Was macht Bach einzigartig?

  • Zitat

    Original von laurentius
    ich denke Bach ist einfach die kompletteste Figur der von mir soweit zu überblickenden Musikgeschichte. Seine Universalität spiegelt sich zb auch in seiner Expertise auf anderen Instrumenten, seinen Fähigkeiten im Orgelbau bzw. seinen ratgeberischen Tätigkeiten. Für Bach schien Musik in allen Feldern natürlich zu sein. Es gab keine Berührungsängste und keine Unsicherheiten mit gar nichts in bezug auf das große Feld der Musik. Diese Natürlichkeit ist in seiner Musik auf schon fast magische Art und Weise integriert.


    Pardauz, das wäre mir zu Bach nie eingefallen.
    Bach, der keine Oper geschrieben hat ...
    Und "natürlich" habe ich seine Musik nie gefunden.
    Merkwürdig ...

  • Hallo Lars,


    es gibt da nur einen kleinen Unterschied ich habe mit meinem Händel-Post lediglich auf Ullis lustigen Kommentar reagiert, Amfortas hatte den Mahler-thread nebst seiner Bewunderung für Mahler (die da ja auch hingehört!) sich mal wieder in missionarischem Eifer für seine anderen Lieblinge ergangen. Zusammenhang: äußerst locker bis null. ;)


    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Pardauz, das wäre mir zu Bach nie eingefallen.
    Bach, der keine Oper geschrieben hat ...


    Wo hätte er sie denn aufführen sollen? Wäre Hasse nicht gewesen, hätten wir heute auch Opern von Bach. Ein Problem damit hatte Bach garantiert nicht, siehe die weltlichen Kantaten, die sich auch für eine szenische Aufführung anbieten.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • hallo kurzstueckmuster,


    da ist unsere wahrnehmung anscheinend grundverschieden. denn "natürlich" ist mir seine musik allemal. vielen menschen ist es immer so wichtig zu betonen, seine musk sei vor allem logisch und nach allen erdenlichen mathematischen gesetzen wohl geordnet, daher unpersönlich. doch das ist etwas, das man auf die eine oder andere weise jeder musik zusprechen kann (auch scheinbar chaotischerer wie zb dem freejazz eines ornette coleman). egal, empfindungssache.
    tja, und mit den unbegrenzten tätigkeiten in so vielen verschiedenen feldern liege ich dennoch richtig. nur weil er keine opern geschrieben hat, soll das seine einzigartige vielseitigkeit schmälern? ich habe ja auch davon gesprochen, dass er keine berührungs-ÄNGSTE gehabt hat. wer sagt denn, dass er vor der oper angst hatte? vielleicht einfach nur kein bock, oder? meine these besagt ja nicht, dass man, nur weil man begnadet ist und vieles ausprobieren mag, auch in jede richtung eilt. prioritäten gab's schon auch damals ;-)


    bestes

    Laurentius



    Man benutze seine Ohren wie Augen.

  • Zitat

    Hallo Lars, es gibt da nur einen kleinen Unterschied ich habe mit meinem Händel-Post lediglich auf Ullis lustigen Kommentar reagiert, Amfortas hatte den Mahler-thread nebst seiner Bewunderung für Mahler (die da ja auch hingehört!) sich mal wieder in missionarischem Eifer für seine anderen Lieblinge ergangen. Zusammenhang: äußerst locker bis null. Augenzwinkern


    ich weiß, war'n blöder vergleich. der zufall wollte es nur, das ich genau vor diesem thread hier den anderen besagten durchlas ;-)


    :hello:

    Laurentius



    Man benutze seine Ohren wie Augen.

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  • Bonjour,


    hier mein bescheidener Teil zu Bach's Einzigartigkeit.


    Bach habe ich eigentlich sehr spät - so mit 35 Jahren - kennen und schätzen gelernt. Ich fand vorher einfach keinen Zugang zu Ihm.


    Erst als ich die Goldbergvariationen und Partiten mit Glenn Gould hörte, machten sich so langsam die Türen auf. Ich stellte fest, daß ich bei Bach mitsinge.:pfeif::pfeif: Und das mitsingen seiner traumhaften Melodien zeigte mir der Weg zu seiner Musik. Als ich dann noch Tatiana Nikolaeva live erleben durfte, war der Bann gebrochen.


    Heute mag ich Gould weniger, schätze die Grösse eines Claudio Aurrau oder Sokolov. Zur Zeit sind Kunst der Fuge mit Sokolov und die Cellosuiten mit Jean-Guihen Queyras meine CD’s für die Insel.


    Bach's Musik ist vollkommen und einzigartig, sie wird nie langweilig. Allein schon wie man die Cellosuiten spielen kann - ich besitze sieben verschiedene Aufnahmen - ist es immer wieder ein Genuss sich diese Stücke anzuhören und neue Details zu entdecken.


    Manchmal wirkt seine Musik überirdisch, reinigend und meditativ, sie ist reine Perfektion, sie verschafft innerliche Ruhe. Wir sollten uns einfach glücklich schätzen, solche Musik kennen zu dürfen. Bach’s Vokal- und Orgelwerke höre ich leider weniger. Ihre Zeit wird sicherlich noch kommen.


    gruß
    Roman

  • Zitat

    Original von laurentius
    hallo kurzstueckmuster,


    da ist unsere wahrnehmung anscheinend grundverschieden. denn "natürlich" ist mir seine musik allemal. vielen menschen ist es immer so wichtig zu betonen, seine musk sei vor allem logisch und nach allen erdenlichen mathematischen gesetzen wohl geordnet, daher unpersönlich. doch das ist etwas, das man auf die eine oder andere weise jeder musik zusprechen kann (auch scheinbar chaotischerer wie zb dem freejazz eines ornette coleman). egal, empfindungssache.
    tja, und mit den unbegrenzten tätigkeiten in so vielen verschiedenen feldern liege ich dennoch richtig. nur weil er keine opern geschrieben hat, soll das seine einzigartige vielseitigkeit schmälern? ich habe ja auch davon gesprochen, dass er keine berührungs-ÄNGSTE gehabt hat. wer sagt denn, dass er vor der oper angst hatte? vielleicht einfach nur kein bock, oder? meine these besagt ja nicht, dass man, nur weil man begnadet ist und vieles ausprobieren mag, auch in jede richtung eilt. prioritäten gab's schon auch damals ;-)


    bestes


    Hm, ich weiß nicht, ob sie wirklich grundverschieden ist. Ich hatte nie behauptet, dass ich Bachs Musik unnatürlich empfinden würde.


    Das Problem ist, dass das Thema ist "Was macht Bach einzigartig". Und ich habe nicht das Gefühl, dass Bach natürlicher oder weniger natürlich klingt als Graupner, Stölzel oder wer auch immer aus seinem räumlichen und zeitlichen Umfeld.


    Ebenso diese einzigartige Vielseitigkeit. Sind Graupner und Stölzel weniger vielseitig? Ich kann es nicht beurteilen (dazu kenne ich Graupner und Stölzel viel zu schlecht). Vielleicht kannst Du ja begründen, warum Bach vielseitiger war als Händel oder Telemann.


    Wer von diesen 5 genannten Komponisten Berührungsängste womit auch immer hatte, weiß ich auch nicht (nur, dass Bach keine Oper geschrieben hat).
    :hello:

  • Zitat

    Original von laurentius
    hallo kurzstueckmuster,


    da ist unsere wahrnehmung anscheinend grundverschieden. denn "natürlich" ist mir seine musik allemal.


    Komisch, ich dachte immer, hier geht es nur um Kunstmusik und nicht um Naturgeräusche. :D


    Zitat

    wer sagt denn, dass er vor der oper angst hatte? vielleicht einfach nur kein bock, oder?


    Wenn man sich das Herkommen Bachs aus der Kirchenmusik betrachtet, muss man sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht mehr viel Mühe geben.
    Dafür gibts von Händel keine vernünftigen Beiträge zur Orgelmusik.

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Hildebrandt


    Wenn man sich das Herkommen Bachs aus der Kirchenmusik betrachtet, muss man sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht mehr viel Mühe geben.
    Dafür gibts von Händel keine vernünftigen Beiträge zur Orgelmusik.


    Ich könnte mir (rein spekulativ !) vorstellen, dass Bach, wäre sein Lebensweg anders verlaufen,
    oder er hätte irgendwo Gelegenheit gehabt Opern zu schreiben, er hätte bestimmt auch auch Opern komponiert.
    Gelegenheiten wären z.B. gewesen:
    das Leipziger Opernhaus wäre nicht vor Bachs Amtsantritt Pleite gegangen,
    er hätte 1720 die Organistenstelle zu St. Jacobi in Hamburg erhalten und dort Kontakt zur Oper geknüpft,
    oder er wäre an eine Musikerstelle an den kurfürstlichen Hof in Dresden
    berufen worden,
    oder ....


    Angst oder Null-Bock vorm "Opernschreiben" hätte er bestimmt nicht gehabt :yes:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard


    Ich könnte mir (rein spekulativ !) vorstellen, dass Bach, wäre sein Lebensweg anders verlaufen,
    oder er hätte irgendwo Gelegenheit gehabt Opern zu schreiben, er hätte bestimmt auch auch Opern komponiert.


    Ich mir nicht. :D


    Aber abgesehen von unseren Spekulationen im luftleeren Raum:
    Bach war fleißig, viel mehr als das, was er komponiert hat, hätte er wohl kaum schreiben können.
    Worauf würdest Du also zugunsten einer Bach-Oper verzichten wollen? :D

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  • Zitat

    Das Problem ist, dass das Thema ist "Was macht Bach einzigartig". Und ich habe nicht das Gefühl, dass Bach natürlicher oder weniger natürlich klingt als Graupner, Stölzel oder wer auch immer aus seinem räumlichen und zeitlichen Umfeld.


    hallo kurzstueckmeister,


    für mich ist bach's musik halt einfach wahrhaftiger, vielseitiger und universeller als alles andere, was ich kenne. begründen im sinne von überzeugen möchte ich gar nicht. und zu theoretisch im sinne von notenbeispielen kann ich mir zeitlich nicht erlauben (und würde natürlich auch nur subjektiv funktionieren - objektiv maße ich mir gar keine wahrheit an).
    bachs musik lässt sich einfach in viel mehr verschiedene idiome übrtragen als beispielsweise mozart. zu allen zeiten der jazzgeschichte diente bach als vorbild, und unendliche viele seiner wendungen, melodien, modulationen erhielten einzug in alle bereiche: komposition, improvisation, etc... andere komponisten haben in diesem feld auch ihre spuren hinterlassen, aber niemand anders so umfassend. brahms, chopin, stravinsky: alle wichtig für den jazz. ABER nur vom kompositorischen. kenne nur ganz wenige beispiele von jazzmusikern, die zb von brahms auch elemente in ihr saxophonspiel übernommen hätten. bach ist hier aber einfach omnipräsent, einfach weil es passt. gäbe es andere beispiele, hätte man sich derer auch nur zu gerne so ausladend bedient. und der jazz ist nur ein kleines beispiel, gleiches gilt für ALLE formen der brasilianischen choro-musik, bossa, samba. und die musik vieler anderer länder.
    andersrum formuliert: ich kenne auch keinen jazzkollegen, der durch's üben von händelsonaten oder sonstigem sein spiel verbessern möchte. bach ist da einfach ergiebiger. da kann ein präludium hundert rätsel aufgeben.
    und diese ergiebigkeit ist für mich einfach ein blendendes indiz für meine empfindung.


    na ja, das ist alles nur ein klitzkleiner teilaspekt meiner bach-anschauung. ein anderes beispiel wäre die betrachtung glenn goulds als medium für bachs musik und wie viele menschen er damit missioniert und begeistert hat. ich liebe gould zwar für alles von beethoven bis schoenberg, doch diesen fast schon religiösen eifer mancher fans entfachtete er womit?: golbergvariationen, wk, klavierkonzerte, etc...


    übrigens möchte ich gar nicht andere zeitgenossen oder epochenkollegen wie händel oder telemann niedermachen. diese verehre ich doch ebenso, wie viele andere hier. doch bei denen gibt es einfach nicht so ein werk wie das wohltemperierte klavier, das so gut als lehrbuch, kunstwerk und vorbild für millionen von musikern dient.

    Laurentius



    Man benutze seine Ohren wie Augen.

  • Hallo Lars,


    Deine J.S. Bach-Verehrung in allen Ehren, aber mich wundert, daß Du als offensichtlicher Jazz-Kenner einen gern zitierten, aber wohl in seiner Universalität eher falschen Bzeuig anbringst: den eben zwischen Bach und Jazz. Meiner Kenntniss nach, ist die Behauptung, Bach sei zu allen Zeiten des Jazz Vorbild gewesen ein Konstrukt der heutigen Zeit, die Bezüge eher nachträglich "inszeniert", denn auf historischem Wege erfahren.
    Hier kann uns aber bestimmt unser Jazz-Experte Matthias (Oberg) weiterhelfen :yes:
    In Deiner Liste weiterer Komponisten, die (ein wenig) Einfluss auf den Jazz ausübten, fehlt einer, der einen wohl ziemlich deutlichen Einfluss zu verbuchen hatte: Debussy - das nur nebenbei.


    Indes bin ich der Ansicht, daß es auch einem J.S. Bach keinen Zacken aus der Krone bricht, wenn man davon ausgeht, daß er keine Oper geschrieben hat, weil er dazu nicht in der Lage war. Die Kantaten sind ne feine Sache, die Passionen nicht der Eltern Sorgekind, so what??


    :hello:
    Wulf

  • Es gibt natürlich noch viele andere klassische Komponisten, die einen fundamentalen Einfluss auf den Jazz ausgeübt haben, z.B. Schoenberg oder Ravel. War nur eine sporadische Aufzählung.
    Übrigens kann ich all die bach'schen Bezüge im Jazz (und vor allem in der brasilianischen Musik) bei Gelegenheit gerne mal an Beispielen belegen, brauche ich aber wirklich viel Zeit für.
    Da ist nichts nachträglich hineingelesen. Ganz kleines Beispiel: Bachs Rhythmik innerhalb vieler seiner Arpeggioketten (also an welche Stelle er die höchsten Noten setzt) swingt für viele einfach schon von vornherein. Von Charlie Parker angefangen (der Bach nunaml verehrt hat - auch Stravinsky, ich weiß) bis hin zum gerade tragisch verstorbenen Essbjörn Svenson fliegen einem die Zitate, oder zumindest einzelne Zitate ständig entgegen. Oder nimm die groooße Gitarreninstanz Jim Hall, welcher wiederum ganze Generationen nach ihm beeinflusst hat: ein großer Barock- und Bachfreak, der nach eigen Angaben und für's Gehör leichtestens nachweislich viel von den Cellosuiten und Violinpartiten gelernt hat (und diese wohl noch immer spielt).
    Wie gesagt, mir ist schon klar, wie vielseitig viele Komponisten waren. Für mich, der ich hauptsächlich Komponist und Jazzgitarrist bin (aber eben auch viel klassische Gitarre spiele), gibt es keinen anderen musikalischen Schöpfer, der so viel Nahrung bietet.
    Wenn ich mal unter all den fachleuten hier einen eher persönlichen Gedanken äussern dürfte:
    Meines Erachtens würde sich die Erde sofort aufhören zu drehen, entnähme man ihr Bachs Musik! ;-)


    Grüssle

    Laurentius



    Man benutze seine Ohren wie Augen.

  • Hallo laurentius,


    also für mich swingt die Musik Bachs nicht von vornherein, will mich aber auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, da meine Jazzerkundungen noch in den Kinderschuhen stecken. Interessieren würde mich aber schon, inwiefern Miles Davis oder ein Thelenious Monk durch Bach beeinflusst sind.


    Zum Schluss übrigens noch ein ganz objektiver Gedanke:


    Meines Erachtens würde sich die Erde sofort aufhören zu drehen, nähme man ihr die Sonne weg (ja, ich weiß - immer diese Physikernasen) ;-)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Meines Erachtens würde sich die Erde sofort aufhören zu drehen, nähme man ihr die Sonne weg (ja, ich weiß - immer diese Physikernasen) ;-)


    Echt jetzt? meines erachtens würde die Erde dann keine Kreisbewegung mehr fliegen aber "drehen" würde sie sich noch eine "ganze Weile" (unphysikalisch gesprochen). Aber vielleicht hab ich heute auch einfach noch nicht genügend CDs gedreht....

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  • Zitat

    Original von ThomasBernhard


    Echt jetzt? meines erachtens würde die Erde dann keine Kreisbewegung mehr fliegen aber "drehen" würde sie sich noch eine "ganze Weile" (unphysikalisch gesprochen). Aber vielleicht hab ich heute auch einfach noch nicht genügend CDs gedreht....


    Na ja, sie würde tangential die Umlaufbahn verlassen, das meinte ich. Die Änderung der Eigenrotation muss ja irgendwie der Drehimpulserhaltung gehorchen, müsste man mal aufzeichnen.... :rolleyes:


    Wulf

  • Zitat

    Original von laurentius
    für mich ist bach's musik halt einfach wahrhaftiger, vielseitiger und universeller als alles andere, was ich kenne.[...]
    bachs musik lässt sich einfach in viel mehr verschiedene idiome übrtragen als beispielsweise mozart. zu allen zeiten der jazzgeschichte [...]


    aha, DAS meinst du mit "universalität" eines komponisten.
    das hättest du aber gleich dazuschreiben sollen ...
    :hello:

  • Zitat

    Original von Wulf
    Interessieren würde mich aber schon, inwiefern Miles Davis oder ein Thelonious Monk durch Bach beeinflusst sind.


    Monk mit ziemlicher Sicherheit nicht - ich kenne seine Biografie sehr gut, und da habe ich keine Hinweise auf so etwas gelesen, obwohl er natürlich eine klassische Grundausbildung hatte, die er bald zugunsten rein afro-amerikanischer Gestaltungsprinzipien hinter sich gelassen hat. Monk kommt aus der Tradition des Harlem Stride Piano (James P. Johnson usw.), seine Akkordwahl hat rein klangliche, kaum harmonisch-funktionale Gründe (er schrieb nie Akkordsymbole in seine Noten!).
    Miles kannte Musik von Bach, aber einen an der Oberfläche erkennbaren Einfluß kann man nicht feststellen - dazu war er nicht Komponist genug.


    Wenn ein Jazzmusiker von Bach beeinflusst war, dann John Lewis, der ja sogar das WTC aufgenommen und einiges fugiertes geschrieben hat, sowie die Musiker der Tristano-Schule - Warne Marsh und Gary Foster u.a. haben die Inventionen auf zwei Saxophonen geübt. Bassist Ron Carter hat die Cello-Suiten auf dem Kontrabass pizzicato aufgenommen - bei seiner Intonation ein zweifelhaftes Vergnügen - der kompositorische Einfluß beschränkt sich aber auf eine eher allgemein kammermusikalisch-kontrapunktische Grundhaltung.


    In der kontrapunktischen Linearität der Tristano-Schule ist der Bach-Einfluß am deutlichsten, würde ich sagen. Eine der Marsh/Foster Inventionen findet sich auf dieser CD:



    Clare Fischer ist auch so ein verlängerter Arm des Bach-Einflusses in der Tristano-Schule - vielleicht am deutlichsten auf einer Solo-Orgel-LP, "Clare Declares" auf MPS, wo er auch Bach zitiert. Leider nie auf CD erschienen.

  • Nun, ich wollte das hier nicht zu einem Jazz-thread machen ;-) Habe ja denn Jazz auch nur als EINE Spielwiese der Bach-infektionierten erwähnt.
    Natürlich ist Monk nicht von Bach beeinflusst. Ich hatte ja auch nie gesagt, dass ALLE Jazzmusiker von ihm beeinflusst waren. Aber der Jazz insgesamt war in vielen Epochen von vielen führenden Persönlichkeiten mit Bach in Berührung gebracht und somit stark beeinflusst worden.
    Wenn ich mal ganz schnell ein paar Namen droppen soll:
    Fangen wir doch mal im Hier und Jetzt an: Da hätten wir Brad Mehldau; zwar offenkundig ein Anhänger der Romantik im Beethoven'schen Sinn, aber auch ein großer kontrapunktischer Kenner und Experte im Gebiet der Kunst der Fuge (da gibt es ein ganzes Album, wo er sich drauf bezieht).
    KEITH JARRETT - eine der wichtigsten Persönlicheiten der Musikgeschichte überhaupt und ein regelrechtes Medium für die musikalische Gedankenwelt Bachs.
    Man nehme überhaupt endlose Künstler aus dem ECM-Umfeld (sicherlich DAS Label der letzten dreißig Jahre): Ralph Towner, John Abercrombie, Charlie Haden (viele seiner Linien und Kompositionen sind bewuste Verneigungen vor dem Meister), Egberto Gismonti und so weiter und so weiter... Alles dies sind absolute Lichtfiguren, die ihrerseits millionen von Menschen beeinflusst haben und alle sind bekennende Bachbeeinflusste. Wer das nicht hört, hat keine Ohren. Oder Pat Metheny...
    Na ja, und damit man nicht nur an europäische Größen denkt: Ornette Coleman, DER Erneuerer im Jazz der letzten 50 Jahre ist stark durch Bach erleuchtet. Auch sein kontrapunktisches Denken ist in Form der sog. Harmolodics aussergewöhnlich.
    Dann nehme man die großen Broadwaykomponisten, die ja schließlich das Vokabular der Musik, die wir bis heute spielen, erfunden haben: die Standards. Da muss man nur ein paar Werke von Hammerstein anschauen, und schon ist alles klar.


    Übrigens mal zur brasilianischen Musik: VILLA LOBOS. Zu seiner Bachbesessenheit muss man wirklich nix mehr sagen. Doch seine Musik hat auch die komplette Folklore geprägt, und somit ist Choro die kontrapunktisch anspruchsvollste Volksmusik auf der mir bekannten Welt. Und dieser Kontrapunkt und die damit verbundenen Harmonien sind halt einfach nur Bach und nicht Händel oder Telemann ;-)


    Na ja, genug. Ich will damit nicht weiter nerven.


    Bestes

    Laurentius



    Man benutze seine Ohren wie Augen.

  • Hallo laurentius,


    Du nervst ja nicht, aber ich glaube, Du überziehst ein wenig. Ich habe wenig Ahnung von Folklore-Musik, das gebe ich zu. Aber ich kann mir auch kaum vorstellen, daß Villa-Lobos sämtliche Folklore seines Heimatlandes beeinflusst hat.


    Ob Keith Jarrett eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte überhaupt war, sei mal dahingestellt (das mit dem Medium ist für meinen Geschmack zu metaphysisch... :rolleyes: ). Und ob Ornette Coleman DER Neuerer der letzten 50 Jahre war, das kannst Du ja mal im entsprechenden thread zu den bedeutendsten Jazz-Musikern des Jahrhunderts aufwerfen.


    "Die damit verbundenen Harmonien" sind keine, die nur Bach erfunden hat. ;)


    Wie dem auch sei: J.S. Bach war sicher ein Komponist, der auch ohne kultische Verehrung oder weltumspannenden Einfluss (interessante Implikation: Volksmusik von Bach beeinflusst ist gbd. mit kontrapunktischer Veredlung...hat da Ligeti nicht auf hochkomplexe afrikanische aufmerksam gemacht, die sicher nicht von Bach beeinflusst ist??) ein großer Komponist bleibt. Händel aber auch. :baeh01:


    :hello:

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  • Was ist das...???? Bach war nicht in der Lage, eine Oper zu schreiben..??? Das ist doch lächerlich. Es ging ihm nicht um Opernschreiberei. Sein "Impetus" bestand darin, Kirchenmusik zu komponieren und zwar vermutlich die feinste, die jemals von Menschenhand geschrieben wurde..... Am Anfang liest man die Buchstaben J.j. und am Ende S.D.G. das sollte für sich sprechen !


    Natürlich hat es auch "Dramme per musica" bei ihm gegeben, die weltlichen Kantaten , meistens allerdings als Kontrafaktur bzw. Parodie seiner geistlichen Werke.


    Er verspürte eine andere Art der Bestimmung , da geht es doch nun wirklich nicht um Können, seien wir doch wenigstens ehrlich....wenn er gewollt hätte, dann hätte er auch gekonnt, vermutlich besser als all die anderen "Schmierfinken".....

    Einmal editiert, zuletzt von buccinator ()

  • Zitat

    Original von buccinator
    Was ist das...???? Bach war nicht in der Lage, eine Oper zu schreiben..??? Das ist doch lächerlich. Es ging ihm nicht um Opernschreiberei. Sein "Impetus" bestand darin, Kirchenmusik zu komponieren und zwar vermutlich die feinste, die jemals von Menschenhand geschrieben wurde..... Am Anfang liest man die Buchstaben J.j. und am Ende S.D.G. das sollte für sich sprechen!


    Hallo Buccinator,


    Ich meine, daß Haydn auch manchmal S(oli) D(eo) G(loria) oder ähnliche Worte am Ende einer Komposition schrieb. Und er hat doch manche Oper komponiert.
    Ist nicht eher Bachs Stelle als Thomaskantor dafür verantwortlich? Von ihm wurde gefordert, das er Kantaten komponierte. Und das hat er genugsam getan.


    LG, Paul

  • Sicherlich hat Bach auch viele Auftragskompositionen ( Brandenburgische Konzerte, Goldberg-Variationen ) geschrieben, vor allem zu seiner Zeit als "Hofcompositeur" in Köthen und Weimar.
    Allerdings sind das, verglichen mit seinem gesamten Leben, eher kleinere Abschnitte. 27 Jahre lang war er in Leipzig als Thomaskantor eindeutig Kirchenmusiker ( und Lateinlehrer wider Willen ). Seine originäre Berufung als eher "sakraler" Komponist dürfte unsrittig sein.
    Sein opus ultimum zeugt von dieser Geisteshaltung in beeindruckender Weise
    ( "Vor deinen Thron tret ich hiermit" ).

  • Bleibt die Frage offen "Hätte der sehr gläubige Bach eine sehr weltliche Oper komponieren können"?
    Können... zweifelsohne. Aber würde sie mich auch so rühren wie Opern von Händel??


    LG, Paul

  • Guten Tag,


    Zitat

    Original von musicophil
    Bleibt die Frage offen "Hätte der sehr gläubige Bach eine sehr weltliche Oper komponieren können"?


    Ich meine ja.
    Hätte es sich in Bachs Leben ergeben, dass er Gelegendheit gehabt hätte Opern zu komponieren, hätte er es bestimmt auch getan.
    Gelegendheiten wären u.a. gewesen, dass Bach 1720 die Organistenstelle in Hamburg bekommen und Kontakt zur Hamburger Gänsemarkt-Opernszene geknüft hätte.
    Oder der Spielbetrieb der Leipzier Opern -für die u.a. Telemann rund 20 Opern besteuerte- wäre nicht vor Bachs Amtzeiot dort 1720 eingestellt worden.
    Noch eine Möglichkeit, Bach hätte für das Dresdner Opernhaus geschrieben.


    Händel kam vielleicht auch nur durch Zufall zur Oper. Es ist nicht auszuschließen, dass der Hallenser Organist Händel 1703 mehr der norddeutschen Orgeltradition (J.A. Reincken, V. Lübeck) wegen nach Hamburg reiste.
    Mattheson lernte Händel in Hamburg übrigens auf der Orgelempore an der Arp Schnitger-Orgel der St. Maria Magdalena Kirche zu Hamburg kennen.
    Wie gesagt; hätte ?, hätte ?,........ :D


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • warum ? es gibt doch Werke die schon fast Opern sind:



    Der Streit zwischen Phoebus und Pan


    Herkules auf dem Scheideweg


    Der zufriedengestellte Äolus


    Zitat

    Worauf würdest Du also zugunsten einer Bach-Oper verzichten wollen?


    auf 20 Kantaten mehr oder weniger kommt es doch nicht an... :stumm:




    :hello:

  • Um den momentanen Überhang des Themas "Oper" ein wenig abzumildern und auch andere Themen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, plane ich für die nächsten Tage eine Auffrischung älterer Threads mit weitgehend zeitlosen Themen. Wobei "zeitlos" ja in Kunstbegriff ist.

    Dieser Thread hier rohr beispielsweise seit über 10 Jahren. Einerseits ist das Thema "Zeitlos" - andrerseit sind die Mitglieder weitgehend andere und auch der Zugang zu Bach mag sich verändert haben, ebenso seine "Vormachsstellung", denn zahlreiche Komponisten seiner Zeit, die lange "vergessen" waren nehmen allmählich ihren Platz in der Musikgeschichte wieder ein. Und so schliesst sich der Kreis: Auch Bachs Vormachtstellung - die er zu Lebzeiten nie wirklich hatte - ist eine "relative"


    Wenn man bedenke, daß das "Bachjahr 2000" nun auch schon wieder 20 Jahre her ist.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !