Der Komponist Friedrich Gulda

  • Liebe Forianer,


    als Tastenlöwe dürfte Friedrich Gulda den meisten Forianern gut bekannt sein. Seine Mozart- oder Beethoveneinspielungen sind legendär.
    Dass er aber auch komponiert hat, weiß vielleicht nicht jeder. Zumindestens dürften viele noch keine seiner Kompositionen gehört haben.



    Vor einiger Zeit hörte ich im Radio den ersten Satz seines Cellokonzertes und dachte mir, da ich nicht wusste, dass es Gulda war, dass man dort irgendein Popsong verjazzt hat oder so ähnlich. Es war schwer zu definieren. Umso größer war meine Überraschung, als ich erfuhr, dass das Gulda war. So kaufte ich mir eine Aufnahme des Cellokonzertes und war recht angetan davon, da es zum einen sehr abwechslungsreich und zum anderen irgendwie schwer einzuordnen ist. Klar es ist Klassik, denkt man. Dann denkt man sich, eigentlich ja doch nicht und dann wieder doch. Es ist für mich jedenfalls ein Hin und Her. Und das fasziniert mich daran.


    Meine Aufnahme ist mit Heinrich Schiff am Cello und Gulda dirigiert selbst.



    Vor allem der erste Satz ist ein echter Ohrwurm, sehr auffallend das Schlagzeug, das dazu rockige Rhythmen spielt.
    Auch das Concerto for Ursula, 1981 komponiert und für Ursula Anders geschrieben, ist ein interessantes Konzert für Stimme, Pauke, Percussion, Bass, Schlagzeug, Gitarre, Orgel und Streicher. Es wird jedenfalls sehr viel gejodelt. Manchmal scheint es mir aber doch etwas übertrieben.


    Was können Forianer nun noch zum Komponisten Friedrich Gulda beisteuern? Werkvorstellungen, interessante Aufnahmen, fundierte Meinungsbekundungen? Nur zu, ich bin gespannt!



    Gruß, Peter.

  • Zitat

    Auch das Concerto for Ursula, 1981 komponiert und für Ursula Anders geschrieben


    Nur als Video in vollem Umfang zu genießen - Fritzi und Uschi waren bei der Aufführung nackt!

    ...

  • Wo sie nackt waren, das war das "Opus Anders". Hier erzählt Ursula Anders ihre Lebensgeschichte, musikalisch unterstützt von Friedrich Gulda. Wichtig war ihnen dabei die Loslösung vom genormten Musikbetrieb. Dabei steigert sich Ursula Anders nackt in ein Schlagzeugfurioso, und Friedrich Gulda, der davor u. a. in einer Nebenrolle ihren Psychiater gespielt hat, gesellt sich nackt dazu "(Ich bin auch verrückt!") und spielt - vielsagendes Bild - am Krummhorn. "Opus Anders" erschien damals auch auf LP.
    Das "Concerto for Ursula" ist hingegen das zweite der großen Konzertwerke von Friedrich Gulda aus den 80ern, zwischen dem Konzert für Violoncello und Blasorchester und dem Concerto for myself (für Klavier und Orchester). Es ist für Solo-Natursopran und Orchester auskomponiert und hat drei konventionell aufgebaute Sätze.


    Sind derzeit beide ("Opus Anders" als LP und "Concerto for Ursula" als CD) bei ebay im Angebot, dort kann man die Coverbilder vergleichen.


    Herzlicher Gruß und noch ein schönes Osterwochenende
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Zitat

    "Opus Anders"


    Völlig richtig - Gedächtnislücke. Ich war so fasziniert davon, Gulda nackt zu sehen, dass mir der Anlass entfallen ist. Danke für die Korrektur!

    ...

  • Morgen,


    Gulda hat wohl nicht wenig komponiert. Die Jazz-Leute hatten seine Sachen - so man gerüchteweise annähernd richtig ins Bild gesetzt werden kann - nie wirklich als von Ihresgleichen stammend anerkannt. Aber zum Beispiel sein Concerto for myself, eine Komposiition im Schema des klassischen Klavierkonzertes, Flügel (Steinway) und Sinfonieorchester, mit Friedrich Gulda als Solist und Dirigent (NDR Sinfonieorchester, auf NDR-CD) wahrlich besser als die ruhmreiche Rhapsody in Blue (von Gershwin). Es finden sich im Concerto for myself unterhaltende Einfälle, Passagen der Empfindsamkeit, Kontraste, es wird mit Dissonanz und Konsonanzen gespielt, die Phantasie treibt Kapriolen, dann das Finale, das Finale hat den Zug einer Bigband, man erinnert sich an Don Ellis (Steamboat Shuffle Stomp, ein tolles Stück für Bigband).


    Es gibt auch ein Concert für (Sohn) Paul, auch eines - damit er nicht neidisch wird - für Sohn ...


    Freundliche Grüße!
    Albus

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  • Das Concerto for myself erschien erstmals Ende der 80er mit den Münchner Philharmonikern bei Amadeo. Es wurde 1988 beim Münchner Klaviersommer uraufgeführt. Gulda hat es dann u. a. 1991 mit den Wiener Philharmonikern in Wien und Bratislava aufgeführt (die Wiener Version gab es in Ö 1 zu hören, leider mit Bläser-Unsauberkeiten) und dann für den NDR ein zweites Mal aufgenommen.


    Für Sohn Paul schrieb Friedrich das Klavierstück "Für Paul", für Sohn Rico "Für Rico". Es gibt eine Homepage, auf der das Werk Guldas übersichtlich chronologisch aufgelistet ist, einfach an die drei w und den Punkt gulda anfügen, dann .at !


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Und jetzt ist sie seine Nachlaßverwalterin!


    Herzlicher Gruß
    Alexander


    PS: Im Buch "Aus Gesprächen mit Kurt Hofmann" (Langen/Müller, Mai 1991) schildert Gulda sehr genau seine Langzeitbeziehungen (Ehefrau Paola Loew, Yuko Gulda, Limpe Fuchs, Ursula Anders und eine Studentin der Theaterwissenschaft).

    Freundlicher Gruß
    Alexander

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  • Hallo,


    ich möchte gerne einen der ehrenwerten Kenner der Celloliteratur um eine Einschätzung von Guldas Konzert fuer Cello und Blasorchester bitten. Vor einem Jahr hörte ich bei der Eröffnung der neuen Mariinsky-Konzerthalle in St. Petersburg den mit Ouvertuere betitelten 1. Satz, ohne dass ich mich jetzt daran erinnern kann, welchen Eindruck dies hinterliess. Da im kommenden Sommer bei einem finnischen Festival entweder wieder ein einzelner Satz oder das ganze Konzert gespielt werden soll, versuchte ich mich, im Internet kundig zu machen, und wurde fuendig. Ich fand mehrere Aufnahmen sowie einen Videoclip des Finalsatzes. Erster Eindruck : Spassmusik, also Musik, bei der das Zuhören Spass macht. Zweiter Eindruck : Wie "seriös" ist diese Musik? Wollte da der Komponist Zuhörer (eventuell auch Kritiker) "verarschen"? Auf jeden Fall nach meiner Meinung melodische und zugleich effektvolle Musik. Natuerlich bin ich nicht frei von Vorurteilen gegenueber dem Komponisten. Um sie zu ueberpruefen, interessiert mich die Meinung der Forumisten.


    Mikko

  • Hallo Mikko


    Guldas Cellokonzert kann man sicher in weiterem Sinne auch als musikalischen Scherz empfinden, es ist es teilweise sicherlich auch. Als Verarsche empfinde ich es jedoch überhaupt nicht. Es ist ein sehr effektvolles und sehr schönes Stück "alpenländischer moderner Klassik", das bei gelungener Präsentation viel Freude und Vergnügen bereitet. Ich möchte da noch einmal eine Empfehlung für die Einspielung von Friedrich Kleinhapl aussprechen, nicht nur weil das Werk bei ihm in besten Händen liegt, sondern weil hier auch der heikle Begleitpart idiomatisch höchst erfreulich realisiert wird.


    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Mikko,


    ich habe das Cellokonzert erst einmal gehört, fand es aber ebenfalls sehr gut, obwohl ich kein Cellofan und auch gegenüber Stilpluralismus eher vorsichtig bin.


    Mein Eindruck ist, daß Guldas Versuch, Klassik, Jazz und volkstümliche Blasmusik zu kombinieren, durchaus gelungen ist. Das ist Gulda wie er leibt und lebt (Präsens absichtlich gesetzt), auch Ernst und Spaß liegen sehr dicht beieinander bzw. sind nicht mehr zu trennen.


    Aus diesem Grund gehört meiner Meinung nach das Werk unbedingt als ganzes aufgeführt, wenn nicht ein einseitiges Zerrbild entstehen soll.
    Freilich darf das dann von den Interpreten nicht als Pflichtübung angesehen werden, sonst bleibt der Spaß auf der Strecke.


    Kurz: es sollte adäquat gespielt werden können, sonst besser die Finger davon lassen.
    Dank an Theophilus für die Empfehlung, sowas hatte mir noch gefehlt.


    Gruß,
    Khampan

  • Danke fuer die aufschlussreichen Antworten. Nachdem ich jetzt auch noch ein Video eines Gulda-Memorials aus Japan gesehen habe, bei dem das Cellokonzert gespielt wurde, habe ich mich dazu entschlossen, dass mir dieses Stueck gefällt, ganz egal, ob es nun polystilitisch, "zeitgemäss" oder ein musikalischer Scherz ist. Ein tolles Stueck mit Melodien von hohem Wiedererkennungswert (darf das heute sein?), fuer den Solisten sehr virtuos und effektvoll. Mir gefällt es!!! Ich bin auch der Meinung, wenn, dann sollte es komplett aufgefuehrt und nicht auf einzelne Sätze reduziert werden.


    Mikko