Ich würde aber die künstlerische Höhe der Wiener Klassik - die ja auch nicht durchgehend 'eingängig' ist - nicht unbedingt mit dem doch ziemlich epigonal anmutenden Werk Orffs (Carmina Burana) gleichsetzen wollen

Alle sprechen über dasselbe Musikwerk
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Ich würde aber die künstlerische Höhe der Wiener Klassik - die ja auch nicht durchgehend 'eingängig' ist - nicht unbedingt mit dem doch ziemlich epigonal anmutenden Werk Orffs (Carmina Burana) gleichsetzen wollen
Wenn man die Eingängigkeit bei Orff kritisiert, muss man sie auch bei Mozart kritisieren. Die Ästhetik der Empfindsamkeit ist ganz bewusst nicht zuletzt gegen den hoch artifiziellen Barockstil gerichtet - sie betont das Ungekünstelte, Natürliche. Man kann einer Ästhetik, welche das Kunstlos-Natürliche zum ästhetisches Ideal erhebt, nicht vorwerfen, dass sie kunstlos sei. Die Kunst liegt hier gerade in der scheinbaren Kunstlosigkeit, d.h. den Schein des Natürlichen und Selbstverständlichen zu erzeugen. Das ist gerade die Kunst - bei Mozart nicht anders als bei Orff.
Zudem kann ich das abwertende Urteil, dass Orffs Werk epigonal und minderwertig sei, überhaupt nicht nachvollziehen. Carmina burana ist so wie es ist einmalig und originell. Gustav Mahlers Musik hat man einst auch abgewertet, dass er keine originellen Themen verwende usw. Ich finde, man sollte die Musik unvoreingenommen auf sich wirken lassen. Wenn man schon Vorurteile mitbringt, dann bestimmen die natürlich auch das, was man hört.
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Nö, Vorurteile waren es nicht, die mir das Stück im Laufe der Zeit verleidet haben. Es hält sich halt nicht so gut/nutzt sich ab.
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Nö, Vorurteile waren es nicht, die mir das Stück im Laufe der Zeit verleidet haben. Es hält sich halt nicht so gut/nutzt sich ab.
Das hat dann aber nichts mit dem Stück zu tun. Man kann sich auch Tschaikowskys Klavierkonzert oder die Mondscheinsonate leid hören.
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Gustav Mahlers Musik hat man einst auch abgewertet, dass er keine originellen Themen verwende usw.
Der Unterschied ist meines Erachtens, dass Mahler mit dem verwendeten Material - das zudem einen eher kleinen Teil seiner Kompositionen ausmacht - ein völlig neue symphonische Welt geschaffen hat, Orff jedoch nicht oder jedenfalls nicht so überzeugend. Mahler schafft mit dem Material etwas Neues, das ich so nirgendwo sonst vorfinde, bei Orff jedoch habe ich den Eindruck, dass er hinter seinen Vorbildern zurückbleibt. Orff-Experten können mich gerne eines Besseren belehren.
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Die Übersättigung ist tatsächlich, hier hat Holger absolut Recht, nicht der Schlüssel zur Beurteilung eines Werkes. Bei mir ist es so, dass ich schon einige Jahre keine Mozartoper mehr gehört habe, obwohl die drei Da-Ponte-Opern sicherlich zu den besten aller Zeiten gehören. Eine der großen Töchter von Freunden, die ihr erstes Semester in München hat, war jetzt in der Staatsoper zum ersten Mal in Figaros Hochzeit (da ist man gerne Sponsor) und hat voller Begeisterung davon berichtet. Als nächstes werde ich ihr "Katja Kabanowa" spendieren.
Übrigens: "Epigonal". Epigonal wovon? Ich erkenne jeden Orff sofort!
Hier nochmal mein Vorschlag! Hört euch "Catulli Carmina" und "Trionfo di Afrodite" an.
Ich werde heute Abend mal ein paar Auszüge einstellen und dann später vielleicht etwas mehr.
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Mahler schafft mit dem Material etwas Neues, das ich so nirgendwo sonst vorfinde, bei Orff jedoch habe ich den Eindruck, dass er hinter seinen Vorbildern zurückbleibt.
Welche wären das?
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Der Unterschied ist meines Erachtens, dass Mahler mit dem verwendeten Material - das zudem einen eher kleinen Teil seiner Kompositionen ausmacht - ein völlig neue symphonische Welt geschaffen hat, Orff jedoch nicht oder jedenfalls nicht so überzeugend. Mahler schafft mit dem Material etwas Neues, das ich so nirgendwo sonst vorfinde, bei Orff jedoch habe ich den Eindruck, dass er hinter seinen Vorbildern zurückbleibt. Orff-Experten können mich gerne eines Besseren belehren.
Es ist letztlich immer die Frage glaube ich, aus welcher Warte man das beurteilt. Wenn man die Zahlen der Aufführungen nimmt, wird man wohl feststellen, dass die Aufführungshäufigkeit von Orffs Stück die seiner "Vorbilder" geradezu exponentiell übersteigt. Das Stück ist ein Chorstück zum Singen und Mitsingen und in dieser Chortradition offenbar sehr dankbar. Darin liegt wohl seine besondere Bedeutung. Ich vergleiche einfach nicht. Man kann sich natürlich auch über die simplen Harmoniefolgen des Donauwalzers lustig machen (wie Arnold Schönberg, der das aber letztlich mit einem Augenzwinkern tat, weil er den Donauwalzer liebte) und sagen, eine Bachsche Fuge oder ein spätes Streichquartett sei unendlich wertvollere Musik und daher der Johann Strauss minderwertige Musik. So ein Vergleich macht für mich aber einfach keinerlei Sinn, weil es völlig sinnfrei ist, an einen Wiener Walzer die Ansprüche zu stellen, die man bei hochartifiziellen Werken von Bach oder Beethoven stellt.
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Hier nochmal mein Vorschlag! Hört euch "Catulli Carmina" und "Trionfo di Afrodite" an.
Da kann ich leider nicht mitreden, lieber Dr. Pingel, weil ich die Werke nicht kenne und auch keine CD davon habe. Die muss ich mir dann wohl mal besorgen...
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Da kann ich leider nicht mitreden, lieber Dr. Pingel, weil ich die Werke nicht kenne und auch keine CD davon habe. Die muss ich mir dann wohl mal besorgen...
Beide Werke sind bei YT zu hören. Aber ich würde dir die Kegel-Aufnahme aus Leipzig empfehlen, die immer noch im Handel ist. Ich verspreche dir einen "Amarus"-Affekt/Effekt.
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Das hat dann aber nichts mit dem Stück zu tun. Man kann sich auch Tschaikowskys Klavierkonzert oder die Mondscheinsonate leid hören.
Also wenn ich mich an einem Stück leid gehört habe und an einem anderen nicht, dann hat das nichts mit dem Stück zu tun ... hm, nein.
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Beide Werke sind bei YT zu hören. Aber ich würde dir die Kegel-Aufnahme aus Leipzig empfehlen, die immer noch im Handel ist. Ich verspreche dir einen "Amarus"-Affekt/Effekt.
Danke für den schönen Tip, lieber Dr. Pingel. Dann werde ich mich in diesem neuen Jahr mal ausführlicher mit Orff beschäftigen!
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Es freut mich, daß der Thread scheinbar gut ankommt - obwohl einige Aspekte bislang noch nicht behandelt wurden (Beispielsweise Orff Eigenkomosition gegen die Mittelalter-Rekonstruktionsversuche)
Aber es gibt genügend Statements die ich gernr kommentiere:
Ich würde aber die künstlerische Höhe der Wiener Klassik - die ja auch nicht durchgehend 'eingängig' ist - nicht unbedingt mit dem doch ziemlich epigonal anmutenden Werk Orffs (Carmina Burana) gleichsetzen wollen
Ich bin - neben Ulli und nemorino - hier wohl DER Liebhaber der "Wiener Klassik", würde aber hier eins Stilrichtung sehen und kein Qualitätsmerkmal. Die Wiener Klassik war eine zeitliche Epoche, wo wesentlich mehr Komponisten Anteil hatten als die großen drei oder vier.
Wenn man die Eingängigkeit bei Orff kritisiert, muss man sie auch bei Mozart kritisieren
So würde ich das auch sehen. Allerding ist es Mode geworden in Mozart Tiefgan hineinzuinterpretieren wor er (vielleicht ?) gar nicht vorhanden ist.
Vielleicht ist er in der Tat vorhanden - aber die Mehrheit der Klassikhörer - nimmt das nicht wahr oder - interessiert das überhaupt nicht.
Die Beliebtheit Mozarts beruht nicht auf Doppelbödigkeit oder weltanschaulichem Hintergrund - sondern an seinem Schönklang und seine Leichtigkeit.
Nö, Vorurteile waren es nicht, die mir das Stück im Laufe der Zeit verleidet haben. Es hält sich halt nicht so gut/nutzt sich ab.
Sehr markante Werke nutzen sich leichter ab, als anderes. Die Carmina Burana lebt vor allem von markanten Effekten. Diese beeindruckenden Passagen nutzen sich naturgemäß schneller ab, weil der WOW Effekt mit der Zeit ausbleibt.
Mahler schafft mit dem Material etwas Neues, das ich so nirgendwo sonst vorfinde, bei Orff jedoch habe ich den Eindruck, dass er hinter seinen Vorbildern zurückbleibt.
Viele Kompoisten des 20. Jahrhunderts schafften Neues -leider aber oft Ungefälliges, Sperriges
Die Vorlaibe dafür wuchs im20. Jahrhundert - an sich war es dem Hörer egalt inwieweit ein neues Werk auch strukturell "neu " war - es musste GEFALLEN - etwas das heutzutage aus der Mode zu fallen scheint. Mir ist ein klangschöner Ries, Pleyel oder Orff lieber als irgendein unanhörbarer Neutöner.
Mahler - auch wenn man heute nicht gerne drüber spricht - war in Wien äusserst unbeliebt und wurde mehr oder weniger "vergrault"
mfg aus Wien
Alfred
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Ich vergleiche einfach nicht.
Na ja, diesen Vergleich hast Du selber weiter oben - zumindest indirekt über die von Mahler und Orff verwendeten Themen - ins Spiel gebracht:
Zudem kann ich das abwertende Urteil, dass Orffs Werk epigonal und minderwertig sei, überhaupt nicht nachvollziehen. Carmina burana ist so wie es ist einmalig und originell. Gustav Mahlers Musik hat man einst auch abgewertet, dass er keine originellen Themen verwende usw.
Aber wir müssen das nicht weiter vertiefen.
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Aber wir müssen das nicht weiter vertiefen.
Völlig einverstanden! Es zählt letztlich das Positive, was uns an einer Musik zu faszinieren vermag. Deshalb hören wir sie uns schließlich gerne - und auch immer wieder gerne - an.
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bevor sich unsere "Sendezeit für diesen Thread dem Ende zuneigt, möchte ich - am Rande - auf die Restaurierungsversuche von Spezialisten mittelalterlicher Musik hinweisen.
Sie entstanden - wenn man Booklettexten vertrauen darf, erst NACH Orfs Komposition
Hier wäre vor alem der österreichische Spezialist Rene clemencic, der gleich 2 Versionen mit 25 Jahren Zwischenraum (neue Erkenntnisse) zu erwähnen, wobei mir die erste Version (harmonia Mundi,) leicht besser gefällt als die spätere (ÖHMS). Aber das ist Erbsenzählerei
die Ersteversion ist gestrichen, aber auf youtube verlinkt
An Hand der Länge der youtube Clips kann man davon ausgehen, daß seinerzeit nicht das ganze vorhandene Material auf CD gepresst wurde. Fas 4 Stunden !!
Da sind auch 2 CDs zu wenig.
Korrektur: Es gab damals auch eine Edition mit DREI CDs
Es gibt immer noch - mit langer Lieferzeit die Aufnahme mit Thomas Binkley und dem Studio der frühen Musik -
aber ich fand Clemencic überzeugender.
Und dann gibts noch die Aufnahme des Ensemble Unicorn unter Michael Posch (Naxos)
Auch sehr beeindruckend.
Aber keine diese -teilweise hervorragend klingenden - Rekonstruktionen konnte der Beliebtheit von Orffs Werk auch nur annähernd nahekommen.
ES gibt - das hab ich jetzt festgestellt - zahlreiche Threads über das Werk
Und wen die "Originalfassung interessiert - auch darüber haben wir geschrieben und sogar die Aufmerksamkeit von Frau Clemencic erreicht.
mfg aus Wien
Alfred
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Trionfo di Afrodite Nr. 5
Leipzig - Herbert Kegel
Hier nun das lange versprochene Sahnehäubchen!
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Nachtrag zu Britten: Enttäuschung. Die Aufnahme der Friday Afternoons ist hier (Australien-Import) doch nicht drauf:
Britten Rarities - Eloquence Classics
Das ist nur eine Auswahl (ca. 8 Minuten) aus Friday Afternoons - Erstveröffentlichung auf CD, aber nicht die Aufnahme, über die hier gesprochen wurde und die ich gerne gehabt hätte.
Natürlich freue ich mich auch, auf dieser CD Neues zu entdecken, was ich bisher gar nicht kenne. Insofern bereue ich den Kauf überhaupt nicht.
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Ich gehöre zur Partei der Nicht-Fans von Carmina burana. Es geht dabei gar nicht um das Ausgeleierte, denn das beschränkt sich ja eigentlich nur auf den Eingangschor. Und dieser ist wiederum dermaßen überwältigend, dass ich ihn immer noch gut hören kann.
Viel mehr ist der Rest des Werkes nicht unbedingt meine Musik. Vieles wurde schon angesprochen: Der Mittelalter-Stil als aufgeweichte Moderne. Dabei stört mich weniger die aufgeweichte Moderne (damit kann ich wahrscheinlich besser leben, als mit radikaler Moderne), sondern mehr um den (nicht immer zutreffend) parodierten Mittelalter-Stil. Das sagt mir einfach nicht zu. Das Instrumentarium, mit einem solchen Fokus auf Schlagwerk und ohne Streicher enspricht auch nicht wirklich meinen Vorlieben. Irgendwie ist aus der Mischung der mittelalterlichen Vorlage mit Strawinsky und Co etwas für mich lauwarmes heraus gekommen.
Damit möchte ich nicht leugnen, dass es überwältigende Augenblicke in dieser Musik gibt (eine gewisse Überwältigungsästhetik lässt sich ja auch nicht abstreiten). Neben dem Eingangschor ist das für mich z.B. auch der Teil "in taberna".
Ich stimme übrigens mit Dr. Pingel überein, dass die "Trionfi di Afrodite" stärker ist. Im Oktober letzten Jahres habe ich in HH an der Staatsoper die szenische Darstellung der drei Teile unter dem Titel "Trionfi" gesehen. Inszeniert von Calixto Bieto. Es war die erwartete Materialschlacht, eine wahre nackte Orgie und eine zuweilen kluge Verbindung der drei Teile. Ein (leicht) kontroverser und sehr beeindruckender Opernabend. Mit der zu Grunde liegenden war und bin ich nicht sehr vertraut - eben weil sie mir nicht sonderlich zusagt. Ich stellte aber in der Oper sitzend fest, dass mir die "Trionfi di Afrodite" musikalisch besser gefallen als "Carmina burana" und "Catulli Carmina". Als Gesamtergebnis und szenisch dargestellt würde ich mir das auch wieder ansehen. Aber diese Musik auf CD hören - das mache ich dann doch eigentlich nie. Orff ist einfach nicht so mein Komponist...
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Ich mag Orffs Carmina Burana wirklich gerne. Ich bin aber auch befangen, denn ich habe das Stück selber schon gespielt, das führt bei mir oft dazu, dass mir Stücke mehr zusagen und mehr bedeuten. Mit diesem Stück verbinde ich besondere Erinnerungen, denn ich habe das Stück im Rahmen eines Studierendenprojektes der Universität Münster 2016 zweimal gespielt, ein Dreivierteljahr später dann als Wiederholung im Rahmen des Hochschulfestivals "Neue Wände" im Großen Haus des Theaters Münster noch ein drittes Mal. Ich saß entweder in der 1. oder 2. Violine und hatte einen Heidenspaß, zumal es schon eine Besonderheit ist, an einem rein von Kommilitoninnen und Kommilitonen organisierten Projekt teilzunehmen und mit Freunden und Bekannten zusammen Musik zu machen, das wahr schon ein tolles Event. Der Chor hat uns Orchestermusiker so mitgerissen, dass wir teilweise mitsingen konnten. Auch Jahre später konnten die Chormitglieder noch auswendig Teile des Werkes singen und haben diese immer wieder angestimmt, wenn man mal zusammentraf.
Vor der fast einjährigen Erarbeitungs- und Probenphase kannte ich das Stück gar nicht richtig, habe es durch die lange Probenzeit und die Aufführungen aber verinnerlicht. Ich höre das Stück nur sehr selten, weil sich bei mir auch ein gewisser Abnutzungseffekt eingestellt hat (der mir auch während der letzten zwei Wochen wieder aufgefallen ist), wenn ich es aber mal höre, bin ich direkt wieder komplett gefesselt und an die damalige Zeit erinnert.
Mich hat damals schon dieser seltsame Stilmix und große Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten begeistert. Ob pompös-majestätisch wie im "O Fortuna" oder "Ave formosissima", anachronistisch und fast schon jazzig wie im "Veni, veni, venias", mitreißend mit fingerzerstörenden Pizzicati in "Swaz hie gat umbe", ironisch-komisch im "Olim lacus colueram" oder wunderschön schwelgend ("In trutina", "Amor volat undique" und "Dulcissime"). Running Gag war bei uns auch die verdächtige Ähnlichkeit des "Circa mea pectora" zum Davy-Jones-Thema bzw. der Orgelversion davon aus Hans Zimmers Filmmusik zu Pirates of the Caribbean 2 (Fluch der Karibik 2) und auch bei Stellen wie dem "Oh, oh, oh, totus floreo" kann ich mir bis heute ein Grinsen nicht verkneifen.
Das Stück ist natürlich sehr publikumswirksam und eingängig komponiert, dennoch ist es gerade diese Vielfalt, die ich mag, da ist für jede Stimmung ein passender Teil dabei. Wie epigonal das Ding ist, vermag ich nicht vernünftig zu beurteilen, dafür kenne ich Orffs Werk und auch das von Stravinsky und Konsorten zu wenig, auch "Cartulli Carmina" und "Trionfi di Afrodite" habe ich erst ein oder zwei Male gehört und kann mich nur daran erinnern, dass sie mich nicht wirklich gepackt haben. "Carmina Burana" mag kein kompositorisches Meisterwerk sein und kann sicher wegen seiner Entstehungsgeschichte und dem wilden Text- und Stilmix kritisiert werden - ich verbinde viele schöne Erinnerungen damit. Eines meiner persönlichen nostalgischen Guilty Pleasures.
Liebe Grüße
Amdir
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Der Kauf war eigentlich ein Missverständnis, weil die Angaben bei jpc so waren, als wäre da der komplette Zyklus drauf. Die CD ist aber toll! Von den Songs from Friday Afternoon ist drauf in der Besetzung für eine Solo-Knabenstimme und Britten am Klavier:
I mun be married Sunday
Cuckoo!
Fishing Song
There was a monkey
A New Year caro!
Voices für Today op. 75 mit Chor hat mich begeistert, auch The Birds für Knabenstimme wie A boy was born op. 3. Die anderen Sachen habe ich noch nicht gehört. Nachdem mein Vortragstext tatsächlich fertig ist, war das eine gute Entspannung!
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Noch kann über Orffs Carmina diskutiert werden. Ab Morgen sagt uns Kollege Ulli worüber wir die nächsten zwei Wochen diskutieren dürfen.
Terminplan zum Thread "Alle sprechen über dasselbe Musikwerk" -
Ab Morgen sagt uns Kollege Ulli worüber wir die nächsten zwei Wochen diskutieren dürfen.
Da bin ich schon, mein Engel.
Wir gehen ein paar Schritte zurück in der Zeit. Modernes gab es ja jetzt genug erstmal.
Etwas aus der „Wunderkindzeit“: Clavierquartett(e) des 15jährigen Ludwig van Beethoven, komponiert 1785 in Bonn. Warum diese bezaubernden Werke keine eigene Opuszahl erhielten, wird mir ein ewig Rätsel bleiben, so nehme ich die Katalognummer WoO 36 hin (die Werke wurden erst posthum als Œuvre post. I, II und III bei Artaria in Stimmen veröffentlicht); es sind mithin drei Clavierquartette an der Zahl: Nr. 1 in Es-Dur*, Nr. 2 in D-Dur und ein drittes in C-Dur. Im Autograph wird WoO 36 Nr. 1 als „Quartetto II“ bezeichnet, als Tasteninstrument ist im Manuskript „Cembalo“ angegeben (Einspielungen auf demselben konnte ich bislang jedoch nicht finden), anstelle des Violoncello schlicht „Basso“.
Ich möchte mich auf das (gezählte) erste Clavierquartett konzentrieren, finde aber auch die beiden anderen extrem hörenswert und empfehle, diese im Rahmen des Projekts ebenfalls mit zu hören, wenn auch niemand verpflichtend darauf näher eingehen muss, aber selbstredend darf; das sei freigestellt – immerhin sind es keine endlos langen Litaneien und irgendwie gehören die Quartette ja auch zusammen.Vielleicht findet ja jemand das ein oder andere gelungener (z.B. den lgs. Satz des D-Dur-Werks, den ich empfehle!)? Die Werke entstanden (nota bene!) ein Jahr vor Mozarts KV 478 und 493.
*Wenn – wie üblich - die langsame Einleitung wie auch die Tonarten der übrigen Sätze resp. deren tongeschlechtliches Ende für die Tonartenbestimmung eines Werkes grundsätzlich keine Rolle spielen (vgl. Arriagas Sinfonie d-moll, die oft als D-Dur geführt wird), steht das Werk unserer Betrachtung in es-moll, eingerahmt von Es-Dur.
Ich habe dieses Quartett gewählt, weil es einige „Besonderheiten“ aufweist: zunächst beginnt es mit einer ausgedehnten langsamen Einleitung (Adagio assai; Es-Dur), die beinahe als eigener Satz gelten kann, auf welche (attacca) ein Allegro con spirito in es-moll folgt. Auf einen klassischen Mittelsatz hat der junge Komponist verzichtet; als zweiter und zugleich letzter folgt ein Variationensatz in Es-Dur, Tempo: Cantabile, 6 Variationen, Themawiederaufnahme und Coda. Das Quartett ist nach meinem Dafürhalten von den dreien dennoch charakterlich das unmozartischste (dazu im Gegensatz das C-Dur als das mozartischste, s. nächster Absatz), was auch ein Grund für meine Wahl ist.
Okay, das Motiv der langsamen Einleitung erinnert schon gleich an Mozart … nicht? Vielleicht ist das der Grund, warum der junge van_B auf eine Publikation verzichtete: Sonate für Clavier und Violine KV 379 (erschienen im Stimmenerstdruck 1781 bei Artaria in Wien, zusammen mit KV 296, 376-378 und 380), die auch formal „Vorlage“ gewesen sein dürfte, da ebenfalls zweisätzig; lgs. Einleitung mit identischem Thema; agiler g-moll-Hauptsatz im 3/4-Takt und anschließend ebenfalls kantabler Variationenschlusssatz (davon eine Variation in moll wie bei Mozart) mit Coda; die stürmerisch-dränglerisch geprägte Violinsonate fällt dann auch bei Mozart eher aus der Reihe, umso beethoventypischer aber wirkt der wild-wirsche, teils melancholische es-moll-Hauptsatz, der mich oft an Boccherinis Clavierquintette, besonders das in e-moll op. 57 Nr. 3 (G 415), erinnert. Das Werk ist jedenfalls nicht mehr, aber auch nicht weniger, „epigonal“ als das vielfach geschätzte Clavierquintett op. 16. Das Attribut „epigonal“ verträgt das Werk sicher gut, da die Violinsonate Mozarts doch eher weniger bekannt sein dürfte.
Jedes Instrument darf sich auch solistisch exponiert betätigen, besonders im letzen Satz: Var. I: Clavier, Var. II: Violine, Var. III: Bratsche, Var. IV: Cello; in der Variation V (es-moll) - die mit ihrer Extrovertiertheit nochmals Bezug auf den zentralen Hauptsatz nimmt - und VI steht wieder das Clavier im Vordergrund. Die finale Themenwiederholung mit Coda setzt weitestgehend auf Ausgewogenheit der Instrumente. Das Werk verschwindet leise und unscheinbar – wie die Mozartsonate – im Nichts.
Ich empfehle natürlich Einspielungen auf historischen Instrumenten, damit es schön knackt und rappelt, mitunter ein wenig transzendent oder gar numinos:
Leonardo Miucci (Fortepiano, copy after Johann Lodewijk Dulcken, c. 1790, by Andrea Restelli, 2005) Meret Lüthi (violin, Paolo Antonio Testore, Milan, early 18th century)
Sonoko Asabuki (viola, copy after Andrea Guarneri’s "Conte Vitale”, 1676 by Daniel Frisch, 2014) Alexandre Foster (cello, Jacobus Stainer in Absom / prope Oenipontum, 1673)
Ebenfalls wunderbar spielen
Il Tetraone:
Ana Liz Ojeda (violin)
Alice Bisanti (viola)
Paolo Ballanti (cello)
Valeria Montanari (fortepiano)Natürlich lassen sich auch herkömmliche Aufnahmen finden, beispielsweise Eschenbach mit Dreiviertel des Amadeus-Quartetts (dto. via Youtube). Diese Ausgabe war selbstredend meine vorsinftflutliche Erstbegegnung mit diesen sogleich liebgewonnenen Werken; sie enthält zudem eine authentische Umarbeitung (1801/1802) der Claviersonate E-Dur op. 14 Nr. 1 für Streichquartett F-Dur (Hess 34), die ebenfalls sehr hörenswert ist; Beethoven selbst schrieb dazu, daß ihm dies so schnell niemand nachmachen könne. Oft sind die Werke als kleine unbeachtete Geschenkbeigaben irgendwo hineingeschmuggelt, in Gesamtausgaben sowieso.
Wegen eines eklatanten Interpretationsunterschiedes möchte ich dennoch gerne kurz auf das D-Dur-Quartett eingehen:
Während sich Eschenbach/AmadeusQ sklavisch an den Notentext halten, werden bei der o.g. Ersteinspielung (Gott sei Dank!) die vier ganzen Noten der Rückführung zur Reprise in WoO 36 Nr. 2 (Satz 1) in der Wiederholung elegant ausgeziert und nicht bloß nüchtern und abstrakt dargestellt wie bei Eschenbach/AmadeusQ und auch Il Tetraone.
Hier zu hören ab 5:08
vergleichsweise Miucci et al. ab 8:07
Frohes Hören und Entdecken und verbunden mit der Hoffnung, daß meine Begeisterung ein wenig abfärben möge.
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Bin entzückt über die Wahl, lieber Ulli. Die Quartette höre ich gerne, in meiner Aufnahme mit dem Trio Santoliquido. Eschenbach mit dem Rumpf-Amadeus müsste auch im Bestand sein. Danke für die Einladung zum erneuten Hören.
Liebe Grüße vom Thomas -
Ja, ich mag diese frühen Klavierquartette auch. In der Sammlung der Complete Masterpieces von Sony auf 60 CDs, die ich mir vor etlichen Jahren gekauft habe, fehlen sie. Das verstehe ich nicht so recht - unabhängig davon, dass man eigentlich schwerlich sinnvoll von "Complete Masterpieces" sprechen kann.
Aber vielleicht haben die Editoren der Sammlung einen Zusammenhang zwischen fehlender Notwendigkeit der Integrierung und fehlender Opuszahl herbeischieben wollen ...
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Ja, ich mag diese frühen Klavierquartette auch. In der Sammlung der Complete Masterpieces von Sony auf 60 CDs, die ich mir vor etlichen Jahren gekauft habe, fehlen sie. Das verstehe ich nicht so recht - unabhängig davon, dass man eigentlich schwerlich sinnvoll von "Complete Masterpieces" sprechen kann.
Aber vielleicht haben die Editoren der Sammlung einen Zusammenhang zwischen fehlender Notwendigkeit der Integrierung und fehlender Opuszahl herbeischieben wollen ...
Dabei hatte sei Deutsche Grammophon in ihrer Beethoven Edition aus den Siebziger (?) Jahren schon inkludiert. Ich habe das Werk seit vielen Jahren nicht mehr gehört, es trifft sich gut daß ich diese Woche Urlaub habe kann ich es in die Hörliste aufnehmen
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Dabei hatte sei Deutsche Grammophon in ihrer Beethoven Edition aus den Siebziger (?) Jahren schon inkludiert. Ich habe das Werk seit vielen Jahren nicht mehr gehört, es trifft sich gut daß ich diese Woche Urlaub habe kann ich es in die Hörliste aufnehmen
Ist das eher eine Sammelausgabe oder eine echte Gesamtedition, auf die Du Dich beziehst? Es sind ja in den letzten Jahrzehnten diverse Gesamtausgaben in verschiedenen Auflagen erschienen.
Wirklich vollständig sind die Gesamteditionen ja meist auch nicht, wegen der Problematik zahlreicher Fragmente und auch aus anderen Gründen.
Aber da müssen dann die Klavierquartette trotzdem unbedingt dabei sein. Bei den "sämtlichen Meisterwerken" ist das natürlich etwas anderes, auch wenn ich es trotzdem nicht verstehe.
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Ist das eher eine Sammelausgabe oder eine echte Gesamtedition, auf die Du Dich beziehst?
Man hat sich sehr um den 200sten Geburtstag des Bonner Meisters bemüht. Die DGG war mit einer "Gesamtausgabe" nach damaligem Kenntnisstand am Start, m.W. gmachte sich auch die EMI ans Werk und das Musikclub-Label Concert-Hall, die mit einen Mix aus Eigen- und Fremdaufnahmen. Von dieser Edition kann ich verbindlich berichten, dass die drei Klavier-Quartette (op. 16 ist die Transkription eines Quintetts) enthalten sind, gespielt vom Trio Santoliquido, das sich für diese Aufnahmen mit dem Bratschisten Luigi Alberto Bianchi verstärkt hatte, in der DGG-Edition waren in der Box Nr. 6 die Klaviertrios mit den drei Klavierquartetten enthalten, die letzten in der von Ulli genannten Besetzung. Für die Böhm-Fans wie mich unter uns: die DGG hatte seinerzeitz bei der Geburtstagsedition auf Karl Böhm für die Aufnahe der neun Sinfonieen gesetzt
.Ob sich bei den damaligen Preisen jemand die ganze Edition zugelegt dürfte bei Beethoven ebenso fraglich sein wie bei Bach. Concert Hall war ein französisches Projekt, DGG wohl eher ein deutsches. Das, was uns heute so nahezu selbstverständlich ist war vor 50 Jahren etwas für (sehr) Betuchte. Beim Zeitgleichen Erscheinen etwa der GA der Klaviertrios sowohl von Barenboim, du Pre, Zuckerman und Kempff, Schneiderhahn und Fournier hatte man die Qual der Wahl beim Boxenkauf, bei der letzten Box gab's immerhin die Klavierquartette als Dreingabe.
Die von Ulli empfohlene Aufnahme von Il Tetraone hört sich gut an, wenngleich ich fürchte, dass meine Zuneigung dann doch eher bei den Aufnahmen aus den 1960ern liegen wird.
Liebe Grüße vom Thomas
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Als begeisterter Hörer von Beethovens Kammermusik möchte ich Ulli für seinen Vorschlag danken. Sehr selten höre ich aus Beethovens ganz frühen Werken. Die Zeit ist also gekommen. Ein erstes Hineinhören in WoO 36/1 ist schon einmal erstaunlich. Man meint Beethoven zu hören, vermisst aber die sonst typische Verarbeitung, die ja in den Klaviertrios Op. 1 und erst recht in seinen Streichquartetten Op. 18 zutage tritt.
Warum diese bezaubernden Werke keine eigene Opuszahl erhielten, wird mir ein ewig Rätsel bleiben, so nehme ich die Katalognummer WoO 36 hin
Das ist eine Frage, die uns wohl nur Beethoven beantworten kann .... Interessant wäre es aber schon, die Eigenheiten dieser Werke zu erkennen, die sie wesentlich von den Klaviertrios Opus 1 unterscheiden (ich meine nicht die Besetzung
). Die Klaviertrios liegen von der Kompositionszeit ja noch hinter dem Streichtrio Opus 3.
Mal sehen, was die nächsten zwei Wochen so zeitigen werden!
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so ganz historisch korrekt ist das Cover aber nicht