Crossover - Ein rotes Tuch für Klassikfreaks ?

  • Du weißt aber schon, lieber La Roche, dass Potts vor seinem berühmten Auftritt regelmäßigen Gesangsuntericht genommen und gerade diese "rührende" Geschichte ebenso rührend-geniales Marketing ist? Auf smart und cool oder Rebell haben vor ihm viele gemacht, er hat das Pferd - sehr erfolgreich - mal von der ganz anderen Seite aufgezäumt.


    Das ist ein unberechtigter Vorwurf! Nessun dorma kann man nur singen, wenn man Gesangsunterricht hatte - es geht nicht anders und wurde auch nie anders kommuniziert. Und dass NACH seinem Sieg beim Fernseh-Wettbewerb Marketing einsetzte, ist selbstverständlich.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Das ist ein unberechtigter Vorwurf! Nessun dorma kann man nur singen, wenn man Gesangsunterricht hatte - es geht nicht anders und wurde auch nie anders kommuniziert.

    Wir wissen, dass es nicht anders geht, aber tun das auch die, die seine CDs kaufen? Allerdings wurde das im Fall Potts sehr wohl anders kommuniziert - er kam, sah und "siegte".


    Hier mehr dazu.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Wir wissen, dass es nicht anders geht, aber tun das auch die, die seine CDs kaufen?

    Natürlich! Für wie blöde hältst du eigentlich die Leute? Jeder - offenbar außer dir ;) - weiß, dass die Teilnehmer solcher Wettbewerbe ihr Programm ausgiebig einstudiert haben und es sehr gut beherrschen.



    Zitat

    Allerdings wurde das im Fall Potts sehr wohl anders kommuniziert - er kam, sah und "siegte".

    Ja - und? Du solltest die Dinge nicht so verzerren.


    Paul Potts getraute sich, als vollkommen unbekannter Amateursänger an einem Fernseh-Unterhaltungswettbewerb mit einer Opernarie an den Start zu gehen. Da wurde im Vorfeld überhaupt nichts kommuniziert. Für die Sendeverantwortlichen war das zuvor vermutlich ein Programmpunkt, denn man schnell abhaken könne. Und dann passierte etwas, was man beim besten Willen nicht vorhersehen konnte und was nicht einmal vorstellbar war. Denn PP hat nicht einfach nur recht gut gesungen, sondern er schaffte es, das gesamte Auditorium zu verzaubern und restlos zu begeistern! Wenn man sich den entsprechenden Sendungsausschnitt nicht angesehen hat, hält man es nicht für möglich, wie das mit einem Vortrag einer Puccini-Arie in einer Fernsehunterhaltungssendung in diesem Maße überhaupt passieren kann. Über diese Leistung würden ihn renommierte Profis beneiden - so etwas gelingt nur selten.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Denn PP hat nicht einfach nur recht gut gesungen

    ... in ein Mikrofon, so dass man das Stimmvolumen besonders gut beurteilen kann... :whistling: Jeder andere Tenor, der das macht, würde nicht nur hier sehr kritisch hinterfragt werden. Zu Recht.



    Zitat

    , sondern er schaffte es, das gesamte Auditorium zu verzaubern und restlos zu begeistern! Wenn man sich den entsprechenden Sendungsausschnitt nicht angesehen hat, hält man es nicht für möglich, wie das mit einem Vortrag einer Puccini-Arie in einer Fernsehunterhaltungssendung in diesem Maße überhaupt passieren kann.

    Ich kenne diesen Ausschnitt, und mittlerweile ist er auch zigfach im Netz zu finden. Was daran so toll sein soll, erschließt sich mir absolut nicht.



    Zitat

    Über diese Leistung würden ihn renommierte Profis beneiden - so etwas gelingt nur selten

    Dann frage ich mich aber, warum er nicht neben eben solchen renommierten Profis als "normaler" Opernsänger in den Opernhäusern auftritt? Gute Kalafs sind keine Dutzendware, und wenn der Mensch so überragend ist, warum hört man ihn dann nicht in Verona, in der Met usw?

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • ... in ein Mikrofon, so dass man das Stimmvolumen besonders gut beurteilen kann... :whistling: Jeder andere Tenor, der das macht, würde nicht nur hier sehr kritisch hinterfragt werden. Zu Recht.

    Unsinn. JEDER Tenor singt in einer Fernsehsendung mit Mikrophon.



    Was daran so toll sein soll, erschließt sich mir absolut nicht.

    Ja, aber das ist ja wohl dein Problem, wenn du nicht mitbekommst, was dort hunderte von Zusehern live spontan empfunden haben (und was man sehr wohl auch auf der Konserve mitbekommen kann!).



    Dann frage ich mich aber, warum er nicht neben eben solchen renommierten Profis als "normaler" Opernsänger in den Opernhäusern auftritt? Gute Kalafs sind keine Dutzendware, und wenn der Mensch so überragend ist, warum hört man ihn dann nicht in Verona, in der Met usw?

    Du willst es wohl nicht verstehen, oder? Ein Amateursänger hatte in einer Fernsehsendung einen magischen Moment. Nicht mehr und nicht nicht weniger. Niemand behauptet, dass er vom professionellen Standpunkt her "überragend" ist, noch würde jemand, der seine Sinne beisammen hat, verlangen, dass PP sich so ohne weiteres in einen Profibetrieb integrieren könnte. Eine Arie gut singen heißt noch lange nicht, einen ganzen Abend gut über die Runden zu bringen. Aber naturgemäß wurde dieser Wettbewerbsgewinn medial verwertet - wie jeder Sieger in diesem Bewerb eine kleine Karriere hingelegt hätte, egal was er geboten hätte. Potts hatte den Vorteil, dass er mit Opernarien weiter herumkommt, als hätte er als Kunstpfeifer gewonnen...


    ;)

    Ciao


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  • Ja dann lass uns doch mal gemeinsam nachdenken: Irgendwas muss es doch da geben, oder? Aus irgendeinem Grund muss doch dieser Garrett bekannt sein. Was mag es nur sein? Sind diese Leute wirklich nur wegen ihrer Unverfrorenheit bekannt und beliebt? Finde ich persönlich unwahrscheinlich.


    Nein, diese Leute sind deshalb so bekannt, weil man sie hinter ein Werbekonzept spannt und sie damit vermarktet. Denn ich glaube nicht, dass ein David Garrett ein besserer Geigenspieler ist als eine Hilary Hahn. Dass David Garrett den angeblich schnellsten Hummelflug der Welt spielen kann, ist zwar vielleicht beeindruckend, aber wie wertvoll ist das? Bestimmt könnte der ein oder andere mit ihm, was die Geschwindigkeit betrifft, konkurrieren. Die Frage ist aber, ob die jenigen das überhaupt wollen? Sie stellen vielleicht andere Ansprüche an die Musik, die sie spielen.
    Die Werbung, die man Garrett zukommen ließ, hätte sicher auch bei anderen Künstlern zum großen Erfolg geführt. David Garrett hat sicher Talent, aber eben auch sehr viel Glück.


    Durch den Hype um ihn, hat Garrett nun den Spitzenplatz in seiner "Gattung" übernommen und füllt damit alle Stadthallen. Denn es kommen auch Menschen, die mit Klassik normalerweise nicht viel am Hut haben, und viele davon würden vielleicht nie in ein "normales" klassisches Violinkonzert gehen.
    Das sind dann genau diese Massen, die einen Paul Potts als besten Tenor unserer Zeit bezeichnen. Dass viele davon wohl noch gar keinen anderen Tenor unserer Zeit gehört haben, steht auf einem anderen Blatt.


    Dass Garrett übrigens einer anderen Geigerin aufmerksam zuhört, setze ich voraus. Alles andere wäre überraschend. Das sagt allerdings noch nichts über den Künstler David Garrett aus.


    Gregor

  • ]Nein, nicht nur wegen Unverfrorenheit. Ein gutes Marketingkonzept steckt auch dahinter, ein sehr gutes sogar. Hinzu kommt das Image. Lotti macht auf "Wunschschwiegersohn", Garrett mit Dreitagebart, offenem Hemd und langer Mähne auf Klassikrebellen. Gääääähn....
    Im Fall Garrett wäre noch dazu zu sagen, dass er wirklich gut Geige spielen kann, aber eben auch nicht besser als vergleichbare Konkurrenten, die diesen ganzen Hokuspokus nicht brauchen und trotzdem ihre Karrieren machen. Marketing ist eben alles....


    Du bist sicher nicht der einzige hier, der diese Typen ("Hokuspokus" passt schon) nicht ausstehen kann :) - ich auch nicht. Ich könnte sie ganz gut leben lassen, denn schließlich machen sie viele Leute glücklich. Wenn da nur nicht die lästige Tatsache wäre, dass wenn Leute erfahren, dass ich Klassik höre, sie meinen, ich würde wohl André Rieu, David Garrett oder Paul Potts hören. Das ist mir dann schon unangenehm.
    Was mich jedenfalls von den Fans dieser Künstler unterscheidet ist, dass ich nach mir gefallenden Werken und der (für mich) perfekten Interpretation suche. Weniger nach "Hokuspokus".

  • ... Wenn da nur nicht die lästige Tatsache wäre, dass wenn Leute erfahren, dass ich Klassik höre, sie meinen, ich würde wohl André Rieu, David Garrett oder Paul Potts hören. Das ist mir dann schon unangenehm. ...


    Na, solche Kleinigkeiten können doch einen gestandenen Klassikhörer nicht weiter erschüttern!


    :D

    Ciao


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  • Du willst es wohl nicht verstehen, oder? Ein Amateursänger hatte in einer Fernsehsendung einen magischen Moment. Nicht mehr und nicht nicht weniger. Niemand behauptet, dass er vom professionellen Standpunkt her "überragend" ist, noch würde jemand, der seine Sinne beisammen hat, verlangen, dass PP sich so ohne weiteres in einen Profibetrieb integrieren könnte. Eine Arie gut singen heißt noch lange nicht, einen ganzen Abend gut über die Runden zu bringen. Aber naturgemäß wurde dieser Wettbewerbsgewinn medial verwertet - wie jeder Sieger in diesem Bewerb eine kleine Karriere hingelegt hätte, egal was er geboten hätte. Potts hatte den Vorteil, dass er mit Opernarien weiter herumkommt, als hätte er als Kunstpfeifer gewonnen...


    Naja, viel zu "verstehen" gibt es da nicht. Tut mir leid, aber für mich bleibt es dabei: Wenn jemand jahrelangen Gesangsunterricht nimmt, sich dann mit einer Arie präsentiert und danach auch noch weiter Meisterklassen etc. besucht, dann setze ich dabei voraus, dass ein professioneller Ansatz dahintersteht. Also gehe ich auch mit den Maßstäben daran, die ich normalerweise Leuten, die in dieser Liga spielen, zubillige. Wenn nun also wirklich auf diesem Wege ein "echter" neuer Tenor auf der Bildfläche erschienen wäre, dann hätte ich auch für die unorthodoxe Herangehensweise Verständnis gehabt und mich über ein neues Stimmwunder gefreut. So aber bleibt es ein billiger Tränendrüsen-Massenhype, mit dem schnell mal Kasse gemacht wird, mehr nicht.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Das war ein riesiger (fast unverzeihlicher) Fehler, den Pavarotti da begangen hat. Sich mit Leuten zu umgeben, von denen tatsächlich kaum einer singen konnte, nur um zu beweisen, von denen immer noch mit Abstand der Beste zu sein, das hätte er nicht machen sollen. Er hat damit aus meiner Sicht sein monumentales Denkmal selbst beschädigt.


    Tut mir leid, Chrissy, aber das sehe ich nun ganz und gar nicht so. Gerade in den ersten Jahren zeigte sich Pavarotti immer noch in guter Verfassung und manche Duette waren durchaus gelungen.
    Zu sagen, dass er sich da mit Leuten umgeben hat, die nicht singen konnten, ist gemein und entspricht einfach nicht der Wahrheit. Es gibt auch unter den Popmusikern ein paar sehr gute Sänger, und diese sind auch gekommen, als Pavarotti sie als Duettpartner eingeladen hat.
    Sehr schön war zum Beispiel Panis Angelicus mit Sting, dessen Stimme live übrigens eindringlicher erscheint als auf CD und live noch berührender ist. Das war aber noch Anfang der 90er Jahre, als Pavarotti zugegeben noch besser war. Auch sehr schön das Duett mit Lionel Richie. Es gab also sehr wohl auch Duette mit Vertretern der Populärmusik, die durchaus gelungen waren.
    In späteren Jahren ließ Pavarotti hörbar nach, aber in den 90er Jahren gab es ganz wunderbare Kollaborationen in dieser Konzert-Reihe.


    Gregor

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  • Das war aber noch Anfang der 90er Jahre, als Pavarotti zugegeben noch besser war.


    Anfang der 90-er Jahre war er ja auch noch richtig gut. Ich selbst hatte das große Glück ihn am 30. Juni 1994 in Eurer Wiener Staatsoper als Cavaradossi live zu erleben (mit da Capo der Arie "E lucevan le stelle"). Da war er noch Weltklasse und das Publikum und selbstverständlich auch ich, haben vor Begeisterung gejubelt und "getobt". Ein überaus glücklicher Abend und ein Erlebnis, das ich dankbar nie vergessen werde.
    Ich meine später. Da hat er leider seinen Abschied verpaßt und sich damit keinen Gefallen getan. Das Schlimmste, wie ich schon schrieb, sein Auftritt mit Carreras. Beide trafen oft die Töne nicht mehr, es war nur noch peinlich und mir hat es wirklich richtig weh getan.


    Herzliche Grüße ins schöne Wien
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Durchaus - Meiner Meinung nach als Schandfleck und abschreckendes Beispiel. Ich werde demnächst irgendwas von Haydn am Kamm blasen und es dann vermarkten - indem ich Haydn als Aufhänger für mein "Werk" mißbrauche....


    Ich sage immer: Kein Alkohol am Arbeitsplatz. Das gilt auch für das Management eines Gelblabels, dem ich nüchtern den Ankauf solcher Werke niemals zutrauen würde......


    Anscheinend hat der "Gelblabel" dann aber ein länger andauerndes "Alkoholproblem", denn, wie es aussieht, gibt es neben dem hier gemeinten Werk



    eine ganze "Recomposed"-Reihe



    weshalb ich einfach mal in den "Crossover"-Thread gesprungen bin ;) Ich habe mir einiges davon, d.h. die angebotenen Tonschnipsel, angehört: Das ganze bewegt sich erwartungsgemäß zwischen beliebig (z.B. Max Richter) und interessant bis innovativ (z.B. Craig / von Oswald).

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Crossover ist ja - wie hinlänglich bekannt - eine Geschmacksfrage und wenn auf dem CD-Cover das unsinnige Etikett "Classics reloaded!" prangt, dann steht Schlimmes zu befürchten.


    Aber dem ist nicht so!


    Das Album hat was. Dieter Falk und seine Söhne verstehen es, die jazzigen und swingenden Arrangements durchaus phantasievoll und unterhaltend zu präsentieren. Die Tatsache, dass Dieter Falk Kirchenmusik studiert hat, hat sicher zu diesen für meine Ohren geschmackssicheren Umsetzungen beigetragen.


    Zitat

    Amazon-Werbetext: "Sechs der neuen Titel sind, wie auch beim Vorgängeralbum, von Bach, hinzu kommen bekannte Klassik-Ohrwürmer von Händel, Pachelbel und Albinoni, die die Falks mit Rock- und Pop-Grooves, Gospel-Chor und Swing-Elementen ins Heute transponieren. Falk + Sons beweisen, dass Klassik Spaß macht und Musik eine generationsverbindende Wirkung haben kann."


    Dem will ich nicht widersprechen, muss aber zugeben, dass meiner Frau nach kurzem Zuhören nur der Begriff "Kaufhausmusik" zu dieser CD einfiel... Tja, die Geschmäcker sind halt verschieden...


    Anspieltip für Neugierige: 10. Choral (Wachet auf, ruft uns die Stimme) (BWV645)

  • weshalb ich einfach mal in den "Crossover"-Thread gesprungen bin Ich habe mir einiges davon, d.h. die angebotenen Tonschnipsel, angehört: Das ganze bewegt sich erwartungsgemäß zwischen beliebig (z.B. Max Richter) und interessant bis innovativ (z.B. Craig / von Oswald).


    Diese Meinung teile ich nicht. Ich finde Craig / von Oswald primitiv und einfallslos. Es klingt auch sehr schlecht. Ganz anders bei Max Richter : der Klang ist luxuriös und das Ganze ist durchdacht und feinfühlig. Leider geht die Entwicklung nicht sehr weit , aber bei Craig / von Oswald noch weniger weit. Übrigens würde ich nicht Max Richter in die Kategorie Crossover ordnen. Er ist ein klassischer (zeitgenössischer) Komponist, der ein klassisches Werk « interpretiert ». Das hat auch z.B. Mauricio Kagel mit seinen Variationen ohne Fuge über "Variationen und Fuge" über ein Thema von Händel für Klavier op. 24 von Johannes Brahms (1861/62) für großes Orchester gemacht.
    Craig / von Oswald sind Crossover, weil sie Klassik mit Technoelementen vermischen. Statt dieser abartigen Mischung ziehe ich vor, direkt entweder Ravel oder deadmau5 zu hören.


    Viele Grüße
    Jacques

  • Ich nehme jetzt mal an, dass du Garrett noch nicht wirklich "in Aktion" erlebt hast. Für das, was ich beschrieben habe (Verona-Eröffnung letztes Jahr), ist "Vergewaltigung" noch sehr milde ausgedrückt. Aber ich denke sowieso, dass wir da nicht auf einen Nenner kommen werden, da es mir ziemlich egal ist, ob einer lieb guckend zuhört, sondern ich danach gehe, wie "lieb" er zu den Werken ist, die er spielt.

    Nun, meine Frau ist Fan von David Garret und ich habe sie im vergangenen Jahr mit einer Konzertkarte überrascht. Nicht eines der Classic-Rock-Konzerte sondern erst Bruch und dann Brahms. In einer Sporthalle in Halle war das, und die Halle war ausverkauft bis auf den letzten Platz. Persönlich habe ich andere Vorlieben bei Geigern, aber das ist hier nicht der Punkt. Da saßen eben viele, sehr viele Leute im Publikum und hatten richtig Spaß. Die hätten sich wohl kaum freiwillig das (berüchtigte g-moll) Bruch oder das Brahms VK angehört. Wenn ein David Garret auf diese Weise Menschen überzeugt finde ich das ausgesprochen begrüßenswert, und die notorische Ablehnung erinnert mich irgendwie an den biblischen Jonas, der unter einem Ölbaum auf die Zerstörung Ninives wartet, anstatt seinem Auftrag zu folgen und die Bewohner zur Umkehr zu bewegen.


    Geigerisch ist Garret sicherlich gut, wenngleich er doch auch so einige Wünsche offen lässt. Gänzlich schlecht beraten war die DGG, seine Jugendsünde auszubuddeln und auf den Markt zu bringen. Dass man die Aufnahmen vor Jahren nicht veröffentlich hat, hatte gute, sehr gute Gründe. Vollends gruselig gespielt: Tartinis Teufelstrillersonate. Da beherrscht jemand das Stück technisch, intellektuell indes überhaupt nicht.


    Vor einigen Jahren hat übrigens ein historisch kaum haltbarer Film mit Titel "Amadeus" ein großes Interesse an Wolfgang Amadeus Mozart hervorgerufen. Wenn dergleichen klassische Musik in den öffentlichen Raum bringt, na wunderbar, dann freue ich mich auf Garrets "Paganini"-Film.


    Bei der Gelegenheit fällt mir noch ein enfant terrible ein, den ich als Musiker und Geiger allerdings hoch schätze, auch schon mehrfach live gehört habe (sowohl Klassik, als auch Jazz-Rock) und von dem ich auch einige Platten besitze: Nigel Kennedy. Auch der hat das eine oder andere Werk erfolgreich in einer breiten Öffentlichkeit platziert.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • In Bezug auf die Tatsache, daß klangvolle Namen wie David Garrett, Nigel Kennedy, der Film Amadeus u.a. "Crossover"-Projekte ein neues Publikum an klassische Musik heranführen, gehe ich vollkommen mit Thomas Pape konform. Das betrifft sogar Andre Rieu. Auch der Wechsel von Pavarotti, Peter Hofmann und anderen in Richtung Unterhaltungsmusik ist unter dem Gesichtspunkt zu sehen, auch der mehrfache Auftritt der drei Tenöre.


    Für mich bekommt das aber einen bitteren Beigeschmack, wenn große Leute wie Pavarotti, Hofmann u.a. anfangen, z.B. "Pavarotti and friends" zu bringen. Ich habe dann jedesmal das Gefühl gehabt, daß das natürliche, alters- oder krankheitsbedingte Nachlassen der Stimme damit überbrückt werden soll.


    Das betrifft ausdrücklich nicht die Tatsache, daß große Sänger einen Ausflug in die leichte Muse machen, z.B. Schock und Wunderlich in die Operette, Frick in volkstümliche gehobene Unterhaltung (z.B. Waldandacht u.a.). Leichtere Muse gut zu machen, das ist schwerer als mancher denken mag.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zunächst einmal:


    Ich mag gewisse Sachen aus dem Gebiet Rock (z.B. Toto, Doobie Brothers, die älteren Arrangements von Dieter Falk) oder Jazz (z.B. Corea, Mezzoforte, Fourplay wenn sie live spielen, Les McCann....).
    Selbst Einiges aus dem Bereich House wie der Soundtrack zu Animatrix oder gewisse Sachen bzw. Elemente aus dem Bereich Trance/Chill, usw...kann mich begeistern.
    Ich habe vor Jahrzehnten selbst als Arrangeur und Keyboarder bei anspruchsvollen Popprojekten mitgewirkt und muss diese Stile auch heute noch gar nicht so selten spielen.
    Auch Filmmusik kann mir gefallen, wie z.B. die Musik zu "Jurassic Park" oder "Lord of the Rings".
    Wenn man es ohne den Film hört, steigen in einem sofort die Bilder des Films auf.


    Wichtig ist mir, dass es mit einem hohen Qualitätsanspruch gemacht ist. Es ist keineswegs so, dass man diesen nur bei klassischer Musik bekommen kann.


    ABER:


    Meistens verabscheue ich den Cross-Over dennoch, also die Vermischung der unterschiedlichen Stilelemente.
    Für mich verunreinigen sich die Stile dann oftmals (nicht immer) gegenseitig.
    Es muss schon sehr gut gemacht sein, wenn ich in einem guten Rock- oder Jazztitel eine bekannte klassische Melodie ertragen kann. Es schadet beiden Genres, finde ich jedenfalls meistens.
    Wenn man dann anders herum mit einem klassischen Orchester Popmusik in aufgeblasenen Orchester-Arrangements spielt, dann tritt für mich oft nur umso mehr eine gewisse Untiefe in den Popsongs hervor. Es ist ab und zu so, als ob man einen Rotzjungen in einen seriösen Anzug steckt (wie bei Konfirmationen). Der Anzug hilft dann auch nicht.
    Irgendwie kann ich nicht finden, dass das wirklich "passt".
    Dennoch will ich betonen, dass ich da Ausnahmen anerkennen kann. Es muss dann schon, wie gesagt, sehr gut und sehr geschmackvoll gemacht sein.


    Eine sehr erfolgreiche und allgemein wohl als überaus gelungen angesehene Cross-Over-Geschichte war ja damals "Offizium" mit den Hilliards und Garbarek.
    Ich habe mir die CD ein oder zweimal aus einer Musikbibliothek geliehen und zugehört.
    Allerdings habe ich mir selbst diese kontemplative und durchaus mit viel Geschmack und Einfühlungsvermögen gemachte CD weder davon gebrannt noch anschliessend gekauft.
    Ehrlich gesagt störten mich diese für mich auch tontechnisch zu laut in den Vordergrund gestellten Saxophontöne irgendwann, und ich dachte "kann er nicht einmal aufhören, deren überirdisch schönen Gesang mit seinen fremden Elementen zu überlagern?" Dass er sehr sehr gut spielt, ist zweifelsohne so, und "`mal" kann ich es auch hören, doch eben nur selten und in kleinen Dosierungen.


    Gäbe es die CD auch ohne Saxophonbeiträge, würde ich sie kaufen. Allerdings sage ich nicht, dass die Leute, die ausgerechnte diese CD mögen, keinen Geschmack hätten. Da gäbe es wohl ganz andere Beispiele....


    Die Gefahr bei diesen ganzen Cross-Over-Sachen ist ja aus meiner Sicht, dass die Leute weniger für die stilreine Klassik im Sinne es Appetizers interessiert werden könnten, als dass sie vielmehr diesen verwursteten Stil schon als "Klassik" ansehen. Ich begegne immer wieder Leuten, bei denen das tatsächlich schon so ist.
    Manche spielen in irgendwelchen "Korps", also Blasorchestern diese zusammengehunzten Arrangements aus der Welt der Klassik ( neulich hörte ich als Weihnachtsmusik ! Beethovens 9. in 3min-Blaskapellen-Kurzform, mit grossem Applaus der Kirchengemeinde. Das Original des 4. Satzes kennt von denen wahrscheinlich kaum einer, weder Musiker noch Publikum, und sie wollen es wohl auch nicht).


    Diese Hobbymusiker glauben dann schon, dass sie "das mit der Klassik" schon abgedeckt hätten. Sie kennen das schon, und sie können das auch (so etwas kommt in Gesprächen manchmal zum Vorschein - ich sage dann oft so etwas wie "o ja, wie schön, das ist ja toll"...., weil es sich meistens nicht lohnt, da tiefer einzusteigen)
    Wie sich z.B. in Originalform der bekannte Kanon von Pachelbel anhört, was m.E. keiner von den Hochzeitspaaren, für die ich das als Eingang auf der Orgel spielen musste. Die kennen es von irgendwelchen weichgespülten oder dezent mit Schlagzeug versehenen (Abscheu)-versionen.
    Wenn so ein Mensch ggf. einmal einen Naxos-Sampler mit der originalen Orchesterkomposition des Brautmarsches von Mendelssohn in die Hände bekommt, dann ist das schon eher die Ausnahme.


    Es ist ja so, dass diese Menschen nun einmal unser potentielles Publikum sind, wenn man lokal eine seriöse Aufführung etwa einer Bachkantate auf die Beine stellen will (in Metropolen ist das natürlich anders).
    Die Leute dann erst einmal vom abendlichen Fernseher wegzubekommen und sie dann anschliessend auch noch im Konzert musikalisch zu ergreifen, ist eben die Herausforderung.
    Zunehmend wollen sie lieber diese Mischungen hören.
    Wenn sie Klassik sagen, meinen sie den Cross-Over.Und wenn ich dann sage, dass ich die Mischung aus Rockgitarre und Orgel nicht mag, dann stehe ich mit der Meinung nicht selten alleine da....


    Je länger ich damit zu tun habe, desto mehr mag ich die Stilreinheit und "das Klassische" an sich.
    Das bezieht sich dann auch auf die Interpretationen. Klassischer deutscher oder Wiener Orchesterklang, klassische Interpretationen (wie neulich Barenboim im Neujahrskonzert) klassische Tanzschönheiten (wie so eine Apotheose auf die klassische Zweisamkeit zwischen Mann und Frau - war das nicht einfach schön, wie die beiden da beim Neujahrskonzert in den MV-Saal in Wien hineintanzten?)
    Eine Sache ist dann "klassisch", wenn die Qualität so gut ist, dass sie die Zeiten überdauert.
    Selbst bei Düften ist das schon so. Die wirklich guten Produkte wie z.B. Lagerfeld oder Fahrenheit überleben die Zeiten, weil der Markt sie aufgrund ihrer Qualität weiterhin haben will.
    Alte Äpfelsorten finde ich viel aromatischer als eingekreuzte oder sonstwie manipulierte Sachen, ebenso Tomaten, die nicht nach Wasser schmecken.....


    Ob einer meine Haltung nun als elitär oder "Elfenbeinturm" oder konservativ verknöchert bezeichnet, ist mir wurscht.
    Wirklich konservativ zu sein heisst ja auch, das Gute zu bewahren aber auch offen für wirklich Neues (Gutes) zu sein.


    Durch Stilmischungen sind ja in der Musikgeschichte immer wieder neue Stile entstanden. Da war eine Menge an Dynamik enthalten. Gegen echte musikalische Innovationen habe ich nichts- im Gegenteil. Wenn man aber z.B. Teile aus der 6. von Beethoven nur mit Schlagzeug unterlegt oder sonstwie "anhörbar" macht, wird nichts Neues geschaffen. In solchen Fällen wird dann eher mit billigen geschmacklosen Mischungen Kasse gemacht - und so etwas lehne ich ab.
    Und wenn man mit einem Audio-Sequenzer wie Cubase oder Logic klassische Musik im Stile einer Techno- oder Remixproduktion in kleine Teile schneidet und sie dann endlos wiederholt etc. , dann kann ich das auch nicht besonders phantasievoll finden.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Es kommt doch immer darauf an, was ein Musiker kann - und aus dem Genre, das er verarbeitet, macht.
    Ich bin z.B. ein großer Fan von Jacques Loussier, habe etliche seiner CDs - und finde das, was er aus Bach & Co macht, auf seine Art genial. Und das liegt in meinen Augen einerseits daran, dass der Respekt und die Liebe zu den Werken erkennbar ist, andererseits am Können von Loussier.
    Die Goldberg-Variationen mag ich besonders:



    Auch großartig: die legendären "Swingle Singers". Bei ihnen stand - ganz im Gegensatz zu diversen späteren Kopisten - nicht die Stimmakrobatik, sondern das Werk im Vordergrund.



    Was ich nicht ausstehen kann: sind Verkitschungen, "Kaufhausmusik" - egal ob die Werke einfach um"instrumentiert" (sprich: elektronisiert), irgendwie unterlegt, gesungen, stilistisch verändert, gar verkürzt oder sonstwie verarbeitet sind.

  • Eine sehr erfolgreiche und allgemein wohl als überaus gelungen angesehene Cross-Over-Geschichte war ja damals "Offizium" mit den Hilliards und Garbarek.
    Ich habe mir die CD ein oder zweimal aus einer Musikbibliothek geliehen und zugehört.
    Allerdings habe ich mir selbst diese kontemplative und durchaus mit viel Geschmack und Einfühlungsvermögen gemachte CD weder davon gebrannt noch anschliessend gekauft.
    Ehrlich gesagt störten mich diese für mich auch tontechnisch zu laut in den Vordergrund gestellten Saxophontöne irgendwann, und ich dachte "kann er nicht einmal aufhören, deren überirdisch schönen Gesang mit seinen fremden Elementen zu überlagern?" Dass er sehr sehr gut spielt, ist zweifelsohne so, und "`mal" kann ich es auch hören, doch eben nur selten und in kleinen Dosierungen.


    Gäbe es die CD auch ohne Saxophonbeiträge, würde ich sie kaufen. Allerdings sage ich nicht, dass die Leute, die ausgerechnte diese CD mögen, keinen Geschmack hätten. Da gäbe es wohl ganz andere Beispiele....


    Das ist die einzige "Crossover"-CD, die ich besitze, lieber Glockenton. :) Ich finde das wirklich sehr schön, weil ungemein einfühlsam. Die Musik wird durch die Improvisation kommentiert als eine Art Resonanz, aber ansonsten belassen, wie sie ist. Diese Musik gehört ja eher zum "Rand"-Repertoire, das kaum jemand kennt und so aus dem Abseits geholt wird. Und Jazz-Musik ist im Grunde heute genauso esoterisch wie Klassik - die CD ist von daher sowieso nichts fürs Massenpublikum. Was sonst gemacht wird, ist ja die populärsten Sachen der Klassik noch einmal populärer machen zu wollen für das ganz große Publikum aus durchschaubarem kommerziellem Interesse. Das ist für mich ästhetisch überflüssig, musikalisch eine Parodie und zudem von der Intention her eine Illusion: Wer Klassik nur über Crossover kennenlernt und hört, der wird nie einen ernsten Zugang zu ihr finden, sondern dies als eine Zirkusnummer betrachten, die mal etwas Abwechslung in den Pop-Alltag bringt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • "Officium" war, als die Platte rauskam, ein ziemlicher Millionseller. Und ich glaube auch, dass die Platte die Bekanntheit des Hilliard-Ensambles in Deutschland vorangetrieben hat, letztlich auch den Verkauf von deren Platten beflügelt. Garbarek und die Hilliards sind/waren bei ECM unter Vertrag, und für das Label dürfte "Officium" ein gelungener Coup gewesen sein.


    Klassikadaptionen fürs 3 min-Format sind an sich ja auch nichts neues; es gab sie schon, als die Schallplatte noch in den Kinderschuhen steckte. Gemeint sind hier die Adabtioen von Opernarien für Salonorchester. In meiner Schellacksammlung habe ich auch eine Kurzfassung von Verdis "Traviata": alle schmissigen Melodien de Oper in siebeneinhalb Minuten und auf zwei Schellackseiten, arrangiert von Dajos Bela. Marek Weber konnte sowas auch gut und orchestrierte Schubert-Klavierstücke tanzbar (nach seiner Emigiration in die Staaten). Das waren zwei Beispiele aus den 1920er/1930er Jahren. Auch dies diente letztlich dazu, klassische Musik bekannter zu machen, vor allem relativ junge Opern und Operetten.


    Aus den 1950er fallen mir Ferrante and Teicher, ein Pianiastenduo ein, das eine durchaus bezaubernde Kurzfassung von Tschaikowskys 1. Klavierkonzert als Single auf dem Markt hatten, Mantovani hat einiges aus der Klassik adaptiert, später auch James Last. Bach scheint wohl besonders Jazzer anzusprechen: John Lewis etwa hat das Wohltemperierte Klavier eingespielt und dafür die Fugen neu geschrieben (und auch den Preludien einen schönen Swing gegeben). Duke Ellingteon hat Tschaikowsky's Nußknacker für sein Orchester arrangiert, Eugen Cicero Chopin verjazzt.


    Es stimmt schon, was Glockenton sagt: die Qualität des Ganzen ist entscheidend. Letztlich muss mir ja auch nicht alles gefallen (mit Rock-Claasics, die in den 1990ern zuhauf mit einem Londoner Orchester produziert wurden kann man mich jagen). Bei David Garret finde ich schade, dass seine künstlerische Entwicklung auf der Strecke geblieben ist. Kennedy gefällt mir da sogesehen besser: der hat das Eine getan, ohne das Andere zu lassen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Ihr habt mich überzeugt, meine Freunde,


    so schön habe ich Bach noch nie gehört.


    Das hat auch meine stille Frage beantwortet, warum unser Stargeiger so ungemein populärer ist als Anne Sophie Mutter, Jehudi Menuhin, Wolfgang Schneiderhan oder Jascha Heifetz.
    Er steht eben künstlerisch auf einem ganz anderen Niveau.

  • Lieber Glockenton,


    du sprichst mir in allem aus der Seele. Das geht schon los mit Fahrenheit, das ich seit 25 jahren nur benutze. Auch "Officium" hat mir nicht gefallen, weil das Saxophon alles überdröhnt. Das Hauptmerkmal der polyphonen Musik ist doch ihre Subtilität; davon ist hier nichts geblieben. Ein Beispiel für die Subtilität und Qualität ist die CD "Richaforts Requiem" von den King´s Singers, die Kompositionen von Schülern Josquins (in einer Art Tombeau auf den großen Meister) vereint. Mit solch einem Original kann kein Crossover mithalten.


    Wer hier die Originale hören will, den verweise ich auf meinen thread "Vocal Consorts", den ich im Januar wieder aufnehmen und weiterführen werde. Dort gibt es auch einen sehr kritischen Bericht über die Hilliards, die meiner Meinung nach wirklich aufhören sollten.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Die Gefahr bei diesen ganzen Cross-Over-Sachen ist ja aus meiner Sicht, dass die Leute ..... diesen verwursteten Stil schon als "Klassik" ansehen.

    Auch mir ist aufgefallen,daß der Begriff "Klassik" bzw. "klassische Musik" unterschiedlich wahrgenommen wird.
    Man sehe sich nur einmal die Amazon-Musik Bestseller 2013 im Bereich Klassik an:
    http://www.amazon.de/gp/featur…=458506247&pf_rd_i=255966
    Das hält der wenig Klassik-Informierte für klassische Musik.
    Woher soll er auch wissen,was klassische Musik ist,wenn er nicht im Tamino-Klassikforum mitliest? ;)
    In der Verkaufsstatistik vermitteln diese gut verkauften Produktionen den Eindruck,Klassik verkaufe sich gut oder bescheinigen sogar einen Zuwachs für den Klassikbereich.

    Den Klassik-Jahresbestseller 2013 von Amazon -Lindsey Stirling- (Label: We love Music) hatte ich bereits an anderer Stelle vorgestellt und die vorherrschende Meinung der Taminos darüber war: "Was hat das mit Klassik zu tun?"

    mfG
    Michael

  • Das hat auch meine stille Frage beantwortet, warum unser Stargeiger so ungemein populärer ist als Anne Sophie Mutter, Jehudi Menuhin, Wolfgang Schneiderhan oder Jascha Heifetz.
    Er steht eben künstlerisch auf einem ganz anderen Niveau.

    Wie schon seinerzeit bei Peter Hofmann: wie kann man sein Talent nur so vergeuden. ;(

  • Miss Stirling spielt ebensowenig Klassik wie die ganzen Neutöner - dafür aber doppelt so anhörenswert - bei meiner internen Ranking-Skala erhalten diese Klangteppiche immerhin 2 von 10 Punkten, in der Schule wäre das etwa eine 5-, es geht noch schlimmer!


    Jacques Loussier liegt meist im Bereich zwischen 7 und 8 Punkten, also wirklich gute Musik.

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  • Was sonst gemacht wird, ist ja die populärsten Sachen der Klassik noch einmal populärer machen zu wollen für das ganz große Publikum aus durchschaubarem kommerziellem Interesse. Das ist für mich ästhetisch überflüssig, musikalisch eine Parodie und zudem von der Intention her eine Illusion: Wer Klassik nur über Crossover kennenlernt und hört, der wird nie einen ernsten Zugang zu ihr finden, sondern dies als eine Zirkusnummer betrachten, die mal etwas Abwechslung in den Pop-Alltag bringt.


    Schöne Grüße
    Holger

    Lieber Holger,


    ich staune, wie präzise Du es sprachlich auf den Punkt gebracht hast. Besonders den letzten Satz sollte man über Facebook oder sonstwie verbreiten. Genau so ist es... :-) Ich unterschreibe alles.


    Dr. Pingel:


    Ebenfalls einig - wollte nur ergänzen, dass die Hilliards ja jetzt aufgehört haben, was ja auch ein grosses Thema in der Fonoforum war.
    Wenn Du sie gar nicht magst, dann bin ich nicht immer einig. Manches finde ich ganz wunderbar, z.B. auch ihren Gesang auf Offizium (wenn sie denn alleine sängen...;-) ) , aber auch eine CD mit Werken von Josquin, oder die Jeremiah-CD von Tallis (kann mit dem Ipad jetzt nicht so viel CDs aus JPC posten)


    Die King Singers fand ich nicht immer gut (zu statisch, nicht in die Tiefe gehend, Intonation nicht immer ganz super), aber manchmal auch sehr gut. Wie die aktuell singen, weiss ich nicht. Der Gruppenname besteht ja, aber die Urgruppe gibt es ja schon lange nicht mehr, so weit ich das überblicke.


    @hami 1799


    Die Ironie Deines Beitrages wird wohl erst richtig klar, wenn man das Video auch ein paar wenige Takte über sich ergehen lässt, bis der unvermeidliche Brechreiz einsetzt.
    Gegen so etwas könnte ich glatt noch militanter werden, als sich die RT-Gegner manchmal im Forum aufführen.
    Grauenvoll. Ich weiss, dass er spielen kann, auch seriös Beethoven oder Brahms spielen kann. Aber ab jetzt ist der Herr für mich unten durch. Irgendetwas ist mit seinem Geschmack kaputtgegangen. Nach so einer Aufführung könnte ich mich nicht mehr im Spiegel ansehen. Wäre ich Willy Brandt würde ich jetzt sagen: " Das lass ich nicht durrrchgehen..."


    Die Loussier-Sachen haben immer Qualität - keine Frage, auch die Swingles.
    Klar ist aber auch, dass ich immer die Originale bei weitem vorziehe.
    Wenn man Bach nur gut genug spielt, dann schwingt der original immer noch am besten.
    Gerade hörte ich den Eingangschor von BWV 127 mit Koopman - das fetzt und swingt, dass es eine reine Freude ist. Dagegen verblasst jede Bearbeitung....


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • "Officium" war, als die Platte rauskam, ein ziemlicher Millionseller. Und ich glaube auch, dass die Platte die Bekanntheit des Hilliard-Ensambles in Deutschland vorangetrieben hat, letztlich auch den Verkauf von deren Platten beflügelt. Garbarek und die Hilliards sind/waren bei ECM unter Vertrag, und für das Label dürfte "Officium" ein gelungener Coup gewesen sein.


    "Offizium" ist großartig - ich habe die Kombi auch mal live im Konzert gehört, in einer Kirche. Das Hilliard Ensemble kam singend in den Kirchenraum. Irgendwann erklang Garbareks Sax leise, wie aus der Ferne, und erblühte dann erst zu vollem Klang ... das war wie aus einer anderen Welt. Wirklich beeindruckend.


    Streng genommen ist das aber kein "Crossover": es ist eher ein Miteinander unterschiedlicher Epochen/Stile.


    PS: Mir sind die Originale auch lieber. ;)
    Dennoch sehe ich es nicht ganz so - und das ist eben auch "Crossover": Die "Bearbeitung" lebt für sich. So wird ein Loussier nie die originalen Goldberg-Variationen ersetzen. Aber ergänzen. Ebenso ist es mit den Swingle Singers, natürlich! ;)

  • Die populären Stücke der Klassik noch populärer machen zu wollen, finde ich zunächst einmal nicht sonderlich verwerflich.


    Auch ist "kommerzielles Interesse" möglicherweise nicht ganz der Buhmann, für das es von dem einen oder anderen gehalten wird. Richtige Klassiker spielen ja nun auch nicht für Nüsse, auch sie wollen schöden Mammon, oder um ein geflügeltes Zitat zu bemühen: "Nur selten nimmt der Handelsmann statt barem Gelde Stuhlgang an." Und das scheint mir auch irgendwie für Verlage, Komponisten und Interpreten zu gelten, oder hab ich da was nicht mitgekriegt?


    Ich habe Klassik jedenfalls über Crossover kennengelert. Meine erste selbstgekaufte Schallplatte (Single, 5 Mark, also bestimmt damals 2 Wochen Taschengeld) war Bourree von Jethro Tull, und sie hat mich schwer begeistert. Und es war sicherlich weder "Parodie" noch "Zirkusnummer".

  • Persönlich bin ich an die klassische Musik auch über "Crossover" gekommen, genauer gesagt über "Klassik goes Pop" - so z. B. Waldo de los Rios mit "Song of Joy" oder "Mozart 40".

    Irgendwann bekommt man dann Lust, auch mal die Originale kennenzulernen - und bleibt daran hängen....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Persönlich bin ich an die klassische Musik auch über "Crossover" gekommen, genauer gesagt über "Klassik goes Pop" - so z. B. Waldo de los Rios mit "Song of Joy" oder "Mozart 40".


    Waldo de los Rios ... vorhin habe ich gegrübelt, aber mir fiel der Name nicht ein. Waldo, achje. Den fand ich immer übelst. Aber ich war da schon klassisch vor"gebildet", also zählt diese meine Meinung dann wohl nicht ... wenn jemand über Waldo an Klassik gekommen ist: dann hat er ja immerhin seinen Zweck erfüllt.
    Ob das bei vielen dieser Kaufhausmusik-Kitschigkeiten der Fall ist? oder gar bei den neuzeitlichen "Classics"-Sängern?

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