Der Heldentenor, eine ausgestorbene Spezies?

  • Wie faszinierend l "Heldentenorpartien" wie der Lohengrin auch gesungen werden können, beweist der "weisse" russische Tenor Ivan Kozlovsky. Auch wenn ich Melchior für "den" Wagnertenor halte, Kozlovsky kann neben ihm bestehen, wenngleich seine Stärken anders geartet sind.
    Gruß
    Lohengrin

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Da es den Stimmtypus des schweren Heldentenoren ab Ende der 50er Jahre kaum mehr gab, griff man dann eben auf Zwischenfachtenöre wie Windgassen zurück, der die schweren Wagnerrollen aufgrund seiner sängerischen Intelligenz und kluger Einteilung seiner Kräfte meisterte, auch wenn immer ein unerfüllter Rest an sinnlich-klanglicher Fülle blieb.


    Wuerde ich bezweifeln. Die Klangaesthetik nach dem Ende des WWII hat sich massiv veraendert. Heldentenoere gab es nach wie vor, z. B. Ernst Kozub, aber besonders in Deutschland wollte man einen neuen Klang. Wer sagt, dass es keine Heldentenoere mehr gab, sollte versuchen zu sagen, warum.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ich glaube, daß die "Heldentenöre" in Wirklichkeit entstanden sind, weil man den "Ring" eben auch an Häusern ohne Schalldeckel gespielt hat, und wenn man sich dann verleiten läßt, Wagners Orchester massiv einzusetzen, braucht man auch einen Sänger, der 8 Hörner, 4 Trompeten und vier Posaunen überbrüllen kann.


    Heldentenoere gab es spaetestens seit Duprez und dem "do di petto", das Mitte des 19. Jahrhunderts in die Italienische und Franzoesische Opera kam.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Herbert,
    nur Kraft braucht der Siegmund nicht gar so viel. Mit Ausnahme der "Wälse"-Rufe genügt mittlere Kraft - und so lang ist die Rolle ja auch nicht (gemessen an Wagner-Rollen natürlich). Hofmann etwa sang Siegmund und Parsifal, aber keinen Siegfried, wörtlich: "Da ginge mir die Puste aus."
    LG


    Die Schwierigkeit der Waelserufe wird normalerweise ueberschaetzt. Mein Haustenor ;) singt den Monolog problemfrei mit 10 Sekunden langem Waelse-Gebruell (10 sec pro Waelse) - und zwar so laut, dass ich nicht im selben Zimmer sein moechte.
    All the best from
    Ripley

    Opera is when a guy gets stabbed and instead of bleeding, he sings.
    -- Ed Gardner

  • Hallo Ripley ,
    Ernst Kozub,den Du erwähnst hatte die größte Stimme
    die ich je live gehört habe,aber nur in Traviata und Turandot.
    Er sang gerne die italienischen Helden.Aber es gibt sogar
    eine Zauberflöte mit ihm als Tamino.Zu der Zeit gab es aber
    noch viele Heldentenöre.(H.Hopf , R.Vinay ,W.Windgassen ,
    H.Beirer,um nur einige zu nennen.Heute gibt es nur noch
    zwei ,B.Heppner und J.Botha ,die sich aber auch beide
    gerne im italienischen Fach herumtreiben.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Ripley,


    sicher unterliegt der Geschmack immer dem Wandel der Zeit, auch, was den Interpretationsstil bei Wagner angeht. Die "Entrümpelung" der Bühne, wie sie Wieland Wagner nach dem Krieg in Neu-Bayreuth propagierte, verlangte nach einem anderen Darstellertyp als etwa dem eher gemütlich-statuarischen Tenor von anno dunnemals. Wobei anfangs auch in Bayreuth noch auf die Heldentenöre alter Schule wie Lorenz, Aldenhoff, Treptow oder Hopf zurückgegriffen wurde. Windgassen etablierte sich dann primär aufgrund seiner darstellerischen Fähigkeiten, weniger aufgrund seiner stimmlichen (er wurde ja auch nur deswegen Soltis "Siegfried", weil Kozub unfähig war, die Partie zu lernen). Und bei den weiblichen Rollen beherrschten Varnay, Mödl und dann Nilsson die 50er und 60er Jahre, also genuin hochdramatische Soprane. Wenn man konnte, nahm man also immer die schweren Jungs und Mädels.


    Weshalb es heute diesen Stimmtypus kaum mehr gibt (Heppner und Botha kommen dem noch am ehesten nahe, dann vielleicht noch Treleaven), ist nicht so einfach zu sagen. Die Rahmenbedingungen sind, zumindest in den westlichen Industrieländern, ja eigentlich besser denn je, was Ernährungslage, Abwesenheit von Krieg, medizinische Versorgung etc. angeht. Also müßte es eigentlich Talente genug geben. Vielleicht liegt es ja an der Internationalisierung der Opernbühnen und der weitgehenden Auflösung der Ensembles. Die meisten deutschen Opernhäuser konnten bis in den 2. Weltkrieg hinein die heldentenoralen Partien vom Stimmtypus her grundsätzlich aus den eigenen Reihen besetzen (wie gut die dann waren, darüber lässt sich dann sicher auch noch streiten). Heldentenöre werden nicht geboren, sondern gemacht, vor allem durch viel Training und vorsichtige Wahl der Rollen. Sie müssen sich erstmal lange Zeit auf kleinen Bühnen ausprobieren können und in Ruhe "reifen", bevor sie dann auf den großen Bühnen glänzen können. Denn im Vergleich zu den Spintotenören italienischer Prägung, die zwar mehr und höhere Spitzentöne zu singen haben, dafür aber nicht so lange singen müssen, sind Heldentenöre wahre Langstreckler, die sich nicht nur auf die hohen Töne zu konzentrieren haben, sondern vor allem Ausdauer besitzen müssen. Die kommt aber erst mit der Zeit und der notwendigen Bühnenerfahrung. Die meisten Sänger haben die Entwicklungsmöglichkeit aufgrund ökonomischer Zwänge heute nicht mehr.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Danke, gentlemen, fuer Ihre durchdachten Antworten.


    Wieso war Kozub "unfaehig", Siegfried zu lernen?
    Sein Siegmund war jedenfalls sehr gut - was denkt Ihr?


    All the best,
    Ripley
    (Do I have to be careful of the language police in the Anglizismus thread? ;) )

    Opera is when a guy gets stabbed and instead of bleeding, he sings.
    -- Ed Gardner

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  • Zitat

    Original von Ripley
    Danke, gentlemen, fuer Ihre durchdachten Antworten.


    Wieso war Kozub "unfaehig", Siegfried zu lernen?
    Sein Siegmund war jedenfalls sehr gut - was denkt Ihr?



    Hallo Ripley,


    John Culshaw, der Produzent des Solti-Rings, beschreibt in seinen Erinnerungen an dieses Projekt, dass Kozub ursprünglich Soltis erste Wahl für den Siegfried war. Er erschien dann aber schlecht vorbereitet und offenbar war die Stimme deutlich sattelfester, als seine Musikalität. Jedenfalls wurde er dann durch Windgassen ersetzt, der, obgleich nicht im Besitz der opulenten stimmlichen Mittel Kozubs, die Anwesenden durch Musikalität und Ausdruck deutlich mehr überzeugte.


    Ich habe noch nicht viel von Kozub gehört, aber für mich wirkte das in der Tat alles relativ lustlos heruntergesungen. Weiterhin ist mir die Stimme etwas zu "nölig", z.B. beim Erik unter Klemperer.


    Gruß
    Sascha

  • Hallo Sascha ,
    das Kozub nicht im "Decca-Ring"eigesetzt wurde kann
    natürlich auch andere Gründe gehabt haben.
    Solti kannte Kozub sehr genau aus seiner neunjährigen
    Frankfurter Zeit .Aus dieser Zeit gibt es ja auch eine
    sehr beachtliche Rundfunk-Aufnahme der Zauberflöte
    mit Kozub ,Grümmer ,Köth ,Frick unter Solti.(1955)
    Natürlich kamen die stimmlichen Qualitäten Kozubs
    auf der Bühne besser zur Geltung ,aber er hatte eine
    gewisse Naivität im Timbre .Das veranlaßte Solti
    wahrscheinlich ihn als Siegfried einsetzen zu wollen.
    Kozub wäre sicher auch ein idealer Pedro in Tiefland
    gewesen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Weshalb es heute diesen Stimmtypus kaum mehr gibt (Heppner und Botha kommen dem noch am ehesten nahe, dann vielleicht noch Treleaven), ist nicht so einfach zu sagen.
    GiselherHH


    Kann es nicht auch daran liegen, daß die großen "Heldentenöre" keine echten Tenöre, sondern eher umfunktionierte Bariton-Sänger waren? (Melchior, Vinay glaube ich, ebenfalls). Dadurch besaßen sie ja ein gänzlich anderes Stimmpotential wie reine Tenöre, und gerade Melchior hat das bei seinen Live-Aufnahmen weidlich ausgenutzt.


    Zu Windgassen: beim Böhm-Siegfried ging Windgassen schon während dem ersten Akt die Puste aus, unter Solti war er meines Erachtens besser in Form. Allerdings wars ja nicht live, er konnte sich zwischen den Takes wohl genügend ausruhen.
    In Bestform kann man ihn allerdings im 55er Keilberth-Siegfried erleben, da läßt sich sehr gut erhören, weshalb Windgassen damals einen hervorragenden Ruf als Wagnertenor hatte.

  • Ein Name darf in diesem Thread nicht unterschlagen werden: Peter Seiffert. Er hat an der MET einen sehr überzeugenden Tannhäuser gegeben wie eine Rezension aus dem Nachbarland zeigt:


    Ce serait faire injure à Peter Seiffert que de dire qu'il renouvelle son exploit du Châtelet la saison passée : on retrouve un volume d'airain, un chant parfait, un timbre héroïque (combien de ténors wagnériens avons-nous entendus à la voix nasillarde, au vibrato envahissant, à la justesse approximative...)... avec cette fois un engagement de toute son âme qui font de ce Tannhauser un héros bouleversant, une incarnation qui touche au mythe. Arrêtons-nous là : ce chanteur est le plus grand ténor wagnérien actuel ; et sans doute l'un des plus grands de l'après-guerre.


    Auch in Berlin und Zürich konnte er mit dieser Rolle beweisen: Er ist bei den Helden angekommen. :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Solti hat auch behauptet, Jussi Bjoerling koenne den Riccardo im Maskenball nicht singen (eine Rolle, in der er ueber 10 Jahre lang an der MET als unuebertroffen galt) und hat Bjoerling dann in der laufenden Aufnahme in Rom durch Bergonzi ersetzen lassen. Bjoerling bekam einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht wieder erholt hat (1960). Solti hat einiges auf dem Kerbholz, und dass Kozub nicht genauso sang, wie Solti es wollte, das adelt ihn.


    :hello:
    M.

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  • Hallo Siegfried ,
    Seiffert ist niemals ein Heldentenor .Seiffert ist ein lyrischer
    Tenor ,der Partien für Heldentenor singt ,weil kein anderer
    da ist.Das war auch schon bei Kollo und Jerusalem so .
    Da können auch Kritiker nichts dran ändern.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Mengelberg,


    weswegen Björling den Riccardo in Soltis "Ballo" schließlich nicht gesungen hat, darüber existieren, soweit ich das sehe, verschiedene Meinungen. Die einen behaupten, Solti und Culshaw hätten Björling während der Aufnahmesitzungen demütigend behandelt und ihn vor der gesamten Mannschaft gemaßregelt, außerdem hätte es große künstlerische Differenzen bei der Interpretation der Rolle gegeben. Andere wieder sagen, Björling hätte die Proben geschwänzt und sich während der Zeit in Rom mehrmals sinnlos betrunken (dass Björling schwerer Alkoholiker war, ist unbestritten), so dass ihn Solti aus Mangel an Disziplin rausgeworfen hätte. Er war wohl auch schon mit Herzproblemen angereist und die heißen Temperaturen in Rom haben sicher auch zur Verschlechterung seines Gesundheitsproblemes beigetragen. Wie dem auch sei, schade um eine verpasste Gelegenheit. Björling sollte ursprünglich ja auch in Toscaninis "Ballo" singen (auf ausdrücklichen Wunsch des Dirigenten), musste dann aber aufgrund einer plötzlichen "Indisposition" (man sagt, auch hier sei der Alkohol im Spiel gewesen) durch Peerce ersetzt werden.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Wanderer


    Kann es nicht auch daran liegen, daß die großen "Heldentenöre" keine echten Tenöre, sondern eher umfunktionierte Bariton-Sänger waren? (Melchior, Vinay glaube ich, ebenfalls). Dadurch besaßen sie ja ein gänzlich anderes Stimmpotential wie reine Tenöre, und gerade Melchior hat das bei seinen Live-Aufnahmen weidlich ausgenutzt.


    Hallo Wanderer,


    wobei man sagen muss, dass Vinays "Umschulung" technisch sehr mangelhaft war und er nach etwa zehn Jahren als Tenor wieder in sein altes Baritonfach zurückwechseln musste. Da war die Stimme aufgrund des verschwenderisch-leidenschaftlichen Gebrauchs aber schon weitgehend verschlissen. Melchior war da - trotz seiner großen und starken Physis - weitaus vorsichtiger (trotz teilweise eigenwilliger Technik) und sang nur im Rahmen seiner allerdings überreichen Möglichkeiten. Er war ja auch der Meinung, dass sich Heldentenöre nur auf dem soliden Fundament eines ursprünglichen Baritons entwickeln könnten.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Solti hatte eben feste Vorstellungen von Rhythmus und Tempo, denen sich Björling unter Hinweis auf seine lange Interpretation der Rolle nicht unterwerfen wollte. Außerdem hatte er den schlechten Ruf als Alkoholiker ein für allemal weg. Wie es dazu kam, beschreibt Björlings Frau (mit ihrem Koautor) sehr schön in der Biographie "Jussi", die besonders anrührend bei der Schilderung seines Todes wird. Björling war eben alles andere als ein Intellektueller, aber von einmaliger Einfühlungsgabe. Ein großartiges Zeugnis des "Maskenball" ist doch die live-Aufnahme aus New Orleans, die einem zuweilen wegen der "herrlichen Längen" den Atem stocken läßt. Und diese Längen sang der schwer Herzkranke noch in seinen letzten Auftritten. Ein Phänomen!
    Um noch von einem anderen bewundernswerten Tenor zu sprechen, der auch Wagner (Stolzing, Lohengrin) gesungen hat: Robert Ilosfalvy, der Liebling der Kölner Opernfreunde, den ich, was Timbre, Intonation und Strahlkraft der Höhe angeht, durchaus Konya an die Seite, wenn nicht über ihn stellen würde. Leider hat er ausser einem Recital so gut wie nichts hinterlassen. Später war er dann wieder Synagogensänger, wie er es zu Anfang gewesen war. Eine schmal geführte Stimme von sehr großer Schönheit!

  • Hallo GiselherHH ,


    Ramon Vinay hat trotz seiner"mangelhaften"Umschulung
    immerhin während seiner Tenor-Karriere 250 mal den Otello
    auf der Bühne gesungen .Daneben ,von Wagner : Loge ,
    Siemund ,Tannhäuser ,Tristan ,und Parsifal .
    Außerdem : Canio ,Samson ,Don Jose ,Radames ,und
    Herodes.Das sind nur die Rollen ,die ich ,außer den Bariton-
    Partien ,in Gesamtaunahmen auf Tonträger gefunden habe.
    Ich bin froh ,daß sich Vinay zum Tenor umschulen ließ ,
    sonst hätten wir zumindest auf den bedeutensten Otello ,
    des 20sten Jahrhunderts verzichten müssen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Seiffert ist niemals ein Heldentenor .Seiffert ist ein lyrischer
    Tenor ,der Partien für Heldentenor singt ,weil kein anderer
    da ist.


    Hallo Herbert,
    da möchte ich doch widersprechen. Seiffert besitzt die Gabe, lyrisch singen zu können ohne irgendwelche Konditionsprobleme zu besitzen. Wer seinen Tristan oder Tannhäuser gehört hat, kann dies, denke ich, bestätigen. Die Begründung, er sei eben der einzige, trifft im Kern doch auch auf Windgassen zu. Silja meinte einmal, nicht zu Unrecht, ohne Windgassen hätte man Neu-Bayreuth dicht machen können. Seiffert ist zugegebenermaßen KEIN umgeschulter Bariton, gleichwohl besitzt seine Stimme über das solide Fundament.
    Grüßli,
    ulfk179


    P.S. Es gibt auch andere Sänger, die die Heldenpartien souverän meistern, auch wenn ihr Stil Geschmackssache sein dürfte, z.B. J.F.West. Allerdings ist auch bei den "klassischen" Heldentenören längst nicht alles Gold was glänzt - und viel verklärt wird. Ich gebe offen und ehrlich zu: Thomas Moser ist mir als Tristan lieber als Windgassen.... :untertauch:


  • Hallo Herbert,


    hier haben wir das klassische Beispiel einer mit den Aufgaben gewachsenen Stimme, die den Wechsel vom lyrischen Fach zum heldischen souverän gemeistert hat, ohne brüchig oder bellend geworden zu sein. Angesichts der dürftigen Konkurrenz an "echten Helden" finde ich Seiffert heute nicht zu Unrecht bei den Heldentenören angesiedelt.
    Wobei er fraglos noch einen sehr wohlklingenden Ottavio singen kann.


    Kollo und Jerusalem dagegen haben sich an den Heldenrollen verstemmt und kaputtgesungen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Seiffert hat in Wien sowohl einen sehr guten Lohengrin (was zu erwarten war) als auch Tristan gesungen. Ich denke mal, er hat in diesen Partien unter den momentan aktiven Sängern nicht all zu viel Konkurrenz, aber als Siegfried oder Siegmund kann ich ihn mir nicht so recht vorstellen.


    Siegfried, das Jerusalem nicht bei Lohengrin geblieben ist, war wirklich schade. Er hatte eigentlich eine tolle, lyrische und leichtgeführte Stimme, ich denke da nur an seinen Hoffmann (leider auf Deutsch...)

  • Hallo ulfk ,
    das man ohne Windgassen Bayreuth in den 50er Jahren
    hätte schließen müssen ,ist nicht nur leicht übertrieben.
    Zur selben Zeit tummelten sich in Bayreuth einige seiner
    Altersgruppe z.B. R.Vinay ,H.Hopf ,H.Beirer ,L.Suthaus ,
    G.Treptow ,S.Konya(als Lohengrin) ,um nur einige zu nennen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.


  • Es kann doch wohl kein Zweifel bestehen, dass ein Saenger wie Windgassen vor dem Umbruch nach 1945 niemals als Siegfried auf der Buehne gestanden haette. Neben Melchior, Svanholm, Laubenthal usw. haette er einen prima Mime geben koennen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dass er (und Seiffert und andere vom selben Kaliber) Momente "lyrisch" gestalten kann, spricht ebenfalls nicht fuer ihn, denn auch die grossen Heldentenoere aus alter Zeit konnten lyrisch sein. Als Beispiel nehme man Max Lorenz oder Rudolf Laubenthal (Siegfried: Dass der mein Vater nicht ist) oder Lauritz Melchior (Otello: Niun mi tema).
    Wenn heute einem verhaeltnismaessig schwerem Tenor lyrische Qualitaeten bescheinigt werden, dann steckt dahinter meistens, dass sich der betreffende Saenger aus unbequemen Stellen durch Pianosingen herausmogelt. Das habe ich neulich in der DOB erlebt, als Palombi fast den ganzen Chenier piano ins Auditorium hauchte. So eine Frechheit habe ich lang nicht mehr gehoert. Einer meinte dann: Endlich mal ein Chenier, der nicht die ganze Zeit bruellt. Dabei hatte Palombi keine Stimme mehr uebrig. Aehnliches macht der Bariton Gavanelli, wenn es zum Forte nicht mehr reicht - und alle Welt schwaermt von seinen Piani.
    Nun, freilich will ich Windgassen so etwas nicht unterstellen, anderen "lyrischen Heldentenoeren" wie Seiffert oder Kollo - und auch Jerusalem aber um so mehr. Ich habe alle drei wiederholt gehoert und war jedesmal enttaeuscht. Keiner von denen ist meiner Meinung nach ein richtiger Heldentenor. Dass Kollo und andere ihre Stimmen "kaputtgestemmt" haben, ist der beste Beweis dafuer.
    Der einzige richtige Heldentenor, den ich in den letzten 15 Jahren gehoert habe, ist der Finne Heikki Siukola.

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  • Mir ist unverständlich, warum Windgassen, der von Anlage her eher lyrisch war, als Heldentenor bezeichnet wird....
    singen ist das eine, aber was draus wird ist oft unschön anzuhören...



    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Heldenbariton ,
    ich habe manchmal den Eindruck ,daß man heute garnicht mehr weiß ,
    was ein Heldentenor ist ,sonst würde man nicht P.Seiffert ,
    oder einen Th.Moser ,den ich als Buffo und Oratoriensänger
    kenne als Heldentenöre bezeichnen.
    Auch Windgassen war immer der Vertreter des Heldentenors ,
    aber er war immer noch eine Nummer größer als die heutigen
    "Heldentenöre".Das sind bestenfalls die Vertreter des Vertreters.


    (Caruso hat eimal die"Mantelarie"aus La Boheme gesungen,
    auch auf Schallplatte ,war er etwa deswegen ein Bass ?)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Wanderer
    Siegfried, dass Jerusalem nicht bei Lohengrin geblieben ist, war wirklich schade. Er hatte eigentlich eine tolle, lyrische und leichtgeführte Stimme, ich denke da nur an seinen Hoffmann (leider auf Deutsch...)


    Und ich habe einen ergreifend-schön gesungenen Lenski von ihm in Erinnerung. Doch wer nach den Sternen greift... :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von ulfk179
    Thomas Moser ist mir als Tristan lieber als Windgassen.... :untertauch:


    Da schließe ich mich dir an, so gerne ich auch die legendäre Bayreuther Böhm-Aufnahme mag.


    Gibt es eine Aufnahme mit Seiffert als Tristan? Oder kann man ihn nur live erleben?

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Meine erste Begegnung mit der Stimme von Wolfgang Windgassen war sein Siegfried und Loge im Böhm-"Ring". Rein stimmlich habe ich mir Siegfried völlig anders vorgestellt, als wie ihn Windgassens heller, doch eher lyrischer Tenor präsentierte.


    Besser gefiel mir sein Tannhäuser und sein Tristan gehört für mich auch heute noch zu den herausragenden Interpretationen dieser Rolle.


    Seine stärkste Zeit dürfte Windgassen in den 50ern gehabt haben - selbst sein Siegfried wirkt um einiges frischer, als in den rund zehn Jahre später entstandenen Aufnahmen.


    Was mir bei Windgassen auffällt: ihm haben anscheinend diese "schweren" Partien nicht so geschadet, wie späteren Sängern dieser Rollen. Also scheint er ja so ganz falsch nicht besetzt gewesen zu sein.


    Zieht man zum Vergleich einmal die baritonaleren Stimmen heran, ist dort auch nicht nur eitel Sonnenschein zu finden.


    Ramón Vinay war ein beeindruckender Otello (z. B. bei Toscanini), ihn gleich zum "bedeutensten Otello des 20. Jahrhunderts " zu machen, mag etwas mit persönlichem Geschmack und dem angelegten Maßstab zu tun haben, aber es gab andere Interpreten, die da nicht unerwähnt bleiben sollten: del Monaco, Domingo und erst recht Jon Vickers, fallen mir da ein.


    Was mich an Vinay stört (vor allem in seinen Wagner-Partien) ist die rüde, ungenaue Art seines Singens und der teilweise recht freie Umgang mit dem Notentext.


    Ludwig Suthaus macht mich auch nicht wirklich froh und Heikki Siukola bringt zwar mit seinem Brüll-Tenor Häuser zum Einsturz - wirklich schön ist dessen Gesinge aber gewiss nicht.


    Und wenn wir schon mal bei Negativ-Beispielen sind: Manfred Jung ist für mich ein ziemlicher Tiefpunkt in Sachen "Held" gewesen. Live habe ich mal einen Florestan von ihm gehört - das war nach James King in fortgeschrittenen Jahren und Heikki Siukola mit seiner Kraftmeierei - die schlimmste Darbietung dieser Rolle, die mir überhaupt erinnerlich ist.

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  • Hallo Alviano ,
    hier ist noch jemand der meinen absonderlichen Geschmack hat.


    Zitat: Die bedeutensten Gestalter dieser Rolle(Otello)lassen
    sich an einer Hand abzählen : Tamagno ,Oxilia ,Zenatello Martinelli ,
    Vinay ,vielleicht auch Cossutta ,und der größte von ihnen ,der
    Chilene Ramon Vinay- er sang den Otello auf der Bühne 250 mal(!)
    war von Haus aus Bariton.Er begann als Bariton und kehrte nach
    seiner letzten Otello-Vorstellung wieder in sein altes Fach zurück.
    Vielleicht war Vinay gerade darum der ideale Otello.In seiner
    Stimme verband sich die Höhe des Tenors mit der Farbe des
    Baritons,sein Ton war herb ,männlich abweisend. (Attila Csampai)


    (Auf Tonträger gibt es Vinay als Otello 5 mal)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    Nanana, "absonderlich" steht bei mir nicht, da wollen wir doch genau bleiben. Dass ich Vinay als Otello durchaus schätze, habe ich gesagt (von den fünf Aufnahmen, die Du erwähnst, besitze ich drei), mir gefällt er allerdings gestalterisch, vor allem in den Ausbrüchen, besser, als unter rein sängerischen Gesichtspunkten.


    Den Attila Csampai in Ehren, aber mit Superlativen sollte man insgesamt vorsichtig sein und ich würde, wie erwähnt, andere Sängerleistungen (wegen anderer Kriterien, die für mich wichtig sind) bevorzugen.


    Kleiner Themenwechsel: ein Tenor, der heute vielleicht unverdienterweise nicht mehr so bekannt ist: Torsten Ralf (der auch als Otello auf CDs präsent ist).


    (und völlig ausserhalb des Themas: Lieber Herbert, Du kennst unglaublich viele Sänger aus früheren Jahren - kannst Du mir zwei Sätze zu Libero de Luca sagen...?)

  • Irgendjemand fragte nach Ernst Gruber. Den habe ich als Lohengrin in der Ostberliner Staatsoper gehört, als er für Traxel einsprang, den ich mir, ehrlich gesagt, mit seiner Evangelisten-Stimme nun gar nicht als Lohengrin vorstellen konnte. Ernst Gruber war sehr groß und lispelte stark; besonderen Eindruck hat seine etwas halsige Stimme nicht auf mich gemacht. Dass man jetzt wieder besonders an ihn erinnert, gehört m.E. zu einer gewissen Ostalgie, zu der auch Ritzmann und Rehm gehören, tüchtige Sänger gewiß, aber aus einer Zeit, in der in aller Not ein Erich Witte den Radames sang.

  • Ja ich finde es gibt in diesem Fach kaum Nachwuchs.
    Traurig aber wahr..
    In meiner Berliner Zeit gab es Hans Beirer, James King,
    Spas Wenkhoff, Jess Thomas, Hans Hopf, Wolfgang Wind-
    gassen.
    Das sind nur die Namen die mir spotan einfallen.


    :yes:

    mucaxel


  • Hallo Alviano,


    wenn Du etwas über die Qualitäten von L.de Luca


    erfahren möchtest, Siehe oben !


    Das passt auch durchaus in den Thread,weil de Luca heute


    wahrscheilich ein gefragter Heldentenor wäre. :D


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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