Hip, Hip, Hurra!

  • letzter Versuch...


    mir geht es nicht um altersbedingte Veränderung...


    mit der Anzahl hast du bestimmt recht, aber


    es geht nicht um "Ausbildung im HiP Gesang" - meines Wissens nach gibt es so etwas bis jetzt nicht... sondern um eine Singweise, die von Dirigenten gefordert wird, und die sich jene Sänger aneignen...


    mit "vibratoloses Singen" spiele ich genau auf jene "geraden, schwerelosen Töne" (auch -ohne Körper gesungen) an, die in der HIP Musik IMO so auffallend sind...
    und das halte ich nicht für ideal -
    und -


    ich habe eben schon davon gehört, daß sich jemand mit dieser Singweise die Stimme ruiniert habe -
    ich weiß allerdings keine Details dieses Gesprächs mehr...


    mehr wollte ich nicht ausdrücken:


    WH:

    Zitat

    Mir ist jedenfalls noch kein Beispiel zu Ohren gekommen, dass sich jemand mit HIP die Stimme ruiniert hätte.


    MIR SCHON



    sorry, falls das jetzt zu schulmeisterlich rüberkommt.



    um den Gedanken weiterzuführen - kann ich auf meine kleine Meinungsverschiedenheit mit Edwin verweisen, in der es um Puccini-SIngweise ging...
    für mich gestaltet sich das Problem derart: es gibt


    entweder klare, leichte, bewegliche Stimmen


    oder


    lyrische, schwerere, klangvolle


    eine Kombination ist meiner Erfahrung nach nicht möglich!


    am auffälligsten waren zwei Erlebnisse:
    eine Sängerin, die hervorragend einen Part in Händels Orlando gesungen hat, mit brillantesten Koloraturen, hat sich an Donizetti versucht - - keine einzige Legatolinie hat gestimmt, kein "Bogen"


    dasselbe in der Kirchenmusik:
    eine Sängerin, die ich von Mozart Messen und dem Messias her kenne, hat Schubert Es-Dur Messe "versucht"...
    beim "et incarnatus" braucht man "im Kampf gegen zwei Tenöre in Bestlage" schon einigermaßen "Stoff", um hörbar zu bleiben... das war dann nicht ausreichend der Fall...


    Mein Reizwort in diesem Fall ist "schlank" singen... das ist nicht mal in der Frühromantik so sehr möglich wie in der Barockmusik - man braucht nur in die Partitur zu sehen...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)



  • JAAA, das hast du schon in deinem ersten posting geschrieben und jeder hat´s kapiert. Nun reg dich wieder ab!


    Die Frage danach, welche Sparte länger im Alter auf hohem Niveau durchhalten kann, hast du selber aufgeworfen und ich habe darauf geantwortet. Also wo ist das Problem?



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Um noch mal auf einen anderen Aspekt zurückzukommen:



    Es ist selbstverständlich nicht völlig egal, ob historische oder moderne Instrumente zum Einsatz kommen. Wenn das irgendeiner "erkannt" hat, liegt er meines Erachtens ausgesprochen schief. Denn sowohl Dynamik als auch Artikulation lassen sich auf modernem Instrumentarium nicht so gestalten wie auf den alten Geräten - jedenfalls verhält sich das bei den Bläsern so. Die ollen Oboen sprechen bei deutlich weniger präsentem Klang in der Tiefe viel besser an als die heute üblichen Instrumente, und z.b. ein Rezitativ aus dem WO für 2 d´amores, b.c. und Gesang läßt sich in Sachen Balance auf neuen Kannen nicht so gestalten wie auf den alten Stuhlbeinen. Und mit der Artikulation sieht es ähnlich aus - gewisse Mischformen zwischen Stakkato und Legato sind auf modernen Instrumenten überhaupt nicht ausführbar.


    Also, trotz HIP-Geist in beiden Fällen wird eine Aufführung mt alten Instrumenten immer ein völlig anderes Ergebnis zeitigen.


    Was man persönlich lieber hört, steht auf einem ganz anderen Blatt. Mir geht es beim Erleben von Musik nicht um historisch-museale "Objektivität", sondern mir geht es darum, innerlich bewegt zu werden. Und das werde ich aus verschiedenen Gründen auch bei Barockmusik eher, wenn auf modernen Instrumenten gespielt wird.


    Viele Grüße


    Bernd




  • so mir fallen gleich ein paar Sänger ein die noch zu den älteren Generationen gehören und immer noch singen:


    Emma Kirkby, Montserrat Figuerras z.B. aber ich habe mir da noch nie Gedanken gemacht seit wann die Damen und Herren im Geschäft sind.
    Mit Harnoncourt habe ich zuwenig Erfahrung - seine älteren Aufnahmen besitze ich nur Bruchstückhaft.
    Diese beiden Damen dürften jedenfalls seit Anfang der 70er tätig sein.


    Es gibt auch noch viele weitere Sänger die schon ewig tätig sind, vielleicht noch nicht seit den 60er Jahren, aber wenigstens seit Beginn der 80er.


    Für mich war HIP auch eine Entdeckung.
    Als ich mit 12 intensiv anfing Barockmusik zu hören kaufte ich eher gemischt - aber da waren ein paar Aufnahmen eben ganz anders ...
    Savall, Christie, Minkowski, Jacobs etc. das waren die Namen die mich faszinierten, sie spielten die Musik viel frischer, da hatten die anderen "Versuche" keine Chance mehr - es war schlicht langweilig.



    Ich kann in allen Punkten Thomas nur zustimmen. Zwar gibt es auch hin und wieder eine ältere Aufnahme die ich hochschätze, aber das sind eher Ausnahmen.
    Man braucht einfach die erkenntnisse der HIP Bewegung um eine Barockoper aufzuführen, alles andere wird zum Fiasko.
    Die Rhetorik ist so imens wichtig - da geht es nicht um Belcanto, das ist was ganz anderes. Die Textverständlichkeit ist oberstes Gebot.



    Jacobs hat mal über die alten Instrumente folgendes gesagt:
    "Ich verwende diese Instrumente nicht um ihrer selbst, sondern wegen der Menschen die sie spielen, da sie diese Musik mehr lieben."


    Ich glaube er hat verdammt Recht.
    Man benötigt einen gewissen Hang zu dieser Musik um sie gut spielen oder singen zu können.


    Ich bevorzuge in jedem Fall historisches Instrumentarium, da es mir so vorkommt, als haben die alten Bauweisen mehr Wert auf Klang gelegt, die neuen vereinfachen nur das Spiel und es geht nur noch um Lautstärke. Und wie Jacobs schon gemeint hat, bei diesen Ensembles ist einfach mehr Liebe zum Detail vorhanden.


    Man sollte für die entsprechende Musik auch die entsprechenden Medien verwenden, denn für diese Instrumente ist die Musik geschrieben worden - man hängt ja schließlich auch kein Gemälde von Rubens mit einem Plastikrahmen auf :stumm:



  • Hallo tastenwolf,


    darüber besteht, zumindest bei mir, absolute Zustimmung zu dem von dir geschriebenen. Worum es geht, ist Musik aus verschiedenen Epochen mit den dazu passenden Mitteln wiederzugeben. Verismo hat in einer Oper von Cavalli nichts zu suchen, und umgekeht natürlich genauso. Man merkt ganz schnell, dass solche Übertragungen in den allermeisten Fällen nicht funktionieren, das hast du schön anhand der beiden Beispiele beschrieben. Was für Stimmen gilt, das gilt meines Erachtes erst recht für die instrumentalen Parts. Wenn beispielsweise eine Canzon von Gabrieli mit modernem Blech gespielt wird, geht ein Großteil des Charakters der Musik verloren. Es mag zwar ganz schön klingen, aber erst mit Zinken und Posaunen alter Mensur wird spannende Musik daraus.


    herzliche Grüße,
    Thomas

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  • Zitat

    Original von salisburgensis
    [quote]Original von tastenwolf
    .... Wenn beispielsweise eine Canzon von Gabrieli mit modernem Blech gespielt wird, geht ein Großteil des Charakters der Musik verloren. Es mag zwar ganz schön klingen, aber erst mit Zinken und Posaunen alter Mensur wird spannende Musik daraus.


    herzliche Grüße,
    Thomas


    Hallo Thoimas,


    genau dieses Ideologische, dieser Ausschließlichkeitsanspruch ist das, wes mich bei vielen HIP-Anhängern stört. Es mag ja sein, daß für dich der Charakter der Musik verloren geht, wenn Gabrieli auf modernen Intrumenten gespielt wird. Aber für meine Ohren ist das mitnichten der Fall. Im Gegenteil, manchmal verstehe ich "Alte Musik" erst, wenn sie auf modernen Instrumenten gespielt wird (bei Bachs Suiten, Partiten oder dem Wohltemperierten Klavier blicke ich nur durch, wenn ein Klavier statt eines Cambalos verwendet wird).
    Ich begreife ja, was euch an der historischen Aufführungspraxis so reizt und billige euch eure Vorlieben zu. Aber akzeptiert doch bitte, daß andere andere Idealvorstellungen haben!


    Ich bevorzuge in jedem Fall historisches Instrumentarium, da es mir so vorkommt, als haben die alten Bauweisen mehr Wert auf Klang gelegt, die neuen vereinfachen nur das Spiel und es geht nur noch um Lautstärke.


    Selbstverständlich geht es jedem sensiblen Musiker, der auf einem modernen Instrument spielt, nicht nur um Lautstärke. Und daß das Spielen von Barockmusik auf modernen Instrumenten grundsätzlich einfacher ist, stimmt so pauschal nicht. Wie schon gesagt hat man auf den alten Instrumenten bestimmte Balance-Probleme nicht, und auch manuell liegen diverse Passagen eher günstiger.


    ... man hängt ja schließlich auch kein Gemälde von Rubens mit einem Plastikrahmen auf


    Ich hätte zum einen nicht viel gegen einen geschmackvollen Plastikrahmen. Und zum anderen beleuchtet man den Rubens im Museum mit moderner Technik und nicht mit alten Tranfunzeln. Unter Umständen wird er sogar mit dem Einsatz von High-Tech restauriert.....


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Selbstverständlich geht es jedem sensiblen Musiker, der auf einem modernen Instrument spielt, nicht nur um Lautstärke. Und daß das Spielen von Barockmusik auf modernen Instrumenten grundsätzlich einfacher ist, stimmt so pauschal nicht. Wie schon gesagt hat man auf den alten Instrumenten bestimmte Balance-Probleme nicht, und auch manuell liegen diverse Passagen eher günstiger.



    das habe ich so nicht geschrieben - lies Dir mal die Stelle nochmal durch.
    Das Spiel auf alten Instrumenten ist um ein vielfaches schwieriger. Man denke nur an die Naturtrompeten, deshalb gab es ja auch erst die ganzen Vereinfachungen, die sich aber meiner Meinung nach nachteilig auf den Klang auswirkten.



    Ich meine auch nicht mich so ausgedrückt zu haben, dass ich HIP als Dogma betrachte und nichts anderes gelten lasse.
    Wenn es gute Aufführungen mit modernen Instrumenten und Techniken gibt, dann habe ich da absolut nichts gegen einzuwenden.
    Ich bevorzuge das nur, und das sollte man akzeptieren.


    Aber gerade die Musik des 17. Jahrhunderts - die von vielen ja gar nicht gekannt wird - kann man so einfach nicht spielen, das ist was anderes als Bach oder Händel. Die Kompositionen verlangen Gamben, Theorben, Zinken etc. - da gibt es keine modernen Entsprechungen. Und da muß man mit anderen techniken heran gehen - gerade die Italienische Oper lebt so dermaßen von der Improvistation - das gibt es bei herkömmlichen Ensembles nicht.
    Gabrieli mit modernen Blechbläsern - das ist wie Weihnachtsmarkt im Wohnzimmer - das wird den Canzonen und Sonaten in keiner Weise gerecht.
    Oder die Ballette und Tänze - die Tempi sind auf den Partituren nie angegeben, wie will man also ohne Wissen um diese Tänze und deren Gestaltung sie angemessen spielen ?
    Ich verlange das man die Tänze in den vorgesehenen Tempi spielt und nicht aus einem Menuet einen Walzer macht nur weil sie beide im 3/4 Takt stehen - da lasse ich keien Kompromisse zu - in dem Bereich bin ich Dogmatisch!


    Abgesehen davon ist HIP auch nur eine Annäherung - denn auch als Hörer wissen wir sehr wohl, dass es vielleicht so gewesen ist, denn dabei war ja niemand. Keiner der Musiker hat jemals behauptet "Ja genauso hat es geklungen" das sind die ständigen Unterstellungen von Kritikern denen diese Musizierpraxis, warum auch immer, ein Dorn im Auge ist.
    Anstatt sich über die Vielfältigkeit zu freuen ... :rolleyes:





    zu den Gemälden - im Idealfall benutzt man gar keine Beleuchtung, sondern nur Tageslicht zumindest ist das bei unseren Museen hier in Kassel so. ;)

  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Um noch mal auf einen anderen Aspekt zurückzukommen:


    Es ist selbstverständlich nicht völlig egal, ob historische oder moderne Instrumente zum Einsatz kommen. Wenn das irgendeiner "erkannt" hat, liegt er meines Erachtens ausgesprochen schief. Denn sowohl Dynamik als auch Artikulation lassen sich auf modernem Instrumentarium nicht so gestalten wie auf den alten Geräten - jedenfalls verhält sich das bei den Bläsern so.


    Dass es egal ist, hat wohl nie jemand behauptet. Aber ein Vergleich irgendeiner Mozart-Sinfonie, die Harnoncourt mit dem Concertgebouw eingespielt hat, mit demselben Stück unter Gardiner auf alten Instrumenten zeigt, dass die geringfügigen Unterschiede im timbre hier völlig verblassen. Der Unterschied zwischen einer Aufnahme von sagen wir Marriner mit modernen und Gardiner mit alten Instrumenten ist viel geringer als der zwischen Gardiner und Harnoncourt, weil eben Phrasierung, Dynamik, Agogik usw. so unterschiedlich sind.
    Allerdings wäre der Unterschied in der Tat noch deutlicher, wenn Harnoncourt "seinen" Concentus dirigieren würde.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    es geht mir nicht um "geringfügige" Unetrschiede im Timbre, sondern um grundlegend andere Möglichkeiten in der Artikulation und vor allem der Dynamik bzw. Balance.


    In einer Aufnahme läßt sich das alles retouchieren, live sieht die Sache schon ganz anders aus.


    Überhaupt finde ich es ausgesprochen inkonsequent, wenn überzeugte HIPler Aufnahmen mit moderner Studiottechnik machen.....


    Gabrieli mit modernen Blechbläsern - das ist wie Weihnachtsmarkt im Wohnzimmer - das wird den Canzonen und Sonaten in keiner Weise gerecht.


    Na, dann bin ich ja beruhigt darüber, daß es Leute gibt, die hundertprozentig "objektiv" wissen, was Herrn Gabrieli, den man leider nicht mehr fragen kann, gerecht wird und was nicht....und ich entschuldige mich schon mal im Voraus dafür, daß ich Barockmusik auch fürderhin völlig "falsch" interpretieren bzw. CDs mit "falschen" Interpretationen kaufen werde.


    Banausische Grüße


    Bernd

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  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Überhaupt finde ich es ausgesprochen inkonsequent, wenn überzeugte HIPler Aufnahmen mit moderner Studiottechnik machen.....



    Hallo Bernd,


    wenn alle die von dir verlangte Konsequenz umsetzen würden, dann dürfte es keine Aufnahmen von Musik geben, die vor der Entwicklung der jeweilig benutzten Aufnahmetechnik geschrieben wurde. Aber, wer will das schon...?



    herzliche Grüße,
    Thomas

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  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Gabrieli mit modernen Blechbläsern - das ist wie Weihnachtsmarkt im Wohnzimmer - das wird den Canzonen und Sonaten in keiner Weise gerecht.


    Na, dann bin ich ja beruhigt darüber, daß es Leute gibt, die hundertprozentig "objektiv" wissen, was Herrn Gabrieli, den man leider nicht mehr fragen kann, gerecht wird und was nicht....


    Hallo Bernd,


    ich sehe Deinen Einwand ein, wenn Du der Ansicht bist, dass man Mozarts Klaviersonaten gerecht wird, wenn man sie auf einem Keyboard mit elektronischen Klängen spielt.


    :hello:

  • Hallo Thomas,


    was es für meinen Geschmack nicht geben dürfte: Aufnahmen, die aus x Versuchen zusammengeschnitten sind, und bei denen hauptsächlich der Tontechniker anstelle der Musiker für den gewünschten Klang und die Spitzendynamik gesorgt hat. Das betrifft jede Art von Musik, nicht nur die sogenannte "Alte". Aber gerade bei letzterer verstehe ich nicht, warum Interpreten auf der einen Seite über jeden Bindebogen vorher eine wissenschaftliche Arbeit schreiben, während sie andererseits dann aus ihren Interpretatonsvorstellungen ein synthetisches Produkt von Tontechnikers Gnaden zusammenmixen lassen.


    Kurzstückmeister, auf einem Keyboard lassen sich im Vergleich zum Klavier überhaupt keine Nuancen realisieren. Es ist für Mozart daher ebenso ungeeignet wie für Bach, Couperin, Brahms, Bartok und Schönberg.


    Frage: Was hältst du denn davon, daß man die "Traurige Weise" im Tristan heutzutage allerorten auf einem moderen Englischhorn französischer Bauart spielt, während Wagner sie für ein völlig anderes Instrument mit anderer Mensur und anderem Klangbild komponiert hat?


    Lullist, ich lese die vorhergehenden Beiträge grundsätzlich nie, sondern pflege immer nur so draufloszuschreiben - selbstverständlich mit null Hintergrundwissen. :D


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    ich stimme dir voll zu, die Schipselei ist keine schöne Sache. Wie du selbst schon angemerkt hast, ist das keine Eigenart von HIP-Aufnahmen, sondern das ist ein generelles Phänomen. Ich meine mich zu erinnern, dass es darüber schon einen Thread gibt.


    Mir will nicht ganz in den Kopf, was die Zahl an Publikationen und die CD-Produktion in Schnipselmanier in besonderer Bezugnahme zur Alten Musik miteinander zu tun haben. Wenn ich z.B. die Disskusion um den Beckenschlag in einer Brucknersinfonie lese, dann bin ich überzeugt davon, dass es auch eine Menge wissenschaftlicher Arbeiten in anderen Bereichen als der Alten Musik gibt.



    herzliche Grüße,
    Thomas

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  • Hallo Thomas,


    für mich paßt der Anspruch des "authentischen" Musizierens mit der von dir treffend benannten "Schnipselei" halt besonders schlecht zusammen.


    Und bei den HIP-Leuten wird schon ganz extrem geknispelt. Ich weiß das aus unzähligen Diskussionen mit Freunden, die auf "alten" Instrumenten spielen. Einerseits bewundere ich diese Detailbesessenheit durchaus, andererseits fürchte ich manchmal, daß darüber die große Linie und vor allem die unbedarfte Freude am Musizieren verloren gehen kann. Ab einem gewissen Punkt wird es nur noch akademisch.



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Hallo Bernd,


    wird nicht die Klassische Musik allgemein von vielen als akademisch eingestuft? Soll dann HIP die akademischste aller Akademien sein?


    Aber prinzipiell hast du recht, dass Studioproduktionen schonmal etwas steril daherkommen. Deswegen sind mir live-Aufnahmen manchmal lieber als Studioproduktionen. Aber auch das, so denke ich, ist kein Merkmal, was auf HIP allein bezogen werden kann.



    herzliche Grüße,
    Thomas

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  • Hallo Thomas,


    ich habe halt schon öfters hautnah mitbekommen, wie HIP-Leute in jedem Fliegenpünktchen herumgraben. Außer ihnen selber hört oft hinterher kein Mensch, ob die (eh rasend schnellen) 16tel in Takt 37 jetzt mit einer Zweier- oder Dreierbindung gespielt wurden, aber zur Klärung dieser Frage wurden vorher Archive bemüht, zeitgenössische Lehrwerke gewälzt, kurz: tagelange Studien betrieben.
    Vor einem Jahr habe ich bei einer Aufführung des Telemann-E-dur-Konzerts für Flöte, Oboe d´amore, Viola d´amore und Streicher solistisch mitgewirkt. Ich erzählte das vorher einem Freund, der professionell Barockoboe spielt. Dieser erklärte mir sofort, die käuflich zu erwerbende Notenausgabe sei unter aller Kritik. Er drängte mir seine nach Archivkopien erstellten Stimmen auf - und ich habe, als wir nach diesen Noten gespielt haben, ebenso wie alle anderen Mitwirkenden überhaupt keinen spürbaren Unterschied feststellen können.


    Ich weiß nicht, ob du selber Musik machst. Vor knapp 20 Jahren habe ich mein erstes Weihnachtsoratorium hinter mich gebracht, und seither spiele ich immer wieder öffentlich Barockmusik. Vielleicht kann sich jemand, der weniger in der Praxis steht, nicht richtig vorstellen, wie lähmend es sein kann, wenn man in jedem Moment des Spielens der Musik einen vorher bis ins kleinste durchgerechneten Ausdruck überstreifen muß, wenn man bei jeder Note in Kalkül ziehen muß, ob man sie jetzt historisch korrekt gespielt hat, wenn man an nichts anderes denkt als daran, was nun Quantz und Hanoncourt dazu gesagt hätten. Da ist jede Spontaneität und letztlich jede FREUDE am Musizieren ganz schnell beim Teufel.
    Damit kein Mißverständnis aufkommt: Ich bin nicht der Meinung, daß man sich mit alten Spieltechniken, mit Quellen und Zeitzeugnissen überhaupt nicht beschäftigen muß. Im Gegenteil, die HIP-Bewegung hat hier ganz viel Licht in ein vorher erbärmliches Dunkel gebracht, und kein ernsthafter Musiker kann heute dieses Licht ignorieren. Nur sehe ich in der rastlosen Besessenheit, alles, aber wirklich alles bis zum letzten I-Tüpfelchen so "authentisch" wie möglich zu machen, auch eine gewissen Gefahr.
    Hanoncourts Salzburger Figaro ist ein schönes Beispiel dafür, wohin man letztlich kommt, wenn man glaubt, als nahezu einziger die direkte Telefonleitung zu Mozart erwischt zu haben.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Ich weiß nicht, ob du selber Musik machst. Vor knapp 20 Jahren habe ich mein erstes Weihnachtsoratorium hinter mich gebracht, und seither spiele ich immer wieder öffentlich Barockmusik. Vielleicht kann sich jemand, der weniger in der Praxis steht, nicht richtig vorstellen, wie lähmend es sein kann, wenn man in jedem Moment des Spielens der Musik einen vorher bis ins kleinste durchgerechneten Ausdruck überstreifen muß, wenn man bei jeder Note in Kalkül ziehen muß, ob man sie jetzt historisch korrekt gespielt hat, wenn man an nichts anderes denkt als daran, was nun Quantz und Hanoncourt dazu gesagt hätten. Da ist jede Spontaneität und letztlich jede FREUDE am Musizieren ganz schnell beim Teufel.


    Dass man das so machen sollte, ist natürlich eine absurde Verzerrung des HIP-Ansatzes. Es gibt z.B. von Harnoncourt explizite Äußerungen dazu, dass eine solche Lähmung natürlich nicht eintreten darf, dass die Rhetorik sozusagen zur zweiten Natur werden muß (bzw. dass man dieses Wissen zwar präsent haben, es aber im Augenblick des Musizierens quasi vergessen sollte). Dadurch, dass man gewiß einmal vorkommende Übertreibungen anführt, kann man ALLES lächerlich machen.
    Abgesehen davon, dass es "ins kleinste durchkalkulierten Ausdruck" auch bei vielen nicht-HIPpen Musikern gibt und das per se ja nichts schlechtes ist, finde es ehrlich gesagt etwas schockierend, dass nach 50 Jahren HIP immer noch dieselbe Nicht-Argumente vorgebracht werden. Der Figaro-thread ist mal wieder bezeichnend: Ohne wirklich auf die explizit vorgebrachten Argumente einzugehen oder gar plausible Gegenargumente einzugehen, wird Harnoncourt angeblicher Unfehlbarkeitsdünkel vorgeworfen. Viel dünkelhafter ist doch wohl die Einstellung "So hammers halt schon immer gmacht, das muss einfach richtig sein", die vielfach immer noch anstelle von Argumenten zur "Widerlegung" ausreichen soll. Welche Seite dogmatisch i.e.S. ist, scheint mir hier ziemlich klar.
    Und wenn angeführt wird, dass sich all die großen Musiker, die es jahrzehntelang anders gemacht haben, nicht alle irren können, so ist zum einen darauf hinzuweisen, dass sie z.B. im Falle von Beethovens Metronomangaben, sich mitunter nicht geirrt, sondern Sachen bewußt ignoriert haben, zum andern, dass es ja eine ganze Menge traditionell ausgebildeter Musiker gibt, die von z.B. Harnoncourt so angetan sind, dass sie ihn immer wieder einladen, u.a. die als blasiert und konservativ verschrieenen Wiener Phil (und von den Harnoncourtschen Neujahrskonzerten war nichtmal ich begeistert). Ich bin sogar der Ansicht, dass man MM u.a. Angaben ignorieren darf bzw. in einem Kontext betrachten und gegenüber anderen Aspekten gewichten muß. Letzlich zählt das Ergebnis. Und wie schon anderswo gesagt, sind große Kunstwerke (wie etwa Figaro) schlicht zu vielschichtig, als dass eine Interpretation allen Aspekten gerecht werden könnte. Das ist ja ein wesentlicher Grund, warum es immer wieder Neuinszenierungen und -interpretationen geben sollte.


    Nicht nur meinem Eindruck nach spricht außerdem aus vielen (natürlich nicht allen) HIP-Einspielungen eine Spontaneität und Spielfreude die anderen (nicht nur) Barockinterpretationen fehlt, z.B. Vivaldi etc. von "Il Giardino Armonico".


    viele Grüße


    JR

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  • Hallo Johannes,


    lassen wir es mal dahin gestellt, ob ich von "einmal vorkommenden Übetreibungen" oder von einer für die Szene symptomatischen Haltung gesprochen habe. Ich kann halt nur von meinen eigenen Erfahrungen mit (mir teilweise wirklich gut befreundeten) HIP-Musikern ausgehen.


    "So hammers halt schon immer gmacht, das muss einfach richtig sein" ist in der Tat eine fatale Einstellung, auf die man leider immer noch bei nicht wenigen Orchestermusikern stößt. Aber das andere Extrem "Ich mache es ganz anders als alle, denn ich bin der einizige, der objektiv weiß, wie es geht" ist in menen Augen ebenso problematisch. Vielleicht läßt sich da ja doch ein Mittelweg finden.


    Und wenn ein Hanoncourt seinen Kritikern entgegnet, sie hätten den Figaro x mal falsch gehört, steckt dahinter schon eine gehörige Portion Dünkel. Ich schätze ihn wirklich als großen Musiker, der sich enorm viele Gedanken gemacht und dadurch eine wichtige Entwicklung ins Rollen gebracht hat, aber so pauschal kann man die Kollegen nicht ins Unrecht zu setzen versuchen.


    Daß aus diversen HIP-Interpretationen eine große Spielfreude spricht, bestreite ich überhaupt nicht. Ich wehre mich lediglich gegen eine Ideologie, die die historische Aufführungspraxis als einzig gangbaren Weg hinstellt. Wenn man heute öffentlich zugibt, daß man einige (nicht alle!) von Karl Richters Bachinterpretationen sehr schätzt, ist man ja schon fast ein Outlaw. Icjh habe Freunde, die sofort gequält die Augen verdrehen, wenn sie eine Händel-Sonate auf einer modernen Böhmflöte hören. Und das halte ich für scheuklappig.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Kurzstückmeister, auf einem Keyboard lassen sich im Vergleich zum Klavier überhaupt keine Nuancen realisieren. Es ist für Mozart daher ebenso ungeeignet wie für Bach, Couperin, Brahms, Bartok und Schönberg.


    Frage: Was hältst du denn davon, daß man die "Traurige Weise" im Tristan heutzutage allerorten auf einem moderen Englischhorn französischer Bauart spielt, während Wagner sie für ein völlig anderes Instrument mit anderer Mensur und anderem Klangbild komponiert hat?


    Natürlich wenig und sofern es Aufnahmen gibt, die das jeweils passende Instrumentarium verwenden, haben sie bei mir den Vorzug. Gardiner äußert sich in seinen Booklets auch genau zu solchen Instrumenten (z.B. Verdi-Requiem, Brahms-Deutsches Requiem) und treibt die richtigen Instrumente auf. Das ist für mich natürlich der Idealfall, den es leider zu selten gibt. Ich nehme also Spezialinstrumente des 19. Jh. überhaupt nicht aus, ALLES sollte auf den RICHTIGEN Istrumenten gespielt werden - zumindest ist das die beste Lösung (in meinen Ohren).


    Zum ersten Punkt warst Du natürlich eine Erklärung schuldig, welche Ansprüche Du an ein Instrument stellst, damit es nach Deiner Ansicht für gleichwertig mit dem Originalinstrument, für das das Stück komponiert wurde, gelten darf (im Beispielfalle: Original=Hammerklavier 1780, Konkurrent 1=Konzertflügel 1960, Konkurrent 2=Keyboard). Du verlangst also, dass es (das neue Instrument) mindestens soviele Nuancen realisieren kann, wie das Originalinstrument, für das das Stück geschrieben wurde. Allerdings verfügten Klaviere des ausgehenden 18. Jahrhunderts oder des frühen 19. Jahrhunderts z.T. über eine Reihe von Pedalen, die es nicht mehr gibt, und die Möglichkeiten boten, die der moderne Konzertflügel nicht bietet, was mir die Behauptung aufdrängt, dass da gewisse Nuancen auf dem moderneren Instrument nicht zur Verfügung stehen, mit denen der Komponist rechnete.
    :hello:

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  • Hallo Kurzstueckmeister,


    wenn ich dich richtig verstehe ("....haben sie bei mir den Vorzug") wäre es dir also beim Tristan die Wahl der historisch "richtigen" Instrumente wichtiger als die sonstigen Vorzüge oder Nachteile der Interpretation? Das ist das, was ich einen "musealen" Ansatz nenne. Im Falle Wagners ist diese Herangehensweise glücklicherweise sehr selten zu beobachten, oder kennst du einen Tristan, der auf dem Instrumentarium des 19. Jahrhunderts gespielt wird?


    Das, was Gardiner bei Brahms oder Verdi macht, ist für mich ein klarer Fall der historisierenden Übertreibung (als Experiment vielleicht ganz interessant, aber als Grundlage für die musikalische Praxis nicht ernstzunehmen). Wo will man denn da die Grenze ziehen? Streng genommen müßte ich, wenn das der vorzuziehende Weg ist, meinen Beruf an den Nagel hängen. Denn auch Schönberg und Strawinsky hatten beim Komponieren einen völlig anderen Bläserklang im Ohr, als er heute gang und gäbe ist. Selbst um 1940/50 herum klang mein Intrument noch komplett anders, im Instrumentenbau war man damals noch nicht so weit wie heute. Ich müßte also konsequenterweise nicht nur eine Oboe der Händelzeit besitzen, sondern auch eine "frühklassische", eine "klassische", eine für Schumann, eine für Wagner und Brahms und schließlich eine Instrument aus der Strawinsky- und Henze-Ära (eine Wiener Oboe natürlich sowieso). Und all diese Instrumente muß man nicht nur "auftreiben", man muß sie auch bedienen können. Das ist völlig illusorisch. Heute haben wir schon Spezialisten für Barock- , "klassische" und "romantische" Oboe, demnächst werden dann noch Leute dazukommen, die ausschließlich "impresisionistische" oder "neoklassizistische" Oboe spielen....? -


    Zu deinen weiteren Ausführungen: Ich habe lediglich konstatiert, daß das von dir ins Feld geführte Keyboard für eine niveauvolle Interpretation von hochrangiger Musik generell nicht gut brauchbar ist. Daß man auf einem modernen Tasten- oder Blasinstrument grundsätzlich andere klangliche Resultate (und Nuancen) erzielt als auf einem alten, ist klar - das habe ich weiter oben auch schon selber geschrieben. Die Frage ist nur, inwieweit sich dadurch Konsequenzen für die Qualität der Interpretation ergeben. Ich höre Edwin Fischers Wohltemperiertes Klavier wesentlich lieber als viele (nicht alle) Interpretationen durch bekannte Cembalisten. Und wahrscheinlich würde ich auch eine Mozart-Sonate lieber auf einem Keyboard erleben, wenn dieses Gerät von einem Pianisten bedient wird, der sehr viel zu sagen hat, als auf einem Hammerklavier, auf dem sie mehr oder minder ausdruckslos heruntergespielt wird. Das ist vielleicht der grundsätzliche Unterschied zwischen uns....


    So, und jetzt muß ich mich erst mal aus für 2 oder 3 Tage aus dieser anregenden Diskussion ausklinken. Es warten Proben für Rodrigos Concierto de Aranjuez auf mich, und ich muß mich ein wenig vorbereiten, auch wenn ich nur auf meinem zeitgenössischen Englischhorn spielen kann und nicht auf einem (völlig anders klingenden) historischen Instrument von 1939 :D.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    um zuerst deine Frage von weiter oben zu beantworten: ja ich mache auch Musik, vorwiegend - man kann sich´s schon denken - Alte Musik, meist im (Gesangs-) Ensemble, gelegentlich auch alleine. Meine Brötchen muß ich mir aber mit anderen Dingen verdienen.



    Zitat

    Bernd Schulz
    "So hammers halt schon immer gmacht, das muss einfach richtig sein" ist in der Tat eine fatale Einstellung, auf die man leider immer noch bei nicht wenigen Orchestermusikern stößt. Aber das andere Extrem "Ich mache es ganz anders als alle, denn ich bin der einizige, der objektiv weiß, wie es geht" ist in menen Augen ebenso problematisch. Vielleicht läßt sich da ja doch ein Mittelweg finden.


    Diesen Mittelweg haben meines Erachstens sehr viele HIP-Musiker gefunden. Wie ich meine selbst ein Harnoncourt, nur kochen da momentan grade die Gemüter etwas hoch. Namen wie René Jacobs, Hermann Max, Harry Christophers, Rinaldo Alessandrini oder William Christie, um nur einige zu nennen, habe ich jedenfalls im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Andersmachens um jeden Preis oder mit Selbstdarstellung als im alleinigen Besitz der Weisheit zu sein noch nicht gehört.



    Zitat

    Wenn man heute öffentlich zugibt, daß man einige (nicht alle!) von Karl Richters Bachinterpretationen sehr schätzt, ist man ja schon fast ein Outlaw. Icjh habe Freunde, die sofort gequält die Augen verdrehen, wenn sie eine Händel-Sonate auf einer modernen Böhmflöte hören. Und das halte ich für scheuklappig.


    Anstatt dich als Richterliebhaber (davon gibt es hier übrigens auch einige) darüber zu freuen, dass du dich an seinen Aufnahmen ergötzen kannst, fühlst du dich von denen ausgegrenzt, die Richter abscheulich finden und nichts von Barockmusik auf modernen Instrumenten wissen wollen. Das ist doch verschwendete Zeit! Genieße doch einfach Richters Bach und kümmere dich gar nicht darum, was andere dazu sagen.


    Ich gehöre auch zu denen, die Alte Musik nicht unbedingt gerne auf modernen Instrumenten hören wollen. Und ja, ich habe aus Selbstschutz Scheuklappen davor, weil ich jedes mal, wenn ich solches doch wieder versuche, die Erfahrung mache, dass mir das absolut nicht gefällt, dass es langweilig musiziert ist, dass ich es klanglich abstoßend finde usw. Allerdings respektiere ich deinen Geschmack diesbezüglich. Du magst es, ich nicht. Ich meine, mehr läßt sich dazu nicht sagen.



    Zitat

    Und wahrscheinlich würde ich auch eine Mozart-Sonate lieber auf einem Keyboard erleben, wenn dieses Gerät von einem Pianisten bedient wird, der sehr viel zu sagen hat, als auf einem Hammerklavier, auf dem sie mehr oder minder ausdruckslos heruntergespielt wird.


    Mit solchen tendenziösen Aussagen wäre ich an deiner Stelle sehr vorsichtig. Zu implizieren, dass die Musiker, die historische Instrumente bevorzugen, generell weniger zu sagen hätten, halte ich für ganz schlechten Stil, und zudem absolut haltlos.



    Ich wünsche viel Vergnügen mit dem anachroistisch gespielten und daher völlig verkehrt klingenden Concierto de Aranjuez. :baeh01:
    herzliche Grüße, :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ich bins doch noch mal ganz kurz:


    Thomas, du hast mich völlig falsch verstanden! Ich wollte nicht zum Ausdruck bringen, daß Mozart auf einem Hammerklavier grundsätzlich langweilig gespielt wird (mir ist klar, daß es ganz vorzügliche Interpreten des Hammerklaviers gibt!). Ich habe Folgendes sagen wollen (und meines Erachtens auch gesagt:Wenn auf einem Hammerklavier langweilig gespielt wird (und daß das möglich ist, wird ja wohl niemand in Abrede stellen wollen), und auf einem Keyboard mit Leidenschaft musiziert, dann ziehe ich die Keyboard-Version vor.


    So, aber jetzt muß ich endlich ein Englischhornrohr bauen!


    Viele Grüße


    Bernd

  • Ok, das hab ich offenbar tatsächlich in den falschen Hals gekriegt. Danke für die Erklärung!


    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    wenn ich dich richtig verstehe ("....haben sie bei mir den Vorzug") wäre es dir also beim Tristan die Wahl der historisch "richtigen" Instrumente wichtiger als die sonstigen Vorzüge oder Nachteile der Interpretation? [...] Und wahrscheinlich würde ich auch eine Mozart-Sonate lieber auf einem Keyboard erleben, wenn dieses Gerät von einem Pianisten bedient wird, der sehr viel zu sagen hat, als auf einem Hammerklavier, auf dem sie mehr oder minder ausdruckslos heruntergespielt wird. Das ist vielleicht der grundsätzliche Unterschied zwischen uns....


    Nein, das ist er nicht, da ich z.B. bei Romantik am Klavier ohne Agogik einen Brechreiz kriege. Die Vorstellung altes Instrument ODER gute Interpretation ist nunmal nicht realitätsnah, da (nicht nur unter Gardiner) wunderbar auf alten Instrumenten MUSIZIERT wird. Ich habe NIE behauptet, dass mir interpretatorische Qualiäten Wurst seien!


    Wenn wir über die Frage welche Instrumente die geeignetsten seien diskutieren, dann unterstell mir nicht, dass ich sonst nichts wahrnehmen würde.


    Außerdem ist das mit dem GENAU richtigen Instrumentarium, wie gesagt, die optimale Lösung, was nicht heißt, dass alle Musiker 25 Instrumente brauchen, es muß ja nicht immer die optimale Lösung erreicht werden, das wäre nämlich illusorisch.


    (Ich persönlich spiele als "Hobbymusiker" sogar Mozart auf meinem 1930er-Jahre-Stutzflügel, obwohl mir mit Brahms darauf wohler ist - wenn ich ihn nur hinkriegen würde ... Bach werde ich aber nicht auf einem Klavier spielen und somit gar nicht, da ich nicht vorhabe, mir ein Cembalo zu leisten.)


    Außerdem ist "museal" für mich nicht negativ belegt, da ich gerne ins Museum gehe.
    :D


    :hello:

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  • Hallo Kurzstueckmeister,


    ich möchte niemandem etwas unterstellen. Tut mir leid, daß ich deine Aussage natürlich wenig und sofern es Aufnahmen gibt, die das jeweils passende Instrumentarium verwenden, haben sie bei mir den Vorzug. offensichtlich fehlgedeutet habe.


    Thomas, was mir halt ein wenig wehtut, ist die Tatsache, daß ich von vielen Barockwerken nur noch HIP-Aufnahmen bekommen kann. Einige davon gefallen mir gut, aber bei den meisten davon geht es mir so wie dir bei den Einspielungen auf modernen Instrumenten. Nun, ich muß wohl damit leben, daß ich diverse Stücke, die mich prinzipiell begeistern, nur noch in Interpretationen hören kann, die mit wenig Freude machen. Aber selbstverständlich bringt der Versuch, in einem Internetforum dagegen anzuschreiben, überhaupt nichts (man zieht sich höchstens den Zorn der überzeugten HIPler zu), da hast du vollkommen Recht....


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Thomas, was mir halt ein wenig wehtut, ist die Tatsache, daß ich von vielen Barockwerken nur noch HIP-Aufnahmen bekommen kann. Einige davon gefallen mir gut, aber bei den meisten davon geht es mir so wie dir bei den Einspielungen auf modernen Instrumenten. Nun, ich muß wohl damit leben, daß ich diverse Stücke, die mich prinzipiell begeistern, nur noch in Interpretationen hören kann, die mit wenig Freude machen. Aber selbstverständlich bringt der Versuch, in einem Internetforum dagegen anzuschreiben, überhaupt nichts (man zieht sich höchstens den Zorn der überzeugten HIPler zu), da hast du vollkommen Recht....


    Tja. Wieviel Musik vor/neben Bach, Händel, Vivaldi gab es denn überhaupt je in Nicht-HIP-Einspielungen? Darauf hat der Lullist ja bereits hingewiesen. Der überwiegende Teil dieser Musik war vor den 1950ern wenn überhaupt nur Musikwissenschaftlern bekannt. Es hat sonst einfach keinen interessiert, wie oft findet man im Publikum heute noch die Idee, dass die Musikgeschichte eigentlich erst mit Bach so richtig anfängt.
    Und wenn Monteverdi aufgeführt wurde, war das größtenteils eine Art Proto-HIP, aus dem sich dann in den 50ern und 60ern das entwickelte, was wir heute kennen. Oder es waren massive Bearbeitungen/Modernisierungen.
    Dass aus dieser Zeit heute viel mehr Musik bekannt und auch präsent ist, ist ja ein ganz wesentliches Verdienst der erbsenzählenden Archivwühler.


    Dennoch gibt es von Bach, Händel, Vivaldi, Telemann eine ganze Menge auf modernen Instrumenten, nicht zuletzt aus der ehemaligen DDR (oder auch von Marriner). Aber Händel auf deutsch, man besten noch ein Alt wie Solomon zum Bass transponiert, darauf kann ich nun weitgehend verzichten.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Man stelle sich vor, dass früher ausschließlich Originalinstrumente zu hören waren! 8o =) ;)


    Ich bin mir sicher, dass es wie bei nicht Hip-Aufnahmen auch bei den HIP-Aufnahmen gute und schlechte gibt. Bei manchen merkt man vielleicht gar nicht, dass es Hip ist ...

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Masetto
    Ich bin mir sicher, dass es wie bei nicht Hip-Aufnahmen auch bei den HIP-Aufnahmen gute und schlechte gibt. Bei manchen merkt man vielleicht gar nicht, dass es Hip ist ...



    Aber sicher gibt es schlechte HIP-Aufnahmen. Der Lullist und ich haben hier schon einige davon gegeißelt.



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • im barok war es ja üblich, dass der dirigent den takt mit einem taktstock
    (im wortsinne) auf den boden stampfte. anscheinend wurde auch sehr fest
    gestampft. lully dürfte doch wohl schuhe angehabt haben.


    dieses stampfen muss also deutlich hörbar gewesen sein - so im sinne eines
    überlauten metronoms bzw. der fusstrommel eines schlagzeugs. es war also
    teil des klangeindrucks.


    wird das heute auch gemacht? ich kenne keine beispiel.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

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