlechtlichen Vereinigung als frivol angesehen wurden und das Buch als ein Musterbeispiel für die erotische Unterhaltungsliteratur der heidnischen Gesellschaft in der Alten Welt verpönt war.
In dem Maße aber, wie sich Europa aus diesen Vorurteilen und engen Moralvorstellungen befreite, gewann das Gesamtbild, das Longos zeichnet, an Bedeutung. Und als schließlich Jean-Jacques Rousseau seinen Ruf »Zurück zur Natur« erschallen lieg, da entsann man sich mit Begeisterung des oben zitierten Bekenntnisses zu einem gesunden und natürlichen Leben mit weiser Selbstbeschränkung im Essen und Trinken, einem Leben, das seinen Reiz aus der ungebrochenen Unschuld der Natur empfing. Gelang es auch der Gesellschaft des Rokoko nicht mehr, sich tatsächlich in Hirten und Schäferinnen zurückzuverwandeln, so hat doch gerade dieser Roman manche anmutige Komödie in den Schloßparks des achtzehnten Jahrhunderts zur Folge gehabt und vielleicht der einen oder anderen frühverdorbenen Hofdame von Versailles, Dresden oder Karlsruhe die rettende Sehnsucht eingegeben, noch einmal so zu sein wie die kleine Chloe.
im übrigen nehme ich uwes angebot der nichtzwangsverpflichtung zum beitragen in anspruch...