Crossover - Ein rotes Tuch für Klassikfreaks ?

  • "Nur selten nimmt der Handelsmann statt barem Gelde Stuhlgang an." Und das scheint mir auch irgendwie für Verlage, Komponisten und Interpreten zu gelten, oder hab ich da was nicht mitgekriegt?


    Du hast natürlich wie immer alles mitgekriegt, lieber Herr Mueller.
    Wie führt man also Bayern und ähnliche Spezies behutsam in das Reich der guten Kultur ein?


    Sicher ist es dabei nicht verwerflich, das Introitus einmal nicht auf latein zu beten, aber muss ja denn gleich auf schwäbisch sein?


    Will man schon mit der halben Mühe die doppelte Kohle machen, könnte man wenigstens den Anstand wahren, dazu wäre ja, wie es Glockenton eben konstatiert hat, David Garrett durchaus in der Lage.


    Bestimmte Sachen gehen einfach nicht.
    Mag der beste Ziehharmonika-Virtuose der Welt noch so unnachahmlich die Lohengrin-Ouvertüre auf seinem Instrument exekutieren, für einen Wagnerianer würde es dennoch scheußlich klingen.
    Da rettet auch die beste Technik ebenso wenig wie die wunderschöne Landschaft bei Inga Lindström.

  • am Anfang fand ich Waldo auch höchst hassenswert, weil ich mich ja eher als Hard-Rocker verstanden habe - aber dann hat sich die 40. so langsam in mein Ohr gesäuselt und schließlich habe ich sie sogar mitgesummt - würde ich mir auch heute noch anhören.

  • Selbst bei Düften ist das schon so. Die wirklich guten Produkte wie z.B. Lagerfeld oder Fahrenheit überleben die Zeiten, weil der Markt sie aufgrund ihrer Qualität weiterhin haben will.

    Chanel Nr. 5 ist ein eklatanter Beweis.



    Alte Äpfelsorten finde ich viel aromatischer als eingekreuzte oder sonstwie manipulierte Sachen, ebenso Tomaten, die nicht nach Wasser schmecken.....

    Deswegen habe ich Cox Orange, Minister von Hammerstein, usw. in meinem Obstgarten! Was mit den Nahrungsmitteln passiert ist emblematisch, finde ich, für das generalisierte Verfall unserer Geselschaft.



    Lieber Glockenton,


    du sprichst mir in allem aus der Seele

    Lieber Holger,


    ich staune, wie präzise Du es sprachlich auf den Punkt gebracht hast.

    Ich kann mich nur anschließen. So schön hätte ich das nie schreiben können.


    Viele Grüße
    Jacques

  • Ich kann mit Cross-over persönlich kaum etwas anfangen. Auch nicht in die umgekehrte Richtung, d.h. wenn z.B. Metallica auf vier Celli gespielt wird. Allerdings kann ich mich darüber nicht aufregen und einen "Verfall" kann ich darin auch nicht erblicken, denn ist Operette in Wahrheit nicht auch Kreuzung aus Oper und Populärmusik?

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  • Mag der beste Ziehharmonika-Virtuose der Welt noch so unnachahmlich die Lohengrin-Ouvertüre auf seinem Instrument exekutieren, für einen Wagnerianer würde es dennoch scheußlich klingen.
    Da rettet auch die beste Technik ebenso wenig wie die wunderschöne Landschaft bei Inga Lindström.


    Für mich ist eine Wagnertranskrition für Akkordeon prinzipiell nicht anders zu bewerten als eine Wagnertranskription für Klavier. Auf beide Instrumente lassen sich kontrapunktische Abläufe gut übertragen. Es gibt übrigens auch "klassische" Musik der Moderne für Akkordeon.

  • Für mich ist eine Wagnertranskrition für Akkordeon prinzipiell nicht anders zu bewerten als eine Wagnertranskription für Klavier. Auf beide Instrumente lassen sich kontrapunktische Abläufe gut übertragen.

    Das mag ja eine gut Übung für Musikstudenten sein, aber die Stimmung lieber Felix, die Stimmung!
    Kontrapunkt ist ja schließlich nicht alles.



    Bei Bach könnte ich wohl ein Ohr zudrücken, aber bei Wagner? Der hat doch nicht gewürfelt bei seiner Wahl der Instrumente, oder wie meinen?

  • um Deinem ganz und gar haltlosen Vorurteil über das gute Genom des Schifferklaviers gänzlich den Garaus zu machen, hier eine überzeugende Gostprobe


    Wirklich beeindruckend? Ist da wirklich keine Orgel mit im Spiel?


    Beim Lohengrin könnte er mich aber sicher nicht überzeugen.

  • In einem Punkt muss ich mich korrigieren: bei mir war z.B. die Operette und leichte italienische/spanische Songs wie "Funiculi" und "Granada" der Weg in die Oper und in die klassische Musik. Aber ich bin diesen Weg nie zurück gegangen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

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  • Nein, die Operette ist eine heitere Oper.


    Naja, das gilt vielleicht für Offenbach und die französischen Operette des 19. Jahrhunderts. Aber bei der Wiener Operette des 20. Jahrhunderts sieht die Sache schon ein bisschen ander aus.

  • Das mag ja eine gut Übung für Musikstudenten sein, aber die Stimmung lieber Felix, die Stimmung!
    Kontrapunkt ist ja schließlich nicht alles.


    Also für mich ist bei Wagner die Kontrapunktik und die Harmonik das wichtigste. Und das kann man auf Klavier und Akkordeon recht gut darstellen. Es gibt ja auch zahllose Klavierbearbeitungen von Wagneropern. Die Leute wollten Wagner auch selbst spielen können. Aber um Cross-over handelt es sich hier ja eh nicht.

  • Mag der beste Ziehharmonika-Virtuose der Welt noch so unnachahmlich die Lohengrin-Ouvertüre auf seinem Instrument exekutieren, für einen Wagnerianer würde es dennoch scheußlich klingen.


    Was hältst Du hiervon (Für die, die es noch nicht kennen: Am besten vor dem betätigen des Links die Augen schließen und ca. 8 Minuten geschlossen halten! Es dauert einen Moment, bis es anfängt.)?


    http://www.youtube.com/watch?v=ENr9lndaxBs

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Was hältst Du hiervon (Für die, die es noch nicht kennen: Am besten vor dem betätigen des Links die Augen schließen und ca. 8 Minuten geschlossen halten! Es dauert einen Moment, bis es anfängt.)?


    Ich danke Dir für Deine Beiträgen. Gestern habe ich Max Richter entdeckt , und heute mache ich eine zweite Entdeckung. Das ist wirklich ein Ding. Na ja, man braucht vielleicht nur ein Filter für falsche Noten ;) Das Positive hier ist daß man es bis zum Ende hören kann und manchmal bringt es einen zum Lachen aber nie zum K........
    Viele Grüße
    Jacques

  • Nun ja, Hindemith hatte offensichtlich Humor, und das ist ja so auch in Ordnung. Umso lieber hört man natürlich einen "richtigen" Wagner.


    Noch zur von Schneewitchen verlinkten Amazon-Liste: Man sieht, wie beliebt diese Dinge doch geworden sind. Da steht immerhin "Amazon-Musik-Bestsellerliste" drüber....
    Für mich ist das eine grauenvolle Liste, abgesehen von der Sol Gabetta-CD mit Vivaldi-Werken.
    Diese würde ich mir allerdings auch nie kaufen, weil mir da von Seiten des Komponisten harmonisch einfach zu wenig passiert. So viel Vorhersehbarkeit- was allerdings ein anderes Thema wäre.
    Wann wohl übrigens "Sol Gabetta plays Vivaldi Vol. 274" herauskommt...? Irgendeiner hat da wohl verstanden, wie gut sich dieses Strickmuster einer CD-Produktion verkauft.


    Manchmal frage ich mich, ob es sich mit dem Cross-over ähnlich wie mit "Stille Nacht" verhält.
    Bei den Stellen"schlafe in himmlischer Ruh" geht die originale Melodie anders, als man es zu 98% hört. Es beginnt eine Terz tiefer, und beim zweiten Mal kommt noch ein kurzer Ton (die Sexte) hinzu. Auch bei "Alles schläft" gibt es im Original eine chromatische Achtelbewegung.
    Wenn ich dann Leute darauf im Gespräch ganz zwanglos und singend aufmerksam mache, sind sie kaum in der Lage, das überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. "O? Ach ja? Na sowas...." und schon reden wir über das nächste Thema.
    Die Originalmelodie will kaum ein Mensch hören, hier in Norwegen schon gar nicht.
    Ich versuchte übrigens eine gute youtube-version mit dem Original zu finden, bin aber fast gescheitert. Bei einem Video erklingt die richtige Melodie, aber der Bass knödelt derart peinlich, dass ich es hier nicht verlinken will. Weihnachten ist ja auch vorbei....
    Wer da nach diesem Lied sucht, wird feststellen, dass sich eigentlich jeder (auch die goldene Stimme Karel Gott...) diesem Lied irgendwie "gestellt" hat, wobei für die Mehrheit m.E. die Formulierung "sich dran verbrochen" noch am ehesten zutrifft.
    Man darf hoffen, dass der klassischen "Klassik" nicht irgendwann ein ähnliches Schicksal blüht.


    Ich frage mich nämlich schon, ob der Markterfolg des Cross-Over irgendwann dahin führt, dass die Orchester solche Dinge ins Programm nehmen müssen, wenn sie denn überleben wollen.
    Auch hier erlebte ich oft, dass "Pie Jesu" von L.W. oder "Time to say goodby" (bekannt durch Bocelli) einfach in das Programm eines Allehelgen-Konzerts genommen werden musste. "Wir alle" wollen das doch hören, und zwar immer wieder, nicht wahr.... Für den Actus tragicus bleibt dann im Programm ggf. kein Platz mehr....


    Es wäre eine Horrorvorstellung, dass irgendwann eine mit originalen Noten gespielte Schubert-Symphonie so eine Art Exotenstatus im Konzertbetrieb hätte.
    Nun, wir wollen es ja nicht beschreien.... ;-)



    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • In einem Punkt muss ich mich korrigieren: bei mir war z.B. die Operette und leichte italienische/spanische Songs wie "Funiculi" und "Granada" der Weg in die Oper und in die klassische Musik. Aber ich bin diesen Weg nie zurück gegangen.


    Ich hatte, vor längerer Zeit, ein schönes Erlebnis mit einer Operette. Ich ersetzte einen professionnellen Geiger im Opernhaus von Bordeaux und wir haben Ciboulette von Reynaldo Hahn gespielt (mehrere Proben). Das war ein reiner Genuß. Ich hätte nie gedacht, daß eine Operette ein solches Niveau haben könnte.
    Viele Grüße
    Jacques

  • Naja, das gilt vielleicht für Offenbach und die französischen Operette des 19. Jahrhunderts. Aber bei der Wiener Operette des 20. Jahrhunderts sieht die Sache schon ein bisschen ander aus.


    Ja sicher, der Waltz wurde aufgenommen aber die Integration der Volksmusik heißt lange nicht daß wir die reine Klassik verlassen. Sonst wären Boccherini (spanische Volksmusik), Bartók (Ungarische Volksmusik), Debussy (Jazz-Einflüße), u.v.a. Cross-Over Komponisten.
    Viele Grüße
    Jacques

  • Meinem Verständnis nach meint man mit "Crossover" nicht unbedingt jedes beliebige Arrangement, gewiss keine Klaviertranskriptionen (dies sind natürlich "reine Klassik") und auch nicht jede beliebige gegenseitige Beeinflussung von Jazz, Unterhaltungsmusik, Volksmusik und "ernster Musik".


    Sondern schon Fälle, in denen bewusst (normalerweise) klassische Werke bzw. Melodien/Fragmente daraus im Stile einer anderen Musikrichtung arrangiert werden. Wie etwa vor nunmehr etwa 50 Jahren Loussier mit "Play Bach". Ich weiß nicht, ob umgekehrt so Zeugs wie "Symphonic Rock", als in den 80ern mal Sinfonie-Orchester "Queen" u.a. gespielt haben, auch gemeint ist. Vermutlich schon, denn "Pseudo-Oper" wie "Con te partiro" geht ja in diese Richtung.


    M.E. kann man nur fallweise entscheiden, ob man so etwas gelungen findet. Bei vielem ist für mich klar, dass es sich um eine Trivialisierung handelt, die "ernste Musik" auf ein paar hübsche Melodiefragmente reduziert und leicht konsumierbar macht. Oder umgekehrt meint, Schlagermelodien mit bombastischer Instrumentierung und opernhaftem Gesang erheben zu können. Klar, gerade im Grenzbereich Oper, Operette etc. hat das schon hundert Jahre Tradition und es ist sicher nichts einzuwenden, wenn Opernsänger "Granada" oder "Funiculi, Funicula" mit entsprechendem Schmiss darbieten. Besser als ein Schlagersänger ohne Durchschlagskraft


    Dass zunehmend mehr Menschen solche Pop-Arrangements von de los Rios über Vanessa Mae bis David Garrett für Klassik halten, finde ich allerdings auch bedenklich. Selbst wenn anscheinend ein paar Hörer so den Weg zur Klassik finden, fürchte ich doch, dass insgesamt eher das Gegenteil erreicht wird, weil letztlich zu viel von dem, was das Eigentliche der klassischen Musik ausmacht, auf der Strecke bleibt. Um Hörer zu gewinnen, muss man zeigen, dass richtige Klassik spannend und packend ist, nicht nur ein Popversion davon.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Absolut richtig, lieber Johannes. Ich meine obendrein daß die Frage des guten Geschmacks hier entscheidend ist. Es sind doch Welten zwischen das:


    Wie etwa vor nunmehr etwa 50 Jahren Loussier mit "Play Bach". Ich weiß nicht, ob umgekehrt so Zeugs wie "Symphonic Rock", als in den 80ern mal Sinfonie-Orchester "Queen" u.a. gespielt haben, auch gemeint ist


    und das:

    über Vanessa Mae bis David Garrett


    Folglich ist die Frage, ob David Garett ein guter Geiger (was die Technik betrifft) ist, irrelevant. Als ich Helmut Zacharias in den Zigeunerweisen von Sarasate hörte, merkte ich wie brillant er spielen kann. Als er Unterhaltungsmusik spielte, war aber seine Spielart (die vielen Glissandi) nicht besonders geschmackvoll.


    Um Hörer zu gewinnen, muss man zeigen, dass richtige Klassik spannend und packend ist, nicht nur ein Popversion davon.


    Ich denke auch daß dies ein ganz falscher Weg ist. Mit meinen Schülern habe ich immer Pop/Rap/Techno und Klassik separat behandelt (immer mit spannenden Analysen).
    Viele Grüße
    Jacques

  • Was hältst Du hiervon?

    Keine Ziehharmonika weit und breit, das spricht ja für dieses Stück. :thumbup:


    Ohne Spass, es gefällt mir mittlerweilen besser als das Original, weil dieses mich nunmehr wegen der vielen Wiederholungen etwas langweilt.
    Dazu ist es noch sehr gut gemacht.


    Es gehört natürlich zu der Gattung gelungener musikalischer Scherze großer Meister und hat nicht das mindeste gemein mit den Versuchen, mit Kitsch und guter Technik, dem breiten Publikum zu imponieren.

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  • Selbst wenn anscheinend ein paar Hörer so den Weg zur Klassik finden, fürchte ich doch, dass insgesamt eher das Gegenteil erreicht wird, weil letztlich zu viel von dem, was das Eigentliche der klassischen Musik ausmacht, auf der Strecke bleibt.

    Auch das hat seine Richtigkeit, es sei denn, man hält es für Kennerschaft, in der Skatrunde ein paar Takte aus der Kleinen Nachtmusik pfeifen zu können.


    Parallel dazu habe ich auch noch nie erlebt, dass einer über den Trollinger den Weg zum echten Wein findet. Die meisten bleiben auf der Strecke und beim Trollinger.

  • Ja sicher, der Waltz wurde aufgenommen aber die Integration der Volksmusik heißt lange nicht daß wir die reine Klassik verlassen. Sonst wären Boccherini (spanische Volksmusik), Bartók (Ungarische Volksmusik), Debussy (Jazz-Einflüße), u.v.a. Cross-Over Komponisten.
    Viele Grüße
    Jacques


    Ich halte das eben für ein fliessendes Phänomen. Mit "Cross-over" scheint hier vor allem schlecht gemachtes Cross-over gemeint zu sein. Die Dreigroschen Oper von Weill kann man hingegen wohl als gelungenes Beispiel ansehen, ebenso wie die Tango-Klassik von Astor Piazolla. Es besteht außerdem meiner Meinung nach ein wichtiger Unterscheid zwischen fremden Einflüssen und Übernahme von stilfremder Musik in toto.


    (Bartók hat übrigens sehr genau unterschieden zwischen der von ihm editierten Volksmusik und seiner Kunstmusik.)

  • Es besteht außerdem meiner Meinung nach ein wichtiger Unterscheid zwischen fremden Einflüssen und Übernahme von stilfremder Musik in toto.


    Das ist deutlich bei den zitierten Komponisten. Bei Debussy ist es nur ein Einfluß, bei anderen Komponisten nur ein kleiner Touch (couleur locale), bei Boccherini dagegen ein richtiger Verinnerlichungsprozess. Es ist nicht verwunderlich, spanische Rhythmen in seinem Fandango zu finden, aber es ist sehr interessant festzustellen, daß in seinen (nicht programmatischen) Spätwerken, diese Rhythmen den gleichen Status wie die andere "klassische" Rhythmen einnehmen.

  • Es gibt eine Akkordeon-Aufnahme der Klavierwerke von Janacek, die auch hier im Forum empfohlen wurde. Ich kenne sie noch nicht.


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • bei Boccherini dagegen ein richtiger Verinnerlichungsprozess. Es ist nicht verwunderlich, spanische Rhythmen in seinem Fandango zu finden, aber es ist sehr interessant festzustellen, daß in seinen (nicht programmatischen) Spätwerken, diese Rhythmen den gleichen Status wie die andere "klassische" Rhythmen einnehmen.


    Boccherini hat meines Wissens auch Zarzuelas komponiert, und die sind eindeutig eine Mischung aus "klassischer" Musik und "Volksmusik". Die Oberschicht in Spanien war intellektuell gesehen einfach weniger elitär als in anderen Teilen Europas und hatte auch Interesse an volktstümlicher Kunst. In Feuchtwangers Buch "Goya" wird das recht eindringlich geschildert.

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  • Boccherini hat meines Wissens auch Zarzuelas komponiert, und die sind eindeutig eine Mischung aus "klassischer" Musik und "Volksmusik".

    Die Frage ist, lieber Felix, ob man das alles als "Crossover" bezeichnen kann. Das Komponieren in dieser Zeit war zweckgebunden - man komponierte bestimmte Musik auf eine angemessene Art für die jeweilige Verwendung. Natürlich gab es die Parodien der "hohen" Kunst (ich denke jetzt an die Betteloper, die Händel veräppelte), aber die Idee des Crossover ist doch eine andere. Da geht es um den Anspruch, die Kluft zwischen "elitärer" Kunst und Massenkultur zu schließen (Leslie A. Fiedlers Programm der Postmoderne) mit einer ganz klaren Präferenz: Es gibt nur Pop und Massenkultur als die "wahre" Kunst - entsprechend ist die elitäre Kunst als Scheinkunst in eine Popkunst umzuwandeln. Das macht David Garrett mit Bach in diesem fürchterlichen Video, was oben zu sehen ist. In Bachs Musik gibt es eine erhabene Innerlichkeit und Transzendentalität, die das Alltägliche verläßt. Genau diese Fähigkeit wird der Musik genommen: Sie wird mit banalem "Swing" gespielt und damit zur angenehmen Allerwelts-Unterhaltung. Nur tut er Bach damit keinen Gefallen: So gespielt wird diese Musik nämlich wirklich banal. Das hat mit der sozialen Subversivität und dem Witz von John Gay nichts mehr zu tun, sondern ist schlicht ein Tribut an den ordinären Massengeschmack. Eine Massenkultur mit all diesen Verfallserscheinung der industrialisierten Musikproduktion gab es im 17., 18., oder 19. Jhd. noch nicht. Da konnte die Musik außerhalb der Kunstmusik noch zum Jungbrunnen für die Kunstmusik werden, weil sie selber einfach authentisch war und musikalische Qualität hatte. Was sind die "Spirituels" aus dem 18. Jhd. für hinreißend schöne Musik! Gemessen an diesem Niveau von "Pop" von damals ist das allermeiste, was im 20. Jhd. als Popkultur die Welt überschwämmt, schlicht erbärmlich! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es gibt eine Akkordeon-Aufnahme der Klavierwerke von Janacek, die auch hier im Forum empfohlen wurde. Ich kenne sie noch nicht.



    Ich habe mir die Scheibe soeben bestellt. Das klingt erstaunlich stimmig!


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Da geht es um den Anspruch, die Kluft zwischen "elitärer" Kunst und Massenkultur zu schließen (Leslie A. Fiedlers Programm der Postmoderne) mit einer ganz klaren Präferenz: Es gibt nur Pop und Massenkultur als die "wahre" Kunst - entsprechend ist die elitäre Kunst als Scheinkunst in eine Popkunst umzuwandeln.


    Sicher, ich bin davon auch nicht begeistert. Aber ich sehe genau das eben als schlechtes Cross-over an. Gegen eine Kreuzung aus Bachschen Inventionen und Jazz, z.B., hätte ich eigentlich nicht unbedingt etwas, bzw. hielte ich das nicht a priori für daneben.

  • Wer Pop gar nicht verstanden hat, findet Pop vermutlich "erbärmlich".


    Pop ist eine ähnlich differenzierte und und auch emotional segmentierte Landschaft wie Klassik. Daß irgendwer aus dem klassischen Bereich sich gegenüber dem Pop erhaben vorkommt, ist schlicht lächerlich.

  • Wer Pop gar nicht verstanden hat, findet Pop vermutlich "erbärmlich".


    Pop ist eine ähnlich differenzierte und und auch emotional segmentierte Landschaft wie Klassik. Daß irgendwer aus dem klassischen Bereich sich gegenüber dem Pop erhaben vorkommt, ist schlicht lächerlich.

    Vollste Zustimmung! :thumbsup:
    Grüße

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