Opern in der Versenkung - Ursachen und Wirkung

  • Zitat

    Original von Theophilus

    So einfach ist es nun wirklich nicht. Um eine Medea zu singen, muss man eine wirklich tolle Sängerdarstellerin und versiert im italienischen Fach sein (obwohl es offiziell eine französische Oper ist).


    Zunächst mal muss ich vorausschicken, dass ich die Partie der Medea nicht wirklich kenne, ich habe nur zwei Ausschnitte mit der Callas daraus, die sie allerdings sehr beeindruckend singt. Meine Einlassungen sind also allgemein zu sehen.


    Wollte man aber obigen Anspruch Theophils wirklich beherzigen, müssten wohl sehr viele Opernhäuser ihren Betrieb drastisch reduzieren, vor allem die kleineren. Wann kann so ein Haus denn wirklich auch nur annähernd die ideale Besetzung anbieten? Grundsätzlich stimme ich durchaus zu, es gibt schwere und anspruchsvolle Rollen, die wirklich perfekt nur von wenigen Sängern auf der ganzen Welt gesungen werden können, aber bedeutet das dann, dass Opern in weniger idealen Besetzungen nicht mehr aufgeführt werden dürfen?


    Meiner Meinung nach werden Perfektionismus und Spezialisierung heutzutage sowieso schon zu weit getrieben, ebenso halte ich es nicht für richtig, wenn (junge) Sänger in wenigen Paraderollen verheizt werden. Da plädiere ich eher für eine umfassende Ausbildung und einen langsamen Aufbau, mit durchaus auch vorsichtiger Auswahl der Rollen. Wenn die Stimmbildung aber erst mal halbwegs abgeschlossen ist und der Sänger über ausreichend Erfahrung verfügt, dann sollten auch schwere oder ungewohnte Partien die Stimme nicht mehr so leicht überfordern können.


    Zu den Zeiten des Ensemble-Betriebes war es doch auch gar nicht anders möglich, als dass ein Sänger einen weiten Bereich an Partien in seiner Stimmlage abdecken musste, selbst größere Theater konnten sich nur eine begrenzte Anzahl an Solisten leisten. Entsprechend bunt sah auch das Repertoire mancher Sänger aus. Die Callas sang ja zum Beispiel auch nicht nur hochdramatische Sachen, sondern etwa auch die Rosina im Barbier.


    Sänger wie Georg Hann oder Otto Edelmann sangen so ziemlich alles von tiefen Bassrollen bis zu Baritonpartien, also heute Ochs, morgen Pizarro und übermorgen Wolfram, und ich kann mich an ein Interview mit Edelmann erinnern, in dem er sich beklagte, dass die jungen Sänger von heute "nichts mehr aushalten". Aber okay, die Klage gibt es wohl, seit die Menschheit existiert. :D

    Zitat


    italienische Rolle im Repertoire, Hedwig Fassbender überhaupt keine, Renée Fleming wäre als Medea die Fehlbesetzung des Jahrhunderts (würde das Ansinnen aber wahrscheinlich als verrückt abtun; sie hat auch nie schwere Rollen gesungen; und du kannst sie dir als rachedürstende Furie vorstellen? - beeindruckend! ;) ).


    Mag durchaus sein, aber sehr vielen Darstellerinnen der Königin der Nacht nehme ich die Rachefurie auch nicht ab, es ist eben nicht jede eine Edda Moser oder eine Gruberova. Klar wäre es optimal, wenn Gesang, Ausdruck und schauspielerische Leistung harmonieren, aber sehr oft funktioniert das eben nicht perfekt und trotzdem wird eine ganz passable Aufführung daraus. Da kommt es schon sehr auch auf die gesetzten Ansprüche an, und die sind meiner Meinung nach heute sehr oft überzogen.


    Zitat


    Bleibt also Deborah Voigt, und ja, ich glaube, sie hätte das in ihrer "italienischen Zeit" recht gut hingekriegt, wenn sie gewollt hätte. Aber jetzt scheint sie sich ja vollständig auf das schwere deutsche Fach spezialisert zu haben. Und da führt kein Weg mehr zurück zur Medea.


    Schon möglich, aber ganz sicher wäre ich mir da nicht. Ich habe zum Beispiel eine Aufnahme des Maskenballs mit Birgit Nilsson, ich finde sie singt sie gar nicht mal so schlecht. Ob da ein Weg zurückführt, liegt meiner Meinung nach vor allem an der Sängerin selbst und wie sie mit ihrer Stimme umgeht, eine Zeit der Umgewöhnung muss natürlich einkalkuliert werden. Aber vielleicht mangelt es heute ja gerade daran.

    Zitat


    Es könnte auch sein, dass diese Rolle sehr gefährlich für Stimmen ist, so daß niemand diese Partie anstrebt, wenn nicht ein persönliches Bedürfnis vorhanden ist. Die Karriere ist wichtiger. Auch eine Lucia Aliberti, die das mit Sicherheit vorzüglich gekonnt hätte, scheint einen weiten Bogen um die Partie gemacht zu haben.


    Mag sein, dass manche Partien besonders dazu verführen, eine Stimme überzubeanspruchen, aber im Grunde droht diese Gefahr immer, wenn ein Sänger seine Grenzen überschreitet und ins Forcieren kommt. Da wäre zum einen eine solide Ausbildung gefragt, zum anderen aber auch Dirigenten, die ein Gespür dafür haben und die Sänger schonen. Leo Slezak schreibt ja in seinen Erinnerungen, dass er manchmal den Siegfried aktweise nur mit halber Stimme sang. Früher war das wohl noch möglich, da müssen ja auch in manchen Vorstellungen in den Zwischenakten die Ränge ziemlich leer gewesen sein und das Publikum tauchte erst zum Schluss wieder auf. ;)


    Heute scheinen die Sänger insgesamt mehr unter Druck zu stehen, wie in vielen anderen Bereichen des Lebens auch. Ich halte das für keine sehr gesunde Entwicklung und ich bin bereit, dafür meine Ansprüche an Perfektion und Höchstleistung herunterzuschrauben, auch wenn das heute für viele Menschen undenkbar zu sein scheint. Oper ist für mich eben vor allem auch eine Sache des Herzens, und nicht primär eine der perfekt funktionierenden Stimmbänder. Aber ich erwarte natürlich keineswegs, dass alle das so sehen.


    Kurt

  • Hallo Theophilus!
    Kurt hat relativ viel von meiner Antwort vorweggenommen (danke, Kurt :hello: ).
    Daher nur noch ein paar Anmerkungen meinerseits.
    Die Fleming hat eine Daphne gesungen und eine Thais, stimmlich ginge die Medea also - der Rest ist Sache der Aneignung einer Rolle und auch Sache der Regie.
    Die Merbeth hat außerdem Mozart, Gounod und Smetana im Repertoire, ist also keineswegs auf Rollen in deutscher Sprache fixiert und kann sehr wohl mit dem dramatischen Belcanto umgehen. Dass eine neue Rolle immer auch einen neuen Denkansatz bedeutet, ist unabhängig davon, ob diese Rolle nun im deutschen, italienischen, französischen oder meinetwegen zentralsudanesischen Repertoire beheimatet ist.
    Gleiches gilt für Hedwig Fassbender.
    Für Polaski und Schnaut käme die Rolle jetzt etwas zu spät, insofern gebe ich Dir recht. Beide wären aber, ebenso wie Cheryl Studer, in ihrer besten Zeit für die Rolle in Frage gekommen.
    Eva und Elsa nannte ich nicht als Parallelrollen, sondern als Rollen, für die ein ähnliches Stimmvolumen mit der Fähigkeit zum Belcanto vorhanden sein müssen.


    Dein Eintrag erklärt aber interessanter Weise auch, warum manche Opern in der Versenkung verschwinden: Es liegt nicht nur an den Sängern, die lieber ihre üblichen Rollen abspulen, sondern auch am Publikum, das sich eben sträubt, wenn bestimmte Sänger "ausbrechen" und Rollen gegen ihr Image übernehmen. (Im Film gilt es übrigens oft als besonderer Reiz, gegen das Image zu besetzen - wäre für die Oper mitunter eine ganz gute Frischluftkur.)


    Tatsache ist nämlich, dass man auch einige weltweit im Repertoire befindliche Opern, vor allem Wagner, Richard Strauss und Umfeld, im Moment kaum ideal besetzen kann, wenn man die entsprechenden Vergleiche heranzieht. Da diese Werke aber essentiell sind, spielt man sie quasi auch in der zweit- bis drittbesten Besetzung.
    Warum soll man das mit Außenseitern des Repertoires nicht auch versuchen?
    Mir ist zum Beispiel völlig klar, dass heute niemand den Paul aus der "Toten Stadt" wirklich ideal singen kann - und damit müsste man auf ein herrliches Stück verzichten. Ebenso bei den Opern Schrekers, in denen meistens die Frauenrollen heute problematisch zu besetzen sind. Aber genau diese Ganz-oder-gar-nicht-Haltung bei den nicht zum Kernrepertoire gehörenden Opern führt zu der Repertoire-Verarmung, die wir heute international sehen.


    LG

    ...

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Ich habe nicht den Eindruck, dass der Verfasser dieser Zeilen weiß, wovon er schreibt. Die Gilbertschen Texte sind alles andere als leicht verständlich, da sie voll von Anspielungen auf das damalige gesellschaftliche Leben sind. Übersetzbar sind sie fast überhaupt nicht, da die vielen Wortspiele hoffnungslos auf der Strecke blieben. Und ohne dem englischen Witz bleibt nur eine sinnlose Rahmenhandlung über. Gilbert und Sullivan erfolgreich auf deutschsprachige Bühnen zu bringen ist also noch immer eine nicht bewältigte Aufgabe.


    Hallo Theophilus,


    Noch immer suche ich im Internet nach Quellen für Gilbert/Sullivan.
    Da empfehle ich diese Webseite.


    Bei jeder Oper kann man in "Glossaries" wichtige termen erklärt sehen.
    Die Libretti sind im Internet zu finden als Text-Datei.


    Auch wenn vielleicht diese Opern nicht in Deutschland gebracht können worden, sind jedenfalls die CDs die Mühe wert.
    Ich habe übrigens circa 6-8 dieser Opern übersetzt gesehen und genossen. Siehe hier.


    Meine Meinung bleibt unverändert: übersetze. Laß viel Menschen genießen, auch wenn nur noch skizziert das Libretto zu uns kommt.
    Wievielen gibt es, die jetzt noch die Tragweite der Don Giovanni verstehen?


    LG, Paul

  • Hallo Johannes,


    vielen Dank für deine Einspielungsempfehlungen von
    Dukas "Ariane et Barbe-Bleue".
    Tja, leider verschwinden selbst solche genialen Meisterwerke vom Markt.
    Was La Peri betrifft, kann ich Dir auch nur in Gänze zustimmen. Ein bezauberndes Werk, doch IMO ist das Beste daran die einleitende Fanfare. Sie gehört für mich zu den beeindrucksten Fanfaren überhaupt!
    Was Dukas mit reinem Blech an orchestraler Farbe rausholt, ist schier unglaublich!


    So jetzt aber wieder zurück zur Oper :)
    Vermutlich werde ich dann doch mit 1968er Aufnahme liebäugeln müssen....


    LG
    Wulf.

  • Salve @ all


    Ich hab täglich mit Opern zu tun. Lange habe ich versucht einen Sponsor zu finden
    für einen Opernkanal. Gerne würde ich Werke spielen, die in der Oper garnicht oder
    sehr selten aufgeführt werden. Einige Titel habt Ihr bereits aufgezählt, andere erhalte
    ich von interessierten Hörern per Email zugesandt. Doch wie soll man einen Titel spielen,
    der auch im Handel nicht mehr erhältlich ist? Man hat ja schon Probleme an gute
    Aufnahmen von Albert Lortzing zu gelangen oder Opern der Russischen Meister (mal
    abgesehen von Tschaikowsky). Viele Werke kann man z.B. in den USA nachbestellen -
    Beispiel: die Opern-Fragmente "L'oca del Cairo" und "Lo Sposo Deluso" - beide von
    Mozart. Opern von "Friedrich von Flotow", "Emmerich Kalman", "Otto Nicolai" und
    "Albert Lortzing" sind in der Schweiz vergriffen. Dafür finde ich schöne Wagner-
    Aufnahmen für umgerechnet 70-120 Euro die Box - wo ich mich frage - wer den
    dies bezahlen soll? Opern sind bei uns 30% teurer als in der EU - importiere ich welche
    verrechnet mir der Zoll bis zu 50 Euro Gebühren pro Sendung.


    Ich denke es liegt an unserer Gesellschaft - die Opernhäuser haben ähnliche Probleme
    wie die Radiostationen: Aufführungs- und Leistungsschutzrechte sind ohne Sponsoren
    kaum zu finanzieren. Durch die wenigen Sponsoren verteuern sich die Sitzplätze und dadurch
    strömen weniger Interessierte in die Oper. Es werden hauptsächlich "Kassenschlager"
    berücksichtigt wegen den fehlenden Besuchern und natürlich sinkt der Nachwuchs an
    Opernfans.


    Greets, Carl

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    Einmal editiert, zuletzt von Carl ()

  • Hallo Carl,


    Ich würde gern per PN antworten, aber dann mußt du PN empfangen möglich machen via Profil --> Einstellungen editieren.


    LG, Paul


  • Ciao Paul


    Das liegt nicht daran, dass es nicht von mir aktiviert wäre, sondern
    an meinen Benutzerrechten - ich kann diese Funktion nicht nutzen,
    doch Du darfst mir gerne eine Email schreiben...


    Liebe Grüsse, Carl

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  • Zitat

    Original von Kurt Fischer
    [

    Wenn ich dann an die Werke von Lortzing denke, die mir persönlich sehr gut gefallen, dann könnte ich mir auch noch einen weiteren Grund vorstellen, dass sie in letzter Zeit immer weniger gespielt wurden: Sie sind einfach zu gefällig, bieder und "harmlos", um problembewussten Regisseuren genug Spielraum für ihre interpretatorischen Eskapaden zu bieten.(Und damit oute ich mich gleich am Anfang als Verächter modernen Regietheaters, lässt sich wohl nicht vermeiden :D).



    Hallo Kurt,


    einige Werke funktionieren auch nur mit der Erfüllung bestimmter Sehgewohnheiten: Zugstücke, wie einst "Die Afrikanerin" müssen opulent auf die Bretter gezaubert werden, sonst bildet sich keine Einheit. Wenn ich mir den Meyerbeer reinziehe, dann aber bitte wie von Cecil B. de Mille.


    Genauso ist es mit Werken der Romantik, die es heutzutage ja arg schwer haben: Entweder sie werden ins Lächerliche gezogen oder fies gegen den Strich gebürstet. Dann wundert man sich, dass das Publikum nicht mitzieht und lässt die Inszenierung wieder fallen. Exemplarisches Beispiel: Freischütz in Köln - sonst festes Repertoiremitglied ist er nach Neuinszenierung ohne Wald und sonstige Ingridenzien ganz schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Weg isser und kommt nicht wieder. Auf Anfrage wurde mir gesagt, die Publikumszahlen hätten bewiesen, dass das Stück nicht mehr so schnell wieder auf dem Spielplan erscheinen würde. Die Neuinszenierung der Königskinder in München - nach einer Spielzeit wieder weg: Obwohl stimmig in der Interpretation war's wirklich kein Genuss das grelle Treiben auf der Bühne zu beobachten. Schade, schade - so wird der Spielplan noch immer weiter ausgedünnt.


    LG,
    Knuspi

  • Hallo Knuspi,


    Zitat

    Original von Knusperhexe


    Hallo Kurt,


    einige Werke funktionieren auch nur mit der Erfüllung bestimmter Sehgewohnheiten: Zugstücke, wie einst "Die Afrikanerin" müssen opulent auf die Bretter gezaubert werden, sonst bildet sich keine Einheit. Wenn ich mir den Meyerbeer reinziehe, dann aber bitte wie von Cecil B. de Mille.




    Sehe ich zwar ähnlich, allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass für den Erfolg einer Oper vor allem die Hörgewohnheiten entscheidend sind. Sprich: Wenn das Publikum ausreichend "Schlager", also bekannte und vertraute Stücke zu hören bekommt, quält es sich auch mal durch unbekanntes Terrain oder schwer verständliche bzw anti-intuitive Regie.
    Und in dieser Hinsicht können Meyerbeer oder mittlerweile auch Lortzing, Weber und andere einfach nicht mehr mithalten, ihre Werke sind einfach zu wenig präsent in den Medien.


    Ich habe Salzburgs Figaro damals ja verpasst und auch im nachhinein nur einen kurzen Ausschnitt des letzten Aktes gesehen, aber ich wage die Behauptung, dass der Figaro auf der Basis einer solchen Aufführung, deren letzter Akt völlig gegen Handlung und schauspielerische Glaubwürdigkeit in einem Treppenhaus(okay, ich übertreibe ein wenig, aber nicht sehr) spielt, nie zu einer so weiten Verbreitung gefunden hätte.


    Damit ein Stück ein Erfolg werden kann, muss es immer und immer wieder gespielt werden, bis es sich den Menschen eingeprägt hat. Und ich behaupte, dass man eben gerade mit Figaro, Don Giovanni und dergleichen solche Dinge anstellen kann, weil sie im Grunde bereits so etabliert sind, dass sie quasi "unzerstörbar" wurden, da kann sich ein Regisseur noch so verirren und die Sänger noch so daneben liegen. Im Grunde hat jeder seine Lieblingsaufnahmen daheim und weiß genau zu unterscheiden, was am Werk und was an der Interpretation hängt.


    Bei unbekannten Werken sieht das anders aus, die haben oft nur wenige oder gar nur eine Chance sich ins Herz des Publikums zu spielen und wenn da die Aufführung vermurkst wurde, dann war's das halt.



    Zitat


    Genauso ist es mit Werken der Romantik, die es heutzutage ja arg schwer haben: Entweder sie werden ins Lächerliche gezogen oder fies gegen den Strich gebürstet. Dann wundert man sich, dass das Publikum nicht mitzieht und lässt die Inszenierung wieder fallen. Exemplarisches Beispiel: Freischütz in Köln - sonst festes Repertoiremitglied ist er nach Neuinszenierung ohne Wald und sonstige Ingridenzien ganz schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Weg isser und kommt nicht wieder. Auf Anfrage wurde mir gesagt, die Publikumszahlen hätten bewiesen, dass das Stück nicht mehr so schnell wieder auf dem Spielplan erscheinen würde.



    Siehe oben, meiner Meinung nach ist so eine Vorgehensweise halbherzig und kann nicht zum Erfolg führen, da fehlt einfach die Erkenntnis, dass es eine Weile braucht, bis man ein Werk dem Publikum schmackhaft gemacht hat. Einmaliges Hören reicht doch nicht mal bei einem simplen Schlager mit "Lalala"-Text, nein, selbst der wird immer wieder geduldelt, bis er schließlich zu einem Ohrwurm wird - falls eine gewisse musikalische Substanz und Eingängigkeit vorhanden ist.


    Bei vielen Werken der Romantik sind sowohl diese Substanz wie auch die Eingängigkeit vorhanden, einige Stücke aus Lortzings Undine waren sogar mal so etwas wie Vokslieder, denken wir etwa an "Vater, Mutter, Schwestern, Brüder..."


    Ich frage mich sowieso, warum nicht mehr Stücke aus der Romantik gespielt werden, gerade heute in einer Zeit, in der Esoterik und Fantasy so im Schwange sind. Sowohl Undine wie auch Oberon könnten mit den Möglichkeiten der heutigen Technik geradzu traumhaft realisiert werden, allerdings müsste man dann den Schwerpunkt auf die romantischen Aspekte legen und nicht auf die gesellschaftskritischen, wie es anscheinend nach wie vor die meisten Regisseure zu bevorzugen scheinen. Also nicht Gefühle, sondern Standesunterschiede, Emanzipations- und Machtfragen werden in den Mittelpunkt gestellt und damit wird man meiner Meinung nach vielen Werken einfach nicht gerecht.



    Zitat


    Die Neuinszenierung der Königskinder in München - nach einer Spielzeit wieder weg: Obwohl stimmig in der Interpretation war's wirklich kein Genuss das grelle Treiben auf der Bühne zu beobachten. Schade, schade - so wird der Spielplan noch immer weiter ausgedünnt.




    Sehen wir diesen Trend zur Ausdünnung und Vermassung denn nicht allerorten? Im Einzelhandel wie in der Mode, in der Architektur wie im Handwerk? Immer simpler und einfacher herzustellende Modelle in immer höheren Stückzahlen. Und maßgeblich alleine ist letztlich der finanzielle Erfolg, mit möglichst geringem Aufwand an Arbeit und Zeit. Denn gerade das kostet heutzutage Geld, Experimentieren mit unsicherem Ausgang ist da einfach nicht mehr drin. Im Filmgeschäft ist das meiner Meinung nach ähnlich. Filme werden mittlerweile meist mit einem immensen Aufwand gedreht und dann weltweit vermarktet, auf unsichere Kandidaten lässt sich unter solchen Bedingungen niemand mehr ein.


    Ausweg sehe ich da auf die Schnelle keinen, da müssten die Menschen schon sehr viel bescheidener in ihren Ansprüchen werden. Weniger Stars, weniger Aufwand, dafür mehr Phantasie, auch beim Publikum. Brauche ich wirklich große Weltstars und ein aufwendiges Bühnenbild oder reichen im Grunde nicht die örtlichen Sänger samt Musik, wenn sie mit dem Herzen dabei sind?


    Aber gut, so einfach werden sich die Uhren wohl nicht zurückdrehen lassen, wär ja auch zu einfach. :D


    Liebe Grüße
    Kurt

  • Hallo Kurt,


    Nicht nur in den Opernhäusern gilt das. Die Plattenfirmen bringen zigfach Traviatas, Rigolettos, usw aus.
    Vor einiger Zeit gabs kaum Bellinini-, Donizetti- und nur bescheidene Rossiniopern. Und wie steht es mit Lortzing? Soweit ich weiß, gibts es, seit Wildschütz, Zar, Undine und Waffenschmied aufgenommen waren nur noch eine neue Einspielung des Waffenschmiedes und vielleicht des Zares.


    Und Nicolais "Lustigen Weiber". Das ist noch immer ADD. Idem Flotows Martha.


    Was ist hier die Ursache? Wenn die Menschen es nicht auf CD bekommen, kennen sie es nicht, und fragen nicht darum. Gib also auch jenen Firmen eine gelbe Karte


    LG, Paul

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  • Hallo Paul,


    also sooo schlecht ist die Situation bei Lortzing mittlerweile auch nicht. Wenn ich "Zar und Zimmermann" nehme, dann sind momentan verfügbar:







    (Großer Querschnitt)


    (DVD)


    Von der "Undine" gibt es immerhin noch 3 Gesamtaufnahmen, vom "Waffenschmied" 2 (die EMI-Aufnahme ist momentan nocht verfügbar) und vom "Wildschütz" ebenfalls 3. Notwendiger wäre mal eine Neuaufnahme der "Regina" (vom "Hans Sachs" hat es ja jüngst eine gegeben).


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Kurt,


    leider weiß ich nicht, wie das funktioniert, einzelen Zitate rauszupicken und dann darauf zu antworten. So muss ich's mal in einem Aufwasch machen:


    Ich sehe es weitestgehend genauso wie Du. Auch in Hinsicht Film, alles wird weichgespült. Für jeden ist etwas dabei und dadurch gibt's kaum noch Aha-Erlebnisse: Immer eine Verfolgungsjagd, immer die Liebe mit Hindernissen u.s.w. Ganz schlimm wird's ja, wenn sie alte Filme neu synchronisieren und der modernen Sprache anpassen - Uah, aber das nur am Rande.


    Zurück zur Oper: Ich glaube schon, dass auch gängigen Werken durch miese Inszenierungen immenser Schaden zufügt wird. Was ist mit den vielen Neuzugängen, die diese Oper das erste Mal in solch einer Form sehen? Ganz zu schweigen von denen, die sich durch Auhangfotos abschrecken lassen und gar nicht erst die Oper besuchen? Mir selbst ist es auch schon so gegangen. Ich konnte der Aida in der damaligen Kölner Inszenierung nichts abgewinnen - obwohl die ja schon fast wieder traditionell war mit ihrer Verlegung in die Entstehungszeit. Aber mir fehlte diese Einheit von Musik, Gesang und Bild - dann ist Oper für mich ein Gesamtkunstwerk.


    Oft ist's halt leider nur noch eine optische Krücke: Habe alte Kölner Entwürfe (ca. 1902) zum "Hans Heiling" gesehen und dachte nur: "Boah, so möchte ich den auch mal sehen. Die volle Romantikdröhnung!" Wenn ich dann die jetzigen seltenen Inszenierungsfotos sehe, da habe ich schon (fast) keine Lust mehr. Und ich glaube, so geht's vielen. Die Leute sehnen sich nach großer Oper, großen Gefühlen - und einem schönen Abend. Die Enttäuschung ist dann oft riesig und entlädt sich zwangsläufig bei Premieren - sonst gint's ja keine Gelegenheit - durch heftiges buhen. Die Mundpropaganda tut dann ihr übriges und so verschwinden viele Ausgrabungen ganz schnell wieder in der versenkung. Das hat dann wieder zur Folge, dass kein rechtes Repertoire mehr zustande kommt.


    Ein Werk, wie die "Königskinder" mit wenigen bzw. fast gar keinen Ohrwürmern muss auch in seinem Kontext gesehen werden. Humperdinck wollte ja ein Gegengewicht zu "Ständig nur Operette, Märchen, Verismo oder Heldentum" schaffen. Und so empfinde ich dieses Werk auch: Herrlich entschlackend und taufrisch.
    Aber um es so zu empfinden, musst Du entweder vorher viel von dem oben genannten im Abo gehabt haben - und daran mangelt es den meisten Opernhäusern heute, an einem Spielplan, der einen Rundumschlag bietet - oder es als fleißiger Hörer konsumiert haben und Dir so die Werke erschlossen haben. Aber das machen ja hauptsächlich nur so leicht Fanatische wie wir hier im Forum. Lieschen Müller - und das ist überhaupt nicht abwertend gemeint!!!! - möchte in der Oper erst mal unterhalten werden, vielleicht die neue Garderobe vorführen, etwas von der belle Epoque-Luft schnuppern, vielleicht mal mal ins Taschentuch schneuzen vor Rührung und ansonsten einen Abend erleben, an den man sich gerne zurück erinnert. Was ist daran falsch?


    Als Intendant sollte man das nur ein wenig steuern. Ein Abo mit einer breiten Vielfalt würde viele Werke wieder ins Bewusstsein hieven. Schlager, wie "Vater, Mutter, Brüder, Schwester" etablieren. Ich bin sicher, dass es nur so funktionieren kann. Muss jetzt mal Schluss machen. Freue mich auf Deine Antwort.


    Freundliche Grüße,


    Knuspi

  • Hallo Paul,


    zugegebenermaßen stammt die letzte Einspielung von "Zar und Zimmermann" aus dem Jahr 1988 (Fricke). Aber die DVD aus Hamburg von 1969 ist so etwas wie eine "Neueinspielung", da der Film bis dato noch nicht veröffentlicht wurde. Auch wenn sicherlich eine Aufnahme neueren Datums wünschenswert wäre, so wären dann andere Werke Lortzings aber eher an der Reihe.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Die Spielpläne in St.Petersburg, Sofia, Bratislava (und sicher noch anderen slawischen countries) sehen ganz anders aus als bei uns: Mehr Vielfalt!
    Gruß
    Lohengrin

  • Zitat

    Original von Lohengrin
    Die Spielpläne in St.Petersburg, Sofia, Bratislava (und sicher noch anderen slawischen countries) sehen ganz anders aus als bei uns: Mehr Vielfalt!
    Gruß
    Lohengrin


    wie wahr! Wie wahr! ;( ;( ;( ;( ;( ;( ;( ;(

  • Zitat

    Original von Knusperhexe


    wie wahr! Wie wahr! ;( ;( ;( ;( ;( ;( ;( ;(



    Vielleicht recherchiere ich ja falsch, aber auf der Homepage der Oper Sofia habe ich für die gesamte Saison 2005/06 (die aktuelle Saison sehe ich zumindest auf der englischsprachigen Homepage nicht) folgendes Repertoire aus insgesamt 17 Opern gefunden:


    Dido und Aeneas
    Le nozze di Figaro
    Don Giovanni
    Zauberflöte
    Il barbiere di Siviglia
    Italiana in Algeri
    Rita (Donizetti)
    Lucia di Lammermoor
    I lombardi
    Rigoletto
    Il trovatore
    La traviata
    Otello
    La Bohème
    Tosca
    Madama Butterfly
    Turandot


    Mehr Vielfalt? Man urteile selbst...


    Jedes kleine deutsche Stadttheater hat mehr Breite des Repertoires (und nur davon ist hier die Rede!) zu bieten...


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Jedes kleine deutsche Stadttheater hat mehr Breite des Repertoires (und nur davon ist hier die Rede!) zu bieten...


    Ganz ehrlich, das glaube ich dir nicht. Grob über den Daumen gepeilt wirst du kein Dutzend Häuser finden, die das schaffen! 17 Opern im Repertoire ist nicht wenig!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ja, ja, wenn ich mir da den Wiener Opern- und Fußball-Vorort Graz ansehe, sind 17 Opern wirklich viel... :stumm:
    (Nebenbei: Wird Kartnig jetzt wirklich bei Euch Operndirektor? :hahahaha: )



    Aber die deutschen Stadttheater sollte man nicht herablassend beurteilen, die machen überwiegend sehr gute Arbeit unter extrem erschwerten Budgetbedingungen - und lassen sich immer wieder auf ein paar Abenteuer mit unbekanntem Repertoire ein. (Klar, man will natürlich die überregionale Presse anlocken - aber das ist schon ganz richtig so.)


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Ganz ehrlich, das glaube ich dir nicht. Grob über den Daumen gepeilt wirst du kein Dutzend Häuser finden, die das schaffen! 17 Opern im Repertoire ist nicht wenig!



    Auf vielen Homepages findet man leider nicht den ganzen Spielplan der Saison :motz: - deshalb hier das Repertoire der Karlsruher Oper (keine der ganz kleinen im Lande, aber auch nicht eine der großen).


    2006/07 werden 23 Opern aufgeführt
    (die Reihenfolge habe ich nicht nochmal extra geordnet):


    Das Rheingold
    Die Walküre
    Siegfried
    Götterdämmerung
    Boccaccio (Suppé)
    La Resurrezione (Händel)
    Mathis der Maler
    Werther
    Otello
    Don Giovanni
    Der kleine Prinz (wohl Kinderoper)
    Freischütz
    Mefistofele
    Turandot
    Idomeneo
    Mazeppa
    Hänsel und Gretel
    La Bohème
    Tosca
    Die Fledermaus
    Entführung aus dem Serail
    Zauberflöte
    Figaro


    Auch nicht gerade der vielfältigste Spielplan - trotzdem aber nicht nur quantitativ besser bestückt als Sofia. In Karlsruhe gibt's sogar im Gegensatz zur bulgarischen Metropole eine slawische Oper im Repertoire...


    Viele Grüße


    Bernd

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ja, ja, wenn ich mir da den Wiener Opern- und Fußball-Vorort Graz ansehe, sind 17 Opern wirklich viel... :stumm:
    (Nebenbei: Wird Kartnig jetzt wirklich bei Euch Operndirektor? :hahahaha: )


    Nö, der passt doch viel besser ans Volkstheater. Gespräche mit der Löwingerbühne soll es auch schon geben....


    :baeh01:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Zwielicht,
    jetzt unterschlägst Du aber, daß man in Sofia durchaus einen nationalen Komponisten spielt, nämlich die Oper "Pinocchio" von Alexander Iosifow.
    :hello:

    ...

  • Man sollte auch einräumen,daß viele Opern,die bei uns
    als vergessen gelten ,in den Entstehungsländern im
    Repertoire sind.In Italien sind es die Werke z.B.von :
    Cimarosa,Cherubini,Catalani,Cilea,Boito,Giodano, Ponchielli,u.a.
    In Frankreich : Auber,Adam,Meyerbeer,Gounod,Massenet ,etc.
    Also ,viele Opern sind nicht überall vergessen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Und weil's so schön ist, noch alle Stücke der Saison 2006/07 in der Oper Frankfurt. Dieses Haus ist natürlich eines der größeren in Deutschland - die folgende Liste soll aber vor allem die mögliche Breite und Vielfalt aufzeigen, die ein Repertoire haben kann und sollte: auch Barockoper, viel 20. Jahrhundert, auch Zeitgenössisches, slawische Oper...


    30 OPERN:


    Ulisse (Monteverdi)
    Giasone (Cavalli)
    Agrippina (Händel)
    Ariodante (Händel)
    Figaro
    La clemenza di Tito
    Zauberflöte
    La Cenerentola
    La Traviata
    Un ballo in maschera
    Simon Boccanegra
    Aida
    Tosca
    Andrea Chénier (Giordano)
    Tannhäuser
    Meistersinger
    Werther
    Verkaufte Braut
    Pique Dame
    Zarenbraut (Rimsky)
    Mozart und Salieri (Rimsky)
    Jenufa
    Tiefland
    Elektra
    Florentinische Tragödie/Der Zwerg (Zemlinsky)
    Macbeth (Bloch!)
    Curlew River (Britten)
    Death in Venice (Britten)
    Caligula (Glanert)
    Weiße Rose (Udo Zimmermann)


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Zwielicht,
    jetzt unterschlägst Du aber, daß man in Sofia durchaus einen nationalen Komponisten spielt, nämlich die Oper "Pinocchio" von Alexander Iosifow.
    :hello:


    Hallo Edwin,


    Du hast natürlich recht. Ich gebe zu, dass ich auf dem Übersichtsspielplan "Pinocchio" für eine Kinderoper gehalten habe... :O :rolleyes:


    Ich korrigiere also: Das Repertoire der Oper in Sofia in der Saison 05/06 bestand aus 18, nicht aus 17 Opern - von denen allerdings 14 absolutes Mainstream-Repertoire sind. Nicht, dass ich das kritisieren würde (ich kenne die Verhältnisse in Sofia nicht). Die Aufführungen mögen ja alle hervorragend sein. Aber Sofia wurde hier explizit für einen "vielfältigen" Spielplan genannt.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zum Vergleich:


    In der Mailänder Scala gab es von der Saisoneröffnung Anfang Dezember bis Mitte Jänner ausschließlich Aida (Alagna war fast nie da ;) ), unterbrochen von ein paar Nussknackern.


    Und jetzt läuft eine Serie Lohengrin (wenn ich mich recht erinnere).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich kenne sogar Städte, da wird sogar "Carmen" en suite gezeigt. Man kann nicht einmal mehr auf den Fußballplatz ausweichen, weil der lokale Verein auch vor dem Aus steht... :D
    :hello:

    ...

  • Hallo Knuspi,


    Zitat

    Original von Knusperhexe


    leider weiß ich nicht, wie das funktioniert, einzelen Zitate rauszupicken und dann darauf zu antworten. So muss ich's mal in einem Aufwasch machen:


    Ich drücke oben auf "Zitat", und füge dann vor und nach jedem Absatz die Zeichen für Zitatbeginn und Zitatende jeweils händisch ein. Muss aber nicht sein, geht ja auch so.




    Zitat


    Ich sehe es weitestgehend genauso wie Du. Auch in Hinsicht Film, alles wird weichgespült. Für jeden ist etwas dabei und dadurch gibt's kaum noch Aha-Erlebnisse: Immer eine Verfolgungsjagd, immer die Liebe mit Hindernissen u.s.w. Ganz schlimm wird's ja, wenn sie alte Filme neu synchronisieren und der modernen Sprache anpassen - Uah, aber das nur am Rande




    Grundsätzlich denke ich, dass das Angebot an Kunst, wie ja eigentlich an allem anderen, noch nie so groß war wie heute. Wer sich für etwas ganz Bestimmtes interessiert und bereits ist, dafür Zeit, Mühe und/oder Geld zu opfern, kommt heute fast an alles ran, was irgendwann einmal auf dieser Welt aufgenommen wurde.


    Und selbst wenn wir das Fernsehprogramm nehmen, so ist das zwar bis zum Rand vollgestopft mit Schwachsinn, aber wer wirklich sucht und gezielt auswählt, findet durchaus auch wertvolle Sendungen, und zwar absolut mehr als zu den Zeiten, als es insgesamt nur drei Programme gab. Zugegeben, die Quote an Schrott war damals niedriger, aber da hatten ja auch die Privaten noch nicht die Hände im Spiel und die Fernsehanstalten fühlten sich in gewisser Weise noch für die kulturelle Versorgung der Bevölkerung zuständig. Heute herrscht auch da vor allem der Kommerz, und ich glaube wirklich nicht, dass man das nur einer Seite zum Vorwurf machen kann, schon gar nicht den Leitern der Opernhäuser, da hat Paul schon recht.


    Oder um Mephisto zu zitieren: "Le veau d'or...", "Ja das Gold regiert die Welt..", leider eben auch die Opernwelt, wieso sollte auch gerade die eine Ausnahme darstellen?




    Zitat


    Zurück zur Oper: Ich glaube schon, dass auch gängigen Werken durch miese Inszenierungen immenser Schaden zufügt wird. Was ist mit den vielen Neuzugängen, die diese Oper das erste Mal in solch einer Form sehen? Ganz zu schweigen von denen, die sich durch Auhangfotos abschrecken lassen und gar nicht erst die Oper besuchen?




    Schon richtig, nur werden einige verpfuschte Inszenierungen wohl kaum ausreichen, um Schlager wie Aida, Don Giovanni oder Rigoletto von den Opernbühnen dieser Welt zu verdrängen, die Klassikprogramme und Plattengeschäfte sind voll mit den herrlichsten Aufnahmen. Wer sich zu dieser Art von Musik hingezogen fühlt, findet früher oder später auch dazu.


    Abgesehen davon sind die Geschmäcker ja auch verschieden, und was der eine für eine verpfuschte Aufführung hält, sieht der andere als gelungenen Denkanstoß für verknöcherte Spießbürger und Ewiggestrige. Im Grunde habe ich überhaupt nichts gegen Vielfalt und ich trete auch keinesfalls dafür ein, dass nur das vordergründig Gefällige gefördert werden soll, oder das, was die Mehrheit der Menschen für förderungswert hält. Mit dieser Einstellung wären angefangen bei den Pyramiden bis hin zu König Ludwigs Schlössern viele, wenn nicht gar die meisten Werke gar nicht erst entstanden.


    Aus diesem Grund reagiere ich immer ein wenig allergisch, wenn in Sachen Kunst Mehrheiten und "gesunder Menschenverstand" eingefordert werden. Das bezieht sich jetzt aber keinesfalls auf dich oder das Forum hier, sondern das meine ich jetzt ganz allgemein.




    Zitat


    Mir selbst ist es auch schon so gegangen. Ich konnte der Aida in der damaligen Kölner Inszenierung nichts abgewinnen - obwohl die ja schon fast wieder traditionell war mit ihrer Verlegung in die Entstehungszeit. Aber mir fehlte diese Einheit von Musik, Gesang und Bild - dann ist Oper für mich ein Gesamtkunstwerk.




    "Einheit von Musik, Gesang und Bild" halte ich für ein gutes Stichwort, denn genau die vermisse ich in sehr vielen neueren Inszenierungen. Da habe ich oft den Eindruck, der Regisseur inszeniert gegen Handlung und Musik an, um sein eigenes Süppchen zu kochen. Schon klar, sein Ehrgeiz lässt es nicht zu, den millionsten Aufwasch von Rigoletto runterzuleiern, er will eine neue Sicht zeigen, bisher unbekannte Facetten des Werks aufzeigen, etc... Aber wenn dieses Bemühen auf Kosten des Werks geht, sprich: dessen eigentliches Wesen verfälscht wird, dann hört für mich der Spaß auf. Und eine Oper wie der Barbier oder Zar und Zimmermann sind eben heitere Opern, die in erster Linie von der Situationskomik leben, nicht vom sicherlich auch enthaltenen politischen Hintergrund.




    Zitat


    Oft ist's halt leider nur noch eine optische Krücke: Habe alte Kölner Entwürfe (ca. 1902) zum "Hans Heiling" gesehen und dachte nur: "Boah, so möchte ich den auch mal sehen. Die volle Romantikdröhnung!" Wenn ich dann die jetzigen seltenen Inszenierungsfotos sehe, da habe ich schon (fast) keine Lust mehr. Und ich glaube, so geht's vielen. Die Leute sehnen sich nach großer Oper, großen Gefühlen - und einem schönen Abend. Die Enttäuschung ist dann oft riesig und entlädt sich zwangsläufig bei Premieren - sonst gint's ja keine Gelegenheit - durch heftiges buhen. Die Mundpropaganda tut dann ihr übriges und so verschwinden viele Ausgrabungen ganz schnell wieder in der versenkung. Das hat dann wieder zur Folge, dass kein rechtes Repertoire mehr zustande kommt.




    Du sprichst da zwei getrennte Aspekte an: Die Erwartungen des Publikums und die Gestaltung eines abwechslungsreichen Repertoirs. Und bei Letzterem müssen wir einfach akzeptieren, dass die Auswahl immer ein Kompromiss sein wird. Die Operleitung steht schließlich unter dem Druck, für volle Häuser sorgen zu müssen, und mit Mozart und Verdi lassen sich die Menschen nunmal eher ins Theater locken als mit Cimarosa, obwohl auch der keine schlechten Opern geschrieben hat.


    Außerdem ist so ein Repertoire begrenzt, darin haben ja nicht mal annähernd alle begehrten Klassiker Platz. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass in den letzten Jahrzehnten fleißig Opern neuentdeckt wurden, gerade auch im italienischen Bereich, und da ist es doch nur logisch, dass für jede Neuentdeckung, die sich auf dem Spielplan dauerhaft etabliert, ein alter Klassiker weichen muss, das geht ja auch gar nicht anders. Also her mit Bellini und dem frühen Verdi, fort mit Lotzing, D'Albert und Nicolai, um das mal plump zu formulieren.




    Zitat


    Ein Werk, wie die "Königskinder" mit wenigen bzw. fast gar keinen Ohrwürmern muss auch in seinem Kontext gesehen werden. Humperdinck wollte ja ein Gegengewicht zu "Ständig nur Operette, Märchen, Verismo oder Heldentum" schaffen. Und so empfinde ich dieses Werk auch: Herrlich entschlackend und taufrisch.




    Klar, aber die Konkurrenz ist wie gesagt groß, und so ein Operndirektor besetzt ja nicht für Spezialisten, sondern er will möglichst viele Menschen in sein Haus locken. Wobei ich da aber nochmal auf Marcel Prawy und seine Sendungen zu bestimmten Opern zurückkommen will, wie auch auf die Einführungsabende in der Oper. Wenn den Menschen bisher unbekannte Opern und ihr Hintergrund anschaulich erklärt wird, kann das meiner Meinung nach die Schwellenangst gegenüber unbekannten Werken deutlich abbauen.




    Zitat


    Aber um es so zu empfinden, musst Du entweder vorher viel von dem oben genannten im Abo gehabt haben - und daran mangelt es den meisten Opernhäusern heute, an einem Spielplan, der einen Rundumschlag bietet - oder es als fleißiger Hörer konsumiert haben und Dir so die Werke erschlossen haben. Aber das machen ja hauptsächlich nur so leicht Fanatische wie wir hier im Forum. Lieschen Müller - und das ist überhaupt nicht abwertend gemeint!!!! - möchte in der Oper erst mal unterhalten werden, vielleicht die neue Garderobe vorführen, etwas von der belle Epoque-Luft schnuppern, vielleicht mal mal ins Taschentuch schneuzen vor Rührung und ansonsten einen Abend erleben, an den man sich gerne zurück erinnert. Was ist daran falsch?


    Daran ist gar nichts falsch, meiner Meinung nach wird der unterhaltende Charakter bei uns sowieso zu stark vernachlässigt, in Italien war das lange Zeit anders, keine Ahnung wie das jetzt aussieht. Bitte mich jetzt nicht zu steinigen, aber ich habe ja schon angedeutet, dass ein Barbier für mich in erster Linie eine gefällige Komödie ist, da sollen sich die Leute amüsieren und lachen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Rossini das anders gesehen hat, abgesehen davon, dass es zu den schwersten Herausforderungen überhaupt zählt, die Menschen auf halbwegs anspruchsvolle Weise zum Lachen zu bringen, die meisten schaffen das höchstens unfreiwillig. :D




    Zitat


    Als Intendant sollte man das nur ein wenig steuern. Ein Abo mit einer breiten Vielfalt würde viele Werke wieder ins Bewusstsein hieven. Schlager, wie "Vater, Mutter, Brüder, Schwester" etablieren. Ich bin sicher, dass es nur so funktionieren kann.



    Klar, aber dazu müssen halt ausreichend Menschen dieses Abo kaufen und ihn dadurch in seiner Politik bestätigen. Das Repertoire einer Oper sagt meiner Meinung nach mindestens soviel über das Publikum aus wie über den Direktor, der es zusammenstellt, wahrscheinlich sogar mehr. Er kann eben nur bis zu einem gewissen Grad gegen den Strom schwimmen oder versuchen, sein Publikum zu "erziehen". Auch die Journalisten und Kritiker sind natürlich daran beteiligt. Letztlich kann eigentlich jeder, der etwas verändern will, nur bei sich selbst anfangen, das alte Lied halt. :D


    Ciao,
    Kurt

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