Im Schatten der andern - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 8 op. 93

  • In der Diskothek-Sendung auf SRF 2 (Diskothek im zwei) wurden zwei "Achte" besonders gelobt und herausgestellt: einmal die hier auch schon von William vorgestellte und gelobte Einspielung mit den Leipzigern und Chailly, und dann die HIP-Aufführung mit Antonini und dem Baseler Kammerorchester:


    Ludwig van Beethoven: Symphonien Nr.7 & 8

    Kammerorchester Basel, Giovanni Antonini
    Sony, DDD, 2012


    Zitat

    "Tolle Dynamik, grosse Transparenz, lebendig und phantasievoll die Sicht auf die ganze Sinfonie"

    lobt das Team der Sendung.
    Das kann ich nach dem Kaufen und Hören dieser wunderbaren Aufnahme nur bestätigen.
    Die Veröffentlichungsstrategie verstehe ich nicht ganz. Die 9. gibt es noch nicht, die 7/8 kann man zu Billigpreisen kaufen - und für die anderen muss man doch richtig investieren.


    Ich habe der Versuchung widerstanden als Gegenpol ... Karl Böhm zu wählen.


    Ich nicht. ;)
    Sehr begeistert bin ich von der Einspielung der 7. und 8. Sinfonie von den Wiener Philharmonikern unter Leitung von Karl Böhm, die ich hinterher gehört habe:


    Ludwig van Beethoven: Symphonien Nr.7 & 8

    Wiener Philharmoniker, Karl Böhm
    Label: DGG, ADD, 1972, Serie: Australian Eloquence


    Dies ist eine sehr packend und lebendig gespielte Aufnahme, ausgewogen und ausbalanciert, aber dennoch ungeheuer vital und temperamentvoll.
    Es ist schade, dass die Beethoven-Einspielungen von Böhm nicht die Popularität haben, wie andere aus dieser Zeit. Ich weiß nicht, ob das in den 70er Jahren anders war. Ich habe mir im Laufe der Zeit alle Beethoven Sinfonien mit Böhm und den Wienern zugelegt. Das wir bis zum Erscheinen der Boxen noch etwas komplizierter. Heute kann man die Beethoven-Box einzeln oder im Kontext der Symphonien-Edition kaufen. Das lohnt sich für mich aber nicht mehr.
    Dieses Lob gilt übrigens für beide Sinfonien, die hier eingespielt wird. Auch die "Siebte" ist zugleich kraftvoll und harmonisch dargeboten, eine Freude zum Hören.


    Einen sonnigen Sonntag wünscht Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Mit großem Interesse habe ich heute die Diskussion um Beethovens 8. in diesem Thread verfolgt, und zwar von Anfang an.


    Da spielt, wie könnte es auch anders sein, auch Karajan eine nicht ganz unwichtige Rolle. Soweit ich feststellen konnte, war aber nur von seinen drei Studio-Produktionen mit den Berliner Philharmonikern (1962, 1977, 1984) die Rede.
    Karajan hat aber zwei weitere Interpretationen dieser Sinfonie im Studio aufgenommen, und zwar diese:



    mit den Wiener Philharmonikern (Aufnahme: 9/1946, Großer Musikvereinssaal, Wien)


    und eine weitere, die hier enthalten ist:



    mit dem Philharmonia Orchestra London (Aufnahme: 5/1955, Kingsway Hall, London, STEREO).


    Letztere gehört zur ersten Gesamtaufnahme aus London aus den Jahren 1951 - 1955 und ist als einzige original in STEREO produziert worden (ich weiß, es gibt seit einiger Zeit auch die Neunte aus der Reihe in Stereofassung, aber das ist eine experimentelle Aufnahme). Für mich vereint diese Achte alle Vorzüge des frühen Karajan, dazu noch in sehr ansprechendem, gut aufgefächerten Stereoklang.


    Die erstgenannte Aufnahme ist Karajans erste Nachkriegsaufnahme überhaupt. Sie entstand, nach langwierigen Verhandlungen mit den alliierten Besatzungsmächten, die den Dirigenten mit einem Auftrittsverbot belegt hatten, unter der Regie des EMI-Produzenten Walter Legge in Wien und hat allein dadurch schon dokumentarischen Rang. In einer alten Besprechung wird sie von Joachim Kaiser "als gesuchtes Sammlerstück" vorgestellt, das "alle Konstanten des jungen Karajan in sich vereint: die federnden Akzente und den flinken, gelenkigen Rhythmus, die tänzerische Lockerheit des Klanges, den gleitenden, gerundeten Duktus ohne Kanten, den verbindlichen, sensualistischen Klangstil und die latente Homophonie (nicht Homophobie :D ) im souveränen Reduzieren einer Partitur auf ihren sinnenfälligen Wohllaut".
    Natürlich ist das keine Aufnahme für Klangfetischisten, es handelt sich, wie gesagt, um eine Produktion aus der ersten Nachkriegszeit, noch für Schellackplatten, aber sie ist sehr sorgfältig restauriert und digitalisiert worden, und das Rauschen hält sich in engen Grenzen. Wer den "anderen, frühen Karajan" kennenlernen möchte, dem sei die CD wärmstens empfohlen; sie enthält u.a. auch noch die Fünfte aus dem November 1948 und damit zwei Beethoven-Sinfonien, die der Dirigent später nie mit den Wiener Philharmonikern im Studio verwirklicht hat.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Herman Scherchen

    Zitat von nemorino


    Die "Pastorale" ist in Stereo aufgezeichnet, während die Sinfonie Nr. 8 "nur" in Mono erklingt. Doch das ist m.E. eine Aufnahme, die einen schier vom Stuhl haut. Sie wurde 1954 aufgezeichnet und klingt für ihr Alter und trotz fehlender Stereotechnik gut. Aber Scherchens Interpretation ist so überragend, daß alles andere völlig belanglos wird. nemorino

    Lieber nemorino,


    das hört sich interessant an - die Sinfonie Nr.8 mit Scherchen !

    :?: Was zeichnet diese Aufnahme besonders aus ?


    Gerade die Sinfonie Nr.8 hört sich bei vielen Dirigenten als weich gespülter Vorläufer zu Neunten an, ohne Saft und Kraft.

    Auch der bei Beethoven ansonsten hochgeschätzte Karajan ist mir zu "lau". Seine 3 DG-Aufnahmen sind abfallend mit dem Alter ein sauberes Mittelding, nicht mehr und nicht weniger.


    8) Ich brauche mehr:

    Von den meist viel zu stiefmütterlich behandelten Pauken ist Blomstedt/Dresdener PH (Brillant) eine Aufnahme, die mich dahingehend erstmals begeistert hatte. Ansonsten ist mir Blomstedt insgesamt bei den Beethoven-Sinfonien viel zu langsam. Mit Beethovens Metronomangaben schien er sich nicht wirklich auseinandergesetzt zu haben (das hatte er dann in seinen späteren Sinfonien-Beethoven-GA korrigiert).


    :angel: Vor einigen Jahren haben mir dann aber zwei Aufnahmen die Socken ausgezogen:

    Paavo Järvi / Deutsche Kammerphilharmonie Bremen (SONY DVD, 2010 aus der Beethovenhalle Bonn)

    und

    Riccardo Chailly / Gewandhausorchester Leipzig (Decca, 2009, DDD).

    Die Spielzeiten bei Chailly zeigen, das er fantastisch die Post abgehen lässt: 8:12 - 3:42 - 4:10 - 6:15.


    Das sind meine beiden Favoriten mit fabelhaft präsenten Pauken, wobei ich aber auch sehr viele andere Aufnahmen der Achten hoch schätze, wie Bernstein / New Yorker PH (SONY), Szell / Cleveland Ochestra (SONY), Solti / CSO (Decca), Leibowitz / RPO (Chesky).



    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine absolute "Hammer-Aufnahme" hat William Steinberg in Tanglewood dirigiert:



    Das wäre eine CD-Veröffentlichung wert!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Wolfgang, kurze Korrektur. Du schreibst: "Mit Beethovens Metronomangaben scheint er sich nicht wirklich auseinandergesetzt zu haben." Ersetze "scheint" durch "schien", denn Herbert Blomstedt hat ja zwischen 2014 und 2017 nochmals alle Beethoven-Sinfonien eingespielt und ist dort näher bei den Metronomangaben als in der für mich etwas altbackenen, früheren Gesamtaufnahme.


    Bei der 8. Sinfonie, im Mai 2014 aufgenommen, kam er auf folgende Spielzeiten: 8:50, 3:58, 4:35 und 7:28 und ist, abgesehen vom Finalsatz, nicht so weit von Chailly entfernt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Danke lieber Norbert,

    für die Richtigstellung mit Blomstedts späteren GA. (Ich habe es auch direkt berichtigt).

    Man kann ja nicht alle Beethoven-Sinfonien_GA kennen und wissen was damit los ist, zumal wenn man mehr als 15GA und Einzel-CDs zur Verfügung hat ... dann ist irgendwann "Schluss mit Lustig", da man seine Aufnahme dann dabei hat !



    Das die Steinberg-Aufnahme der Sinfonie Nr.8 der Hammer ist zeigen schon die ersten Takte an. Ein Jammer, das solche Aufnahmen nicht auf CD verfügbar sind. Wer hat die Aufnahme denn, um in YT eingestellt werden zu können ?


    William Steinberg, Mensch - der ist wirklich für alles gut. Ich kennen keine Aufnahme von ihm, die nicht ein überdurchschnittliches Niveau hätte.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine Aufnahme von Beethovens 8. Sinfonie mit William Steinberg und dem Boston Symphony Orchestra vom Januar 1962, Harvard University ist auf dieser DVD enthalten. Sie ist wenige Monate vor derjenigen in Tanglewood aus Beitrag 154 entstanden.



    Mehr zu diesem Dirigenten hier: https://www.lexm.uni-hamburg.d…rson_00003094?wcmsID=0003

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Gerade die Sinfonie Nr.8 hört sich bei vielen Dirigenten als weich gespülter Vorläufer zu Neunten an, ohne Saft und Kraft.

    Auch der bei Beethoven ansonsten hochgeschätzte Karajan ist mir zu "lau". Seine 3 DG-Aufnahmen sind abfallend mit dem Alter ein sauberes Mittelding, nicht mehr und nicht weniger.


    Ich brauche mehr

    Lieber Wolfgang,


    bei Scherchen findest Du alles, was Dein Herz (und vor allem Dein Ohr:)) begehrt: Rasanz, einen fast unheimlichen Drive, man möchte sagen Wildheit. Kurz gesagt, nichts von Gemütlichkeit oder Harmlosigkeit, sondern eine Interpretation voller Leben, die nicht nur den "aufgeknöpften" Beethoven, sondern auch den Revolutionär herauskehrt. Schon allein die Tempi sind bezeichnend: 1. Satz 8.25 / 2. 3.54 / 3. 4.35 / 4. 6.23 Min.

    In den beiden Ecksätzen ist Scherchen sogar schneller als Leibowitz! Beide dirigieren übrigens dasselbe Orchester, RPO. Doch die Tempi allein sind nicht das Entscheidende: Hier wird ein Werk ernstgenommen, das oft, und nicht zuletzt von den sogenannten "Stardirigenten", ein wenig nebenbei behandelt wird. Karajans drei Einspielungen mit den Berlinern kommen mir zu harmlos daher. Am besten von ihm finde ich die Londoner Aufnahme von 1955 (EMI), die als einzige original in Stereo produziert wurde. Aber auch sie kann gegen Scherchen nichts ausrichten, und seine ganz frühe aus Wien, die ich in #152 schon einmal vorgestellt habe, ist klanglich keine ernste Konkurrenz.

    Meine Lieblinge der Nr. 8 sind, neben Scherchen, Leibowitz, Szell, eventuell noch Solti, und natürlich Toscanini (aber das ist eine Monoaufnahme von 1952 und der von Scherchen klanglich nicht gewachsen). Die viel gelobte von Bernstein (CBS) kenne ich nicht, ebenso nicht die weiter oben genannte von Steinberg. Daß dieser Dirigent kein "Allerweltsprodukt" abliefern würde, glaube ich unbesehen. Leider gibt es von ihm nicht allzu viel in guter Technik.


    Monteux, das sei noch gesagt, liefert ebenfalls eine wunderschöne Achte (Decca), aber ihr fest es ein bißchen an der Aggressivität, mit der Scherchen hier zur Sache geht. Dafür legt er mehr Gewicht auf die humorvolle Seite des Werks, und sein französischer Charme ist eine schöne "Zugabe".


    Was mich außerdem sehr verwundert hat, ist die technische Seite der Scherchen-Aufnahme. Trotz Mono klingt alles erstaunlich transparent, man zweifelt fast, ob es nicht doch eine Stereoproduktion ist. Mir kommt es sogar so vor, als ob diese Mono-Achte der Stereo-Pastorale auf der gleichen CD klanglich überlegen ist. Letztere kommt mir etwas "dünn" aus den Lautsprechern.


    Liebe Grüße nach Bonn,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Selten genannt, dabei ganz großartig:




    Igor Markevitch mit dem Orchestre Lamoureux - auch schon in Stereo (Philips, 12/1959).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Igor Markevitch mit dem Orchestre Lamoureux - auch schon in Stereo (Philips, 12/1959).

    Lieber Joseph II.,


    die Aufnahme war mir gar nicht bekannt:untertauch:!

    Lediglich von der Existenz der Nr. 5 wußte ich, die wurde mal lange Zeit von Philips, zusammen mit einer - weiß im Moment nicht welcher - Aufnahme des 5. Klavierkonzerts unter dem ominösen Titel "BEETHOVEN - DIE FÜNFTEN" angeboten. Ob das schon auf CD oder noch auf einer LP war, ist mir auch entfallen. Jedenfalls habe ich in meiner Sammlung weder die eine noch die andere. Aber Markevitch mit Beethoven klingt interessant. Bei mir finden sich von ihm zwei Beethoven-Sinfonien:

    die Eroica (mit dem Symphony of the Air, ex NBC) und die Pastorale (mit dem Lamoureux-Orchestra), beide DGG. Leider sind es Mono-Aufnahmen. Markevitchs "Pastorale" war sogar meine erste LP mit dieser Sinfonie, so sah sie aus:

    Es gibt sie, wie gezeigt, sogar als CD mit dem Original-Cover. Ich habe sie aber in der Markevitch-Box als CD:

    da ist auch die EROICA aus New York dabei, die Markevitch übrigens in einem Interview, das der Box beigefügt ist, als eine seiner besten Aufnahmen bezeichnet.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Eine Aufnahme von Beethovens 8. Sinfonie mit William Steinberg und dem Boston Symphony Orchestra vom Januar 1962, Harvard University ist auf dieser DVD enthalten. Sie ist wenige Monate vor derjenigen in Tanglewood aus Beitrag 154 entstanden.

    JA - ABER die ist leider nur in MONO - und ausserdem dynymisch nicht so ausufernd ....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe der Versuchung widerstanden als Gegenpol zu Szell Karl Böhm zu wählen. Statt dessen nahm ich die vor etwa 2 oder 3 Jahren gekaufte - noch originalversiegelte - Aufnahme mit den Wiener Philharmonikeren unter Felix Weingartner aus der Verpackung und legt sie in den CD-Player. Eigentlich überraschend: Weingartner dirigiert das Werk IMO sehr extrovertiert, vordergründig mit Biß und Spannung vom ersten Ton an. Da ist nichts altertümliches, kein gepflegter oder gigantischer Beethoven, sondern ein energiegeladener, ungestümer, feuriger. Die Orignalaufnahme stammt vom 26. Februar 1936 (für EMI) aus dem Großen Musikvereinssaal in Wien. Besonders beeindruckend finde ich hier den Letzten Satz, den man sich kaum spannender oder dynamischer vorstellen kann. Die historische Aufnahmequalität steht dem nicht im Wege, sie ist einfach egalisiert...

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Lieber Alfred Schmidt


    Mit Mono und historischer Tonqualität hast du kein Problem. ;) Die Weingartner-Aufnahme ist auch der Hammer.


    Für das Tonformat der Fernsehaufnahme kann Felix Weingartner nicht verantwortlich gemacht werden. Erfreulich, dass dieses Magnetband-Dokument erhalten ist. Wie die Bogenstriche der Streicherstimmen an einigen Stellen unterschiedlich eingesetzt werden, ist schon bemerkenswert. Das kann sehen, wer die DVD besitzt.


    LG moderato

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich möchte gerne auch nochmals auf die Aufnahme der 8. Sinfonie durch die in Europa wohl weniger bekannt gewordene Einspielung durch das MARLBORO FESTIVAL ORCHESTRA unter PABLO CASALS hinweisen, die unter den so vielen realisierten Einspielungen zu meiner persönlichen Referenzaufnahme geworden ist. Hier überträgt sich von dem damals schon hochbetagten CASALS - er war zum Zeitpunkt der Aufnahme immerhin schon 87 Jahre alt - auf das Orchester eine immer noch erstaunliche Frische, Spontaneität, Lebendigkeit, Leidenschaft, Eindringlichkeit, und es entstand in bewundernswerter Weise aus den zusammengewürfelten Einzelkünstlern, Freunden von CASALS, die er jeweils zu diesem Festival einlud, und die aus namhaften Kammermusikern, Hochschulprofessoren, Musikpädagogen und Schülern bestanden, - darunter schon damals renommierte Instrumentalisten wie ZIVI ZEITLIN, JAIME LARDEO, Violine, HERMAN BUSCH und LYNN HARRELL, Violoncello, MYRON BLOOM, Horn und viele andere, ein doch weitgehend homogenes Ganzes, und dies instrumentaltechnisch auf höchstem Niveau. Eine sehr wertvolle Momentaufnahme aus dem Leben dieses großen Künstlers, der hier seine ganz besonderen eigenen ideellen und künstlerischen Vorstellungen auf das Orchester übertagen konnte. So bekam diese Live-Aufnahme mit ihren 40 hochprofessionellen Akteuren eine sehr individuelle Note mit schlankem, aber kräftigen Orchesterklang und exemplarischer Durchhörbarkeit, trotz zügiger Tempi. Wie Nemorino die SCHERCHEN-Aufnahme charakterisiert, z.. B. Rasanz, Drive und flotte Tempii, so trifft dies auch annähernd auch auf die CASALS-Aufnahme zu. CASALS ist mit einer Gesamtspielzeit von 25:30 Minuten deutlich schneller unterwegs als z. B .FURTWÄNGLER mit 27:19 Minuten . KNAPPERTSBUCH ist noch langsamer, oder auch SZELL in seiner Aufnahme von 1974. Die Spielzeit deckt sich weitgehend mit der von GIELEN, und abgesehen vom 4. Satz, wo CASALS langsamer ist, auch mit der von SCHERCHEN.

    Der Ton der Aufnahme ist nicht optimal und sehr direkt, und entspricht nicht der Quaität, die man heute von einer Stereo-Aufnahme erwartet.


    wok



  • RE: Pierre Monteux

    Monteux, das sei noch gesagt, liefert ebenfalls eine wunderschöne Achte (Decca), aber ihr fest es ein bißchen an der Aggressivität, mit der Scherchen hier zur Sache geht. Dafür legt er mehr Gewicht auf die humorvolle Seite des Werks, und sein französischer Charme ist eine schöne "Zugabe"

    Die Beethoven-Sinfonien unter Pierre Monteux waren ja mein letzter Beethoven-Sinfonien Neuzugang - in der CD-Box MONTEUX Complete Decca-Recordings. Einige Sinfonien aus dem Zyklus, wie die Sinfonien Nr.1 und 2, die 3 Eroica mit dem CGBO, die Sinfonie Nr.7 mit dem LSO sind ihm ausgezeichnet gelungen. Auch klanglich gibt es weder bei den Aufnahmen mit den Wiener PH noch mit dem LSO etwas auszusetzen.


    Die Sinfonie Nr.8 mit Monteux / Wiener PH ist mir aber zu harmlos konservativ geraten. Da hilft auch der von Dir erwähnte "französische Charme" nichts mehr. Mir fehlt deutlich das, was ich bei dem grossen Beethoven-Dirigenten Leonard Bernstein vorfinde: Emotion !

    Die Spielzeiten von Monteux: 9:58 - 3:40 - 5:01 - 7:30


    *** Da habe ich gegenüber Monteux ganz deutlich vorne liegend meinen vorletzten Beethoven-Sinfonien Neuzugang Ansermet entgegenzusetzen:


    Ernst Ansermet

    Von Ansermets Beethoven-Sinfonien, die selten bis nie im Vordergrund standen und eher allgemein unbekannt geblieben sind, war ich ja Anfang des Jahres 2019 absolut geplättet vor Begeisterung.

    Nicht nur, dass die Decca-Klangqualität sogar die meistverkaufte und bekannteste GA mit Karajan (DG, 62) übertrifft, sondern auch von der Interpretation sich auf gleich hohem Niveau befindet, sich aber bei der Sinfonien Nr.8 ganz deutlich nach vorne absetzt.

    :angel: Ansermet bietet eine spannende Int mit dem nötigen Biss mit Emotion und die Paukenstellen sind alle wunderbar präsent aufgenommen und versinken nicht im Orchesterklang ... was will man mehr ?

    Die Spielzeiten sind nicht so herrlich straff wie bei Szell oder Chailly, aber immer noch voll angemessen: 10:03 - 3:58 - 5:27 - 8:00


    Decca, 1958 - 1964, 1964 (Nr.8), ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die Sinfonie Nr.8 mit Monteux / Wiener PH ist mir aber zu harmlos konservativ geraten. Da hilft auch der von Dir erwähnte "französische Charme" nichts mehr.

    Lieber Wolfgang,


    "harmlos-konservativ" würde ich die Aufnahme nicht nennen, aber im Vergleich zu Scherchen, Leibowitz oder Szell (die Bernstein-Aufnahmen -DGG bzw. CBS- kenne ich nicht) ist sie natürlich viel gemäßigter ausgefallen. Ich empfinde sie als schöne Alternative zu den vorgenannten, und gerade der "französische Charme", aber auch der feinsinnige Humor des Dirigenten machen mir Freude. Vielleicht bin ich auch, wenn der Name Monteux erscheint, ein wenig voreingenommen, dieser Dirigent liegt mir nun einmal besonders am Herzen.

    In dem Zusammenhang will ich aber noch kurz Klemperers Achte ins Feld führen (eines weiteren Lieblingsdirigenten), die mich wiederum durch ihren derben, etwas knorrigen Humor beeindruckt:

    Noch ein Wort zu Ansermet: Von ihm liegt mir nur Beethovens Fünfte auf LP vor, die ich doch recht nüchtern fand, und an Karajans "Wumm" in seiner 1962er Aufnahme darf man erst gar nicht denken. Ich war mehrfach versucht, mir trotzdem die GA auf CD anzuschaffen, aber ich habe bereits über ein Dutzend GA der Beethoven-Sinfonien, die vielen Einzelausgaben gar nicht gerechnet.

    Wie hast Du kürzlich hier an anderer Stelle so schön gesagt: Schluß mit lustig. Und ich habe in diesem Fall entschieden: Schluß mit Ludwig^^, allerdings nur was weitere Käufe betrifft!


    Schöne Grüße ins nachbarliche Bonn,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Selten genannt, dabei ganz großartig:




    Igor Markevitch mit dem Orchestre Lamoureux - auch schon in Stereo (Philips, 12/1959).

    Ich besitze die CD in folgender Aufmachung:



    wobei bei mir Oktober 1959 als Aufnahmedatum genannt wird (was allerdings der künstlerischen Qualität der Interpretationen keinen Abbruch tut ;))

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    danke für den Hinweis; das scheint mir eine französische Ausgabe zu sein.

    Markevitch mit Beethoven-Sinfonien in STEREO: Da könnte ich leicht wieder schwach werden ….


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Markevitch hat 1,3,5,6,8,9 eingespielt. Ich glaube, außer 3 und 6 sind alle in Stereo (die 1 habe ich nicht, die ist auf CD zusammen mit Haydn 103+104 und diese CD war mir gebraucht immer zu teuer und inzwischen sammele ich kaum noch weitere Aufnahmen dieses Repertoires).

    Meiner Erinnerung nach ist die CD mit 5+8 mit einigem Abstand die beste.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Korrekt, lieber Nemorino, es ist eine französische "low budget" Serie. "La collection classique: les 75 références" Offensichtlich ist Igor Markewitsch für "Beethoven referenzwürdig" erachtet worden, denn auch seine Aufnahme der 9. Sinfonie (die ich allerdings nicht kenne) ist in dieser Reihe, die 1999 herausgegeben wurde, erschienen.


    Der Kauf der CD lohnt sich auf jeden Fall, denn der Dirigent und das Orchester gehen mit viel Leidenschaft ans Werk. Auch und gerade die 5. Sinfonie klingt nicht wie ein "Repertoirestück", sondern weiß mit frischen Tempi und Temperament zu gefallen. Die 8. Sinfonie glänzt mit Esprit und einem feinsinnigen, eleganten Humor. Die Klangtechnik ist natürlich nicht mit heutigen Maßstäben zu messen, aber altersgemäß absolut akzeptabel. Sie gibt den Aufnahmen einen für mich sehr angenehmen "rauen Charme".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Meiner Erinnerung nach ist die CD mit 5+8 mit einigem Abstand die beste.

    Das würde ich so unterschreiben. Die Fünfte habe ich als eine der allerbesten in Erinnerung, sehr spritzig und zupackend. Bei der Achten liefert Markevitch ein absolutes Plädoyer für dieses Werk.


    Kurios, dass mir seine Neunte bislang gar nicht unterkam - tatsächlich schon in Stereo. Eine empfindliche Lücke, die man alsbald schließen sollte. Leider sind die Aufnahmen nur schwer greifbar und man braucht Geduld und Glück, um an sie günstig heranzukommen. Da täte eine Neuauflage durch DG Eloquence not.


    Die Erste habe ich in der Auflage in der Sammlung:



    Ebenfalls dabei: Haydns 103. und 104. sowie Nielsens 4. Symphonie und Rimskis Scheherazade - alles in Stereo. Es handelt sich um ziemlich gute LP-Überspielungen. Trotzdem wäre eine offizielle CD-Ausgabe auch hier wünschenswert.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Der Kauf der CD lohnt sich auf jeden Fall, denn der Dirigent und das Orchester gehen mit viel Leidenschaft ans Werk.

    Lieber Norbert,


    vielen Dank für den Tip, ich habe die CD auf meine Wunschliste gesetzt. Wenn nur der verfluchte Platzmangel nicht wäre!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,


    das mit dem Platzproblem ist mir nicht ganz unbekannt...;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Es gab/gibt Beethoven 1 + Haydn "offiziell" auf CD in Frankreich und Japan. Fürchte allerdings, dass es heutzutage da höchstens ein Download, keine Neuauflage als CD geben wird.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)