Tichon Nikolajewitsch Chrennikow - und nichts als die reine Lehre

  • Liebe Taminos, liebe Mitleser,


    als vor knapp eineinhalb Jahren der Afrikaner Youssou N'Dour mit dem UNESCO-Musikpreis ausgezeichnet wurde, rang mir das zunächst nur ein müdes Lächeln ab, wurde mir doch ein Ereignis in Erinnerung gerufen, welches noch etwas weiter zurückliegt. Damals, 2002, durfte ein neunzigjähriger Professor für Komposition am Moskauer Konservatorium, eine Mozart Medaille der UNESCO für "hervorragenden Beitrag zur Entwicklung der Weltkultur" entgegennehmen. Der schlohweiße Greis mit dem gutmütigen Antlitz zeigte sich sichlich gerührt.


    Was den schwarzen Popstar aus dem Senegal ausmacht, sind dessen soziales Engagement, Verdienste um Freiheit, Völkerverständigung und Musik. Gute Ehrungsgründe.


    Wofür stand und steht nun Tikhon Khrennikov (Chrennikow)? Als Komponist konservativ, oberflächlich. In Amerika hätte es für eine Broadway-Karriere gereicht, heißt es. Aber auch er brachte ja nicht nur Noten zu Papier, sondern erwies sich in vielfältiger Weise als fleißger Zeitgenosse.


    Schon in jungen Jahren verwaltet er die Musikabteilung des Zentralen Theaters der Sowjetarmee. Eine Sternstunde in seinem Leben war jener gesamtsowjetische Komponistenkongress zu Moskau im Jahre 1948. Auf Stalins Geheiß erklärt er dem "Formalismus" offiziell den Krieg. Auf der Schmähliste stehen u.a. Prokofieffs 6. Klaviersonate, Schostakowitschs 8. und 9. Sinfonie ...



    Fortan bekleidet Khrennikov mit (damals) lukrativen 5000 Rubel Anfangsgehalt das Amt des Chefs des Komponistenverbandes (das er bis zum offiziellen Ende der SU innehält). Zu seinen Hauptaufgaben gehört die landesweite Propagierung und Durchsetzung vom ZK festgelegter Musikpolitik. Komponisten werden regelmäßig zu künstlerischen Rechenschaftsberichten einbestellt. Khrennikov macht sich aber auch vor Ort kundig, bereist viele entlegene Teile des Riesenreichs. Wessen Schaffen nicht den Vorgaben der Regierung entspricht, läuft Gefahr, als subversives Element erachtet zu werden, was zu Stalinszeiten höchste Alarmstufe bedeutet. Mangels Alternativen (etwa Auswanderung) bleibt nur die Sebstkritik.


    Khrennikov, in den Schostakowitsch-Memoaren auch "Bluthund" tituliert, soll ein besonderes Augenmerk auf jene Komponistenkollegen gerichtet haben, die ihm fachlich gefährlich wurden. "Den zerquetschen wir wie eine Wanze" solI er mal während eines Small Talks geflüstert haben, als jemand Schostakowitschs Achte zu lobten wagte.


    Wacker hält sich Khrennikov in Wendezeiten, relativiert seine frühere Rhetorik. So sei ihm der Redeauftrag für den Komponistenkongress 1948 vom ZK erst Stunden vorher, ohne Vorbereitungszeit, erteilt worden. Zu jener Ära wäre es unklug gewesen so etwas abzulehnen. Er bezeichnet sich als Opfer der Zeitgeschichte, findet Fürsprecher. Seinetwegen sei niemandem ein Haar gekrümmt worden. Im Gegenteil, sein Engagement hätte vielen Sowjet-Komponisten Arbeit und Brot gesichert.



    Die Memoiren eines Mannes mit dem heißen Draht zu Dschugaschwili und dem KGB könnten sicherlich für einigen Wirbel sorgen. Khrennikov hält sich bedeckt. Unversehrtheit und geruhsamer Lebensabend sind ihm heilig, wer will's ihm verdenken. Da plaudert er doch lieber aus dem Nähkästchen eines prinzipientreuen Musikers, dessen Grundpfeiler aus schöner Melodie, Liebe und Bescheidenheit bestehen. Ein zu satter Komponist sei kein guter Komponist, so Khrennikov weise. Auf seine alten Tage präsentiert er ein Notenalbum mit Children's-Pieces (the first kiss, I miss my friend ... ). Wohlgefälliges aus der Feder eines liebenswerten Opas, kinderleicht in der guten Stube vom Blatt zu spielen. Wohltaten im Sinne der reinen Harmonielehre, die selbst des Teufels Schippe erstarren lassen



    gaspard

  • Chrennikow ist sicherlich eine der übelsten Gestalten der neueren russischen Musik.
    Aber man darf eines nicht übersehen: Nicht Chrennikow war das Hauptproblem, sondern Stalin, der eine Musikdoktrin zu verantworten hatte, die Subjekte wie Chrennikow bereitwillig aufgriffen. (Es war ja im Nationalsozialismus ähnlich: Wo Hindemith, Weill, Milhaud und Bartok verfemt waren, konnte ein Egk leicht auf der Basis ihrer Stil-Ingredienzen Fuß fassen.) Nur durch Stalin konnte es eine Figur wie Chrennikow geben. Was für dessen Untaten freilich keine Entschuldigung ist.
    Chrennikow ist in jeder Hinsicht ein Triumph der Charakterlosigkeit.


    Nun muss man fairerweise aber sagen, dass Chrennikow nicht völlig unbegabt ist: Ich kenne die Symphonien, eine Oper und das Ballett "Husarenballade".
    Nun, was kann er? - Chrennikow kann Melodien von einer so gnadenlosen Simplizität erfinden, dass man förmlich nicht anders kann, als sie ein paar Stunden im Ohr zu behalten.
    Diese Melodien werden von Chrennikow dann arrangiert. Damit will ich sagen, dass er sie nicht verarbeitet, sondern aufplustert. Er hüllt sie in ein leckeres Gewand wohlklingender Akkorde und süffiger Instrumentierung - aber alles ohne Auftrag von echter Farbe. Eher ist die heroische Pose seine Sache, herb, grimmig, entschlossen - und natürlich voller Kleintrommelfröhlichkeit, Posunenfeierlichkeit und Trompetenoptimismus. Kurz: Chrennikow schrieb die Musik, die Stalin offenbar mochte.


    Für mich eigentümlich daran ist, wie völlig unpersönlich diese Musik komponiert ist. An ihren besten Stellen klingt sie wie schwacher Prokofjew oder - horribile dictu - just nach jenen Stellen, in denen Schostakowitsch die KPdSU-Bombastik als inhaltsleere Rhetorik verhöhnt.


    Nun könnte man über Chrennikow schmunzeln und/oder seine Musik als Politkitsch der verlogensten Art abtun - wäre dieser Chrennikow nicht ein charakterlich so übles Subjekt gewesen, das seine Sonderstellung gnadenlos ausnützte.
    Man darf nämlich nicht vergessen, dass nicht allein Schostakowitsch unter Chrennikow zu leiden hatte: Schebalin, Ustwolskaja, Schaporin, Schtschedrin, Suslin, Artjomow, Schnittke, Denisow, Gubaidulina, Karamanow, Karetnikow, Nosyrew, Popow, Slonimskij, Karajew - alles erstklassige Komponisten, die Chrennikow behindert hat, deren Karrieren er mit voller Absicht störte (in der Hoffnung, sie zu zerstören), die er durch seine Umtriebe und Pamphlete, angesichts eines Diktators wie Stalin, sogar der physischen Vernichtung preisgab.
    Während Schostakowitsch sich auch nachweislich für jene Komponisten einsetzte, die in einen ihm weniger entgegenkommenden Stil komponierten, versuchte Chrennikow praktisch alle zu behindern: Die Modernen aus tiefster innerer Überzeugung, die begabten Konservativen aus Neid und Angst, sie könnten ihm in Sache Renommée gefährlich werden.


    Die Musikgeschichte hat viele üble Subjekte gesehen - aber ein selbst in seinen besten Werken bestenfalls zweitklassiger Komponist, der über Gedeih und Verderb erstklassiger Kollegen entscheiden konnte, dürfte in der Musikgeschichte ziemlich einmalig sein.

    ...

  • Hallo Edwin,


    deine interessanten Ausführungen werfen aber fast zwangsläufig die Frage auf, wer in der UNESCO dann die glorreiche Idee hatte, so einem Mann eine Mozart-Medaille zu verleihen...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus!
    Ich sage nur: UNESCO... :stumm:
    LG


    Nach einem Moment des Überlegens: Ich sollte meine Skepsis gegenüber diversen UNO-Organisationen erklären.
    Die UNO ist sicherlich in einer ganz bestimmten Situation sehr notwendig gewesen. Mittlerweile ist sie IMHO nur noch ein Quasselverein. Die Zahnlosigkeit der UNO hat sich im jüngsten Irakkrieg herausgestellt. Meiner Meinung nach weiß man das bei der UNO auch - dass man im Grunde ein Selbstverwaltungsverein geworden ist.
    Denn bezüglich Entwicklungshilfe arbeiten z.B. kirchliche Organisationen effektiver, und die Friedenssicherung ist längst in Händen von den USA, der EU, eventuell Russlands - wobei alle natürlich ihre eigenen oft keineswegs friedlichen Ziele verfolgen.
    Ich breche meine politischen Ausführungen hier ab, ich machte sie nur, um zu zeigen, weshalb ich ein UNO-Skeptiker bin.


    Meiner Meinung nach wissen die UNO-Organisationen über die Tatsache Bescheid, dass sie weitgehend problemlos aufgelassen werden könnten. Also wahrt man den Schein - und vergibt Auszeichnungen und ernennt Tage zu UNO-Welttagen des Was-auch-Immer (es gibt sogar einen UNO-Welttag der Wüsten und einen UNO-Welttag der geistigen Gesundheit - im Ernst!).


    Meiner Meinung nach sitzen in diesen Organisationen einfach Leute, die etwas "finden" bzw. "erfinden". Und der gute Chrennikow hat halt ein paar Stückchen für Kinder geschrieben. Was soll ein UNICEF-Beamter lang nachschauen, was dieser Chrennikow für ein Subjekt ist? Für einen UNICEF-Beamten stehen die Kinderlein im Vordergrund, was interessieren ihn die leidenden und ermordeten Menschen des Stalin-Regimes und die Geknechteten des Chruschtschow- und des Breschnjew-Regimes, in denen Chrennikow immer tapfer auf Seiten der Unterdrücker stand? Wie gesagt: Es geht nicht um die Mundtot gemachten, die Gefolterten, Toten, Ermordeten, was die UNICEF interessiert, sind die Kinder. Und denen hat Onkel Tichon ein ganz allerliebstes Werk gewidmet. Also schnell eine Kinder-Medaille für den guten alten Onkel aus Russland...


    Und ich habe einen weiteren Grund, der UNO zu misstrauen...


    Nochmals LG

    ...

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  • van Rossum:


    Zitat

    Vielleicht gibt es nur wenige schlechtere Menschen als Herr Khrennikov, aber es gibt viele, die deutlich schlechtere Musik machen. Ich finde die Violinkonzerte nämlich ganz passabel.



    :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:


    Nach allem, was meine geschätzten Herren Vorredner zu diesem Thema
    mit Fachkompetenz ausführten, macht mich ein deratriges Statement nun doch einigermassen sprachlos.


    Sicher: es wird immer Musik geben, die schlechter ist als das epigonale Geseire des Genossen Chrennikow, Namen muss man da nicht zwingend nennen. Hitlers Statthalter in Mähren und Böhmen, Heydrich, soll angeblich auch gut Geige gespielt haben, aber macht ihn dieses damit schon zum Kulturträger ???


    Über Chrennikow gilt, was der große Maler Max Liebermann 1933 nach Hitlers Wahlsieg sarkastisch auf den Punkt brachte:


    "Soville kann ick janich fressen, wie ick kotzen möchte"....


    :kotz: :kotz: :kotz:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich wollte damit nur sagen, dass ein schlechter Mensch noch lange keine schlechte Musik machen muss. Man kann Tichon Khrennikov gerne aus seiner CD-Sammlung verbannen, weil er Dinge getan hat, die auch ich nicht gut heiße. Aber prinzipiell einen Menschen aufgrund seiner politischen Ausrichtung auch musikalisch zu bewerten, ist doch reichlich undifferenziert. Edwin fand ihn ja politisch und musikalisch minderwertig. Das geht in Ordnung. Nach den Ausführungen ist meine Meinung nun, dass ich ihn politisch inakzeptabel, aber musikalisch ansprechend finde. Und das geht nicht in Ordnung?

  • Offenbar sind differenzierte Darstellungen mitunter etwas schwer zu lesen. Daher ein Selbstzitat:

    Zitat

    Nun muss man fairerweise aber sagen, dass Chrennikow nicht völlig unbegabt ist:


    Ich glaube schon, dass ich Chrennikow genau in dem Ausmaß differenziert dargestellt habe, in dem er es verdient.
    Wenn ich daran denke, dass nur viel Geschick seitens Schostakowitschs, Schtschedrins und ein paar Interpreten es verhindert haben, dass an Chrennikows Händen tatsächlich Blut klebt, wage ich doch zu sagen, dass seine Werke zu unerheblich sind, als dass man argumentieren könnte: "Sicherlich ein Charakterschwein - aber was für ein Komponist".


    Ich kenne ein Violinkonzert (das 1., gespielt von Repin, dirigiert von Swetlanow), das IMHO so schlecht ist, das ich gestern gar nicht mehr daran dachte, bis es van Rossum erwähnte.


    Wenn man meine diversen Eintragungen zu dem Theme durchliest, wird klar, dass ich Musik und Politik durchaus trenne. Ich finde einige Werke Kabalewskijs ziemlich gut, ich würde auch für manches Werk von Schaporin auf die Barrikaden gehen, und ich verteidige Petrows Partei-Oper "Peter I." aus tiefster Überzeugung. Diese Komponisten haben, trotz ihrer politischen Einstellung, gute, mitunter hervorragende Musik geschrieben, vor allem Musik mit Persönlichkeit.
    Chrennikow hat genau das IMO nicht geschafft. Und er selbst dürfte das auch gewusst haben, denn welchen Grund hätte er sonst haben sollen, Genies wie Schiostakowitsch, Schtschedrin, Schnittke oder auch Schaporin eliminieren zu wollen, wenn es nicht der Neid auf die unverhältnismäßig höhere Begabung war?

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Und er selbst dürfte das auch gewusst haben, denn welchen Grund hätte er sonst haben sollen, Genies wie Schiostakowitsch, Schtschedrin, Schnittke oder auch Schaporin eliminieren zu wollen, wenn es nicht der Neid auf die unverhältnismäßig höhere Begabung war?


    Sadismus ist eine andere mögliche Alternative...


    Wie dem auch sei, Gott seis gedankt, dass Geschmäcker unterschiedlich sind. Für mich ist die Musik ansprechend.


    Tschüss.

  • Hallo,
    ich muß mich leider auch als Chrennikow- Hasser outen.
    Ich kenne zwei seiner Sinfonien sowie ein Cellokonzert.


    Aber das reicht mir dann auch.
    Mag sein, daß die Violinkonzerte besser sind, dazu kann ich nichts sagen, da ich sie nicht kenne.


    Aber mir reicht schon seine 2.Sinfonie, "seine" Kriegssinfonie.
    Ja sicher, das ist gut instrumentiert und kein billiger Effekt wird ausgelassen.
    Aber im Gegensatz zu Schosatkowitsch's oder Khatschaturian's "Kriegssinfonien" ist der Chrennikow einfach nur ein verlogenes und kitschiges Machwerk, bei dem mir schlecht wird.


    Das infame an dieser Musik ist, daß sie so simpel und effektvoll ist, daß mir dieser Mist überhaupt nicht aus dem Kopf geht...........


    Das hat Chrennikow schon geschickt gemacht!


    Schönen Gruß,


    Michael

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  • Hallo Michael!

    Zitat

    ich muß mich leider auch als Chrennikow-Hasser outen.


    Nicht "leider", Gott sei Dank. So einen K...brocken zu mögen, muss ja geradezu moralische Schwerstarbeit sein...
    Ich habe am Wochenende, zwecks eventueller Revision des Urteils, die 3. Symphonie nochmals angehört. Nix ist es mit der Revision. Üble Sache, diese Symphonie, Klang gewordene Verlogenheit!
    LG

    ...

  • Bin auf diesen thread gestoßen zufällig nach dem lesen der Schostakowitsch-Memoiren (Wolkow).
    Was mich interessieren würde:
    Die Herschaften Schostakowitsch und Chrennikow (wie schreibt man den eigentlich richtig auf deutsch?) dürften ja häufig auch im halbprivaten Kreise aufeinandergetroffen sein, u.a. auch im Zuge der "verordneten" Auslandsreisen. Wie haben diese Herren nun im Angesichte ihrer politischen Stellung eigentlich miteinander kommuniziert? Sind die abends beim Vodka zusammengesessen?
    Gibt es hier interessante Quellen?
    :hello:

  • Zitat

    Original von flotan
    Chrennikow (wie schreibt man den eigentlich richtig auf deutsch?)


    Ich schreibe ihn so:


    Tikhon Khrennikov


    Das ist - denke ich - eine an die englische Schreibweise angelehnte Version. International, sozusagen.

  • Flotan:


    Zitat

    Die Herschaften Schostakowitsch und Chrennikow (wie schreibt man den eigentlich richtig auf deutsch?) dürften ja häufig auch im halbprivaten Kreise aufeinandergetroffen sein, u.a. auch im Zuge der "verordneten" Auslandsreisen. Wie haben diese Herren nun im Angesichte ihrer politischen Stellung eigentlich miteinander kommuniziert? Sind die abends beim Vodka zusammengesessen?


    Nein, beim Wodka saßen die Herrschaften ganz gewiss nicht abends zusammen
    und Schostakowitsch hat auch niemals eine prviate Einladung Chrennikows (ich bleibe bei DIESER Schreibweise !) angenommen, wie sich Schostakowitschs Witwe, Irina Antonowna, erinnert. Für Schostakowitsch war es schon eine Qual,
    überhaupt mit ihm zusammenzutreffen und brauchbare Auskunft über diesen
    Gegenstand geben Wolkows Bücher:




    Allerdings sollte man das Thema wirklich nicht vertiefen, denn damit würde man dem Genossen Ch... zu viel Ehre angedeihen lassen.


    PS: Schostakowitsch zog sich, mit dem Hinweis auf seine angegriffene Gesundheit am Schluss jener Veranstaltungen meist schnell auf sein Hotelzimmer zurück.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,


    nur zur Information: gerade lese ich in der Wikipedia, dass Tichon Chrennikow heute morgen im hohen Alter von 94 Jahren in Moskau verstorben ist. Und in diesem Zusammenhang zur Transkription bzw. korrekten Schreibweise: in einem deutschen Text sollte man, wenn man korrekt sein will, die Schreibweise "Tichon Nikolajewitsch Chrennikow" gebrauchen. Khrennikov ist eben die englische Transkription, aber natürlich sehr gebräuchlich.


    Viele Grüße
    Holger

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  • Ich habe mir heute die drei Symphonien unter Swetlanow mit dem Staatlichen SO der UdSSR angehört (wohl die besten Aufnahmen, vielleicht eh die einzigen). Die Werke entstanden zwischen 1933 und 1973. Nr. 1 und 2 noch unter Stalin.


    Mal ganz abgesehen von der sehr streitbaren Person Chrennikow: Es hat was. Freilich fehlt irgendwie das Geniale darin. Aber hie und da doch bedrückend schöne Stellen. Die Finali sind sehr deftig-fetzig. Kann mir gut vorstellen, daß das bei Stalin und Breschnew gut ankam. Freilich: Es ist ein wenig arg vordergründig. Der Tiefsinn eines Schostakowitsch fehlt natürlich. Auf jeden Fall erhält man einen interessanten Einblick in die offizielle parteitreue Kompositionskunst der Sowjetunion.


    Persönliche Reihung: Nr. 3 vor Nr. 2 vor Nr. 1.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Im Rahmen seines 100 Geburtstags finde ich, daß es an der Zeit ist ihn wieder ein wenig in Erinnerung zu rufen, wobei ich mich auf das Musikalische beschränken werde. Tamino ist kein Tribunal für "politische Vergehen" - die notabene vorzugsweise aus dem unbeteiligten Ausland als solche gesehen wurden.


    Ich habe mir zu diesem Behufe eine CD mit Werken von ihm besorgt und zwar den Violinkonzerten Nr 1 und 2, sowie den Klavierkonzerten Nr 2 und 3 um mir ein Bild von ihm zu machen. Im Klavierkonzert Nr 3 tritt der Komponist selbst als Solist auf. Seine Werke - weiter oben im Thread oft arg verunglimpft - sind IMO anhörbarer als vieles was ansonst im 20. Jahrhundert geschrieben wurde. Er vertritt einen (relativ) konservativen Geschmack - natürlich nur aufs 20. Jahrhundert bezogen. Seine Werke mögen oberflächlich an Schostakowitsch erinnern, sind indes gefälliger und eingängiger. Ob man das als Vor- oder Nachteil sieht wird wohl eine Geschmacksfrage bleiben müssen. "Er sah die Melodie als beherrschendes Element der Musik überhaupt an" ist eine der Kernaussagen bei Wikipedia über seine Person. Mit dieser Meinung ist er meiner sehr nahe und somit geniesst er meine "musikalische Zustimmung"
    Das oft negative Urteil über seine Kompositionen ist bedauerlicherweise ein politisch beeinflusstes - und daher nicht relevant.
    Wikipedia schreibt über die Einschätzung seiner Person treffend:

    Zitat

    Derzeit (2007) scheint die Rezeption seiner Musik von ideologischen Positionierungen nicht trennbar zu sein.



    Ein kurzer Nachsatz noch zur Schreibweise: Auch wenn Chrennikow an sich die korrekte (deutsche) Schreibweise des Namens darstellt, so wird in zahlreichen Online-Shops die englische Schreibweise Khrennikov verwendet. Dies zu wissen erleichtert die Suche ungemein.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als grosser Interessent russischer Komponisten habe ich in den Jahrren schon einiges über Khrennikov gelesen und mir gedacht, das dies "absolut angepasste Musik" sein müsste ...
    dabei blieb es dann.


    Die von Alfred im Vorbeitrag beschreibene und abgebildete CD habe ich dieser Tage auch erhalten und muss mein Vorurteil deutlich revidieren.
    Die beiden VC Nr.1 und 2 und noch einen Strich besser die KK Nr.2 und 3 gefallen mir sehr gut. Wie Alfred schon schrieb - konservativ aber deutlich 20.Jhd .... aber packend umgesetzt !


    :thumbsup: Die Aufnahmen und Int auf der Brillant-CD sind Brillant-CD sind astrein.
    Die Künstler setzen diese Musik in ihrer rauhen Tonsprache autentisch in Klang = Fedossejew als TOP-Russ-Dirigent, Vadim Repin und Maxim Vengerov als TOP-Geiger, Jewjenij Kissin und Tichon Khrennikoiv himself als fabelhafte Pianisten.
    ;) Würden diese 4 Werke mit einem West-Orchester und "Softplayern" gespielt werden, würde das bei weitem nicht den angemessenen russischen Ausdrucksgehalt mitbringen, ja "falsch" klingen. Es gibt ja nur diese Aufnahmen der KK; von den VC ein paar mehr zur Auswahl.


    8o Die CD hat mich jedenfalls heiss auf weitere Khrennikow-Werke und insbesondere die Sinfonien gemacht. Leider alles schwer zu bekommen/vorhanden.
    :)8-) Das Zeug liegt mir irgendwie ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • In den letzten 2 Wochen habe ich die 3 Sinfonien, 2 Cellokonzerte, 2 Violinkonzerte und die 4 Klavierkonzerte von Tichon Khrennikow in den vorzüglichen Melodiya-Aufnamen mit grossem Interesse gehört.


    :thumbup: Die Klavierkonzerte Nr.1 op.1, Nr.2 op.21 , Nr.3 op.28 (1983) und Nr.4 op.37 (1991) haben mich von diesen Werken richtig beeindruckt;
    während ich bei den Sinfonien hier und da einiges am Rande des Kitsches vorbeiläuft.

    Es sind die auch klanglich sehr gelungenen Aufnahmen mit den Dirigenten Kitaenko, Ambartsumian und Swetlanow.
    Die Cellokonzerte werden von Valentin Feigin und Michael Khromitzer bestritten, die Violinkonzerte mit Vadim Repin.


    :!: Die Werke sind durchweg angepasst nicht zu übermodern und haben einiges an "schmackes" zu bieten.
    Bei den Klavierkonzerten sitzt Khrennikow selbst am Klavier (1-3) und bei Nr.4 Levon Ambartsumian; diese werden von Swetlanow orchestral ausgezeichnet unterstützt:



    Melodiya, 1973 - 1993, ADD/DDD



    Zuvor hatte mich schon die ebenfalls ausgezeichnete Brillant-CD (Abb in Beitrag 17) mit LIVE-Aufnahmen der VC Nr.1 und 2 (mit Vadim Repin und Maxim Vengerov) sowie der KK Nr.2 und 3 (mit Jewgenij Kissin und Khennikow) heiss auf Khrennikow gemacht, wie ich bereits im November 2013 berichtete.


    *** Ein beachtlicher russischer Komponist des 20.Jhd fern jeglicher Langeweile, der hier bei Tamino bereits seit 2006 einen viel zu selten betrachteten Thread hat.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • *** Ein beachtlicher russischer Komponist des 20.Jhd fern jeglicher Langeweile, der hier bei Tamino bereits seit 2006 einen viel zu selten betrachteten Thread hat.

    Lieber Wolfgang
    als bekennender Schostakowitsch- und Prokofieff-Fan "darfst" Du diese Musik eigentlich gar nicht gut finden :no: , den sein Schöpfer hat alles getan, um als verlängerter Arm von Josef Stalin
    :( den wesentlich begabteren Komponisten das Leben schwer zu machen. Aber - ich werde mir das gelegentlich auch mal anhören :D .
    Gruß
    lutgra

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  • Lieber Lutgra,


    ja, ich weis, ich weis, ich wollte das politische Thema dazu auch nicht zu gross aufhängen.
    Aber letztendlich sind besonders die Klavierkonzerte doch wirklich beachliche Werke, wenn man es objektiv betrachtet.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Am besten gefällt mir von Chrennikow die Sinfonie Nr.3, die kurz gehalten in 17Minuten Spieldauer begeisterungswürdige Stimmungsschwankungen von aufgewühlt bombastisch bis beseelt abgeklärt beinhaltet.


    1. Fuge. Allegro con fuoco
    2. Intermezzo. Andante sostenuto
    3. Finale. Allegro con fuoco


    Der erste Satz beginnt mit einer Fuge, die sich dynamisch ins Uferlose steigert (3:36).
    Gefolgt von einem beseelten Intermezzo mit aufgewühlten Mittelteil. (7:10) Im Finale geht dann nochmal die Post ab mit ohrwurmhaltigen Passagen dawischen; um dann es dann final noch einmal krachen zu lassen. (6:09)


    Die Swetlanow-Aufnahme seinem Staatlichen SO der UDSSR Moskau ist wohl kaum zu übertreffen und damit (hier mal deutliche ) Referenz. Die Aufnahmen finden sich in der abgebildeten Melodiya-Box in Beitrag 19.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nach längerer Zeit höre ich wieder in die hier gezeigte Aufnahme von Tikhon Khrennikov (Tichon Nikolajewitsch Chrennikow) hinein, die mehr als hörenswert ist. Man hat dem Komponisten in diesem Thread übel mitgespielt, ihn verunglimpft und als Monster bzw untalentiert dargestellt. Selbstverständlich hat er seine politische Position bedingte Vormachtsstellung geschickt ausgenützt um seinen Ruhm zu mehren und seine Konkurrenten zu schwächen- aber wer täte das nicht ? Aber auch wenn es seinen Gegnern wenig schmeckt, er wurde nicht nur wärend seiner politischen Karriere in der Sowietunion ausgezeichnet, sondern auch später.
    Darüber zu richten bin ich nicht bereit, mich interessiert mehr , was er denn eigentlich komponiert hat und wie es klingt, bzw auf mich wirkt. Den ersten Pluspunkt hat er bei mir, schon deshalb weil seine Werke tonal gehalten sind.
    Heute habe ich mir das Violinkonzert Nr 1 op 14 angehört. Ein wunderbares Werk, und wem das zu übertrieben klingt , ein
    effektvolles Stück, das sehr rhythmisch angelegt ist, ohne indes die Melodie zu verleugnen. Zudem noch sehr eingängig und raffiniert instrumentiert. (Selbst darüber hat man sich gelegentlich lustig gemacht) Teilweise wäre "schmissig" ein treffender Ausdruck, wenngleich er üblicherweise in der klassischen Musik kaum Verwendung findet. Mein Lieblingssatz ist übrigens der dritte (allegro agitato), der mich stellenweise an einen fiktiven ausser Rand und Band geratenen Paganini erinnert, bzw es ist ja lediglich eine Assoziaton....
    mit freundlichen Grüßen aus Wien..


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vor über zehn Jahren hörte ich, diesem Thema zufolge, die drei Symphonien von Tichon Chrennikow (wieso überwiegt in seinem Falle die englische Transkription Tikhon Khrennikov? Wir schreiben ja auch nicht Shostakovich) zum ersten Mal und fand sie "ein wenig arg vordergründig". Kürzlich habe ich meine Höreindrücke aufgefrischt. Wieso ich 2011 die Dritte als meine Favoritin benannte, kann ich nicht mehr sagen. Nicht dass sie schlecht wäre. Aber die Zweite scheint mir sein wirkliches Meisterwerk zu sein. Sie ist auch rein von den Dimensionen seine längste Symphonie, wobei das relativ ist bei gut einer halben Stunde Spielzeit, und zudem ist sie als einzig viersätzig. Nun muss man beachten, dass die Erste bereits auf 1935 datiert, die Zweite auf 1942 und die Dritte deutlich später auf 1973, sein symphonischer Output ist also sehr überschaubar.


    Jedenfalls hat die Symphonie Nr. 2 c-Moll op. 9 wirklich ihre Momente. Im Kopfsatz etwa gelingt Chrennikow ein echtes Ohrwurmthema, das zum Ende des Satzes hin abermals aufgegriffen wird. Der langsame zweite Satz gemahnt an seinem pathetischen Höhepunkt an einen Trauermarsch. Das Scherzo ist gewiss der leichtgewichtigste Teil des Werkes. Im Finalsatz wird das Pathos wieder aufgegriffen; der Ausklang in der marschartigen Apotheose lässt keine Zweifel am schlussendlichen Triumph. Hintergründig im Sinne eines Schostakowitsch ist das zwar nicht, aber man kann verstehen, wieso das Stück große Erfolge feierte.


    Als

    ein verlogenes und kitschiges Machwerk

    würde ich das nicht abtun wollen, geschweige denn von einem

    Geseire des Genossen Chrennikow

    sprechen, denn Fakt ist auch, dass

    Chrennikow nicht völlig unbegabt

    war.


    Wahrscheinlich ist es aber einfach unpopulär, der Musik des "Monsters Chrennikow" etwas abzugewinnen. Dies hat m. E. viel weniger mit seinem kompositorischen Fähigkeiten als vielmehr mit seinem langjährigen Wirken als Generalsekretär des sowjetischen Komponistenverbandes (1948-1991) zu tun.

    Diskographisch ist auf CD praktisch nur die 1973 (Nr. 1), 1974 (Nr. 3) bzw. 1978 (Nr. 2) produzierte Einspielung unter Jewgeni Swetlanow (Melodia) greifbar, die allerdings auch mustergültig erscheint und alle drei Symphonien berücksichtigt. Hinzu kommen ebenfalls sehr gelungene Einzelaufnahmen der Zweiten unter Roshdestwenski von 1969 sowie der Dritten unter Kitajenko von 1981 (beide ebenfalls Melodia), die man allerdings nur auf LP ergattern kann.



    khrenn_rozhpmjvk.jpg khrenn_kitaw0k09.jpg

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Tikhon Nikolayevich Khrennikov - und nichts als die reine Lehre“ zu „Tichon Nikolajewitsch Chrennikow - und nichts als die reine Lehre“ geändert.
  • Ich habe aus Anlass der Wiederbelebung dieses Threads begonnen die auf der links oben gezeigtn CD zu hören, und habe wieder mit den Violinkonzert Nr 1 begonnen un mein Gedächtnis aufzufrischen. Prinzipiell gibt es zu meinen Anmerkungen in Beitrag 23 vom 12.November 2016 nur wenig hinzuzufügen: Ein etwas reisserisches Werk, sehr eindrucksvoll, mit Bezug zur Vergangenheit, indes das 20. Jahrhundert nicht verleugnen. Die Liveaufnahme von 1988 ist eine Tontechnische Meisterleistung. Nun ist die Brilliant Bpx indes bereits gestrichen, aber die rechts oben gezegte CD ist inhaltlich indentisch, vermutlich handelt es sich hier die Original-CD, die von Brilliant für eine gewisse Zeit in Lizenz übernommen wurde, oder aber über eine andere Lizenzausgabe

    Die CD enthhält ein weiteres Violinkonzert und zwei Klavierkonzerte (was wegen der gewnerellen Kürze der Werke möglich ist) - und ich werde bei Gelegenheit über das eine oder andere Konzert ein paar Zeilen schreiben.

    Tichon Chrennikow ist übrigens geradezu ein Paradebeispiel dafür, daß jene, die sich einst der Gunst von Diktatoren erfreuten - abgestraft werden, wenn die Ära erst vorbei ist.

    Er ist so gut wie aus der Musikgeschichte getilgt. WIKIPEDIA hat indes eine Liste von 41 Werken mi Opuszahl veröffentlicht und einige ohne Opuszahl dazu

    • Orchesterwerke
      • Sinfonie Nr.1 b-Moll op.4 (1933–1935)
      • Sinfonie Nr.2 c-Moll op.9 (1940–1942, rev. 1944)
      • Sinfonie Nr.3 A-Dur op.22 (1973)
      • Bühnenmusiken
      • Filmmusiken
    • Konzerte
      • Klavierkonzert Nr.1 F-Dur op.1 (1932/33)
      • Klavierkonzert Nr.2 C-Dur op.21 (1971)
      • Klavierkonzert Nr.3 C-Dur op.28 (1983)
      • Klavierkonzert Nr.4 op.37 für Klavier, Streichorchester und Schlagzeug (1991)
      • Violinkonzert Nr.1 C-Dur op.14 (1958/59)
      • Violinkonzert Nr.2 C-Dur op.23 (1975)
      • Violoncellokonzert Nr.1 C-Dur op.16 (1964)
      • Violoncellokonzert Nr.2 op.30 (1986)
    • Ballette
      • „Unser Hof“ op.19 (1969/70)
      • „Liebe für Liebe“ op.24 (1976)
      • „Husarenballade“ op.25 (1978)
      • „Napoléon Bonaparte“ op.40 (1994)
      • „Die Hauptmannstochter“ op.41 (1999)
    • Opern
      • „Im Sturm“ op.8 (1936–1939, rev. 1952)
      • „Frol Skobejew“ op.12 (1945–1950, rev. 1966)
      • „Die Mutter“ op.13 (1952–1957)
      • „100 Teufel und ein Mädchen“ op.15 (1962/63)
      • „Der Riesenjunge“ op.18 (1968/69)
      • „Viel Lärm um Herzen“ (1972/73)
      • „Dorothea“ op.27 (1982/83)
      • „Das goldene Kalb“ op.29 (1984/85)
      • „Der nackte König“ op.31 (1988)
      • „Um 6 Uhr abends nach dem Krieg“ (2003)
    • Andere Vokalwerke
      • Drei Poeme nach Nekrassow für Chor a cappella op.20 (1971)
      • Drei Poeme nach Nekrassow für Chor a cappella op.36 (1990)
      • Lieder
      • Massenlieder
    • Kammermusik
      • Drei Stücke für Violine und Klavier op.26 (1978, orch. 1983)
      • Streichquartett op.33 (1988)
      • Violoncellosonate op.34 (1989)
      • 5 Stücke für Holzbläser op.35 (1990)
      • Klavierstücke

      _______________________________________________

    mfg aus Wien

    Alfred


    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Danke für die Reaktion!


    Der genannte Konzertmitschnitt von 1988 (tatsächlich identisch in beiden CD-Ausgaben) ist absolut hörenswert und auch klanglich soweit astrein. Alle vier Werke, zwei Violin- und zwei Klavierkonzerte, erklangen an diesem Abend. Interessant, dass der junge Jewgeni Kissin hier das 2. Klavierkonzert spielt. Mit Wadim Repin (VK 1) und Maxim Wengerow (VK 2) hatte man nicht weniger prominente aufstrebende Jungstars. Die dramaturgische Steigerung war nicht zufällig, denn zuletzt erklang das

    Klavierkonzert Nr.3 C-Dur op.28 (1983)

    das ich mittlerweile als das gelungenste aller Chrennikow-Konzerte ansehen würde. Hier gab sich der Komponist, damals bereits 75, selbst die Ehre und trat als Pianist in Erscheinung. Und man wird wohl sagen dürfen, dass er dem Werk technisch durchaus noch gewachsen war. Es hat wirklich seine Momente und bleibt ihm Ohr.

    Dieses Live-Konzert war gewissermaßen eine Huldigung gegenüber dem noch immer gefürchteten und allmächtigen Ersten Sekretär der Komponisten-Union der UdSSR. Auf der Rückseite der Relief-CD findet sich eine Photographie, auf welcher die Jungen dem Alten gratulieren. Wahrscheinlich hatten die drei ein leicht mulmiges Gefühl, denn konnte man sich einem Wunsch Chrennikows auch 1988 kaum widersetzen, wollte man Karriere machen.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wahrscheinlich hatten die drei ein leicht mulmiges Gefühl, denn konnte man sich einem Wunsch Chrennikows auch 1988 kaum widersetzen, wollte man Karriere machen.

    Kissin war zu dem Zeitpunkt 17 Jahre alt und hatte wahrscheinlich überhaupt kein "mulmiges Gefühl". Er äußerte sich dazu 32 Jahre später in einem Interview:

    "Tichon Nikolajewitsch Chrennikow war nicht nur ein guter Musiker und Mentor junger Talente: Er war ein außergewöhnlich guter Mensch, der es liebte, anderen zu helfen. Indem er über viele Jahre die äußerst wichtige

    Position als Generalsekretär des sowjetischen Komponistenverbandes bekleidete, benützte er laufend seinen Einfluss für eine große Anzahl guter Taten für viele, die in Not waren."

    Das ganze Interview

    https://www.musikverein.at/mag…ziges-kriterium-ist-liebe

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Das deckt sich mit dem Wikipedia Eintrag. Eine mächtige Perason mit speziellen Abneigungen, die er indes auch auslebte, vorzugsweise gegen die Avantgarde. Er soll aber vom Regime bedrohte Künstler auch persönlich geschützt und vor dem Gefängnis bewahrt haben. Allmächtig war indes auch er nicht, denn er hatte Stalin im Rücken und später andere.

    ER war eine schillernde, polarisierende Persönlichkeit und seine negativees Urteil über ihn (Ich meine jetzz das "künstlerische", nicht "politische" stamt wohl meist von Vertretern der Avantgarde, sowohl der westlichen, als auch von denen, die seinetwegen emigriert sind.


    WIKIPEDIA schreibt - fast möchte ich sagen - in unerwarteter Neutralität:


    Chrennikow wurde zu Sowjetzeiten als einer der bedeutendsten Komponisten seines Landes angesehen. Im Westen vertrat man dagegen zumeist die gegenteilige Position und sprach ihm zum Teil jegliches kompositorisches Talent ab. Der Grund für diese starke Diskrepanz liegt nicht zuletzt in Chrennikows politischem Engagement und seiner Funktionärstätigkeit. Derzeit (2007) scheint die Rezeption seiner Musik von ideologischen Positionierungen nicht trennbar zu sein.


    (Hervorhebung von mir)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kissin war zu dem Zeitpunkt 17 Jahre alt und hatte wahrscheinlich überhaupt kein "mulmiges Gefühl". Er äußerte sich dazu 32 Jahre später in einem Interview:

    "Tichon Nikolajewitsch Chrennikow war nicht nur ein guter Musiker und Mentor junger Talente: Er war ein außergewöhnlich guter Mensch, der es liebte, anderen zu helfen. Indem er über viele Jahre die äußerst wichtige

    Position als Generalsekretär des sowjetischen Komponistenverbandes bekleidete, benützte er laufend seinen Einfluss für eine große Anzahl guter Taten für viele, die in Not waren."

    Das ganze Interview

    https://www.musikverein.at/mag…ziges-kriterium-ist-liebe

    Für den Hinweis danke ich. Ich konnte auch einen ausführlichen Text Kissins, betitelt mit "In Erinnerung an Tichon Chrennikow", im Netz finden, wo er ganz detailliert auf Chrennikow und seine Beziehung zu ihm eingeht (auf Russisch, aber Google Übersetzer hilft). Es ist erfrischend, einmal so positive Worte über diesen Mann zu hören. Sollte es stimmen, was Kissin zu berichten hat (und ich habe keinen Grund, daran grundsätzlich zu zweifeln), sollten sich diejenigen, die sich zu Beginn dieses Threads sehr ungustiös über Chrennikow geäußert haben, in Grund und Boden schämen.

    P.S. Wieso prangt im Eröffnungsbeitrag von 2006 eigentlich eine "No War"-Flagge in den ukrainischen Farben? Da hat sich wohl jemand einen verspäteten Scherz erlaubt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Ich habe mir letzte Nacht planmäßig wie geplant das Klavierkonzert Nr 2 angehört.Esbeginnteherenttäuschend mit einem simplen Thema, vorgetragen vom Klavier solo über knappe drei Minuten, wobei das Thema mehrfach umspielt und variiert wird und dabei an Komplexität und Wucht und Dramatik gewinnt. Danach gesellt sich zuerst zögerlich das Orchester dazu. welches aber schon nach kurzer Zeit dominiert. Im Hintergrund hört man (IMO sehr eindrucksvoll Kirchen-oder andere Glocken, welche im mLauf der nächsten Zeit erneut auftreten werden. Der zweite Satz ist sehr bewegt und stellenweise aggressiv, den aber quasiy Lyrische Passagen gegenübergestellt werden. Ohne, daß ich es begründen kömnnte höre ich im Geiste immer Anklänge an Gershwin (?), allerdings an die Grenze getrieben. Wenn man Chrennikow einen konservativen Geschmack zuordnet, so kann ich daß eigentlich nich nachvollziehehn. Die Frage wird hier stets sein, was man als "konservativ" bezeichnet.

    Wenn man den 2. Satz als aggressiv und plakativ empfunden kat, dann hat man eben den dritten noch nicht gehört. Rhypthmisch, aggressiv, brutal, stampfend und dennoch eingängig, bzw eindrucksvoll. Letzteres macht Edwin Baumgartner Chrennikow indirekt zum Vorwurf:

    Chrennikow kann Melodien von einer so gnadenlosen Simplizität erfinden, dass man förmlich nicht anders kann, als sie ein paar Stunden im Ohr zu behalten.

    Es lohnt sich diese und die folgenden Zeilen zu lesen, auch den Einwurf von Theophilus, der da meint

    deine interessanten Ausführungen werfen aber fast zwangsläufig die Frage auf, wer in der UNESCO dann die glorreiche Idee hatte, so einem Mann eine Mozart-Medaille zu verleihen...

    Zensoren und Rezensenten mit festgefügtem Weltbild in einflußreichen Positionen stellen immer polarisierende Persönlichkeiten dar.

    Die Herren Regisseure des Regietheaters würden unter meinem politsch möglichem Einfluß in der Straßenreinigung landen oder ein generelles Berufsverbot bekommen .....:hahahaha:


    Überraschenderweise gibt es sogar ein Video-Dokument des 2. Klavierkonzerts von 1981 , wo der Komponist ebenfalls am Flügel sittz. Nicht die CD Einspielung, aber dennoch einen guten Eindruck vermittelnd, wobei ich die CD-Aufnahme als NOCH BEENDRUCKENDER empfinde...

    Allein die Bewältigung des Pianoparts ist eine gigantische Leistung. Interssant bei dieser Aufnahme aus Moskau ist die Verwendung eines Flügels von Steinway......

    Wir haben hier die Möglichkeit ein Stück Musikgeschichte durch ein Zeitfenster quasi Live mitzuerleben - unabhängig von Beurteilungen anderer...




    mfg aus Wien

    Alfred

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