Glenn Gould - Extremist ohne Gnaden (oder: worin besteht seine Faszination?)


  • Liebe Forianer,


    sein Name ist Garant für kontroverse Meinungsäußerungen. Das lässt sich auch hier im Forum schön beobachten. Zeit, ihm einen eigenen Thread zu widmen.


    Irgendwie erinnert er mich an Otto Dix. Sich von ihm portraitieren zu lassen war riskant. Am liebsten waren ihm Personen, deren Innenleben er nicht kannte. Die Unbefangenheit seines sarkastisch-scharfen Blickes sollte möglichst durch nichts gestört werden. So viel zum wohl bekanntesten Vertreter der "Neuen Sachlichkeit".


    Zur Ehrenrettung Goulds sei vorneweg gesagt, dass unter dessen Händen die späten Haydn-Sonaten in einer nie gekannten Mischung aus arabesker Verspieltheit und dem Ernst eines späten Beethoven erklingen. Wer diese Einspielung nicht kennt, der kennt Haydn nicht! Auch seinen analytischen, spannungsgeladenen Brahms halte ich für unentbehrlich. Eine durchaus große Fangemeinde verehrt abgöttisch seine Bachinterpretation. Und selbst unter denjenigen, die Gould nicht so mögen, gibt es Einige, die seinem Bach zumindest ihren Respekt zollen (meine Wenigkeit eingeschlossen).
    Sein Spiel klingt unbefangen, skurril, hat oft was Exorbitantes an sich. Ob schnell, langsam, rhythmisch, staccato ... es wird extrem und respektlos vorgetragen. Sowas hebt ab von der Masse.


    Was aber bezweckte er mit dieser im Zeitraffer dahergespielten Mozart-Lachnummer? Oder Beethovens grauenvoll entstellten Appassionata? War das nicht die schiere Verhöhnung des Komponisten und seiner Liebhaber!? Als Genie lebt sich's ungeniert. Man nehme nur den nackerten Gulda oder den Brendel, der das zahlende Publikum immer so bös anschaut. Aber als Interpret spaltet keiner so sehr die Gemüter wie Gould.


    Doch nun genug meiner langen Worte. Feuer frei ...


    g

  • Hallo Gaspard,


    Ja der Titel ist gut gewählt, - bis auf das Fragezeichen am Schluß, dessen Funktion ich in diesem Zusammenhang nicht verstehe :D


    Lange Zeit waren lediglich zwei Einspielungen Goulds in meiner Sammlung:


    Die Goldberg- Variationen aus den frühen 80ern und der Aufnahme von Beethovens 3. Klavierkonzert unter Bernstein.


    Dieses Jahr in Frühjahr legte Sony jedoch eine Serie seiner alten Einspielungen aus CBS Zeiten im CBS Outfit der sechziger Jahre (CBS Masterworks) zum Midprice neu auf.


    So kam ich zu je einer CD mir Mozart- und Beethovensonaten.



    Ich habe selten etwas gehört das so bewußt gegen den Strich gebürstet worden wäre, man könnte auch sagen es wäre eine gewollte Parodie. - - Dennoch es war interressant


    Allerdings sollte man sich im klaren darüber sein, daß hier eine Manipulation der Werke stattfindet


    Oft wurde behauptet Gould würde Mozarts Musik ablehnen.
    Egal ob er das vielleicht sogar selbst gesagt hat, es stimmt mit ziemlicher Sicherheit nicht. Wer seine Aufnahmen der Mozart-Klaviersonaten via Kopfhörer, so wie ich, abgehört hat und das geradezu inbrünstige Mitsummen Goulds immer vor Augen, äh Ohren hatte, wird mir in dieser Hinsicht beipflichten.
    Eine meiner Quelle behauptet jedoch Gould habe mit seiner Vorgehensweise kompositorische Strukturen freilegen wollen, die üblicherweise verdeckt blieben. In gewisser Hinsicht stimmt das sicher auch. (BTW Gould war selbst auch Komponist)


    Viele schrieben Gould würde mechanisch spielen, aber auch hier
    möchte ich widersprechen:
    Hier bietet sich der berühmte türkische Marsch, der 3. Satz Allegretto aus der Sonate Nr 11 KV 331 als Anschauungsbeispiel an.
    Widerspenstig Langsam und doch beeindrucken spielt Gould diesen Satz, ohne jede Brillanz oder irgendein Feuer. Natürlich erinnert es im ersten Moment an eine mechanische Spieluhr (ein gute Bezug, weil Mozart wie versessen auf Spieluhren gewesen sein soll und sie sammelte), aber hört man die Aufnahme einige Male, erkennt man daß dieser Eindruck täuscht. Innerhalb des (von Gould !!) vorgegebenen Konzepts bleibt unheimlich viel Raum für feinste dynamische Abstufungen, die natürlich mit den Intentionen des Komponisten überhaupt nichts mehr gemeinsam haben.Gould dämpft beispielsweise dort, wo andere auftrumpfen.


    Persönlich habe ich mir,ich muß gestehen noch immer keine Meinung gebildet, ob Goulds "Deutungen" legitim sind. Immerhin haben sich viele Kritiker mit ihm befasst und dabei durchaus divergierende Statements von sich gegeben.Vergessen ist er übrigens auch nicht, sondern er wird als "Genie", als "Exzentriker" als "Autist" gehandelt.(Letzteres ist eine grobe Übertreibung, er könnte höchstens dem Asperger-Syndrom zugeordnet werden)
    Übrigens ist auch das "Portrait" Goulds oben im ersten Beitrag eine zum Thema passende Darstellung: Eigentlich nicht "naturnah" ist der Dargestellte doch voll erkennbar und das Wesentliche der Person wurde schonungslos dargestellt, es wurde Quasi versucht die "Seele " Goulds zu malen.....


    Ich stehe nun vor der Frage: Haydn kaufen oder nicht kaufen.....
    Eigentlich hab ich das nicht vorgehabt, aber der Satz
    "Wer diese Einspielung nicht kennt, kennt Haydn nicht"
    - und das aus der Feder Gaspards --
    da werd ich drüber nachdenken



    Ich bin auf weitere Meinungen gespannt
    und verbleibe
    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als Extremist ohne Gnaden würde ich ihn nicht bezeichnen, eher als Sonderling mit Krankheitswert.Über Gould und Mozart ist im Forum schon viel geschrieben worden. Bei Haydn ist ja nicht wirklich provokativ und wenn man Andreas Steier mit Haydn hört, ist er da auch nicht sensationell. Aber ich möchte ein wenig zu Gould und Beethoven schreiben. Als die Aufnahmen damals nach Deutschland kamen, war eine einhellige Ablehnung die Folge. Das fing an mit op. 109,10,111. Die rasende Geschwindigkeit des ersten Satzes von op. 111 machte die deutsche Kritik schwindelig. Normalerweise zieht Gould die Tempi ja deutlich ab, man höre op. 10,13, 27 Nr. 2 letzter Satz und eben op. 111. Bei der Apassionata ist es nun umgekehrt. Wo " normale" Pianisten um die neun Minuten spielen,verbraucht Gould um die 15. Er hat sich in irgendeiner Schrift sehr abfällig über das Stück geäußert. Dies würde nahelegen, dass er uns zeigen will, wie " dämlich" op. 57 ist( manche Äußerungen dieses arroganten Klein-Komponisten weisen in die Richtung, dass er Beethoven wohl für ziemlich primitiv hielt, insbesondere op. 73 hat er mehrfach, auch in Fernsehsendungen karikiert,was ihn nicht hinderte, das Werk öfters zu spielen).
    Wenn man sich von diesem Hintergrund lösen kann, von der Vorstellung, der erste Satz von op. 57 müsste ein brilliant rauschendes Virtuosenstück sein, kann man eine neue Hörerfahrung machen. Für mich ist dies eine sehr spannende Interpretation. Langsam ist nicht gleich langweilig. Man hört deutlich Anklänge an die fünfte Sinfonie und der pathetische Gehalt von op. 57 kommt hervorragend heraus. Goukld spielt ja trotz aller Langsamkeit hoch intensiv, er kann Bögen spannen, die nicht zerbrechen und es findet sich etweas sehr Drängendes in diesem Satz, man hört Stellen, die sonst im Rausch der Geschwindigkeit untergehen. Die Leidenschaftlichgkeit Beethovens findet darin einen ziemlich singulären Ausdruck, insbesondere wenn die Coda des ersten Satzes wie eine gewaltige ( fast gewalttätige) Welle auf einen zurollt( Gould hat dies bei der Transkirption der fünften Sinfonie nochmals unter Beweis gestellt, diese Aufnahme ist ziemlich die "härteste" des Stücks).Wenn ich meine Aufnahmen von op. 57 sichte, nenne ich zwei. Richter in Moskau 1953 (live) und Gould.

  • Sagitt meint:


    Mal was zum Streiten. Gould spielt Beethoven. Eben läuft in classica eine Gould Reihe. zB spielt er op. 109. incredible. Gould war und ist als Beethovenspieler immer umstritten gewesen. Als vor Jahrzehnten seine Interpretationen auf den Markt kamen, war die Ablehnung einheillig. So könne man Beethoven nicht verhunzen. Seine erste Aufnahme waren die drei späten Sonaten. Beinahe alles, was später kam, wurde in Deutschland verworfen. Gould, eine Ironiker von hohen Graden schrieb selbst die Verriss- Rezensionen auf die Rückseiten seiner Platten.


    Ich halte die Beethoven-Interpretationen von Gould für nachhaltiger als seine Bach- Interpretation. Es gibt andere, die Bach interessanter spielen als Gould, aber bei Beethoven steht er sehr einzigartig da. Das könnte daran liegen, dass er so abartig Beethoven spielt- mehrfach sehr sehr schnell, aber beim Kopfsatz der Appassionata ist es genau umgekehrt- wo andere in 9 plus fertig sind, braucht Gould 15 Minuten.


    Wenn man sich von den Hörgewohntheiten verabschiedet, hört eine gute Aufnahme von op. 10 Nr. 1 und dann Gould, finde ich seine Interpretation sehr überzeugend. Er spielt schnell, aber verwischt ja nichts. Sein Beethoven ist ausreichend grimmig bis dramatisch.
    Man vergleiche einmal Horovitz und Gould beim dritten Satz der Mondscheinsonate. Gould spielt keinen Deut langsamer, kann das Tempo aber beherrschen, während Horovitz einfach hetzt.


    Gould hat sich häufig sehr abschätzig über Beethoven geäußert, aber dafür viel seiner Musik eingespielt. Während seine Aufnahme der Klavierkonzerte mich relativ kalt lässt ( bis auf das dritte,live 1958), finde ich seine Sonateninterpretationen immer wieder spannend, ob das nun die frühen op. 2 oder op. 10 Sonaten sind oder die späten, op. 109 bis 111. Bei der op. 109 diagnostiziert Gould Beethoven als Vorläufer der Moderne,ordnet es zwischen Tristan und Schönberg ein, und so spielt er das Stück dann auch. Ich werde irritiert und finde es doch spannend.
    Gespannt bin ich auch auf die Kontroverse.

  • Ha, witzig


    bei mir ist es genau andersrum. Ich kenne zwar nur eine CD mit Goulds Beethhovensonaten, aber ich habe kein Verlangen nach mehr.
    Die Konzerte hingegen gefallen mir sehr, vor allem das Fünfte, auch wegen Stokowski und das erste hat mich total verblüfft mit den "groovigen" Kadenzen Goulds in den Ecksätzen. Allein wegen der Kadenzen des ersten Konzerts finde ich den Zyklus der Konzerte mit Gould kaufenswert.


    Gruß, Markus

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  • Hallo Zusammen


    ich habe mich (aus bekannten Gründen) noch nicht sehr viel mit Goulds Beethoven, Mozart und Haydn Einspielungen beschäftigt, aber dafür umso mehr mit seinem Bach und Brahms.
    Zunächst zu Bach: Er spielt Bach horizontal, sein Bach swingt(klingt blöd, man könnte auch sagen, er hat einen guten, passenden Puls), wenn es passt; wenn ein Stück gerade nicht danach verlangt, dass es swingt, so spielt er es auch gerne mal eiskalt und starr. Sein Spiel ist dabei immer das sauberste, das reinste und vor allem sehr analytisch. Seine Stimmführungen sind eigentlich ideal, weil sie sehr gesanglich sind, nicht umsonst konnte er sein ewiges Mitsingen nicht einstellen. Warum seine Beethove Aufnahmen großartiger sein sollen, weil er die Tempi extremer wählt, leuchtet mir nicht ein, da er die Bach Tempi mindestens genauso extrem wählt.


    Nun zu Brahms:
    Ich beziehe mich auf die Intermezzi, Balladen und Rapsodien.
    Diese sind durchzogen von einer mystischen Atmosphäre, es gibt einen Kommentar, der sagt, man müsse eigentlich die Musik und den Pianisten ganz allein lassen, so innig ist es. Trotzdem bewahrt er sein kontrapunktisches Spiel, das macht diese Brahms Interpretationen für mich etwas ganz eigenes (ich finde die Balladen von Michelangeli schlicht langweiliger und die Rapsodien von Argerich zu bassverachtend und agogisch)
    Ihr seht schon, ihr seid auf einen Glenn Gould Verehrer gestoßen, ich muss jetzt aber hier vorerst aufhören, sonst tue ich das nie.


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • auch wenn die frage auf den ersten blick zu provokant wirken mag, ich möchte es wirklich wissen ... :D


    denn die einspielungen, die ich bislang hörte, haben mich in keiner weise angesprochen ... zu kühl, einfach langweilig


    warum wird er denn seit langem als wahrer 'titan' gefeiert -
    liegt es daran, daß


    - alle leute nachplappern, was irgendeiner mal gesagt bzw. empfunden hat
    - alle es selbst glauben, weil alles es sagen bzw. sich nicht trauen, anderes zu artikulieren
    - er musikhistorisch wichtig ist (wenn ja, aus welchem grund)
    - er sich zu gut als 'wahnsinniges genie' verkauft hat?
    - er wirklich gut war
    - oder aus welchem grund/gründen



    interessant ist, daß ich diese frage schon in einem anderen chat (entschuldige, alfred 8o)
    gestellt habe und von den 18 antworten waren 17 meiner meinung ...
    das gab mir zu denken ... und keiner konnte mir (obwohl auch 'experten' auch nur den deut einer erklärung geben)
    so hoffe ich auf euch, und warte gespannt auf meine 'bekehrung'
    :D

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Klingsor,


    ich finde ja schon, daß Glenn Gould ein phänomenal interessanter Pianist ist. Zwar nicht gerade als Vorbild für jemanden, der wissen möchte , wie man "richtig" klavierspielt (betreffs Lockerheit, Finger- und Sitzhaltung bietet Gould ja ein ziemlich abschreckendes Bild :D ). Die Klänge, die er dem Klavier entlockt, sind trotz der eigenartigen Spielweise doch höchst faszinierend.


    Goulds Mozart fand ich immer sehr skurril, Beethoven-Sonaten kenne ich nicht von ihm, aber vor seinem Bach, seinem Chopin und seinem Prokofieff habe ich größten Respekt.


    Und dann wird Gould natürlich auch einfach wegen seiner freakigen Art verehrt, die so garnichts vom gewohnten befrackten Tastenlöwen hat.


    Also ich finde Glenn Gould super toll :jubel: :jubel: :jubel:


    Lieber Gruß
    Heinz

  • Hallo Heinz!


    Mir gefällt Gould trotz seiner etwa skurilen Art, oder vielleicht sogar deshalb, sehr gut. Ich finde, er hatte seinen persönlichen Stil. Natürlich ist nicht jede Aufnahme gleich gut gelungen, aber das passiert anderen Pianisten sicher auch. Am liebsten habe ich die spätere Einspielung der Goldberg-Variationen und die Einspielung der Brahms Balladen und Rhapsodien

  • hallo, ihr beiden, danke für die antowrt. aber könnt ihr (oder auch die anderen taminoianer) mir sagen, worin denn nun der gouldsche zauber liegt??


    und nicht daß wir uns mißverstehen, die art und weise, wie sich jemand gibt, wie er sitzt oder mtsingt etc. pp. ist für mich weder ein kriterium für gutes , noch fürschlechtes spiel. es kommt immer auf die interpretation an, und bei ihm hab ich das gefühl, daß viele ihn vor allem WEGEN dieser art und weise des auftretens schätzen .... das halte ich einfach für zu wenig .... :stumm::hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Hallo Klingsor!


    Da ich ein Gefühlsmensch und weniger ein Verstandesmensch bin, gehe ich auch an Musik und ihre Interpretation mehr mit dem Gefühl als dem rationalen Verstand heran, was zur Folge hat, dass ich mein Urteil oft nicht in Worte fassen kann, weil eben mehr die Gefühls- als die Verstandesebene im Gehirn aktiv ist. Bei Gould habe ich einfach meistens, nicht immer, das Gefühl, dass seine Interpretation stimmt. Wenn ich einmal eine Interpretation, von wem auch immer und aus welchen Gründen auch immer, für mich als die "richtige" erkannt habe, bleibe ich dabei. Daher schätze ich bei Gould seine Bach u.Brahms CD, weniger Beethoven, Mozart, dafür wieder sehr seine Strauss-Interpretation, da treffen sich wohl unsere beiden Seelen, anders kann ich es leider nicht erklären, liegt wohl auch daran, dass ich eine Frau bin, und die Dinge vielleicht etwas anders sehe. Beim Schachspielen gehts mir ähnlich, wenn ich mit einem Mann spiele, sind unsere Denkprozesse, auch wenn wir dann zum gleichen Ergebnis kommen, grundverschieden.

  • Zitat


    könnt ihr mir sagen, worin denn nun der gouldsche zauber liegt??



    Lieber Klingsor,


    nun, wenn dich Gould mit seinem Klavierspiel schon nicht überzeugen kann, wie soll da jemand allein durch Worte (!) die Faszination rüberbringen, die dir anscheinend bei ihm fehlt?


    Dir gefällt eben die Art, wie Glenn Gould spielt, nicht, ist ja nicht schlimm, dafür gibts bestimmt andere Pianisten, die deinem Geschmack mehr entgegenkommen =)


    Meine erste Begegnung mit Glenn Gould war am Radioapparat. Er spielte die 7.Sonate von Prokofieff, und ich war sofort gefesselt von der Musik (ich kannte bis dahin weder das Stück noch den Pianisten). Seither habe ich auch keine bessere Aufnahme dieser Sonate gehört. Auf jeden Fall war das Interesse an Glenn Gould geweckt, und hat sich bis heute auch gehalten. Einen großen Anteil daran hat sicher auch Prokofieffs tolle 7.Sonate.


    Nette Grüße
    Heinz

  • Hallo Klingsor,


    Goulds Bach finde ich gelegentlich zwar schrecklich, dennoch möchte ich ihn nicht missen, die beiden Studioeinspieungen der Goldbergvariationen halt ich für die besten am Markt.
    Jedoch bin ich jetzt zu faul um Goulds Bach zu hören (das d-moll Klavierkonzert rockt klasse!) und vergnüge mich stattdessen mit Goulds Wagner-Album.



    Find ich grandios. Erstmal dirigiert er das Siegfriedidyll in der Originalversion für 13 Instrumente, dann legt er ein herrliches Meistersingervorspiel am Klavier nach. Erzromantisch!
    Auch Siegfrieds Rheinfahrt und abermals das Siegfriedidyll - diesmal allein am Klavier kann sich hören lassen.


    Im Wagner-Album ist Gould ein anderer Gould. Es gibt ohnehin so viele verschiedene Seiten an ihm.


    Ach den Livemitschnitt des Brahms d-moll Klavierkonzert mit Bernstein halte ich für eine wunderbar gelungene Aufnahme, jammerschade, daß man die Idee einer Studioeinspielung verworfen hat.



    Werde in den nächsten Tagen noch einige Gouldaufnahmen hören und von deren Faszination berichten.

  • Sagitt meint:


    Früher fand ich Gould so fascinierend, weil es einfach anders war. Die einen schwärmten für Frank Zappa und ich für so einen freak wie Gould.
    Er hat es immer verstanden, aus sich ein Kult zu formen. Medial war er immer und unglaublich vielfältig präsent.
    Gould war in seiner Eigenwilligkeit eine sehr starke Persönlichkeit. Wer hätte Bernstein schonm bewegen können, von seinem Ansatz des d-moll Konzerts Abstand zu nehmen ? Gould konnte es. Er setzte seinen Kopf durch. Wenn man sich mit seiner Biographie beschäftigt, gibt es dafür viele Belege.
    Gould war ein außerordentlicher Pianist. Als Beleg dafür will ich seinen ungeheuren Triumph in der Klavier-Nation Russland 1957 nennen. Das gab es ja wahrlich genug großartige Klavierspieler. Gould machte dort erheblichen Eindruck.
    Gould war sicher ein besonders intellektueller Mensch. Er hat sich zu Musik unendlich viele Gedanken gemacht und die in seinen Schriften niedergelegt.


    Zu den Interpretationen komme ich zuletzt. Wie gesagt,früher gefiel mir das Abweichen als solches, heute sehe ich anders. Bach können andere auch sehr gut und teilweise spannender spielen, nur als Beispiel das d-moll Konzert BWV 1052 ist Katsaris spannender als mit Gould. Sein Mozart ist ein Verbrechen (Ausnahme KV 491). Seinen Beethoven finde ich außerordentlich spannend ( vor allem die Sonaten). Kaiser prophezeite Gould eine kurze Halbwertzeit. Vielleicht hatte er Recht ?

  • Hi Klingsor


    Auch ich bin nicht in der Lage die "Gouldschen" Interpretationen in seiner ganzen Bedeutung für das Klavierspiel zu begründen. Dazu sind sicherlich auch nur die wenigsten in der Lage. Aber ich finde jeder Interpret der sich um die Deutung eines Werkes bemüht, hat unseren Respekt verdient und sollte jemanden das Ergebnis nicht gefallen, ist das ja noch kein Qualitätsurteil an sich.
    Ich für meinen Teil bin froh über jeden der verhindert, das Selbstgefälligkeit und Routine ein Genre langsam austrocknet.


    Sollten hier im Forum einmal abstimmungen für eine "Rangliste" der Pianisten gestartet werden, gaube ich jedenfalls das Glenn Gould unter die ersten 10 kommen würde - und da gehört er auch unbedingt hin.


    Gruß Galuppi

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  • Lieber Galuppi ,
    Glenn Gould gehört aufgrund seiner Aufnahmen und Livekonzerte sicherlich n i c h t zu den wichtigsten Pianisten .
    W a s ihn in besonderer Weise auszeichnet sind seine Werkanalsyen und seine Anmerkungen zur Musik über den Klasssikberiech hinaus .
    Ferner war er ein glänzender Kommunikator . Ein wirklicher Medienstar !
    Seine Briefe sind sehr lesenswert , da er darin sehr viel mehr als dies üblich ist von sich mitteilt . Einzelheiten würden ein Büchlein füllen .
    Die interessantesten Aufnahmen finde ich seine Salzburger ""Goldberg-Variationen" , seine "Kunst der Fuge" und seinen Mozart .
    Viele Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank Georg Bechyna


    Wie du in deinem Beitrag richtig bemerkst zeichnet sich GG nicht zuletzt durch seine Werksanlysen aus. Und das Ergebnis dieser Analysen, zu hören und zu sehen zZ. bei Classica, macht ihn eben für mich zu einem der besten Pianisten "of alltime". Aber ich will mich nicht zusehr für ihn ins zeug legen,denn mein eigentlicher Hero ist Arturo Benedetti Michelangeli, aber das ist wieder eine andere Geschichte.


    Gruß Galuppi

  • Zitat

    Was ist denn an Gould so gut???


    Salut,


    Ende der 50er Jahre war die Meinung stark vertreten, dass "Bach auf dem Klavier" keine Zukunft habe. Eine weitere Auseinandersetzung dazu tut hier nicht Not - dafür gibt es einen Thread. Das phantastische an Gould ist, dass er einerseits von den musikwissenschaftlichen Meinungen und den Ausführungen von Pädagogen und Musikkritikern völlig unbeeindruckt weiterhin Bach auf dem Klavier spielte und zwar so, dass er entgegen anderer Klavierpräferenten dieser Zeit das Kontrapunktische an Bachs Werk so deutlich hervorhob, dass alle anderen Interpretationen, zumeist viel zu "romantische", in den Schatten stellte. Dahingehend ist Gould noch heute prägend und massgebendes Vorbild.


    Zudem ist Goulds Mut hervorzuheben: Sein Einstieg bei Columbia waren immerhin die Goldberg-Variationen - ein wahrlich sehr mutiges Unterfangen, welches sehr leicht böse hätte enden können.


    Viel mehr ist dazu gar nicht zu sagen.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Klingsor - und Rest der Welt


    Einiges wurde hier ja schon ganz richtig beschrieben - ich kann sozusagen nur zusammenfassen bestären , bzw ablehnen.


    Ich halte Gould einerseits für einen durchaus entbehrlichen Pianisten - andererseit war er das was der Klassikmarkt oder die Klassilszene unbedingt braucht - und was ihr heute so fehlt - das Salz in der Suppe - der Hecht im Karpfenteich - ein enfant terrible - derjenige der Proteste hervorruft und Aggressionen und Fanatismus - kurz alles was sich die Plattenindustrie so wünscht.Er war ANDERS als die andern, er konnte Aufsehen erregen. Dazu war er - und das ist wichtig - authentisch - kein Kunstprodukt der Schallplattenindustrie. Ein Suchender, ein Einsamer, ein Unbequemer. Solche Menschen sind üblicherweise nicht jene die auf den Pfaden des Erfolges wandeln. Nur alle Jubeljahre einmal macht das Schicksal (oder Gott ?) eine Ausnahme. Gould war eine solche.


    Man kann seine Interpretationen ablehnen oder sich für sie begeistern - gleichgültig gegenüberstehen werden ihm die wenigsten.


    Er hat nie verhehlt, daß er M;ozart nicht mag - aber er hat sich mit ihm auseinandergesetzt. Seine Interpretation der Klaviersonate in A-dur KV 331 (mit dem türkischen Marsch) ist eine Kaskade gegen alle Tradition und gegen den Notentext. - Dennoch - immer wieder fühlten sich Klassikliebhaber bemüßigt, diese Aufnahme zu kaufen, zu hören, zu bespötteln, zu vernichten oder zu bewundern.


    Phänomene, und ein solches ist Gould offenbar, lassen sich nicht analysieren und kopieren - sie sind einfach da. Ob sie nur in zeitlicher Nähe zu faszinieren vermögen - oder über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alles in ihren Bann zu ziehen vermögen - Wer weiß das schon ??


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Meiner Meinug nach gehört Glenn Gould definitiv SCHON in die "top ten". Für mich ist er sogar die Nummer eins und zwar auch unabhängig vom außermusikalischen, er spielt so rein, so klar, so eindeutig, so gefühlvoll, er spielt philosophisch, dies ist meine Meinung zu allem, was ich bis jetzt von ihm gehört habe (und das ist ne Menge).
    Außermusikalisch stellt er wohl jeden anderen Pianist in den Schatten. Da, wo andere nur dummes Gewäsch auf die Reihe bringen, schreibt er ein Buch, Joachim Kaisers Geschwätz hat im Gegensatz zu Glenn Gouldr keine Halbwertszeit, da, damit Wert verloren gehen kann, er zunächst einmal vorhanden sein muss.
    Hätte Herr Kaiser auch nur halb so viel Ahnung von Musik wie Glenn Gould sie hatte, würde er sich in bewunderndem Schweigen hüllen.


    :stumm::stumm:


    :stumm:

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

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  • Lieber Galuppi ,
    wer die Musikgeschichte ein wenig kennt , der weiss auch , dass Glenn Gould Recht hatte als er Gibbons und Byrd zu den grossen Komponisten zählte .
    Die über diese Aussage Goulds mitleidig den Kopf schüttelten , hat natürlich auch von J S Bach keine Ahnung , da dieser in seiner endgültigen "Form" nicht ohne Gibbons und Byrd denkbar gewesen wäre !
    Wir sollten uns vielmehr mit diesem "kleinen Komponisten" befassen !
    Herzliche Grüsse
    F r a n k

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Alfred: Ich halte Gould einerseits für einen durchaus entbehrlichen Pianisten - andererseit war er das was der Klassikmarkt oder die Klassilszene unbedingt braucht - und was ihr heute so fehlt - das Salz in der Suppe ..


    Na immerhin belegt der einerseits Entbehrliche inzwischen gar zwei eigene Tamino-Threads. Doppelte Ehre, die nicht jedem Salz vergönnt ist. :D


    GG verfügte über ein phänomenales Gehirn und Gehör. Es wird erzählt, er habe mit Freunden am Tisch gesessen, man unterhielt sich angeregt, das Radio lief, und er habe nebenbei irgendwelche Notizen angefertigt. Der Gag am Ende: Gould hatte sich nicht nur lebhaft an der Diskussion beteiligt, er wusste auch noch genau, was im Radio gesagt wurde und er verblüffte mit der Frage, ob er die Gedichte vorlesen dürfe, die er soeben verfasst habe.


    GG besaß jene außerordentliche Begabung, vieles gleichzeitig zu verfolgen. Nicht ohne Zufall wird sein Klavierspiel oftmals als "polyphon" charakterisiert.
    Für mich bleibt GG der Extremist. Sein Extremismus, seine Skurrilität wird oft genug mit Defiziten an anderer Stelle erkauft. Eine gefärbte Brille vermag neue, durchaus faszinierende Sichtweisen zu offenbaren. Der Wolkenhimmel erscheint in ungeahnten Details, während das Relief des Waldes in ein dunkles Nichts versinkt.


    Die Quadratur des Kreises war Goulds Sache nicht. Aber genau das macht ihn m.E. einzigartig. Vor allem intellektuelles Charisma unterscheidet ihn vom Scharlatan.


    g


    PS: Redet heute noch jemand über seinen Schoenberg?

  • Man sollte Gould nicht auf seine Spleens reduzieren. Er hat sie ja nicht eingesetzt,um damit aufzufallen. Zu seinem Mitsummen sagte er, dass er es für unmöglich halte es bei ergreifender Musik nicht zu tun.


    Aber er war sicherlich ein Narzist, sehr auf sich selbst bedacht und radikal. Dieses kommt in dem sehr lesenswerten Buch "Der Untergeher", obwohl es rein fiktiv ist, gut zur Geltung.
    Beispielsweise zog er sich bald nach dem kometenhaften Erfolg mit den Go(u)lbergvariationen mit öffentlichen Auftritten komplett zurück in sein Kellerraum, in dem er sein Spiel perfektionieren wollte. Er hatte keine Lust mehr auf die Beeinflussung durch dritte, welche sich durch Husten und Räuspern bemerkbar machte.


    Oder Mozart: Er verabscheute zum Teil die kontrapunktlose Simplizität von Mozarts Sonaten und dementsprechend spielte er sie auch. Er stand zu seiner Meinung und versuchte nicht den optimalen Klang zu erreichen.


    Aber er feilte so lange an der Musik die ihm zusagte, welche wie er einst sagte, fast ausschließlich kontrapunktische Musik war, bis sie in seinen Augen perfekt war. Ihm war es wichtig, dass die Goldbergvariationen ein durchgängiges Tempo hatten, zu den die Notenwerte der einzelnen Variationen ein bestimmtes Verhältnis haben.


    Das Besondere an Gould war sicher auch seine Gabe durch kräftigen Einsatz der linken Hand die kontrapunktischen Elemente herauszuarbeiten.
    Man kann bei den Gouldbergvariationen, auch bei den schnellen, eigentlich immer die Stimmen heraushören.
    Und man merkt halt auch den umbedingten Einsatz bei seinen Variationen. Für mich kommen die Emotionen gut rüber. Dementsprechend versteh ich auch Aussagen wie er spiele "klinisch und gefühlskalt" nicht. Aber das ist Geschmacksfrage. Ich liebe einfach den unbedingten Drive der Variationen und auch die verminderte und nur manchmal die Strenge unterbrechende Romantik( Var.: 15,21).


    Fazit: Er spielte das gut, was er selber gut fand und den Rest nicht und ließ so seine Persönlichkeit immer wieder hervortreten. Und das finde ich gut.

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Lieber Gaspard ,
    Dank für Deine "reduktion" bei Gould auf das Wesentliche und Entscheidende .
    Ich kenne ausser ihm nur Alexis Weissenberg , der auch jahrelang im ORTF , Paris , eine eigene Klassiksendung im Fernsehen hatte .
    Und diese Sendung ein absoluter Hit war .
    Gould war auf höchstem Niveau eine vielseitige und vielschichtige Begabung .
    Warum sollte niemand mehr über seinen Schoenberg sprechen .
    Gould war mehr als die Goldberg-Aufnahme aus 1955 . Viel mehr .
    Das ganze Psychologisieren über seine Persönlichkeitsstruktur ist eine andere Seite .
    Sicher ist : Glenn war weder homosexuell noch schizoohren .
    Beste Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin




  • Ein toller Beitrag, den ich bis auf eine Ausnahme nur zustimmen kann:


    GLenn Gould war nicht narzistisch und das, was Thomas Bernhard (mein Lieblingsautor)im Untergeher schreibt ist nicht biographisch korrekt. Es ist ja klar, daß der Ich-Erzähler im Buch nicht real sein muss. Doch hat auch Glenn Gould nie bei Horowitz studiert. Ich weiß nicht, wie Thomas Bernhard auf diese Idee kam, denn Horowitz war wirklich das komplette Gegenteil, pianistisch, teilweise in die Richtung (ich habe trotzdem großen Respekt vor Horowitz) "Zirkusakrobat" (wurde im Forum schonmal geschrieben und ich finde, das triffts :D ), Tastenhengst, der leidenschaftlich auftritt und auch gerne mal kräftig daneben langt . Glenn Gould wäre intellektuell auf einer Ebene mit Thomas Bernhard gewesen, wenn das Buch nicht nach seinem Tod geschrieben worden wäre, es hätte eine hochinteresasnte Diskussion gegeben (klar, das Buch wäre auch anders). Was also Glenn Gould für "Der Untergeher" *auszeichnet*, ist das Motiv des "Geistesmenschen", der sich radikal zurückzieht, doch im Fall von Glenn Gould derart stark ist, daß nicht er, sondern die anderen zerstört werden.
    Ach, bei Thomas Bernhard könnte ich stundenlang reden, doch das ist hier der falsche Thread dazu.


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

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  • Sagitt meint:


    Wenn " narzistisch" bedeutet, selbstverliebt, dann war Gould dies in höchstem Masse. Man lese nur mal das Buch seines Tontechnikers Kadzin über die Egomanien des Glen Gould.
    Aber spielt es eine Rolle ?


    Hat der Charakter seine Interpretation beeinflusst. Diese Frage ist allein spannend. Wie deutet man den Zwang, Abweichendes zu produzieren ? War es überhaupt ein Zwang oder war er nur intellektuell und verschroben und exektuierte seine Einsichten ( letzteres ist wieder ein Beleg für Narzissmus)?


    Dies ist kein Psychologie-thread und doch wird eine interssante Frage aufgeworden, wie sehr der Charakter des Künstlers seine Kunst bestimmt ?


    Man kann nicht vorschnell " ja" oder " nein" sagen. Wahrscheinlich ist es ein Dickicht von " objektiv" und " subjektiv". Bei Gould habe ich den zumindestens den Eindruck. Er hat sich sehr mit den Werken auseinandergesetzt, aber zugleich sind seine Interpretation immer sehr Ausdruck seines Denkens, teilweise ziemlich rücksichtslos gegen Musik und Musiker ( wenn er mit anderen zusammen musizierte, die Schwarzkopf hat deswegen eine Aufnahme mit ihn alsbald abgebrochen).


    Ich würde dazu gerne auch andere Meinungen lesen ...

  • Der " Zwang, abweichendes zu produzieren" ist insofern etwas seltsam, da man auch umgekehrt fragen könnte, wieso man denn konformes produzieren sollte, da es ja eben schon produziert worden ist. Ich finde, man sollte aufhören, die Menschen in "Abweichler" oder "Außenseiter" einzuteilen, oder, jemand ist "negativ" oder gar "düster". Er hatte seinen eigenen Kopf. Diesen hatte Bach, Beethoven, Gesualdo, Prokofiev auch. Er hat ihn durchgesetzt, für ihn war das Ergebnis, die Musik, das wichtige.
    So sehe ich das.


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Tag,


    was Glenn Glould angeht, mir erschien er stets, und noch heute kommt er mir rückschauend so vor, als der seltene Fall eines Ironikers unter Pianisten. Die Ironie war für seine öffentliche Rolle. Im persönlichen Umgang, so berichtete Josef Krips, war er auch zu angenehmer Geselligkeit in der Lage. Krips sang den Orchesterpart, Gould sang den Solistenpart eines (KV 467?) Mozart-Klavierkonzertes. Zum Aufnahmeprojekt kam es nicht mehr. Mit Josef Krips, der sehr von Glenn Gould angetan gewesen war, konnte man in Sachen Mozart sich keinen Jux machen.


    Nach alter Weise neigt man zur Überschätzung des Seltenen und zur Unterschätzung des Häufigen. Da ist wohl etwas dran. Also, bin ich vorsichtig im Urteil.


    MfG
    Albus

  • Zitat

    Original von Albus
    [...]


    Nach alter Weise neigt man zur Überschätzung des Seltenen und zur Unterschätzung des Häufigen. Da ist wohl etwas dran. Also, bin ich vorsichtig im Urteil.


    MfG
    Albus


    Irgendwie bin ich zu blöd dafür, was meinst Du damit konkret?


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Tag erneut,


    nur, weil gewünscht? Das Argument lautet:


    (1) Das Seltene wird über, das Häufige unterschätzt (Praktische Lebenswahrheit: Ausnahmen bestätigen die Regel).
    (2) Glenn Gould war der seltene Fall eines Ironikers unter den Pianisten.
    (3) Der Seltene, hier: Glenn Gould, wird überschätzt.
    (4) Aber: Mit Krips konnte man in Sachen Mozart sich keinen Jux machen.
    (5) Also, bin ich vorsichtig im Urteil. Vorsichtig wegen Josef Krips' Anerkennung für Gould.
    (6) ...


    MfG
    Albus

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