Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze - und den Interpreten auch nicht (??)


  • Liebe Petra!


    Luis Lima hat in Wien sehr oft und gerne gesungen, er zählte zu den Publikumslieblingen und ist gerade jetzt wieder anlässlich der Cavalleria-Serie in den Stehplatzdiskussionen sehr präsent, denn wir erinnern uns noch gerne an seinen tollen Turridu. Ich identifiziere ihn aber in erster Linie mit dem Don Jose, den er auf eine unvergleichliche Art und Weise verkörpert und "verseelt" (Fairy ;) ) hat, und die gemeinsamen Auftritte mit Agnes Baltsa als Carmen zählen zu meinen persönlichen Sternstunden. Zwischen den beiden sprühten die Funken und flogen die Fetzen, dass einem wirklich angst und bange werden konnte. Lima zählte zu den Sängern, die an beiden Enden brennen, er sang immer ohne "Sicherheitsnetz", verausgabte sich auf der Bühne total und riskierte daher immer stimmliche Einbrüche, die es auch regelmäßig gab. So erinnere ich mich an manche "Carmen", wo der Schluss mehr Sprechgesang als wirklich ausgesungen war, an manche "Lucia", wo am Ende nur mehr heiße Luft kam u.ä. Und dabei wären wir auch schon beim Phänomen Luis Lima: Ich kenne eigentlich niemanden, der ihn nur wegen seiner Stimme geliebt hätte (Da gab es einiges zu bekritteln, und Puristen, die nur seine Tonträger kennen, verstehen den Jubel wahrscheinlich nicht, mit dem jeder Lima-Auftritt endete) Er war ein Vollblutschauspieler wie es seit ihm nur auf Villazon zutrifft, beide würden auch auf jeder Sprechtheaterbühne Karriere machen, er gab in jeder Vorstellung sein Herzblut und riss einen einfach mit, ob man wollte oder nicht. Nicht selten trat er mit Gipshand (Cavalleria) oder anderen Blessuren auf, weil er sich bei den Proben dank seines körperlichen Totaleinsatzes wieder einmal verletzt hatte. Sein Hobby war übrigens das Zureiten von Mustangs auf seiner Hazienda in Argentinien, wo er er sich momentan ganz der Pferdezucht widmet. Komischerweise existiert keine einzige DVD (Carmen kenne ich allerdings nicht), wo Lima eine ähnliche Wirkung wie bei seinen Live-Auftritten hervorruft. Als Don Carlo z.B. finde ich ihn äußerst steif, distanziert - ich musste dreimal hinschauen, ob er es wirklich ist. Und ganz bestimmt zählt er nicht zu den Sängern, von denen ich CDs besitzen will, denn rein von der Stimme her hat er mich nie soooooo begeistert.
    Zu seinem Sängerberuf hatte Lima ein sehr distanziertes Verhältnis, verhielt sich in Interviews oft sehr undiplomatisch, und seine "Außenwirkung" war ihm immer herzlich gleichgültig. Das war wahrscheinlich auch mit ein Grund, warum ihm die ganz große Karriere verwehrt blieb - er war einfach nicht bereit sich anzupassen. Außerdem war/ist er ein Familienmensch und hatte immer seine ganze Kinderschar (Ich glaube, bei seinen letzten Auftritten in Wien waren es sechs) dabei.
    Das war ein nostalgischer Rückblick von
    Severina :hello:

  • Mir ist Lima als Rodolfo in Erinnerung geblieben und ich kann mich severina anschliessen: ich fand den darstellerisch ganz toll und der hat sich auch mit Verve in seine Gesangspartie gestürzt. Man hatte wirklich den Eindruck, da verausgabt sich einer.


    Als Live-Mitschnitt habe noch seinen "Don Carlo" und empfehlen kann ich auch die Massenet-Aufnahme vom "Roi de Lahore" - ich bin immer froh gewesen, wenn mal ein anderer Tenor auf Tonträgern eine Chance bekam,als die bekannten Namen Carreras-Domingo-Pavarotti...

  • Zitat

    Original von Alviano
    Mir ist Lima als Rodolfo in Erinnerung geblieben und ich kann mich severina anschliessen: ich fand den darstellerisch ganz toll und der hat sich auch mit Verve in seine Gesangspartie gestürzt. Man hatte wirklich den Eindruck, da verausgabt sich einer.


    Als Live-Mitschnitt habe noch seinen "Don Carlo" und empfehlen kann ich auch die Massenet-Aufnahme vom "Roi de Lahore" - ich bin immer froh gewesen, wenn mal ein anderer Tenor auf Tonträgern eine Chance bekam,als die bekannten Namen Carreras-Domingo-Pavarotti...


    Ja, das ging mir genauso! Im Schatten dieser drei stand leider auch Giacomo Aragall, den ich persönlich wesentlich höher eingeschätzt habe als Carreras, der bei der Plattenindustrie aber nie wirklich punkten konnte :( (dabei war er im UNterschied zu C. auch ein ausgezeichneter Schauspieler!)
    lg Severina :hello:


    PS: Danke für den Tipp zum "Roi de Lahore", nach dem werde ich Ausschau halten!

  • Zitat

    Original von musicophil
    Lieber Siegfried,


    Das hatte ich schon in eine Datei kopiert, und noch etwas dazu. Auch deutsche Information. Aber das reicht im weitesten Ferne nicht um eine Biographie zu schreiben.


    LG, Paul


    Lieber Paul,
    um eine umfassende Biographie zu schreiben, müßtest du mit dem Künstler selbst in Kontakt treten.
    Doch wie ich Gerhard Unger kennengelernt habe, möchte er nicht mehr viel in der Öffentlichkeit stehen. Er ist immerhin bald 92 Jahre alt.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von severina
    Im Schatten dieser drei stand leider auch Giacomo Aragall


    Das sehe ich genauso - bedauerlicherweise war es bei Aragall nunmal so, dass man nie sicher sein konnte, ob er denn auch auftritt...


    Für mich eine tolle Aufnahme von Aragall: "Esclarmonde" von Massenet - wie da manche Passage gesungen wird, hat Vorbildcharakter (Duett Bariton-Tenor - mit L. Quillico, nunja...)

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  • Ihr Lieben,
    danke für eure Tipps! Wenn Lima so viele begeistern konnte, werde ich mir seine Aufnahmen nicht entgehen lassen und nach Severinas Beschreibung, dass man die Ausstrahlung dieses Sängers auf CD allein nicht recht zu fassen bekommt, nach DVDs Ausschau halten.
    Er sitzt jedenfalls auf meiner Liste von Tamino-Tipps ganz oben.


    Liebe Grüße :hello::hello:
    Petra

  • Liebe Petra,


    ich wiederhole hier meine Empfehlung vom letzten Dezember:


    Zitat

    Original von Harald Kral
    Die "Carnen" war der Auftakt zu deAgostinis "Opernsammlung" auf DVD und ist zum Einführungspreis von 6,95 EUR zu bekommen:




    Ist übrigens die meistverkaufte Opern-DVD des letzten Jahres geworden!


    Hier die komplette Besetzung:


    Aufnahme: 11.5.1991, live, London
    Spieldauer: 156'20
    Dirigent: Zubin Mehta
    Orchestra of the Covent Garden Opera London
    Children's Chorus of the Haberdasher's Boy's School and thwe Eastcourt Independent School
    Inszenierung: Nuria Espert
    Flamencochoreographie: Christina Hoyos


    Andrès: Jean-Pierre Blanchard
    Carmen: Maria Ewing
    Dancaïre: Bruno Caproni
    Don José: Luis Lima
    Escamillo: Gino Quilico
    Flamencotänzer: Juan Ortega
    Frasquita: Judith Howarth
    Guide: Jean Rosol
    Lillias Pastia: Daniel Pageon
    Mercédès: Jean Rigby
    Micaëla: Leontina Vaduva
    Moralès: Christopher Booth-Jones
    Remendado: Francis Egerton
    Zuniga: Roderick Earle



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Herr Schmidt,


    das Motto der Gottlob-Frick-Gesellshaft lautet:"Verachtet mir die Meister nicht". Jährlich wird in Ölbronn/Mühlacker ein Künstlertreffen veranstaltet, bei dem immer so rund 100 Sängerlegenden empfangen und geehrt werden. In der Gottlob-Frick-Gedächtnisstätte gibt es eine Händeabdruck-Galerie in der ca. 150 Händeabrücke in Ton zu sehen sind. Die Liste der dort Verewigten reicht von Theo Adam bis zu Bernd Weikl . Die Ausstehllung ist ein sehenswertes "Who is Who" der Opern-Nachkriegsgeschichte. Jährlich wird die Gottlob-Frick-Medaille in Gold an eine Persönlichkeit verliehen, die sich um den Erhalt des Andenkens an große Sänger der Vergangenheit besonders verdient gemacht hat.
    In diesem Fall stimmt die Aussage :"Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" also nicht. Zumindest bei der Gottlob-Frick-Gesellschaft ist lebendige Pflege der Tradition eine ihrer Hauptzielsetzungen. Das diese Idee zündet beweist allein die Tatsache, dass es möglich ist in dem "kleinen Nest" Ölbronn, das auch noch verkehrsmäßig schwer zu erreichen ist, jährlich eine prominente Sängerelite zu versammeln, die sogar an der Wiener Staatsoper Aufsehen erregen würde.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Walter!


    Da hast Du Recht, Karl Terkal hat zwar, was ich weiß eine Hauptrolle auf LP eingesungen, und zwar in der Gesamtaufnahme der


    Fledermaus von Johann Strauss unter Otto Ackermann,


    mit Gerda Scheyrer, Wilma Lipp, Christa Ludwig,


    aber sonst war er nur einmal in der Volksoper der Tamino, sonst immer der Monostatos.
    Der 1. Gefangene im Fidelio, den schon am 5.11.1955


    und diese Partie blieb ihm, auch unter Bernstein, ind Janowitz, Kollo DVD.


    Aber ansonsten hat man ihn vergessen, der im Theater an der Wien, noch Deutsch Verdi und Puccini sang, genauso wie


    Karl Friedrich,


    auch er wurde vergessen, obwohl er in fast allen Produktionen des ORF "Lehár dirigiert Lehár" den Tenorpart gesungen hat.


    Er war da oft Partner von Esther Réthy.


    Karl Terkal,


    war viel im Wienerlied tätig und hat noch mit 80 Jahren eine Heinrich Strecker MC (vielleicht auch CD), mit Güther Frank und Walter Berry eingesungen.


    Ja, man vergisst oft die großen SängerInnen, speziell in Wien.


    Liebe Grüße Peter aus Wien.

  • Lieber Peter (337),


    In den fünfziger Jahren bekam Terkal tatsächlich fast nur mehr kleinere Partien auf der Bühne, aber davor sang er auch Anspruchsvolleres. Wir sind beide allerdings selbst zu jung (klingt doch angenehm für mich alten Knacker!), um das noch wirklich miterlebt zu haben.


    LG


    Waldi

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  • Hallo,


    möchte eigentlich nur beisteuern, daß ich vor einigen Wochen die CD "Die Hugenotten" in deutsch kaufte und das nur um die Handlung besser zu verstehe. weil mir die ital. Fassung mit Corelli so gefällt.


    Gesungen wurde die Rolle des Raoul von Karl Terkal. Ich war ziemlich verblüfft, wie gut der die Partie sang.


    Ich konnte mich dann erinnern, daß ich den Namen früher im Radio im Wunschkonzert öfter gehört hatte - mehr im Bereich Operette.


    Man erlebt immer wieder tolle Überraschungen, wenn man so in alten Aufnahmen kramt.


    Schöne Grüße aus München


    Kristin

  • Ihr Lieben,


    als Sammler muß ich zu Karl Terkal noch ergänzen, dass es ausser den bekannten Operettenaufnahmen doch eine ganze Reihe (früher) Opern-Gesamtaufnbahmen mit ihm gibt. Viele Rundfunkaufnahmen liegen inzwischen bei den üblichen Verdächtigen (Walhall, Cantus) auf Billig-CDs vor.


    1951 hat er in München im Radio den Rodolfo in "La Boheme" gesungen, zwei Jahre später hier beim WDR Köln den Alfredo in "La Traviata", dazwischen den italienischen Sänger im Rosenkavalier, und es gibt auch eine "Turandot" aus Wien mit ihm als Calaf (1956 unter Mario Rossi), um nur ein paar Beispiele zu nennen (vielleicht hätte er sogar einen eigenen Thread unter "Grosse Stimmen..." verdient?


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    es ist super, daß man hier so viele gute Tipps bekommt. Nur leider geht's in Geld. Aber es ist sehr berreichernd.


    Bin schon wieder auf der Suche nach der Turandot mit Terkal, seufz. Mein Merkzettel wird immer großer.


    LG


    Kristin

  • Zitat

    Original von Musikkristin
    Mein Merkzettel wird immer großer.


    Liebe Kristin,


    Solange Du mit einem Merk z e t t e l auskommst, ist kein Anlaß zum Bedauern gegeben. Unsereiner bedarf bereits eines dicken Foliobandes.
    :D
    Traut sich eigentlich noch jemand, von der Krise des Klassikmarkts zu reden? Daß ich nicht lache!


    LG


    Waldi

  • oper337


    Hallo Peter aus Wien,


    ich war mal Fan von Karl Friedrich. Da es ausser ein paar Operetten nicht viel auf Platten zu kaufen gab, habe ich beim Rundfunkarchiv einige Aufnahmen des Opernsängers Karl Friedrich gekauft.


    Leider hat er nicht das gehalten, was ich mir versprochen hatte, so daß meine Begeisterung schnell wieder erloschen ist. Inzwischen gibt es einige Opernaufnahmen (nach Ablauf der 50-Jahre-Frist) zu kaufen. Die Operetten- Duette mit Hilde Gueden habe ich verschenkt.


    LG


    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Lieber Harald!


    Die Aufnahmen mit Operette mit Hilde Güden waren wirklich nicht gut, aber das lag eher an Karl Friedrich,


    der ja schon 1955 in den weniger guten Jahren war,


    er hat was ich weiß nur noch einige Mal den Alfred in der Fledermaus, an der Volksoper gesungen,


    da war er mit Kms. Sonja Mottl-Preger als großartige Rosalinde, und sehr gute Kate in Kiss me Kate, da mit Fred Liewehr als Petruccio und als Eisenstein,


    auch schon vergessen worden, glaube ich zumindest.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien.

  • Lieber Peter,
    da hast Du mir ein Stichwort für eine Erinnerung an eine zu Unrecht längst vergessene Sängerin aus Zagreb geliefert:


    Mottl-Preger, Sonja, Sopran, * 4.7.1923 Zagreb; die Sängerin, deren eigentlicher Name Sonja Sagovac lautete, stand 1943 am Kroatischen Nationaltheater Zagreb erstmals in der Lehár-Operette »Das Land des Lächelns« auf der Bühne. 1955 wurde sie an die Wiener Volksoper berufen. An diesem Haus wirkte sie bis 1987 und war beim Publikum ungewöhnlich beliebt. 1983 wurde sie zum Ehrenmitglied der Wiener Volksoper ernannt, an der sie vor allem als Operettensängerin (u.a. als Hanna Glawari in der »Lustigen Witwe«, als Laura im »Bettelstudenten« von Millöcker und als Christel im »Vogelhändler« von Zeller) glänzende Erfolge erzielte.


    Aus ihrem Opernrepertoire sind die Gilda im »Rigoletto«, der Page Oscar in Verdis »Ballo in maschera«, die Micaela in »Carmen« und die Musetta in Puccinis »La Bohème« hervorzuheben.
    Operettenquerschnitte sind auf der Marke Donauland erschienen (lt Kutsch-Riemens Sängerlexikon)


    Viele Grüße
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Erb, Karl, Tenor,
    * 13.7.1877 Ravensburg, † 13.7.1958 Ravensburg.


    Heute vor 50 Jahren starb Karl Erb. Zufällig ist sein Geburtag und sein Sterbetag der 13. Juili!


    Als Bürogehilfe, der im Kirchenchor singt, wurde er entdeckt und stieg auf zu einem der führenden lyrischen Tenöre seiner Zeit! Obwohl er sich schon 1950 vom aktiven Musikleben zurückzog, ist sein Name nicht nur Experten, sondern - z.B. in seiner schwäbischen Heimat - heute noch vielen Musikfreunden ein Begriff.




    Karl Erb singt Arien & Lieder Vol. 1


    von Mozart, Haydn, Beethoven, Weber, Nicolai,
    Mendelssohn, Wagner, Gounod, Thomas, Goldmark,
    Verdi, Weingartner, Schubert


    Sein ausdrucksreicher Tenor besaß eine ungewöhnliche Klarheit der
    Diktion bei einer besonderen Klangschönheit und einem ganz eigenen Timbre; die Durchgeistigung seines Vortrages war immer wieder Gegenstand der Bewunderung.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    Karl Erb ist für mich in der Gesangsgechichte ein eigenwilliges Phänomen: Einerseits klingt vieles, was er an Opernarien hinterlassen hat, recht provinziell. Er war Autodidakt, und ich habe einmal ein altes Interview mit ihm im Rundfunk gehört, in dem er von einem Zerwürfnis zwischen ihm und einem Gesangspädagogen erzählte, worauf er den Gesangsunterricht für alle Zeiten quittierte, wie er mit einem gewissen Stolz erzählte.


    Es gibt aber einige Aufnahmen, in denen ich immer bereit bin, über eventuelle technische Mängel hinwegzuhören: nicht nur seines individuellen Timbres wegen, das ich gern höre, sondern auch im Hinblick auf den "entrückten" Ton, mit dem er z. B. die Arie aus Webers "Euryanthe", das Duett mit Maria Ivogün aus dem "Don Pasquale" oder die Gralserzählung des Lohengrin gesungen hat.


    In seinen Interpretationen von Schubert-Liedern zeigt er eine Ambivalenz aus Schmerz und ironischer Distanz, die in der Zeit, in der diese Aufnahmen entstanden sind, geradezu modern wirkt, wenn man bedenkt mit welchem Pathos und üppigen Portamenti manche Opernsänger damals an diese Lieder herangegangen sind. Was mich auch immer wieder zu diesen Aufnahmen greifen lässt, sind die schneidenden, schmerzlichen Töne, die er gerade im Schubert-Gesang zeigen konnte und die ich bei moderneren Interpreten oft vermisse. Hier und in seiner Interpretation des Evangelisten hört man sie wirklich, die "durchdringenden Ansagen", die Thomas Mann dem "Tenoristen Erbe" im "Doktor Faustus" zugeschrieben hat.


    Liebe Grüße
    Petra

  • Liebe Petra,


    es stimmt Karl Erb hatte eine ganz eigenartige Faszination. Ich muss seine Opernarien fast immer zweimal hören, um mir dann klar darüber zu werden, was mich beeindruckt. Es ist also Liebe auf den zweiten Blick. Die Stimme ist klar, gut fokussiert, die Textdeutlichkeit und Diktion hervorragend, das Timbre strahlt auf mich einen "herben Reiz" aus.
    Berühmt wurde Karl Erb vor allem als der Evangelist seiner Zeit. Ganz außergewöhlich seine Deklamationskunst. Trotzdem habe ich durch das permanente Lamento, also den ständig immanenten weinerlichen Klageton, heute Probleme mit Erb genau in dieser seiner berühmtesten Rolle.
    Mit fliegenden Fahnen bin ich zu Fritz Wunderlich übergelaufen, als ich ihn zum ersten Mal als Evangelist hörte. Mit ihm begann eine neue Ära der Interpretation. Jugendlicher, markiger, strahlender. Statt "Klage" wurde "Hoffnung" vermittelt. Seitdem empfinde ich Erb als Vertreter einer längst vergangenen Zeit.
    Trotzdem wird Karl Erb seinen Platz in der Gesangsgeschichte behallten, weil er der Protagonist einer ganz bestimmten Auffassung einer Epoche und eines Gesangsstils ist.
    herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Lieber Operus,


    das, was Du im Vergleich zwischen Erb und Wunderlich angesprochen hast, kann ich gut nachvollziehen.


    Mir fiel in diesem Zusammenhang ein schöner Vergleich ein, den Jürgen Kesting irgendwann einmal in einer seiner Sendungen gebracht hat und den ich sehr treffend fand. Er stellte die unterschiedlichen Interpretationen des Belmonte durch Peter Schreier und Fritz Wunderlich vor und meinte dazu, Schreiers Belmonte sei „Oh, wie ängstlich“, der Belmonte Wunderlichs dagegen „Oh, wie feurig.“


    Ebenso könnte man sagen, dass man bei Erbs Evangelisten das „gequälte Herz“ hört, bei Wunderlich eher die Aktivität und die Hoffnung. Für mich ist es immer wieder erstaunlich zu hören (ich selbst bin ja keine Sängerin), wie unterschiedlich die Konturen sind, die verschiedene Künstler einer Figur mitgeben können. Und ich vergleiche sehr gern die unterschiedlichen Gesangsstile, die uns im Laufe des 20. Jh.s begegnen.

    Und dieser Gegensatz zwischen der von Dir angesprochenen eigentümlichen Herbheit im Timbre einerseits und dem Klageton auf der anderen Seite ist es, der mich vielleicht nicht gerade zu Erbs Mozart- oder Wagneraufnahmen greifen lässt, der mich aber in anderen Bereichen (z.B. bei Schubert) immer wieder fasziniert.


    Die erste Aufnahme, die ich von ihm hörte, war das Duett aus dem „Don Pasquale“ mit seiner späteren Frau Maria Ivogün und einem Ausdruck, den ich nur als „herb-fragil“ bezeichnen kann und der aus heutiger Sicht sicherlich auch etwas altmodisch klingt, der mich aber veranlasste, nach weiteren Aufnahmen zu suchen. Und wenn ich auch nicht alles gelungen finde, was er gesungen hat, so taucht er doch regelmäßig in meiner Liste der Lieblingssänger auf.


    Bei Wunderlichs Singen gibt es objektiv sicherlich viel mehr zu bewundern, und er ist garantiert einer der Großen des 20. Jh.s, aber er gehört dennoch nicht zu meinen persönlichen Favoriten - was aber an mir liegt: Ich habe schon immer eher ein faible für die etwas kleineren, spröderen Stimmen und das entsprechende Singen gehabt.


    Herzliche Grüße
    Petra

  • Liebe Petra,
    voll inhaltlich einveratanden, zumal wir viele Übereinstimmungen haben.
    Bleibe bei Deiner Meinung, laß Dich bitte nicht verunsichern. Höre Deine Lieblingssänger, genieße und liebe sie.
    Vielleicht noch eins: Ich bin ewig Musikfunktionär (Klingt schrecklich) ist aber so. Allein 45 Jahre war ich 1. Vorsitzender eines Profi-Sinfonie-Orchesters und bin heute noch einer der Programm-Macher. Außerdem Musikkritiker. Ich höre Musik leider nicht mehr neutral , sondern analytisch-kritisch.Wie gut, dass Du keine Fachfrau bist! Höre Musik mit dem Herzen, der Seele und dem Bauch. Wenn Du in diesem unbefangenen Sinn empfindest und urteilst, dann bist Du die ideale Hörerin und dem normalen Musikkonsumenten weit näher, als es der "Kritiker-Papst" Kesting und Konsorten je sein können.
    Herzlichst
    Operus
    :hello:


    P.S. Beim nochmaligen Lesen Deines Statements empfinde ich, dass Du bereits viel tiefer in der Materie drin bist und dies nur mit sympathischen Understatement (" Ich bin keine Sängerin") kaschierst.

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Gerade ging die Übertragung der Götterdämmerung zu Ende. Es gab viel Applaus, doch auch einige Buh Rufe...bin mal auf die Kritik gespannt.


    LG

  • Ich glaube, seiner ist noch nicht gedacht worden.
    Er ist bis heute einer meiner Lieblingstenöre. Kozub war einst "Haustenor" in Frankfurt, wo er eine Art Superstar war. Bis heute kriegen Leute, die ihn noch live erlebt haben, Tränen in die Augen, wenn die Rede auf ihn kommt - so erlebt im Gespräch mit altgedienten Chor-Mitgliedern.


    Es scheint keine Aufnahmen mehr von ihm zu geben außer einer "Zauberflöte", die noch im Angebot ist. Die wenigen LPs, die er aufgenommen hat, besitze ich zum Glück, und sie sind wahre Schätze. Ich finde seinen "Florestan" einfach unerreicht. Er singt die schwere Partie, die eigentlich den Sänger total strapaziert, als könne er sie anschließend sofort noch einmal singen. Dabei ausdrucksstark und, natürlich, mit strahlender Stimme. Sein Publikum stand buchstäblich auf den Stühlen nach seinen Glanzstücken.


    Jedoch konnte man auch Pech haben, er war nicht unbedingt zuverlässig. Wenn er einen schlechten Tag hatte, war er wirklich schlecht. Aber meistens sang er wie ein Gott. Kozub starb viel zu früh an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls. Wäre ihm ein längeres Leben beschieden gewesen, so hätte er wohl eine Weltkarriere gemacht, wage ich zu sagen.


    Solti war sein Bewunderer und Förderer. Er wollte den "Ring" mit ihm aufnehmen, zu dem es aber aus mir unbekannten Gründen nicht kam. Es verlautete damals nur, Kozub sei "unzuverlässig" gewesen, was auch immer das heißen mag.

  • Gabi


    Es gibt noch mehrere Kozub-Fans hier im Forum.
    Er bekommt demnächst einen eigenen Thread!


    :hello: Viele Grüße

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Meine Lieben,


    Da offenbar doch Interesse an Marie WILT besteht, hier einige Einzelheiten zu dieser Sängerin, die zu den bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Zeit gezählt wurde:


    Marie Wilt (ihre frühen Auftritte absolvierte sie als Marie Vilda) hatte ein schweres Leben. 1833 als Marie Liebenthaler in Wien geboren, wuchs sie zunächst im Findelhaus auf, bis sie Aufnahme in einer Familie fand.
    Schon mit fünfzehn Jahren wäre sie gerne Sängerin geworden, doch sprach man ihr damals die stimmliche Eignung für eine Solokarriere ab. So verlief ihr Leben zunächst klischeemäßig. Sie heiratete den Architekten Franz Wilt, bekam Kinder und lebte das Leben einer Hausfrau, nur unterbrochen von gelegentlicher sängerischer Betätigung in Chören, Oratorien und dergleichen. Ihre Familie, besonders ihr Ehemann, war strikt gegen eine professionelle künstlerische Tätigkeit eingestellt. Franz Wilt muß diese Verständnislosigkeit als besondere Schande angerechnet werden, war er doch technisch-ökonomischer Bauinspektor bei der Errichtung des Wiener Hofopernhauses. Er scheint ein geltungsbedürftiger Mensch gewesen zu sein, der sich in dieser Position auch unter Umständen auf Kosten anderer profilierte.
    Seine Frau erfuhr inzwischen Ermunterung seitens der Starsopranistin Desirée Artot, und auch der berühmte Kapellmeister und spätere Operndirektor Johann von Herbeck riet dringend zu einer professionellen Ausbildung. Gegen den Willen ihres Mannes begann die Wilt, fast schon dreißig Jahre alt, dann tatsächlich ein Studium und debütierte 1865 in Graz als Donna Anna. Es nützte nichts, daß sie ihren hausfraulichen Pflichten weiterhin nachkam und sogar ihren Stolz darin sah, ihre groben häuslichen Pflichten auch dann nicht zu vernachlässigen, wenn sie abends auftrat. Ihr Mann trachtete, sie unter allen Umständen von Wien fernzuhalten, freilich ohne Erfolg, sodaß die Sache schließlich in einer Scheidung endete. Die Wilt wurde ziemlich schnell ein europäischer Star als auch ein berühmtes Ensemblemitglied der Wiener Oper, schließlich sogar Ehrenmitglied dieser Institution. Sie sang italienisches Fach (Donizetti, Verdi) ebenso wie französische Oper, Mozart, Goldmark und auch Wagner (Brünnhilde).
    Gerühmt wurden ihr phänomenaler Stimmumfang, ihre superbe Technik und die Schönheit der Stimme. Auf der Negativseite registrierte man ihren Mangel an Gestaltung und feinem Ausdruck. Auch schauspielerisch war sie völlig unbegabt und stand auf der Bühne nur einfach herum. Da sie zudem das Gegenteil eienr eleganten Erscheinung verkörperte, von eher derbem Äußeren und ziemlich beleibt, schätzte sie die Kritik mehr auf dem Konzertpodium als auf der Bühne, obwohl sie z.B. an einem Abend mühelos in den "Hugenotten" sowohl die Königin als auch die Valentine sang. Bemängelt wurde auch ihr relativ primitives Auftreten außerhalb der musikalischen Sphäre. Wer die Künstlerin allerdings näher kannte, sah unter der derben Oberfläche doch eine reichere Anlage.
    Die Wilt war sich ihres unschönen Aussehens bewußt, litt aber trotzdem unter den bissigen Witzen über ihre Korpulenz ("Die Reise um die Wilt in 80 Tagen"). 1887 absolvierte sie ihren letzten Auftritt (wieder als Donna Anna), 1890 übersiedelte sie zu ihrer Tochter nach Graz. Ein Comeback-Vversuch 1891 endete tragisch, als ihr bei der "Martern"-Arie der Konstanze die Stimme versagte (vielleicht die Strafe dafür, weil sie in früheren Jahren einmal in einem Anfall von Zickigkeit die Rolle der Konstanze abgelehnt hatte, da diese Koloraturpartie einer dramatischen Sängerin nicht zuzumuten wäre - was von Eduard Hanslick treffsicher widerlegt wurde). Außerdem verliebte sie sich unglücklich in einen jüngeren Mann. Von Depressionen heimgesucht stürzte sie sich noch im gleichen Jahr aus dem vierten Stock eines Wiener Hotels auf die Straße.


    Marie Wilt muß mehr gewesen sein als eine geläufige Gurgel; selbst Hanslick rühmte die Schönheit ihres Organs. Wäre sie mit äußeren Reizen entsprechend versehen gewesen, hätte sie es wohl auch leichter gehabt, sich gegen ihre Umgebung durchzusetzen. Trotzdem bleibt sie ein bemerkenswertes Beispiel weiblicher Selbstverwirklichung in einer Zeit, der solches Verhalten keineswegs als Norm erschien.


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,


    Du hast ja bereits eine nette Anekdote über diese Sängerin eingestellt.
    Deshalb ist es sehr interessant, von Dir ausführlicher über Marie Wilt
    informiert zu werden. Danke. Schon wieder eine Bildungslücke geschlossen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Herzlichen Dank, liebe Waldi, dass Du noch noch an die Dame erinnerst!
    Man könnte hier noch stundenlang Geschichten über diese Dame aneinanderreihen, aber ich will nur eben noch ein Bildchen von ihr zeigen:


    (c=UNI Frankfurt)


    Sie war eine der bedeutendsten Sängerpersönlichkeiten ihrer Zeit, nicht nur in Wien. 1874 war sie die Aida in der Wiener Erstaufführung von Verdis Oper. Am 10.3.1875 sang sie dort in der Uraufführung der Oper »Die Königin von Saba« von Karl Goldmark. In London war sie eine gefeirte "Norma", 1868 war sie in Frankfurt a.M. und am Hoftheater von Mannheim, 1869 in Prag, 1871 am Opernhaus von Riga zu Gast. 1873 bewunderte man sie als Konzertsängerin beim Niederrheinischen Musikfest in Aachen und beim Schumann-Fest in Bonn.
    In Berlin war ihr Gastspiel im "Don Giovanni" aüßerst unglücklich, sie erlitt eine Kohlenoxyd-Vergiftung und mußte das Gastspiel abbrechen.Am liebsten sang sie im "Giovani" als Donna Anna das Masken-Terzett: »die Leut’ san froh, wenn’s mich nicht sehen brauchen.«


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Bei uns scheint sie längst vergessen zu sein.
    Die australische Mezzosopranistin Margreta Elkins ist nach einer Meldung der Zeitung «The Australian» in Brisbane vor einer Woche im Alter von 78 Jahren den Folgen einer Krebserkrankung erlegen.


    Elkins debütierte mit 17 Jahren bei der National Opera Company of Australia. 1956 war sie - mit Verdis «Aida» - erstmals im Londoner Covent Garden zu hören.


    In der Folge trat sie mit den bedeutendsten Sängerinnen ihrer Zeit auf, unter anderem mit Maria Callas und Joan Sutherland.


    1976 kehrte sie nach Australien zurück, wo sie nach ihrem Abschied von der Bühne am Queensland Conservatorium der Griffith University unterrichtete.



    R. I. P.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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