Rudolf Schock, ein großer deutscher Tenor

  • Lieber "Bertarido", das ist doch ein sehr gut abgewogenes und nachvollziehbares Statement, besten Dank dafür. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen: Genauso wie es legitim ist, Musik aus unterschiedlichen Zeiten zu hören und zu mögen, ist es legitim, Interpretationen aus unterschiedlichen Zeiten zu hören und zu mögen.

    Bertaridos Text ist ein Statement, dem auch ich mich anschließen kann, denn es beendet einen unfruchtbaren Streit. Ich werde mir den Text ausdrucken, denn etwas so Grundsätzliches zum Thema "HIP oder nicht" erwartet man nicht gerade in einem "Rudolf-Schock-Thema".

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Die Platte ist ja ziemlich spät entstanden, da waren sicher nicht mehr alle seine Tenor-Hits machbar. Neben dem "Abendstern" ist auch noch der Bajazzo-Prolog drauf, ebenso die "Winterstürme", die er meines Wissens vorher nie gesungen hatte.

    FafnerHH


    Ich habe mir erlaubt, die Platte aus dem Schrank zu holen: An "Tenor-Hits" gibt es die Arien des Pylades, Fenton, Hüon, Sänger-Arie aus "Rosenkavalier", Nurredin, Fra Diavolo und aus Klenaus "Rembrandt von Rijn" (als Hommage an Marcel Wittrisch). Zu den bereits genannten Bariton-Arien kommen noch Valentins Gebet aus "Faust" und die "Winterstürme" hinzu.


    Der Text auf dem Cover klingt ein bißchen nach Entschuldigung (ähnlich dem der letzten Schwarzkopf-Platte "To my Friends" bei der DECCA). Schock spricht auch von Wünschen seines Publikums, die bei der Repertoire-Auswahl mit eingeflossen sind.

  • Lieber Rheingold1876,


    da ich an anderer Stelle kürzlich auch schon einmal Dein Missfallen mit einer Äußerung über eine ältere Aufnahme erregt habe, möchte ich hier auch etwas sagen. Zumindest mir liegt es fern, Bach- oder Händel-Interpreten der damaligen Zeit zu verspotten. Sie haben diese Werke damals so aufgeführt, wie sie es für richtig und angemessen hielten. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Sie wussten es nicht besser. Und das zu sagen ist m.E. kein Zeichen kultureller Arroganz. Wenn sie sich nach Kräften bemüht haben, ihr Bestes zu geben, gebührt ihnen dafür unser Respekt. Mangelhafte Leistungen zum Beispiel von Chören darf aber auch unabhängig von Fragen der Aufführungspraxis kritisieren. Ob man dies in sachlicher Weise tut oder sich darüber lustig macht, ist eine Frage des Stils. Ich persönlich mag letzteres nicht, ebensowenig wie ich die diversen YouTube-Threads mag, in denen schlechte Interpreten zur Schau gestellt werden. Aber jedem das seine.


    Will man diese alten Aufnahmen heute noch hören? Das hängt davon ab, ob man wie Du ein Interesse an Interpretationsgeschichte hat oder an Stimmen interessiert ist und gerne den damaligen Sängerinnen und Sängern lauscht. Auch falsche Interpretationen kann man ja gut singen. Ich habe diese Interessen allerdings nicht. Ich will die Werke in einer Art und Weise hören, die nach heutigem Stand der musikhistorischen Forschung den Intentionen der Komponisten möglichst nahe kommt. Hinzu kommen natürlich auch die eigenen Prägungen. Ich hatte das Glück, dass mein Interesse an klassischer Musik in einer Zeit erwacht ist, in der ich Werke des Barock schon in Aufnahmen von Pinnock, Gardiner, Hogwood etc. kennenlernen konnte. Die alten Prä-HIP Aufnahmen ertrage ich schlicht und einfach nicht. Ich habe aber durchaus Verständnis dafür, dass es auch andere Prägungen gibt. Meine Ex-Freundin mochte zum Beispiel die damals von mir favorisierte Gardiner-Aufnahme des Weihnachtsoratoriums gar nicht, weil angeblich viel zu schnell gespielt - sie war mit Rilling groß geworden. Wir haben trotzdem immer sehr schöne Weihnachtsfeste gefeiert.

    Lieber Bertarido, ganz bewusst zitiere ich Deinen Beitrag als Ganzes, weil es nicht verkehrt sein kann, ihn nochmals zu lesen. Mit diesen Ausführungen kann ich sehr gut leben, bleibe aber auch dabei, dass jene sprachlich verunglückten Randglossen, die an dieser Stelle zu vernehmen waren, für mich unannehmbar sind. Das Thema selbst finde ich wichtig. Wie Du schon erkannt hast, bin ich der letzte, der pauschal von alten Aufnahmen schwärmt. Vielmehr interessiert mich, wie und warum Sänger im Laufe der Zeit zu veränderten Ausdrucksformen und Techniken fanden und ob es für die Beschäftigung mit der jeweiligen Gegenwart nicht unabdingbar ist, zu ergünden, wie es die Altvorderen machten. Niemand fängt ganz von vorn an. Auch HIP ist nicht denkbar ohne die Kernerabeit eines Richter und wie sie alle hießen. Schließlich sehe ich auch keinen Widerspruch darin, mich meines Montblanc-Füllfederhalters zu bedienen, wärend mir gleichzeig diverse neueste Technik, die mich schon immer fasziniert hat, selbige Dienste leistet.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Schließlich sehe ich auch keinen Widerspruch darin, mich meines Montblanc-Füllfederhalters zu bedienen, wärend mir gleichzeig diverse neueste Technik, die mich schon immer fasziniert hat, selbige Dienste leistet.

    Ich finde zwar, dass dieser Vergleich etwas hinkt, lieber Rheingold1876, er gefällt mir aber trotzdem gut, denn auch ich liebe Montblanc-Füllfederhalter, auch wenn ich schon lange nicht mehr damit geschrieben habe. Meine nostalgischen Anwandlungen lebe ich dadurch aus, dass ich Petroleumlampen sammle und von der Perfektionierung der Brenner über die Jahre hinweg und den verschiedenen nationalen Ausprägungen fasziniert bin. Ein weites Feld. Obwohl auch die besten Petroleumlampen nicht so hell sind wie moderne Leuchten und sie immer ein wenig riechen, sind sie trotzdem jeden Abend bei mir in Betrieb. Aber das hat nun wirklich nichts mehr mit Rudolf Schock zu tun. ^^

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich sehe Dich nun wirklich nicht unter der Petroleumlampe sitzend Rudolf Schock hören. ;) Natürlich hinkt mein Vergleich, lieber Bertarido. Sollte er auch. Ich wollte nur auf die mögliche Gleichzeitgkeit von Dingen und ihre Zusammenhänge verweisen. Mir fiel nichts anderes ein. Nur weil mein Montblanc hier auf dem Schreibtisch neben der Tastatur liegt, verfiel ich wohl darauf. Danke, dass Du diesen poetischen Einblick in Deinen privaten Alltag gegeben hast.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Hallo,


    ich bin wieder da ! Mit großem Interesse habe ich die Diskussion um Schocks letzte Opern-LP von 1978 mit den dort aufgenommenen Bariton-Arien verfolgt. Nun ist es so ungewöhnlich nicht, daß ein Tenor Bariton-Arien singt oder aufnimmt, vor Domingo, der bekanntlich den Rossini-Figaro ganz aufnahm, sang auch Mario del Monaco dessen berühmte Arie und Kavatine. Meines Erachtens ist die gesamte LP dem damals immerhin 63jährigen Rudolf Schock gut gelungen, ich besitze sie ! Ausgesprochen achtungsgebietend ist, meiner Meinung nach, Schocks Interpretation von Siegmunds "Winterstürme wichen dem Wonnemond", die wurde in den letzten 70 Jahren von manchem Wagnertenor schon schlechter auf der Bühne gesungen oder auf Tonträger verewigt !

  • Ich habe die Petroleumlampe angezündet und höre Rudolf Schock als Max.


    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Ich habe die Petroleumlampe angezündet und höre Rudolf Schock als Max.


    Was, noch jemand, der Petroleumlampen hat?

    Auch ich habe noch Petroleumlampen in Benutzung, eine auf dem Balkon, gleich mehrere im Garten. Ich liebe ihr warmes, stimmungsvolles Licht. Dazu noch Weber. Und einen kühlen Rosé. Wunderbar. :) Was den Max von Schock anbelangt, halte ich ihn für einen sehr guten Interpreten, wenn nicht gar für einen der besten. Dieser Eindruck hat sich bei mir erst dieser Tage wieder verfestigt - nachdem ich mich durch einen Großteil verfügbarer Aufnahmen gehört hatte.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Hallo,


    zum heutigen Geburtstag von Rudolf Schock hat unser Mitglied 'hart' in seinem immer sehr lesenswerten Thread „Der Musiker Gräber“ (Beitrag Nr. 778) ein sehr ausführliches Lebensbild des Sängers verfasst: 'Wie er wurde, was er war'.


    Carlo

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  • Mir fiel gerade dieser Schnipsel auf YT auf, der drei kurze Puccini-Aufnahmen von Rudolf Schock beinhaltet, die im Mai 1949 in London aufgenommen wurden.


    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Hans, herzlichen Dank für den Hinweis. Mir sind oft die ganz frühen Aufnahmen von Sängern die liebsten. Das gilt auch für Schock. Diese Londoner Arien sind vor einiger Zeit bei Hänssler unter dem Titel "Rudolf Schock - Die schönsten Opernarien" herausgekommen.


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    Inzwischen ist diese CD aber vergriffen. Restexemplare sind nur noch antiquarisch zu finden.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Hans, herzlichen Dank für den Hinweis. Mir sind oft die ganz frühen Aufnahmen von Sängern die liebsten. Das gilt auch für Schock. Diese Londoner Arien sind vor einiger Zeit bei Hänssler unter dem Titel "Rudolf Schock - Die schönsten Opernarien" herausgekommen.


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    Inzwischen ist diese CD aber vergriffen. Restexemplare sind nur noch antiquarisch zu finden.

    Lieber Rheingold1876, nun ist es an mir, mich für den Hinweis auf die CD zu bedanken. Vielleicht fällt sie mir beim Stöbern in Antiquariatskatalogen mal in die Hände. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Zitat von Hans Heukenkamp

    Vielleicht fällt sie mir beim Stöbern in Antiquariatskatalogen mal in die Hände.

    Hallo lieber Hans, die gibt es noch gebraucht sehr oft und dazu noch preiswert ! ;)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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  • Guten Morgen in die Runde, als ich gestern ins Regal griff, um die Rudolf-Schock-CD von Hänssler herauszusuchen, griff ich ins Leere. Dabei schwöre ich, sie gehabt zu haben. Hin und wieder lösen sich bei mir Aufnahmen in nichts auf. :( Also machte ich mich umgehend auf die Suche und entdeckte sie bei Booklooker - für ein Geringes. Nach meiner Erfahrung findet man (fast) alles im Netz. Nur der Salzburger CD-"Egmont", über den neulich an anderer Stelle gesprochen wurde, ist wie wie vom Erdboden verschwunden. Gleiches gilt für eine der drei Carl-Loewe-Platten, die einst Rudolf Holtenau für Preiser besang. Es ist ja aber auch schön, wenn man sich noch nach etwas verzehren kann.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Nach der Sammlung italienischer Opern in deutscher Sprache, in denen Rudolf Schock mitwirkt, kündigt Hänssler nun diese zweite Folge an.

    Es ist nicht bei der Ankündigung geblieben. Der Werbepartner bietet die Box mit 10 CDs preiswert für 9.99 Euro an. Als Opern-Dummie habe ich die Gelegenheit zur Weiterbildung genutzt. 8)


    Jacques Offenbach: Hoffmanns Erzählungen (in deutscher Sprache)

    Wolfgang Amadeus Mozart: Cosi fan tutte (in deutscher Sprache)

    François Auber: Fra Diavolo (in deutscher Sprache)

    Peter Tschaikowsky: Eugen Onegin (in deutscher Sprache); Pique Dame (in deutscher Sprache); Lieder op. 38 Nr. 3 & 6; op. 47 Nr. 6; op. 73 Nr. 3











    Tamino Mitglied Wega schreibt: Zitat

    Hoffmann und Cosi gefallen mir gut, da stimmt auch das Gesamtbild. Bei Onegin fehlt die Triquet-Szene, man hat hier aber auch eine grandiose Sena Jurinac als Tatjana und einen hervorragenden Gremin von Gottlob Frick. Bei Pique Dame überzeugen natürlich Margarete Klose als Gräfin, Elisabeth Grümmer als Lisa und Jaro Prohaska als Tomsky, allerdings fehlt ein komplettes Bild, die Ballszene im 2. Akt. Der Fra Diavolo ist ein wunderschönes Stück, und gerade hier fehlt der französische Esprit doch stark. Rudolf Schocks Idealpartie ist das nicht, Wilma Lipp als Zerline ist gut. Dem Lorenzo von Ernst August Steinkopff zuzuhören ist vor allem in der Romanze im dritten Akt keine Freude.


    Bei den italienischen Aufnahmen (Anmerkung moderato, Folge 1 der Schock Edition beim Label Profil Hänssler) kann man pauschal sagen, dass sie allesamt solide sind, nicht mehr, nicht weniger. Mit italienischen Originalen kann hier keine mithalten, mit den deutschsprachigen aus damaliger Zeit schon, und das ist ja auch das Ziel.


    Giuseppe Verdi: Rigoletto (in deutscher Sprache); La Forza del Destino (in deutscher Sprache "Die Macht des Schicksals")

    Giacomo Puccini: Tosca (in deutscher Sprache)

    Gaetano Donizetti: L'Elisir d'amore (in deutscher Sprache "Der Liebestrank")

    Pietro Mascagni: Cavalleria rusticana (in deutscher Sprache)


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Als Opern-Dummie habe ich die Gelegenheit zur Weiterbildung genutzt. 8)

    Lieber moderato, Deine mit diesem Smiley 8) versehene Bemerkung trifft es letztlich doch ganz gut. Diese Aufnahmen mit Rudolf Schock dürften unzählige Menschen deutscher Zunge zur Oper geführt haben. Uns tuen es offenbar - wenn auch vereinzelt - noch heute. :) Infofern waren diese Prokuktionen, die bei Hänssler geballt neu herausgekommen sind, Pionierarbeit und Weiterbildung der besonderen Art. Da in der Regel sehr deutlich gesungen wird, hat das Publkum auch verstanden, was in den Werken vor sich ging. Bei der zweiten Folge der Edition handelt es sich durchweg um Rundkunkproduktionen, aus denen auch einzelne Nummern gesendet werden konnten. Dafür gab es ja mal genug Formate. So hatte man bei den einzelnen Sender immer einen Vorrat, der über die Jahre ständig gemehrt wurde. Aus dieser Zeit bezog der Rundfunk auch jene Bedeutung, die aus meiner Sicht immer mehr verloren ging. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass diese Aufnahmen aus ihrer Zeit heraus eine kulturelle Großtat gewesen sind. Wenn man sie mit neueren Produktionen in der von vielen bevorzugten Originalsprache vergleicht, sollte das berücksichtigt werden. Dir viel Freude daran. Ich habe sie auch.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent