Kitsch in der Klassik

  • Vieles wurde geschrieben, was auch meine Meinung ist.


    Prägnant sagte Rideamus, daß Kitsch möglicherweise ein Stilmittel ist.


    Das möchte ich gerne akzeptieren u.z. im Hinblick auf 2 Komponisten:
    einmal dem, der auf meinem Hausaltärchen steht - Beethoven mit dem Thema des 2. Satzes aus Op. 31/1 und Mahler, dessen Themen (einige, aber leider zu viele für mich) in seinen Symphonien schon immer für mich ärgerlich kitschig waren :untertauch: :untertauch: :untertauch: :untertauch: :untertauch:


    Über Evangelimann und anderes brauchen wir nicht zu diskutieren.


    Ich meine, daß das ein Thema ist, das kaum wirklich objektiv zu beantworten ist.


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Danke Johannes, die Diskussion hinter dem Link war sehr interessant.


    Der Kopfsatz der Vierten haut mich eigentlich regelrecht jedesmal von Neuem um.
    Ich weiss garnicht welcher mir lieber ist, dieser oder der Kopfsatz der Fünften.
    Zwar ahne ich was du bezüglich des Finales der Vierten meinst,
    soviel ich weiss hat ja aber Tchaikowsky selbst eine Erklärung zu diesem Finale abgegeben und gesagt was er damit ausdrücken wollte.
    Und solange die Musik das ausdrückt was der Komponist empfindet kann man doch nicht von Kitsch sprechen.
    Und außerdem finde ich ein bisschen kitsch, ein bisschen Übertreibung zur richtigen Stelle und zur richtigen Zeit garnicht mal so verkehrt, warum nicht?
    Wie Stabia bin auch ich der Meinung, dass ein bisscchen Kitsch, sofern nicht maßlos übertrieben und richtig eingesetzt, auch ein Stilmittel sein kann.

  • Ich finde, das ist ein sehr schwieriges Thema. Wie definiert man Kitsch?
    Oder anders gesagt:


    Für den Einen ist ein Musikwerk der Klassik Kitsch, für den anderen nicht.


    Für mich sind die Inhalte der Operetten Kitsch aber natürlich nicht die Musik. Für mich ist André Rieu Kitsch, auch wenn viele ihn lieben.


    Objektiv lässt sich dieses Thema nicht behandeln.


    ?(


    Ulrike

  • Original von manzini[/i]
    Ich finde, das ist ein sehr schwieriges Thema. Wie definiert man Kitsch?
    Oder anders gesagt:


    Für den Einen ist ein Musikwerk der Klassik Kitsch, für den anderen nicht.


    Für mich sind die Inhalte der Operetten Kitsch aber natürlich nicht die Musik. Für mich ist André Rieu Kitsch, auch wenn viele ihn lieben.


    Objektiv lässt sich dieses Thema nicht behandeln.


    ?(


    Ulrike[/quote]


    Ganz richtig liebe Ulrike!


    Nur bei Opertteninhalten gibt es Unterschiede!


    Die Libretti der Fledermaus, Zigeunerbaron und Bettelstudent und Offenbach sind kein Kitsch.


    Auch nicht die Lustige Wiwe oder Graf von Luxemburg, der Rastelbinder, oder auch die Puccini/Lehar Operetten sind nicht immer Kitsch, bei Vielen aber hast Du Recht!


    Jedoch:


    André Rieu ist Kitsch Erster Klasse, selbst wenn er in Wien, am Michaeler - Platz, seine Art, von Operette spielt,


    und sich herausspielt, als wäre er der Komponist der Werke, dann ist er unerträglich.


    Es hat auch Hanoncorth schrecklich das Neujahrskonzert, oder die Fledermaus, auf CDs (bei mir noch LPs), gebracht,


    dann ist es aber nicht mehr Kitsch - sondern Verunglimpfung der Werke.


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :baeh01: :hello:

  • Zitat

    Hanoncorth



    wer ist das denn ?(:D



    Ich glaube meist ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, was Kitsch ist und was nicht.
    Es gibt aber wohl bestimmte Dinge, die fast jeder als Kitsch empfindet - z.B. Gartenzwerge oder Dekopuppen.


    Aber wie öfter schon geäußert gibt es wohl zwei Seiten von Kitsch - schönen und abstoßenden.
    Aber das kann man wohl nur ganz persönlich entscheiden, wie man das empfindet.


    Abstoßender Kitsch ist für mich z.B. der ganze Bereich der Operette - da bekomme ich Gänsehaut an den Fußsohlen.
    (Meist reicht schon das Lesen der Werktitel das ich einen Brechreiz bekomme)


    Die Musik von Richard Strauss empfinde ich ebenfalls als negativen Kitsch.
    Die Musik wirkt auf mich süßlich, wuchtig, wie ein hässliches plüschiges Sofa mit Porzellanpuppen - wenn dann noch gesungen wird, dann wird's lächerlich.



    Positiven Kitsch gibt es für mich oft in der Filmmusik. So schön schnulzig, dass man heulen könnte.


    Aber ich denke wirklich, dass es eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, so empfinde ich z.B. den größten Teil der Malerei des 19. Jahrhunderts als übelsten Kitsch - andere sehen das wieder ganz anders und finden den gesamten Barock als Krönung allen Kitsches....

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  • Zitat

    Original von der Lullist


    Ich glaube meist ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, was Kitsch ist und was nicht.
    Es gibt aber wohl bestimmte Dinge, die fast jeder als Kitsch empfindet - z.B. Gartenzwerge oder Dekopuppen.


    Ich glaube, bei der multiplen Kopie und Vermarktung einer nicht immer zu Recht als künstlerisch verstandenen Vorlage (röhrende Hirschen z. B. auch) werden sich die meisten einig sein, das dem Kitsch zuzuordnen. So ist das Blumenduett aus LAKMÉ übler Kitsch, wenn es in der Fernsehwerbung verbraten wird (womöglich noch für Tampons). Woran man besonders klar sieht, dass (die Empfindung von) Kitsch vor allem eine Frage des Kontextes ist. Auffälig ist jedenfalls, dass Kitsch zeitlich ziemlich genau parallel zur Merkantilisierung der Kunst als solcher auffällt und auch retrospektiv wahrgenommen wird.


    Zitat

    Aber wie öfter schon geäußert gibt es wohl zwei Seiten von Kitsch - schönen und abstoßenden. Aber das kann man wohl nur ganz persönlich entscheiden, wie man das empfindet.


    Abstoßender Kitsch ist für mich z.B. der ganze Bereich der Operette - da bekomme ich Gänsehaut an den Fußsohlen. (Meist reicht schon das Lesen der Werktitel das ich einen Brechreiz bekomme)


    Gut, dass Du das auf Dich ganz persönlich reduzierst, denn die Operette pauschal als Kitsch abzutun, ist, obwohl es dort zugegeben besonders davon wimmelt, etwa so sinnvoll und zutreffend wie wenn man die gesamte Opernliteratur des 19. Jahrhundert mit diesem Etikett belegte. Es gibt eben auch da solche und solche, und wenn, um nur meinen Namenspatron zu nennen, Offenbach Kitsch ist, dann gehörte Rameaus PLATÉE auch in diese Abteilung. Den Vorwurf würdest Du aber mit Recht als absurd bezeichnen.


    Zitat

    Die Musik von Richard Strauss empfinde ich ebenfalls als negativen Kitsch.
    Die Musik wirkt auf mich süßlich, wuchtig, wie ein hässliches plüschiges Sofa mit Porzellanpuppen - wenn dann noch gesungen wird, dann wird's lächerlich. [


    Zufällig habe ich gestern erst in dem parallel laufenden Thread zum Kitsch in der Oper die Musik von Strauss, der trotzdem ein Lieblingskomponist von mir ist, in Teilen als (positiv) kitschverdächtig beschrieben. Dennoch werden weder Du noch Edwin mich davon überzeugen, dass man da pauschalisieren darf. Übrigens finde ich auch Offenbachs singende Porzellanpuppe Olympia keineswegs kitschig.


    Zitat


    Positiven Kitsch gibt es für mich oft in der Filmmusik. So schön schnulzig, dass man heulen könnte.


    Aber ich denke wirklich, dass es eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, so empfinde ich z.B. den größten Teil der Malerei des 19. Jahrhunderts als übelsten Kitsch - andere sehen das wieder ganz anders und finden den gesamten Barock als Krönung allen Kitsches....


    Ich vermute mal, dass Du eher nicht die vom Bild abgetrennte Musik meinst und auf die Wirkung der Kombination aus Geschichte, Bild und Musik abhebst.


    Beim überbordenden Ausstattungsbarock geht es mir in der Tat so, und in gewisser Weise empfinde ich bei endlosen Seria-Arien genau so, wenn mich nicht schon vorher die Langeweile überkommt. Du siehst: Pauschalurteile helfen da nicht weiter.


    Dennoch glaube ich nicht, dass man die Debatte allein auf das subjektive Kitschempfinden reduzieren darf. Es gbt schon Gründe dafür, warum manche Komponisten nie und manche immer wieder in die Kitschecke gedrückt werden, und ich finde, dass wir dem noch lange nicht gründlich genug nachgegangen sind - von differenziert ganz zu schweigen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von der Lullist
    (Meist reicht schon das Lesen der Werktitel das ich einen Brechreiz bekomme)


    Das liegt aber vermutlich, daran, daß Du bereits WEISST, daß es sich bei den Werken um Operette handelt.


    Ansonsten wüßte ich nicht, warum sich Die Zauberflöte, Die Gärtnerin aus Liebe (!!), Der Vampyr (verdächtig titelnah an der "Fledermaus"....), Der Barbier von Sevilla oder Die verkaufte Braut (bei dem Titel grauste es mich schon immer....) nicht auch gut als Operettentitel verwenden ließen.


    Freilich, Götterdämmerung, Die Trojaner oder Oedipus Rex sind wohl keine besonders geeigneten Titel.


    Ich denke JR II. hat sehr wohl recht, wenn er den Kontext betont.


    :hello:
    Wulf

  • Kitsch als definition ist nicht nur subjektiv auf die Person bezogen - sondern auch eine Frage des Zeitgeistes.


    Sind z.B Schillerse Gedichte schwülstig bzw kitschig?
    Wie schaut das mit den Libretti etlicher Verdi Opern aus ?
    "La Malediziona" - mit heutigem Titel "Rigoletto"
    Wenn man die Handlung kritisch betrachtet so ist sie schon sehr konstruiert und simpel gestrickt. Sie erinnert in gewisser weise an einen Groschenroman.
    Dennoch - jeder wird mir beipflichten - handelt es sich um ein (bis dato) anerkanntes Meisterwerk.


    Wer in Operetten Kitsch ortet, der hat IMO zumeist nur SCHEINBAR recht: Von wenigen Ausnahmen abgesehen handelt es sich lediglich um satirische Verfremdungen. Allein das wäre einen eigenen Thread wert.
    Hier nur einige Anregungen:
    Dier Sittenkommission im "Zigeunerbaron" das "Werberlied" ebenda.
    Man kann natürlich ein patriotisches Stück darin sehen - oder aber einen versteckten Angriff auf Werbermethoden und wie man die Dummen in die Falle des Kriegsdienstes lockt.
    Die Rückkehr - scheinbar ein Triumph ohnegleichen - aber eben nur scheinbar. Alles wendet sich auf simple Art zum Besten.
    Da gibt es noch ein lustiges Couplet:
    "Von des Tajo Strand"


    Aber gerade hier wird entlarvend der wahre Hintergrund von Kriegen bloßgelegt:
    "Nahmen mit was des Mitnehmens wert"


    etc etc.


    Jede Operette kann auf verschieden Art ausgelegt werden - Offenbach legte sie ursprünglich nicht kitschig, sondern ironisch.


    Aber manches was auf uns heute kitschig wirkt war zu Zeiten als es geschaffen wurde durchaus tief empfunden oder ernst gemeint.


    Aus einem österreichischen Kinderbuch der Kaiserzeit


    "Ein guter Kaiser ist ein Mann
    der alles weiß und alles kann."


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Jede Operette kann auf verschieden Art ausgelegt werden - Offenbach legte sie ursprünglich nicht kitschig, sondern ironisch.


    Ich würde sogar sagen, lieber Alfred, daß Offenbach reine Parodien schrieb.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil


    Ich würde sogar sagen, lieber Alfred, daß Offenbach reine Parodien schrieb.


    LG, Paul


    Offenbach legte seine Operetten auf alle Fälle auf satirische Parodien auf das Kaiserreich Napoleons III. an, was aber auch so verstanden wurde, dafür wurde in Frankreich, nach dem Deutsch-Franzöischem Krieg auch bestraft, weil er ja deutscher Herkunft war, außerdem hat sich der Zeitgeschmack 1873 geändert.


    Liebe Grüße Peter, aus Wien.

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  • Einem Kunstwerk das Attribut "Kitsch" anzuhängen, bedeutet immer eine Gratwanderung, wenn man denn Kitsch nicht auf "gut gemeint, aber schlecht gemacht" reduzieren will. Die Operette mit ihren klischeehaften Vorgaben ist natürlich ein besonders ergiebiges Feld für Aasgeier aller Couleur, dort fündig zu werden. Man verstehe mich bitte nicht falsch: ich bin persönlich kein Freund der Operette und auch viele Operntextbücher des 19.Jahrhunderts sind einfach nur voll von unfreiwilliger Komik.Die Konstrukte mancher Textbücher aus dem Barock sind ein wahres Fest, die Lachmuskeln bis an die Schmerzgrenze zu strapzieren.


    Der hier im Kontext schon öfter herbeizitierte Offenbach gehört ganz ohne Zweifel NICHT zu den Kitschproduzenten seiner Zunft, denn dazu sieht er das Genre, in dem er sich bewegt, einfach zu augenzwinkernd; von seinen beachtlichen Qualtitäten als Musiker einmal ganz abgsehn.


    Auch Lehár oder Robert Stolz sind Komponisten von Rang. Um dieses festzustellen, genügt ein oberflächlicher Blick in die zum Teil sehr komplexen Partituren. Wen man ein durchaus fragwürdiges Werk wie etwa Benatzkys "Im weissen Rössl" aufführt, aber das so hinreissend , quasi als "Parodie in der Parodie" hinbekommt, wie vor Jahren in Berlin die "Geschwister Pfister", dann wird daraus ein rundum beglückender Theaterabend.


    Zu Alfreds Einlassung: es gibt bei Schiller BEIDES: das Geniale in Gedichten wie der "Nänie" und aber auch jenes, was (leider) Beethoven vertonte, das mich in seiner Plakativität einfach nur abstösst, doch das hat nichts mit Kitsch zu tun, sondern eher mit Geschmack überhaupt.


    Manchmal aber ist eben "Kitsch" auch nichts weiter als der Wunsch, dem schnöden Alltag enthoben zu sein. Sehr schön bringt das z.b. der Film "Muriels Wedding" zum Ausdruck und so beschliesse ich denn meine morgendliche Betrachtung mit Versen der unsterblichen Friederike Kempner aus ihrer "Thule-Ballade" :


    Doch so oft ich jetzt auch schiffe,
    Ich doch nimmer wiederfand
    Zwischen Eis- und Felsenriffe
    Jenes ferne Thule-Land.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich glaube, der Kontext, in welchem der sogenannte Kitsch sich als solcher outet, ist unglaublich wichtig - und ein interessanter Aspekt:


    Zunächst würde ich nicht alles, was ich nicht mag [darunter beispielsweise auch die vielzitierte Operette] gleich als Kitsch bezeichnen. Es kommt darauf an, in welchem Geschehenszusammenhang Materielles oder Immaterielles betrachtet wird - und von wem. Wenn ich beispielsweise mit offenem Verdeck cabriofahrend Beethovens laut tönende Fünfte dirigierend durch die Straßen brettere, würde ich das Gesamtbild als kitschig betrachten. Aber ist deswegen das Fahrzeug oder gar Beethovens Werk zugleich Kitsch?


    Das Gemeine am Kitsch ist für mich, daß ich ihn eigentlich schön finde und deswegen ein zwiegespaltenes Verhältnis dazu habe. Wenn ich aber den Betrachtungswinkel verändere, wandelt sich das Bild, das ich habe.


    :hello:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Ich denke, das erfasst es in der Tat recht gut und begründet auch, warum Kitsch so schwer allgemeingültig zu definieren ist: er ist eines Frage des Kontexts und der Perspektive. Das von BBB zitierte Thule der stets - unfreiwillig - köstlichen Friderike Kempner bringt es auf den Punkt (dumm war sie ja nicht, nur haperte es an ihrem Stilgefühl). Kitsch ist ein zu bewegliches Ziel um jemals auf einen unverrückbaren Punkt gebracht zu werden.


    Man nehme das von mir schon angeführte "Blumenduett" aus LAKMÉ und stelle sich mal eine konstante Rückwärtsfahrt (wie mit einer Kamera) vor:


    - Als detaillierte Notenfolge ist es erst einmal neutral.


    - Im Zusammenhang gehört, klingt es lieblich, was es aber in seinem Kontext auch soll.


    - Aus dem Zusammenhang der Oper gerissen, etwa auf Schnipselsamplern, klingt es schon sehr süßlich. Kitschverdacht kommt auf.


    - In einen anderen Zusammenhang gebracht, etwa der Werbung, ist es monumentaler Kitsch.


    - Wenn man abr noch weiter zurück fährt und damit eine Werbung parodieren will, ist es schon wieder komisch, weil mit dem Kitschelement gespielt wird, das durch diese Charakterisierung aber auch gleich wieder schwindet.


    Und das alles wird aus demselben ursprünglichen Einfall und denselben Notenfolgen geboren.


    Deshalb ist es auch unsinnig, ein ganzes Werk oder gar eine ganze Gattung pauschal als Kitsch zu denunzieren, selbst wenn solcher in der Gattung gehäuft vorkommt. Das hat übrigens weniger mit einer zufälligen Häufung von Kitschproduzenten zu tun als damit, dass bestimmte Epochen, in denen nun einmal die Operette populär war, aus heutiger Wahrnehmung besonders zum intensiven Ausdruck emotionaler Emphase neigten - und zwar in ALLEN Kunstgattungen. Gefühlsmäßige Emphase liegt uns aber heute viel weniger und wird deshalb oft als Kitsch empfunden, je oller, desto doller.


    Kunst erzeugt Gefühle dadurch, dass sie Emotionen mit ihren ureigenen Mitteln zu bannen versucht. Kitschverdacht kommt immer dann auf, wenn die Gefühle unecht zu sein scheinen. Welcher Künstler wäre je ganz frei davon gewesen, Emphase einmal nicht selbst empfinden zu können, sondern simulieren zu müssen? Bei - gar nicht mal so - genauerem Hinsehen, ist Salomes Tanz nicht weniger kitschig als Ketelbeys berüchtigt plakatives Genrestück "Auf einem persischen Markt". Nur hat das, im Gegensatz zu Strauss' Genrestück, keinen Zusammenhang, der den Kitsch relativiert. Ähnliches gilt für den Tanz der Priesterinnen aus AIDA. Erst der Kontext macht den Kitsch, relativiert ihn aber auch.


    Trotzdem werden natürlich nicht alle selig, die unter Verfolgung leiden - am wenigsten die, denen dieser Ohrwurm nie aus dem Gedächtnis will, obwohl man den insgesamt kitschtriefenden Zusammenhang erfolgreich verdrängt oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen hat.


    Woran man bemerken kann: Kitsch zeichnet sich auch dadurch aus, dass er hervorragend klebt, und je süßlicher er ist, desto besser. Manche trinken ja auch gerne mal Limonade, obwohl sie eigentlich lieber Wein mögen - und selbst da gibt's viel auf süßlich Gepantschtes. Wer aber hätte schon mal von kitschigem Wein gehört? Höchstens von kitschiger Werbung dafür, und die ist immerhin eine entfernte Verwandte diverser Kunstgattungen. Kitsch und Kunst sind also sehr enge Verwandte, das sollte man nicht vergessen. Auch schwarze Schafe blöken erst mal nicht anders als die normalen, und erst der Blick auf die Herde macht sie zu Sonderlingen.


    Natürlich enthält DER ZIGEUNERBARON nicht nur Parodie, sondern auch waschechten Militärkitsch. Ich glaube nicht, dass wir heute wirklich noch ein Gespür dafür entwickeln können, was damals ernst gemeint war oder was als ironisch konzipiert und auch verstanden wurde. Da muss man schon Zeitzeugen interpretieren, die den Begriff Kitsch leider noch nicht kannten. Wenn heute "Kitsch" als gebrochen verstanden und entschuldigt wird, geht das oft auf eine heutige Interpretation zurück und war nicht zwangsläufig so intendiert. Wie die große Mehrzahl seiner Zeitgenossen liebte Strauß nämlich durchaus Uniformen und Militärisches.(Mehr dazu gibt's hier: Missachtet oder nur unbekannt? - Das Instrumentalwerk Jacques Offenbachs )


    Nur nahm man damals eben vieles leichter, was heute, nach den Erfahrungen der Schrecken des letzten Jahrhunderts, nicht mehr ohne Weiteres so aufgefasst werden kann, weshalb man auch den leichten Kitsch gerne mit dem lichten Domino der Ironie umhüllt - und unter ihm versteckt. Und sogar da leuchtet der Kitsch oft deutlich hervor - etwa der herrlische Kitsch des Vilja-Liedes im ironischen Gewand der LUSTIGEN WITWE.


    Deshalb ist es einerseits schade, dass wir keine unveränderlichen Zeugnisse damaliger Aufführungen haben; andererseits steht zu befürchten, dass es ihnen ähnlich geht, wie vielen Filmen der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. So kann man den sterbenden Schwan der legendären Anna Pavlova, der auf (Stumm-)Film gebannt wurde, heute nicht ohne ein gewisses Schmunzeln sehen. Die Berechtigung der Begeisterung der Zeitzeugen relativiert das aber nicht. Auch Kitsch ist also eine Frage des Datums, und zwar nicht nur seiner Erzeugung, sondern auch, wenn nicht vor allem, seiner Wahrnehmung.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Das Gemeine am Kitsch ist für mich, daß ich ihn eigentlich schön finde und deswegen ein zwiegespaltenes Verhältnis dazu habe

    Ich würde sagen,daß die vordergründge Schönheit ses Kitsches ein unentbehrliches Stilmerkmal ist - daß wir darauf oft hereinfallen ist nur narürlich - aber eigenrtlich verzeihen wir das nie..und entwickeln subtile Haßgefühle gegen den Kitsch - und seine Protagonisten...


    Dies ist - es wurde weiter oben schon angerissen - allerdings eine Betrachtungsweise des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts - Ende des 19. Jahrhunderts gab es siesen Begriff noch nicht wirklich


    Aber es gab den Begriff der "Geschmacklosigkeit".......



    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Im Thread zum Violinkonzert Peter Tschaikowskys fiel ein Urteil: Zitat "Das ist mir auch sehr wichtig in einem Stück, das so nah am Kitsch entlangschreddert..." Dann habe ich mich gefragt, ist dem so? Worauf begründet sich dieser Eindruck? Ist in diesem Konzert zu viel Gefühl einkomponiert oder sind diese Emotionen, die diese Musik in mir auslösen, falsch und unaufrichtig?
    Ich bin im Tamino-Forum auf die Suche gegangen und habe, (wen wundert es), diesen Thread zum Thema "Kitsch in der Klassik" gefunden. Beim Studium der über hundert Beiträge bin ich eher verunsichert, als dass ich eine Antwort geben könnte, ob Tschaikowskys Melodien dem Kitsch zuzuordnen sind.


    Könnte es sein, dass ich etwas "Kitsch" für meinen Gefühlshaushalt benötige?


    Vielleicht kann mir das bei Reclam erschienene Buch "Kitsch", Texte und Theorien", das in Beitrag 57 erwähnt wurde, eine Antwort auf diese ästhetischen und emotionalen Fragestellungen geben.
    .

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



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  • Könnte es sein, dass ich etwas "Kitsch" für meinen Gefühlshaushalt benötige?


    Wenn es Dich tröstet, lieber Moderato,


    dann kann ich Dir versichern, dass Du mit Deiner Besorgnis nicht allein dastehst.


    Ob Kitsch oder nicht, das wird von Zeit zu Zeit ohnehin unterschiedlich bewertet und mich rührt die diesbezügliche Kritik gegen Tschajkovkij im Allgemeinen und das Violinkonzert im Besonderen überhaupt nicht.


    Die Violinkonzerte von Brahms, Tschajkovskij, Beethoven und Bruch haben jedenfalls bis heute nichts von ihrer Beliebtheit eingebüßt.

  • Aber warum stehen das Brahmssche oder das Beethovensche Violinkonzert selten oder nie unter Kitschverdacht, dagegen Bruch oder Tschaikowskij viel häufiger?
    Es scheint doch nicht völlig unabhängig von den Werken zu sein, oder?
    (Hanslicks Problem mit dem Tschaikowskij-Konzert scheint übrigens weniger Kitschverdacht, sondern eher der als zu derb ("stinkend") wahrgenomme Ton des Finales ("russisches Volksfest") gewesen zu sein. Eine extrem unterhaltsame und unfaire Beschreibung des langsamen Satzes der 5. Sinfonie Tschaikowskijs als kitschige Proto-Filmmusik findet man bei Adorno. Wenn ich recht erinnere, ist die Passage in dem Reclambändchen über "Kitsch" mit drin.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Im Thread zum Violinkonzert Peter Tschaikowskys fiel ein Urteil: Zitat "Das ist mir auch sehr wichtig in einem Stück, das so nah am Kitsch entlangschreddert..."


    Du kannst ruhig Ross und Reiter nennen oder schneidest du mich jetzt auch!? 8-) Überdies habe ich nur das entsprechende Statement eines anderen Users aufgegriffen ... :)

  • Ob Kitsch oder nicht, das wird von Zeit zu Zeit ohnehin unterschiedlich bewertet und mich rührt die diesbezügliche Kritik gegen Tschajkovkij im Allgemeinen und das Violinkonzert im Besonderen überhaupt nicht.


    Der Befund, etwas sei nah am Kitsch, beinhaltet nicht automatisch eine Kritik!

  • Aber warum stehen das Brahmssche oder das Beethovensche Violinkonzert selten oder nie unter Kitschverdacht, dagegen Bruch oder Tschaikowskij viel häufiger?

    Sehr schöner Einwand: Jetzt warte ich aber auf eine Replik der Violinexperten!

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  • Aber warum stehen das Brahmssche oder das Beethovensche Violinkonzert selten oder nie unter Kitschverdacht, dagegen Bruch oder Tschaikowskij viel häufiger?


    Lieber Yorick,


    hier bist Du gefragt, denn wer hat neulich Tschajkovskij und Beethoven in einem Atemzug genannt?
    Im Übrigen ist Johannes´ Einwand berechtigt und meine einzige Verteidigung besteht in einem Nietzsche-Zitat:


    Ohne Kitsch wäre das Leben ein Irrthum!


  • Du kannst ruhig Ross und Reiter nennen oder schneidest du mich jetzt auch!? 8-) Überdies habe ich nur das entsprechende Statement eines anderen Users aufgegriffen ... :)


    Lieber Yorick
    Nichts liegt mir ferner ein Forumsmitglied zu "schneiden". Ich hatte mir beim Schreiben überlegt, den Namen des Verfassers anzugeben. Ich habe mich dagegen entschieden, weil es mir in erster Linie um den Gehalt der Äusserung ging und nicht um die Person, der ein Zitat zugeschrieben werden kann. Deshalb hätte ich das Zitat sein lassen und eine verallgemeinernde Formulierung wählen sollen: Tschaikowskys Musik wird oft der Vorwurf gemacht, sie läge nahe am Trivialen, Banalen, Kitsch.


    "Kitsch" hat viel mit Emotion zu tun. Deshalb lasse ich die draussen vor, wenn darüber diskutiert wird.


    Würde es sich um eine wissenschaftliche Arbeit handeln, müsste zwingend die Quelle genannt werden. Das hier ist ein Internet-Forum. Ich vermeide es ausdrücklich in diesem Alltagsmedium Personen auf ihre Äusserungen zu behaften. Allzu schnell fühlt sich jemand in seiner Ehre angegriffen. Ich lege Wert auf Diskussionen auf der sachlichen Ebene.


    (Mit welchen Kunstgriffen Argumente eines Gegenübers entwertet werden können, kann man bei Schopenhauer nachlesen.)
    .

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Lieber Yorick,


    hier bist Du gefragt, denn wer hat neulich Tschajkovskij und Beethoven in einem Atemzug genannt?

    Ja aber doch nur, weil das die beiden Konzerte waren, die mich endgültig zur Klassik bekehrten ... ich habe kein Qualitätsurteil abgegeben ... 8-)




    Lieber Yorick
    Nichts liegt mir ferner ein Forumsmitglied zu "schneiden". Ich hatte mir beim Schreiben überlegt, den Namen des Verfassers anzugeben. Ich habe mich dagegen entschieden, weil es mir in erster Linie um den Gehalt der Äusserung ging (Tschaikowskys Musik läge nahe am Trivialen, Banalen, Kitsch, ein Vorwurf der oft auftaucht) und nicht um die Person, der ein Zitat zugeschrieben werden kann. "Kitsch" hat viel mit Emotion zu tun. Deshalb lasse ich die draussen vor, wenn darüber diskutiert wird.

    Da hast du vollkommen Recht, das hatte ich nicht bedacht!



    Zitat

    Mit welchen Kunstgriffen Argumente eines Gegenübers entwertet werden können, kann man bei Schopenhauer nachlesen.)

    Ein großartiges Buch, aber vielleicht sollten wir nicht darauf verweisen ...

  • Deshalb habe ich nur den Namen Schopenhauers erwähnt... Ich hatte mit schon den Spass gemacht, den Studenten eines Seminars Teile einer Forumsdiskussion vorzulegen mit dem Auftrag, die Argumente nach Schopenhauers Kunstgriffen der Eristik zu beurteilen.
    .

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Die Frage des Kitsches, womit hängt sie zusammen? Bei Claudio Arrau las ich eben gerade, daß man bei bestimmten Liszt-Stücken aufpassen müsse, daß es nicht kitschig werde. Arrau meint also: Ein solches Klavierstück ist nicht kitschig an sich, aber eben an der Schwelle und Grenze zum Kitsch. Da liegt es dann am Interpreten, das zu vermeiden.


    Fälle zu beschreiben erscheint relativ leicht zu sein - die Gründe dafür zu analysieren aber um so schwerer. Meine Arbeitshypothese wäre: Es hängt mit der Eigenschaft der Musik zusammen, daß sie einerseits ausdrucksvoll aber auch sehr wirkungsorientiert ist. Immer dann, wenn der Ausdruck allzu sehr ins affektiert Rührselige kippt, wirds kitschig. Beispiel: Die Ricordanza-Etüde von Liszt. Die beginnt so wie ein typischer romantischer Schmachtfetzen. Busoni sprach von vergilbten Liebesbriefen. Das Irre an dem Stück ist aber, daß es dann aufregend modern wird - eine Harmonik wie bei Debussy. Cziffra spielt diese Etüde mit einer solchen glühenden Leidenschaft, daß da auch nicht mehr der Anflug von Kitsch zu spüren ist. Man sieht hieran, wie wichtig die Rolle des Interpreten ist.


    Ein anderes Beispiel: Bei den meisten Aurfnahmen des "Urlichsts" aus Mahlers 2. Symphonie klingt das kitschig (für mich ein echtes Ärgernis!) - weil dei Sänger alle meinen, lyrisch-empfindsam singen zu müssen und nicht episch im Erzählton, wie Mahler es möchte. Janet Baker macht es da genau richtig.


    Ein ganz anderes Beispiel: Ich habe die Impressionismus-Box (EMI) mit Simon Rattle. Da finden sich einige orchestrierte Debussy-Preludes drin (nicht von Debussy selbst!). Die finde ich einfach fürchterlich kitschig. Warum aber? Beim Klavierstück ist die Bildhaftigkeit nur angedeutet und in der Phantasie des Hörers. Wenn man das nun sehr "realistisch" in Musik umsetzt, dann ist das irgendwie zuviel. Also wenn der Impressionismus ins Dekorative abgleitet, droht der Kitsch. Debussys Musik - egal welche - habe ich dagegen noch nie als kitschig gefunden. Anders geht es mir da mit Ottorino Respighi. Bei den römischen Pinien und Fontanen finde ich wieder dieses Dekorative, was mich stört.


    Beste Grüße
    Holger

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Ich finde dass die Bezeichnung KITSCH auf die gesamte ernste Klassik keine Anwendung findet !


    2006 hatte ich dieses Zitat in Beitrag19 geschrieben.
    Aber eine Ausnahme, die eventuell auf wenig Zustimmung stoßen wird, möchte ich doch benennen. Ich suchte meinen Beitrag dazu, weil ich dass schon mal geschrieben hatte:


    :thumbdown: Die Tschaikowsky - Rokkoko-Variationen mag ich wegen des Kitsches und dem Schmalz, das bildlich gesehen aus dem Cello herausfliesst, überhaupt nicht.
    :D Das in Kürze zu dem, was ich als Kitsch ansehe. :P

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Kitsch ist vielleicht übertrieben, aber nahe am Kitsch gebaut ist m. E. auch Der Rosenkavalier von Strauss. Natürlich gibt es da wunderbare Musik, höchst amüsante Stellen, ein beeindruckendes Gesellschaftsportrait (vielleicht eher des Abglanzes der Hofgesellschaft um 1911 als jener der 1740er Jahre). Aber dann doch einige Längen, gerade zum Ende hin im Dritten Aufzug, nachdem der Ochs (für mich das Highlight der Oper) verschwunden ist. Dass der Octavian unbedingt eine Hosenrolle sein muss, macht's nicht besser. Die Sprache ist schon sehr kunstvoll (oder künstlich?). Meine Lieblingsoper wird das sicher nicht, ja nicht mal von Strauss. Welch ein Unterschied zur Salome, mit der ich Strauss kennen und lieben lernte. Vielleicht hatte Thomas Mann Recht, als er meinte "Vier Stunden Getöse um einen reizenden Scherz!"

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Vielleicht hatte Thomas Mann Recht, als er meinte "Vier Stunden Getöse um einen reizenden Scherz!"


    Na ja, die Großen haben bisweilen auch wunderliche Ansichten, und wenn man so etwas Hirnrissiges wie die Kollektivschuld befürwortet, kann man auch auf anderen Gebieten danebengreifen.


    Gerade, was Du als Kitsch betrachtest, den Schluss des Rosenkavaliers, ist für Andere der Höhepunkt der Oper.
    Natürlich ist der Rosenkavalier anders geartet als die Salome und Elektra, doch finde jedenfalls ich ihn in seiner Art nicht weniger genial, denn er trifft den Ton des Sujets nicht weniger genau.


    Was mich bei Strauss immer fasziniert hat: wer anders als er konnte einer Frauenstimme mit Hilfe des Orchesters diesen zauberhaften Glanz verleihen?


    Und ist das schon Kitsch, ist es jedenfalls Kitsch auf höchstem Niveau.

  • Aus einigen der letzten Beiträge könnte man schließen, daß manche das als Kitsch bezeichnen, was z.B. musikalische Naturbeschreibungen (um nicht zu sagen Programmmusik) ausdrücken. Nehmen wir den Sonnenaufgang in der Alpensinfonie - für mich überwältigend schön, wenn das volle Orchester in Dur die Sonne scheinen läßt. Dann habe ich aber einmal eine" illustrierte" Alpensinfonie im Fernsehen gesehen, wo die gesamte Dichtung mit entsprechenden Bildern hinterlegt wurde. Und das war dann schon nahe meinem Kitschempfinden - kann aber anderen geholfen haben, dieses Werk zu verstehen.


    Das gilt auch noch für andere ähnliche Werke, z.B. der 1. Satz in Bruckners 4. Sinfonie, die gesamte Pastorale mit ihrer bildhaften Musik, der Anfang des 1. Satzes der 1. von Mahler uva. Für Liebhaber der klassischen Wiener Schule mit Eduard Hanslick als Chefkritiker an der Spitze ist diese Musik ein Greuel gewesen. Aber es ist einfach Musik, die Naturerlebnisse musikalisch umschreibt. Warum sollte das kitschig sein?


    Das "Urlicht" in der 2. Mahlersinfonie ist für mich nicht kitschig, selbst die Stelle "Da kam ein Engelein" nicht, obwohl mir als Atheist ein Engel als Märchenfigur bekannter ist als aus religiösen Gründen. Diese Stelle gehört für mich in die "Gänsehautstellen".


    Holger sprach Resphigi an. Alle 3 populären sinfonischen Dichtungen sind reines Programm, das "Dekorative" umrahmt eine Handlung. Für mich einfach großartig. Das fand ja auch Mussolini so, als er den bombastischen 4. Teil der Pinien bei politischen Aufmärschen mißbrauchen ließ. In den römischen Festen, die teilweise ja die Grenze zum Atonalen überschreiten (z.B. bei der Gladiatorenerwartung der Raubtiere, dem Marktfest mit allen möglichen Tönen durcheinander) wird das besonders deutlich. Damit weiche ich aber vom Thema ab. Die 3 Resphigi-Werke gehören für mich zu den Glanzpunkten eines jeden Konzertes.


    Selbst das "Capriccio italien" ist für mich kein Kitsch, genausowenig wie die "Moldau".


    Wie alles - es ist Geschmackssache!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Da mag was dran sein. Thomas Mann kritisierte ja auch die von mir geliebte Salome ("Ich empfand stark die Oberflächlichkeit, Überholtheit und törichte Kälte des Schmißwerkes").


    Publikumsmagnet ist Der Rosenkavalier ohne Frage. Soviel ich hörte die bestausgelastete Strauss-Oper an der Wiener Staatsoper (gefolgt von Salome), auch gestern wieder volles Haus.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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