Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa.

  • Ich habe die Nilsson auf der Bühne erlebt - es war grauenhaft! Wie soll man sich denn bei diesem Heroinengebrüll eine verführerische Prinzessin vorstellen? Beim Schleiertanz ging die Nilsson auffällig unauffällig zur Seite ab und eine Tänzerin kam auf die Bühne, absolvierte den Tanz, trat auffällig unauffällig ab, die Nilsson kam wieder hervor und brüllte weiter. Es war wie eine Parodie.


    Auch wenn der Schreiber obiger Zeilen nicht mehr unter uns Taminos weilt: Heroinengebrüll ist doch eine Unverschämtheit und ausserdem absolut unangebracht. Dass die Nilsson über eine mächtige Stimme verfügte, darf man ihr doch nicht vorwerfen, zumal sie (ich beziehe mich auf die Solti-Aufnahme) die lyrisch-verführerischen Kantilenen wie ich meine großartig bewältigt und mit beeindruckender Ausdruckstiefe versehen hat.


    Natürlich hat jeder das Recht, den einen oder anderen Sänger aus welchen Gründen auch immer zu kritisieren. Aber zwischen berechtigter Kritik und böswilliger Heruntermache ist doch ein himmelhoher Unterschied.


    Birgit Nilsson hat die Salome in Wien viermal zwischen 1956 und 1957 gesungen. Und da hat, so vermute ich, obiger Schreiberling noch in die Windeln gesch ... ienen.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich muß sie knapp nach 1975 gehört haben. In Wien alternierten als Salome Nilsson und Jones, wobei man bei der Nilsson wenigstens die richtigen Töne bekam.
    Wesentlich später sah ich dann - als Alternative zur unverwüstlichen Jones - Julia Migenes. Ich bitte zu beachten, daß ich "sah" schreibe, denn gehört habe ich sie nicht. Nettes kleines Stimmchen, in Wien natürlich verloren.


    Überhaupt habe ich den Eindruck, daß man in Wien entweder die Wagner-Schlachtschiffe zum Einsatz brachte oder junge Sängerinnen, die nicht abschätzen konnten, was auf sie zukommt.


    LG


    Wie oben gesagt, sangt die Nilsson in Wien "Salome" 1956 und 1957. Meiner Erinnerung nach war sie allerdings in den 70ern angesetzt, hat diese Aufführungen jedoch abgesagt.


    Julia Migenes hat in der Staatsoper eine einzige Rolle verkörpert - übrigens recht beeindruckend nach der damals konkurrenzlosen Anja Silja.


    Könnte sein, dass Migenes die Salome eventuell irgendwann an der Volksoper gesungen hat, aber für dieses Haus dürfte ihr Stimmvermögen sicher nicht zu klein gewesen sein.

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  • Aber zwischen berechtigter Kritik und böswilliger Heruntermache ist doch ein himmelhoher Unterschied.

    Birgit Nilsson hat die Salome in Wien viermal zwischen 1956 und 1957 gesungen. Und da hat, so vermute ich, obiger Schreiberling noch in die Windeln gesch ... ienen.


    In der Tat kann man häufig einen Unterschied zwischen berechtigter Kritik und böswilliger Heruntermache feststellen!


    Für Birgit Nilsson spricht in der Tat, dass sie sich spitze Bemerkungen gegenüber Herbert von Karajan erlaubte und es sich leisten konnte, von ihm nicht mehr eingeladen zu werden. Das rechne ich ihr hoch an!


    :hello:

  • Es ist kein Mangel an Salomes - an guten wie an schlechten und - das ist vielleicht sogar die Mehrzahl - an mittelmäßigen. Ich schätze die "Kinderstimmen", die Lolitas, denn Salome ist - die Frage war gestellt - in der Strauss'schen Oper weder gut noch böse, sie ist vor allem eine Projektion, eine der künstlichsten Archefiguren, die ich kenne. Sie wird in der Phantasie zu dem, was sie ist. Deshalb kommt für mich die Nilsson überhaupt nicht in Frage. Sie ist zu monströs und macht hier und da ihre Stimme klein ohne klein zu wirken. Sie ist bei der Decca unter Solti ein besetzungspolitisches Missverständnis. Wenn schon Nilsson, dann greife ich zu ihrer frühen Salome von 1954 aus Stockholm in Schwedisch mit Sigurd Björling als Jochanaan und Kerstin Meyer als Page. Ein Jahr später ist sie in München aufgetreten, was in großen Szenen auf Band nachzuhören ist. Metternich ist hier der Jochanaan. Auch diese Ausschnitte ziehe ich der Studioproduktion vor. Selbst die von mir so hochgeschätze Inge Borkh, mit der es mindestens vier Gesamtaufnahmen gibt, greift nicht. Zuviel Elektra bringt sie hinein, und sie übertreibt den Ausdruck genau so wie die Rysanek, von der ich mindfestens sieben Mitschnitte kenne. Ihre Schreie, wenn die Schüssel mit dem Kopf des Jochanaan heraufgreicht wird, sind ebenso theatralischer Wahnsinn wie sie völlig daneben liegen. Das Letzte, was Salome in diesem ungeheuerlichen Moment tut, ist schreien. Dem Ideal sehr nahe kommt für mich Anja Silja. Sie trifft den Ton der Kindfrau genau. Die Stimme ist weiß und unschuldig. Sie überzeugt mich stark. Das würde ich so ähnlich auch von Maria Cebotari sagen, die nicht nur in einem grandiosen Schlussgesang vom Reichsrundfunk Berlin verewigt ist sondern auch in einem Mitschnitt einer Aufführung 1947 in London, zwei Jahre vor ihrem frühen Tod. In die erste Reihe würde ich auch Liselotte Enck stellen, deren Salome ebenfalls 1947 beim damaligen NWDR unter Franz Konwitschny eingespielt wurde. Die Aufnahme ist leider nicht komplett erhalten. Die Enck, die hier sogar einen eigenen Thread hat, sang dem Schlussgesang noch auf eine Single, wenn ich nicht irre bei Electrola unter Rother. Sie hat eine herbe Stimme, vergleichbar mit der Italienerin Carla Gavazzi. Nur schön singt sie nicht, sie geht die Figur mehr inhaltlich an. Auch die Wegner, Walburga Wegner, in der Gesamtaufnahme unter Moralt, ist rasant. Eine weitere Salome, wie ich sie richtig finde, tauchte bei Youtube als Gesamtaufnahme auf: Maria Kouba. Es ist eine frühe TV-Produktion, in der Hotter als Jochanaan auftritt und Julius Patzak als Herodes. Der Dirigent ist Hans Swarowsky. In der obersten Liga spielt natürlich die Welitsch. Sie ist und bleibt für mich der Sonderfall, weil sie vor Erotik birst und dadurch etwas grenzwertig wird. Aber sie ist halt ein Ereignis. Die jünger Goltz ist ihr stimmtlich auf den Fersen, bleibt aber im Vergleich mit der Welitsch zu kühl und künstlerisch zu kalkulierend.


    Die unglücklichste Salome ist für mich Anna Tomowa-Sintow in einem für sie sehr späten (1998) Konzertmitschnitt aus Barcelona. Ins Absurde rutscht die Amerikanerin Margaret Tynes mit ihrer Version des Schlussgesangs ab, den es mal auf einer ungarischen LP gab. Als abschreckendes Beispiel, wie man die Rolle nicht gestalten sollte, ist die Aufnahme unbedingt hörenswert.


    Nach wie vor geht das Gerücht, dass es einen Münchener Mitschnitt mit Lisa Della Casa geben soll.


    Mein Fazit: Eine ideale Gesamtaufnahme gibt es nicht, denn man muss ja auch die anderen Figuren sehen, das Orchester und den Dirigenten. In dieser Oper gibt es überhaupt keine Nebenrollen. Es gibt viele geniale Einzelleistungen, die aber in einer einzigen Wiedergabe leider nicht zusammen kommen. Optisch ein Ereignis ist nach wie vor der Film von Götz Friedrich, den zuletzt Joseph II. zustimmend erwähnte.


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Frage lieber Rheingold: Warum fehlt die ( nur auf Dvd mögliche ) Stratas, die für mich dem Ideal sehr nahe kommt?

    Sie fehlt ja gar nicht - er hat ohnedies auf die Götz-Friedrich-Verfilmung verwiesen!


    Allerdings sollte man hier nie vergessen, dass die sehr hörens- und sehenswerte Salome der Teresa Stratas eben nur ein reines Kunstprodukt ist und im Vergleich zu den bühnenbewährten Kolleginnen quasi außer Konkurrenz laufen sollte.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Caro Rheingold,


    ich danke dir für deinen Beitrag, dem ich unbedingt beipflichten muß. Vor allem aber danke ich für den Hinweis auf die Cebotari - ich höre es gerade via y....e. Unglaublich: 1941, Berlin - trotzdem eine zeitlos gültige Aufnahme. Rother könnte allerdings etwas besser die Begleiterrolle annehmen, statt das Orchester derart (wenn auch grandios) auszuspielen. - Die Cebotari ist umwerfend.


    Salomé ist im übrigen nicht böse, sondern eine, die den bittern Kelch der Liebe bis zu Neige austrinken muß. Les larmes d´Éros ...


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Das lese ich alles gern, mein Lieber. Danke.


    Rheingold

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  • Und den Kelch nehme ich auch auf.

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  • Die Cebotari ist umwerfend.


    Lieber Farinelli,


    anhand der Aufnahme - von Dir zitiert - gebe ich Dir recht. Meine Schwiegermutter, die in den 40-er Jahren in Dresden wohnte, hat die Cebotari selbst mehrfach als Salome gehört. Sie hat ewig davon geschwärmt. Neid, laß nach!!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Meine erste Salome war in Dessau, vor etwa 15 Jahren. Das Orchester paßte nicht in den Graben, es spielte im Hintergrund. Angelegt als historisches Drame, Kostüme wie in einem Monumentalfilm.


    Salome war Frau Lappalainen, eine derart gut aussehende Frau mit der passenden Figur, die es sich leisten konnte, nach dem Tanz ihren Papa nackt (Wahrscheinlich in einer entsprechenden Hülle - vielleicht auch wirklich nackt) ihren Wunsch sagen zu können. Sie war verführerisch. Und gut singen konnte sie auch noch. Mehrere Gründe. diese Aufführung nicht zu vergessen.


    Übrigens hatt der damalige Ministerpräsident von SaAn eine japanische Regierungsdelegation zu Gast. Er hat sie mit in die Oper geschleift. Nicht nach Magdeburg oder Halle, nach Dessau ging es!!


    Jetzt können die Dessauer von so was nur noch träumen (ich meine nicht das Nacktsein, ich meine die Regie).


    La Roche

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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es ist kein Mangel an Salomes - an guten wie an schlechten und - das ist vielleicht sogar die Mehrzahl - an mittelmäßigen. Ich schätze die "Kinderstimmen", die Lolitas, denn Salome ist - die Frage war gestellt - in der Strauss'schen Oper weder gut noch böse, sie ist vor allem eine Projektion, eine der künstlichsten Archefiguren, die ich kenne.


    Lieber Rheingold!


    Das sehe ich ziemlich genau so! Deshalb kann ich auch Deinen Urteilen über die Salome-Interpretinnen weithin zustimmen.
    Dass für mich Nilsson keine erste Besetzung ist, hat mir im TMO-Thread über Salome schon Widerspruch eingehandelt!


    Für mich stehen auch - wie könnte es anders sein? - Welitsch und Cebotari ganz oben auf der Liste!


    Maria Kouba habe ich nur einmal live gehört und da schien sie sehr überfordert. Die Aufnahme kenne ich nicht. Muss ich mal hören.


    Sehr oft hatte ich das Vergnügen, Anja Sija zu hören - aber als Vergnügen habe ich es eigentlich nie empfunden. Du magst recht haben, dass sie prinzipiell die richtige Stimme hat. Aber die Töne waren mir immer zu gerade und nackt und den Linien fehlten Farben. Sie klang immer zu nüchtern. Man vermisste alle Poesie, Sinnlichkeit, Erotik, ja Lüsternheit, die dann eben doch in der Musik von Strauss entfaltet werden und im Gesang der Salome zumindest aufscheinen müssten.


    Eine Salome, die ich sehr schätze, kommt Deiner Forderungen ziemlich nahe und hat eine vorzügliche Aufnahme vorgelegt:
    Inga Nielsen! .......Im TMOO Näheres zu der Aufnahme:


    TMOO - Salome


    Unter den Salomes, die ich live gehört habe, war noch eine, deren Name heute gar nicht mehr oft genannt wird, weil es nur wenige Aufnahmen von ihr gibt, aber sie kam von allen Salomes, die ich auf der Bühne gehört habe, für mich dem Ideal am nächsten: Helga Pilarczyk! Zumal, wenn André Cluytens dirigierte! Das war wirklich die von Strauss geforderte "Operette mit tragischem Ausgang". Und Pilarczyk war zugleich alles, was im Text vom Mond gesagt wird: Sie war die "kleine Prinzessin, deren Füße weisse Tauben sind", sie war "wie eine silberne Blume, kühl und keusch", sie war aber auch "das betrunkene Weib, das durch Wolken taumelt". Ja sie hatte sogar etwas von einer "Frau, die aufsteigt aus dem Grab"!


    Unter den Salomes, die ich zuletzt gehört habe, konnten mich die meisten nicht voll überzeugen, nicht Studer, Denoke oder Michael, auch nicht Behle oder Nylund. Dass sie aber Vertreterinnen der Partie sind, die durchaus ihre Stärken und Vorzüge haben, will ich nicht bestreiten. Besser, die Oper mit ihnen zu hören als gar nicht!


    Ein Ereignis allerdings, das schlichtweg umwirft, ist Karita Mattila als Salome. Nur: sie ist in jeder Hinsicht reifer als es Deinen Vorstellungen enspricht! Sei's drum!!!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Danke sehr für den Tipp mit der Welitsch!


    Ich hörte gerade in die Schlussszene, aufgenommen 1944 (Matacic, Studio) und 1949 (Reiner, live). 1944 ist sie wirklich unnachahmlich. Fünf Jahre später klang es nicht mehr ganz so bezwingend, was auch an der schlechteren Tonqualität liegen mag.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Oh ja, die Welitsch!!!


    Kenne ich auch, hat mir Gänsehaut bereitet, so überzeugend finde ich sie, gerade im Schlussmonolog bietet sie eine absolut atemberaubende Vorstellung (ich spreche von der 1944er Aufnahme).
    Sie hat dieses Rolle einfach voll gelebt.
    Ganz besonders elektrisierend finde ich die Stelle "Allein, was tut's? Was tut's?..." habe ich nie besser gehört.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Ich habe die Nilsson auf der Bühne erlebt - es war grauenhaft! Wie soll man sich denn bei diesem Heroinengebrüll eine verführerische Prinzessin vorstellen? Beim Schleiertanz ging die Nilsson auffällig unauffällig zur Seite ab und eine Tänzerin kam auf die Bühne, absolvierte den Tanz, trat auffällig unauffällig ab, die Nilsson kam wieder hervor und brüllte weiter. Es war wie eine Parodie.


    Auch wenn der Schreiber obiger Zeilen nicht mehr unter uns Taminos weilt, wie bereits erwähnt, stelle ich mir und Euch die prinzipiele Frage:


    Natürlich kann man Birgits Salome als nicht rollengemäß sehen, keine Frage. Aber warum bitte wird ständig gerade auf sie hingepeckt, da gäbe es noch eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle, aber da herrscht das Schweigen im Walde. Wenn Hans Hopf als Siegfried vom Timbre her dessen Vater sein könnte (Hans Beirer ist ein ähnlicher Fall), wenn die Varnay oft klingt wie die Hexe im "Hänsel", wenn die drei Knaben in der "Zauberflöte" peinigend herumquäken, da man hier die wesentlich homogeneren Frauenstimmen unsinnigerweise häufig ablehnt - müßte man in diesen und ähnlichen Fällen nicht auch das gleiche Maß anwenden wie bei der Birgit Nilsson, die mit ihren herausragenden Leistungen die Opernwelt so glückhaft bereichert hat?

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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  • Wenn man durch das Archiv der Wiener Staatsoper blättert, stößt man immer wieder auf wahnsinnig toll anmutende Vorstellungen, z. B.:




    Tempus fugit ... Hätte man wenigstens mehr Tondokumente davon.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Ja, lieber Joseph II, die Programme früher Tage anzuschauen, ist doch bisweilen höchst interessant.


    Ich habe von meinem Urgroßvater eine große Anzahl von Programmheften der Berliner Hofoper aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg.


    Darunter ist auch einer Aufführung der Salome am 17, Januar 1907:


    Dirigent: Richard Strauss
    Bühne: Gebr. Kautsky


    Herodes: Ernst Kraus
    Herodias: Thila Plaichinger
    Salome: Emmy Destinn
    Jochanaan: Baptist Hofmann
    Narraboth: Walter Kirchhoff
    Page: Marie Goetze


    Mein Urgroßvater hat auf dem Umschlag übrigens vermerkt:
    "sehr heidnisches Stück, aber superb gesungen"! Das kann man sich wohl bestens vorstellen! Ein Tetrarchepaar vom Kaliber Kraus/Plaichinger (beide in ihrer Glanzzeit) muss wohl atemberaubend gewesen sein. Immerhin waren beide zu der Zeit als die vielleicht besten Interpreten des Siegfried und der Brünnhilde umjubelt!


    Tags drauf gab es übrigens eine Aufführung von Aubers Der schwarze Domino mit Geraldine Farrar, Franz Naval und Paul Knüpfer - auch von Richard Strauss dirigiert!!!
    Wie sagst Du doch so richtig: Tempus fugit!


    Beste Grüße


    Caruso41


    Ema Destinova als Salome

    ;) - ;) - ;)


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  • Natürlich kann man Birgits Salome als nicht rollengemäß sehen, keine Frage. Aber warum bitte wird ständig gerade auf sie hingepeckt, da gäbe es noch eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle, aber da herrscht das Schweigen im Walde. Wenn Hans Hopf als Siegfried vom Timbre her dessen Vater sein könnte (Hans Beirer ist ein ähnlicher Fall), wenn die Varnay oft klingt wie die Hexe im "Hänsel", wenn die drei Knaben in der "Zauberflöte" peinigend herumquäken, da man hier die wesentlich homogeneren Frauenstimmen unsinnigerweise häufig ablehnt - müßte man in diesen und ähnlichen Fällen nicht auch das gleiche Maß anwenden wie bei der Birgit Nilsson, die mit ihren herausragenden Leistungen die Opernwelt so glückhaft bereichert hat?


    Lieber Milletre, Du spricht von "Birgit". Daraus schließe ich, dass ihr, die Nilsson und Du, sehr eng befreundet wart. Vielleicht hast Du sie sogar in ihren späten Jahren, die gewiss nicht einfach für sie waren - wie eine bewegende schwedische Filmdokumentation zeigt - helfend begleitet. Ich selbst kenne ebenfalls einige Sängerinnen - auch in fortgeschrittenem Alter - sehr gut und weiß, wie wertschätzend sie das freundschaftliche "Du" handhaben. Bei allen Vorbehalten, die ich gegen die Sängerin Birgit Nilsson hege, weiß ich sehr zu schätzen, wie wichtig Dir die persölnliche Bindung zu ihr gewesen ist, wie sehr Dir die Freundin fehlt und wie sie in Dir nachwirkt.


    Und nun zum eigentlichen Thema. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Nilsson im Forum stärker unter Beschuss gerät als andere Sängerinnen und Sänger. Wie kommst Du darauf? Wenn diskutiert wird, ob sie nun als Salome eine glückliche Besetzung war oder nicht, dann hat dies doch gar nichts damit zu tun, dass Hans Hopf vom Timbre her sein eigener Vater hätte sein könnte. Auch das vorgeblich Hexische der Varnay und quäkende Knaben taugen nicht als Argumente, die für die Nilsson sprechen. Du ärgerst Dich, und das muss auch raus. Richtig so, Milletre. Man muss auch für seine Idole und Freunde kämpfen und streiten. Das achte ich so sehr an Dir, obwohl wir uns nicht persönlich kennen.


    Die kritische Auseinandersetzung um die Nilsson ist keine neue Erfindung. Sie ist so alt wie ihre Karriere. Maßgeblich hat das damit zu tun, dass mit der Nilsson eine neue Sängergeneration auf den Plan traf. Das geht nie ohne Konflikte ab. Ulrich Schreiber, der von mir sehr geschätze Musikkritiker, hat sich schon in den siebziger Jahren mit einem großen Essay in der "Opernwelt" in die Nesseln gesetzt, dessen Überrschrift allein schon eine Lawine lostrat: "Als Schaljapin, Caruso, Lotte Lehmann und Richard Tauber sangen ... gab es noch keinen Ärger über Fischer-Dieskau und Birgit Nilsson". In seinem sehr guten Buch "Die Krise der Gesangskunst" geht auch Wolf Rosenberg nicht eben zimperlich mit der Nilsson um. Beide kommen sinngemäß zu dem Schluss, dass die Nilsson-Generation für einen Paradigmenwechsel steht. Die Gesangslinie tritt in den Hintergrund, stimmliches Volumen wird mit Lautstärke verwechselt. Globalisierung setzt im Operngesang viel früher ein als in der Wirtschaft oder in der Finanzpolitik, was natürlich auch mit den politischen Realitäten zu tun hat. Sie ist aber der Feind der Individualität, die an bestimmte stilistische Schulen und traditionelle Richtungen gebunden ist. Sprachliche kulturelle Räume werden aufgebrochen, Grenzen eingerissen. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten, wir müssen uns ihr stellen, und wir haben uns bereits daran gewöhnt indem wir an künstlerischen Leistungen Gefallen finden, die noch vor zwanzig Jahren gar nicht zur Kenntnis genommen worden wären.


    Dieser Tage bekam ich aus dem Kirsten-Flagstad-Museum in Hamar, es ist ihr Geburtshaus, eine DVD-Dokumentation geschickt. Darin enthalten sind auch die berühmten Filmsequenzen aus der Bayreuther "Götterdämmerung" von 1934 mit Frida Leider und Max Lorenz, die Flagstad ist nur am Rande als Gutrune zu sehen. Wenn ich mir die Leider genau anhöre, bekomme ich eine Vorstellung, wie Wagner gesungen werden kann - und müsste. Volumen entsteht durch die Dichte des Tones. Das hat die Nilsson so nie gekommt.


    Eigentlich ist es ungerecht, diese alten Geschichten hervorzukramen und gegen die Nachgeborenen aufzurechnen. Das liegt mir auch fern. Aber wer sich für Gesang und Oper interessiert, der kommt letztlich doch nicht herum um derlei Vergleiche. Niemand kann und soll heute noch so singen wie die Leider. Was sich von ihr aber lernen lässt, als Sänger wie als Zuhörer, ist Lagato und Ausdruck.


    Einen guten Abend wünscht Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    Deine interessante und informative Replik hat mich sehr beeindruckt. So sollte stets ernst gemeinte Diskussion auf Augenhöhe stattfinden!


    Herzliche Grüße aus Wien
    Fritz

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Wer immer da in meinen letzten Beitrag das Bild von Emmy Destinn als Salome eingestellt hat - ihm oder ihr möchte ich ganz herzlich danken.
    In dem erwähnten Programmheft der Hofoper von 1907 ist zwar ein anderes Foto, auf dem Destinn offensichtlich noch jünger (und schlanker) ist, aber das kann ich zwar einscannen, aber hochladen kann ich es wohl nicht!
    Ist ja auch nicht nötig. Immerhin ist auch mit diesem Bild in dem Thread an eine der wichtigsten Salome-Interpretinnen erinnert.


    Gibt es auch Tondokumente von ihrer Salome?


    Ich kenne nur zwei kurze Schnipsel aus der Szene mit Jocchanaan.

    • Jochanaan ich bin verliebt - 1:52
    • Dein Haar ist grässlich - 2:07


    Von dem Schlußgesang hat sie wohl nichts aufgenommen!
    Sehr bedauerlich!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Hallo Forianer,
    Mich würde interessieren,wie Ihr die Hauptfiguren der Oper charakterisiert.


    Eine entscheidende Frage, die viel darüber sagt, welche Aufnahme man, warum bevorzugt, denke ich.


    Salome: eine im schwülen Dunst gewachsene Treibhauspflanze mit schwächlicher Konstitution, das seh ich ähnlich wie einige hier es schon beschrieben haben, ein verdrehtes, trotziges Kind, dass auf Grund seiner aus der pervertierten Umgebung angelernten Neurosen daran scheitert sich davon zu lösen und darüber hinauszuwachsen, daran scheitert eine eigene, gesunde Persönlichkeit auszubilden.
    Wie ich sie als Rolle sehe : das Kindliche-Kokette ist definitiv ein Faktor, Naivität (im positiven wie im negativen Sinn) gleichzeitig muss diese Kindlichkeit, das Weiche immer mal wieder auch positiv durchscheinen, im Sinne einer Unschuld, die denke ich im Kern dieser Figur noch vorhanden ist...so gesehen ist Salome eine äußerst moderne und sehr zeitgemäße Figur, vergleichbar mit manchen heutigen pubertierenden Mädchen, die verwirrt von den diversen Medien keine Relation mehr zu Liebe und Sexualität haben. Salome ist keine Lolita (so wie die in Nabukovs Roman), sie ist unwissend und ahnungslos und täuscht das Bescheidwissen lediglich vor, sie spielt nur vor, was sie gesehen hat


    Herodes: fast würde ich sagen, ein bemitleidenswertes, überspanntes Geschöpf und wenn Strauss wollte, dass er so nicht als Knallcharge herüberkommen soll, dann ist das wohl Strauss' Problem. Wer jetzt einwendet, Herodes würde immer nur so übertrieben gespielt/dargestellt, da kann ich nur sagen, allein sein Text, allein der macht ihn doch unweigerlich zu einer Karikatur (was nicht zwangsläufig zum Lachen ist), diesen Text kann doch keiner singen und dabei vernünftig und vor allem cäsarenhaft klingen, das halte ich für unvereinbar. Freilich kann man es auch übertreiben, das ist wahr. Man darf ja auch nicht vergessen, dass sich Herodes die ganze Oper hindurch in einem gewissen Angstzustand bewegt, permanente Unruhe, wegen Jochanaan, der den Messias verkündet, Angst vor einer Art Revolution, wenn er den Propheten tötet. Letztlich darf er eben nicht lächerlich wirken, sondern eher wie ein krankhaftes, schwaches Ekel (drei entscheidende Zeilen finde ich übrigens, wie ein Sänger einmal das „Wunderbar! Wunderbar“ nachdem Salomes getanzt hat, sowie “Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter; ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer“ und „Man töte dieses Weib!“ wiedergibt, da entscheidet sich für mich viel, nämlich der Unterschied zwischen Hysterie (was leicht lächerlich wirkt) und tiefer Neurose (was ich durchaus ernst nehmen kann). Ich finde, wenn es um eine Inszenierung geht, wo man also auch die Sänger agieren sieht, sollte man vielleicht den Herodes im Ausdruck chargieren lassen, aber in den Gesten und Gehaben ganz ernst darstellen, den Kontrast fände ich interessant.


    Herodias: diese Frau hat doch den Durchblick (als einzige in der ganzen Oper), sie weiß was sie will, sie weiß über die Dinge Bescheid und macht sich denke ich auch über ihren Mann und ihre Tochter keine Illusionen. Sie hat ja relativ wenige Phrasen, da ist es schwer für Sängerinnen Profil zu gewinnen (in einer Inszenierung kann sie immerhin durch schauspielerisches Talent glänzen). Aber wenn jemand es schafft, die richtige sarkastische-überhebliche, die wissende Würze in diese Zeilen zu legen, dann hat er alles erreicht, was man in dieser Rolle erreichen kann. Letztlich ist sie so gesehen doch die einzige Figur, die nicht dekandent ist, die nicht in hohlen Phrasen spricht. Der einzige Mensch in einer von seelischen Ausdünstungen überhitzten und zerkochten Gesellschaft, die schon etwas Unappetittliches hat. Das sie sich durch Jochanaans Worte angegriffen und beleidigt fühlt, finde ich eigentlich sogar nachvollziehbar. Sie ist sogar so etwas wie der Kommentator in der zweiten Hälfte der Oper (sie will schließlich Salome vom Tanz abhalten, und wäre es ihr gelungen, Salome hätte auch nicht den Kopf Jochanaans fordern können usw.)


    Jochanaan: Strauss' Hanswurst ist der einzige dem ich zwei mögliche Rollenbilder zugestehe, entweder ist er für mich wirklich der entrückte und ebenso (wie Salome) im Grunde Unsichere, der durch seine religiösen Vorstellungen zu Kategorien wie Liebe und Sexualität eigentlich keine Relation hat, quasi gegen etwas ist, was er nicht kennt, gerade vielleicht, weil er lediglich Angst davor hat, Angst vor Gefühlen, Angst vor Dingen, die in ihm drängen (es heißt ja auch, dass er auch noch sehr jung sei), ein adolenszenter Bursche, der meint er könnte eine Regung in sich vermeiden indem er allem aus dem Weg geht. Wäre er in sich so gefestigt, wie er meint, warum stößt er dann Salome so rüde ab, er könnte sie genauso gut stoisch ignorieren, nein er reagiert auf sie beinah wie ein Exorzist auf den Teufel, so gesehen ist er sogar sehr kindisch. Die andere Möglichkeit (die diametral zur anderen ist, aber bei dieser Figur halte ich eben beide Deutungen für legitim) wäre die des fundamentalistischen Eiferers, ein Betonkopf, so gesehen auch ein Chauvinist für den seine religiösen Vorstellungen die einzig richtigen sind, die einzigen, die zu „wahrem Leben“ verhelfen, für den das Weibliche sowas wie das „Böse“ ist.
    (Wenn ich an Jochanaan denke, kommt mir manchmal der Gedanke an die „Parsifal“-Problematik, in ihm scheinen sich der junge Parsifal und Klingsor geistig zu vereinen).


    An Aufnahmen besitze ich die Solti-Aufnahme mit Birgit Nilsson, die Keilberth-Aufnahme mit Christel Goltz und Sinopoli mit Cheryl Studer.
    Außerdem kenne ich noch die Aufführungen unter Dohnanyi mit Chaterine Malfitano in der Inszenierung von Luc Bondy (die CD-Version davon, die mit anderem Orchester eingespielt wurde, kenne ich nicht, habe allerdings gehört, sie soll besser sein) und den Götz Friedrich-Film unter Karl Böhm.
    Ausschnittweise auch eine Aufführung mit Karita Mattila aus Paris und Maria Ewing, sowie rein akustische Ausschnitte mit Ljuba Welitsch und Maria Cerbatori.
    Zu den einzelnen Aufnahmen und Ausschnitten werde ich mich auch noch äußern.


    Eingedenk der Tatsache, dass ich eigentlich für mich persönlich die Regel aufgestellt habe, zurzeit nicht mehr als drei Versionen eines Werkes zu besitzen (einzige Ausnahme bilden Aufnahmen bei denen ein bestimmter Herr beteiligt ist), habe ich vor Kurzem diese Regel doch einmal gebrochen und mir meine vierte Salome gekauft.
    Neben Leonie Rysanek, haben mich aber vor allem zwei Namen dazu animiert, zum einen, der von mir sehr geschätzte Rudolf Kempe am Pult und dann Jon Vickers als Herodes...ich habe nicht mal gewusst, dass er die Rolle je gesungen hat, wie sollte ich da widerstehen?
    Die Aufnahme muss in der nächsten Zeit bei mir einflattern, ich bin gespannt. :)
    Ich habe gelesen, es gibt auch eine Version mit Anja Silja und u.a. Fritz Wunderlich als Narraboth(!) - das muss ich doch hören! Leider scheint die zurzeit nicht käuflich erwerbbar zu sein. Skandal!

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Mit diesen großen Namen kann ich natürlich nicht mithalten, aber meine Lieblingssängerin der Salome der letzten Jahre ist Catherine Mallfitano, die ich in Amsterdam bewunder konnte. Diese Frau hat alles was man für eine Salome braucht . Ausstrahlung und eine gutgeführte Stimme . Und darstellerisch war sie auch hervorragend z.B. beim Tand der Schleier , wo sie sich traute für ein paar Sekunden ganz nackt auf derBühne zu stehen. Das traut sich nicht jede Sängerin. Von den Herodes Sängern haben mir bislang Richard Marginson und Wolfgang Schmidt sehr gut gefallen.


    Salome ist für mich das typisch verwöhnte Töchterchen aus gut situiertem Elternhaus die von Papa jeden Wunsch erfüllt bekommt.
    Herodes : Das Zitat stammt nicht von mir sondern aus einem Programmheft : " ein notgeiler alter Sack " der mit seiner Ehe unzufrieden iist
    Herodias: Die typische Geschäftsfrau die wenn nötig auchüber Leichen geht.
    Joanaan: hat am schönsten in der Oper zu singen und hat sich vielleicht in Salome verliebt , kann aber dieses nicht akzeptieren, das das gegen seine religöse Übezeugung geht.

  • Flaubert ist mein Lehrmeister, und wenn ich vorankomme, werde ich Flaubert II. sein.


    Wilde zielt hier offenbar auf Flauberts Erzählung "Herodias", und er irrt sich gewaltig. Die Salomé ist ein guter Studentenstreich, eine viktorianische Ehefarce, gewirkt aus dem Alten Testament, den Propheten und dem Hohelied.


    Aus der Sicht von Wedekinds Lulu bietet die Oper eine dezentrierte Collage einseitig verhängnisvoller Verliebtheiten um eine fille fatale. Opernhaft sind die starren Monologe und farbige Diktion morgenländischer Bildhaftigkeit.


    Herodes, da verwahre ich mich, ist weder eine Knallcharge noch ein notgeiler Bock. - Die Prinzessin, der man keinen Wunsch abschlagen kann (gerade wenn es der nach dem abgeschlagenen Haupt ist), erinnert an Turandot. Herodes, gefangen zwischen erotischer Faszination und Hörigkeit, politischem Kalkül und religiösen Skrupeln, ein dem Wahnsinn oft bedenklich naher Sinnenmensch, ist eine großartige, differenzierte Charakterstudie (Herodias demgegenüber bloß ein effektvolles Cliché).


    Ich wiederhole, was ich bereits früher hier behauptet habe: Nur wenn man Jochanaan auch religiös ernst nimmt, ergibt sich die heilsgeschichtlich Folie, auf der die grelle Geschichte um die heillos verirrte Prinzessin angesiedelt ist. - Macht man aus Johannes dem Täufer einen bigotten Heuchler, zerstört man das Drama. Grotesk sind die Juden im Quintettgezänke, nicht die Visionen des Strafgerichts über die Tetrarchenfamilie.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Herodes, da verwahre ich mich, ist weder eine Knallcharge. Herodes, gefangen zwischen erotischer Faszination und Hörigkeit, politischem Kalkül und religiösen Skrupeln, ein dem Wahnsinn oft bedenklich naher Sinnenmensch, ist eine großartige, differenzierte Charakterstudie

    Genau das habe ich ja eigentlich auch gesagt, er wird gern als Knallcharge dargestellt, aber ich habe ja gemeint, dass ich das für verfehlt halte.



    Macht man aus Johannes dem Täufer einen bigotten Heuchler, zerstört man das Drama.

    Hat ebenfalls keiner behauptet...Fundamentalisten halte ich ja nicht für bigott oder heuchlerisch, aber geheuer sind sie mir trotzdem nicht.
    Im Übrigen halte ich die heilsgeschichtliche Komponente für nicht so wichtig und auch nicht so vordergründig, wie du sie empfindest. Es ist ja auch nicht so, dass es hier nur um Wildes Stück geht, sondern um die Strauss-Oper, wie es musikalisch dargestellt ist und auch im Text wurde ja gerade vieles gestrichen, das gerade mit der Religion zu tun hat, das wird wohl Absicht gewesen sein, Strauss war es weniger wichtig (er hätte ja auch wonaders kürzen können).
    Strauss scheint mit dieser Seite der Geschichte eher wenig am Hut gehabt zu haben, weswegen sie auch sehr gut so funktioniert.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Die Gesangslinie tritt in den Hintergrund, stimmliches Volumen wird mit Lautstärke verwechselt ...


    Einen guten Abend wünscht Rheingold


    Auch wenn obiges Zitat nicht von Dir stammt, kann ich nur sagen, dass dies für ihre Salome unter Solti nicht stimmt. Wer Ohren hat, der hört hier wunderbar zart gesponnene Kantilenen, aufregend gestaltete Gesangsphrasen mit schier unendlichen Bögen über viele Takte hinweg und eine vielfarbige Ausdruckspalette.


    Natürlich ist die Salome eine vermutlich pubertierende Kindfrau, ein von Herodes verwöhnter Balg von trotzigem, ja sturem Bestemm, die gewohnt ist, all ihre Wünsche durchzusetzen. Indem sie bei Jokanaan nichts erreicht, fordert sie schlußendlich seinen Kopf auf einer Silberschüssel, da sie es nicht hinnehmen kann, von einem "Lustobjekt" abgewiesen zu werden.


    Nun müssen wir uns aber beim Hören der Solti-Aufnahme davon freimachen, dass Birgit Nilsson zu diesem Zeitpunkt schon 43 Jahre zählte. Wenn das vorurteilslos gelingt, hört man eine junge, unverbrauchte Stimme, die freilich über ein unglaubliches Volumen verfügt. Aber, um ein Beispiel ihrer hohen Interpretationskunst zu nennen, man höre etwa ihre Phrase Er ist wie ein Bildnis aus Elfenbein. Gewiss ist er keusch wie der Mond in einem unglaublichen Gesangsbogen bis hin zum zarten pp oder ihre laszive Phrase Jokanaan, ich bin verliebt in deinen Leib, Jokanaan ... in der Szene mit Jokanaan, der von einem furiosen Eberhard Waechter gestaltet wird.


    Detail am Rande: Der Produzent Culshaw machte sich mit seiner Crew Gedanken, wie denn am besten die klangliche Atmosphäre Jokanaans aus der Zisterne zu erreichen wäre. Also mußte Waechter diese Szenen aus einem WC singen, das sich an einem Gang seitlich des Saales befand.


    Man muß - und das ist das Herrliche am Medium Oper - akzeptieren und auch genießen können, dass es viele Interpretationsschattierungen gibt. Nie ist eine Interpretation die einzig richtige!


    Ich höre gern auch andere Aufnahmen neben der von Solti an und finde ebenfalls, dass z.B. die Salome der Inga Nielsen zu den wertvollsten Tondokumenten dieses Werks aus jüngerer Zeit gehört.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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  • Liebe Schall&Wahn,


    um Pardon, wenn ich dich mißverstanden habe.


    Deine Dichotomie von erotisch angstbesetzem Jüngling bzw. das Weib verteufelndem Fundamentalisten sehe ich nicht, ich finde beides zugleich, einander bedingend (wie viele junge Fundamentalisten gibt es doch).


    Gerade bei Strauss empfinde ich jedoch - anders als bei Salomé oder Herodes - keine Neigung, der Figur des Jochanaan psychologisches Profil zu geben. - Waechter unter Solti singt ihn zwar als zornigen jungen Mann voll vielsagender Verve und emotionaler Beteiligung - dem möchte man zutraun, daß er einer Salomé gar nicht abgeneigt wäre. - Fischer-Dieskau in Böhms Hamburger Produktion singt ihn viel nobler, mit einer gewissen Lust an der apokalyptischen Rhetorik, doch vor allem mit der richtigen Evangelienstimme für die Visionen von Jesus Christus.


    Ich widerspreche dir in diesem Punkt - Strauss illustriert durch seine Musik die Bedeutung einer Sphäre, vor der Jochanaans Haltung allererst verständlich wird, weil nur in einem glaubwürdigen religiösen Kontext die irdischen Werte zunichte werden. Die von dir zu Recht geahndete Frauenfeindlichkeit entspringt Wildes Bibel-Klitterung, es handelt sich um einen alttestamentarischen Diskurs, nicht seine psychologische Umsetzung (dramaturgisch ist Jochanaan eine schematische, schwache Figur). Dennoch brilliert Strauss´ Partitur in der Evokation des Erlösers, wie er auf einem Nachen im See von Galiläa zu seinen Jüngern predigt - diese Passage ist ungeheuer ergreifend, und auch Herodes´ vom Wahnsinn gestreifte Angst vor dem Frevel des Prophetenmordes hat ihre Größe von der Größe jener Vision her.


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  • Ich hoffe, das meine Salome-Vorstellung nicht dazu geführt hat, das man glauben muss, ich würde keine Frau in dieser Rolle akzeptieren, die deutlich älter ist als die Rolle in sich darstellt...so wollte ich das gar nicht verstanden wissen, mir ging es mehr darum, dass eben, wie du lieber Milletre sagst, das Zarte in der Figur auch zu seinem recht kommt, das szimmlich umzusetzen halte ich für wichtig und da ist es mir ziemlich egal, wie alte die Sängerin dann nun wirklich ist.
    Ich wollte zu den einzelnen Aufnahmen erst später noch etwas sagen, hole aber doch schon ma vor, denn Birgit Nilsson der ersten Hälfte von Salome finde ich ganz wunderbar, niemand hat für mich bisher das "Jochanaan! ich bin verliebt in deinen Leib", das so plötzlich hervorbricht, herrlicher gesungen (oder "Dein Leib ist so weiß wie der Schnee auf den Bergen Judäas").
    Auch Eberhard Wächters Jochanaan (die WC-Anekdote ist ja köstlich 8o ) ist einer meiner Favoriten in seiner monolithischen, drohenden Härte.

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    (Friedrich Nietzsche)

  • und finde ebenfalls, dass z.B. die Salome der Inga Nielsen zu den wertvollsten Tondokumenten dieses Werks aus jüngerer Zeit gehört.


    Dem stimme ich vollkommen zu, obwohl ich mich mehr auf das Live-Erlebnis beziehe (ich hörte Inga Nielsen in dieser Rolle in Hamburg) als auf die CD , die ich nicht kenne. Sie kommt mit ihrer jugendlich-klaren und doch so tragfähigen Stimme meinem Stimmideal einer Salome am nächsten. Ebenfalls schätze ich sehr (als Konserve) Stratas und Welitsch, während ich live Anja Silja, aber auch Cynthia Makris (im damaligen Ost-Berlin und in Kiel) und Hildegard Behrens (in München) bleibende Eindrücke verdanke. Von Birgit Nilsson gibt es noch einen hervorragenden Schlussgesang vom Abschiedskonzert aus der alten Met unter Böhm - sehr empfehlenswert.


    Gruß, Peter

  • Ich wollte zu den einzelnen Aufnahmen erst später noch etwas sagen, hole aber doch schon ma vor, denn Birgit Nilsson der ersten Hälfte von Salome finde ich ganz wunderbar, niemand hat für mich bisher das "Jochanaan! ich bin verliebt in deinen Leib", das so plötzlich hervorbricht, herrlicher gesungen (oder "Dein Leib ist so weiß wie der Schnee auf den Bergen Judäas").


    Liebe SchallundWahn!


    Dem Urteil kann ich so rein gar nicht folgen!
    Das ist aber nicht eine Frage der stimmlichen Qualität und auch nicht eine Frage der Gesangstechnik.
    Das ist eine Frage, über die sich nicht leicht diskutieren lässt: für mich sind das Timbre der Stimme und die Linienmodellierung bei Birgit Nilsson völlig unerotisch. Vielleicht hörst Du das als Frau anders. Vielleicht auch hast Du als Vertreterin einer jüngeren Generation andere Bezugspunkte als ich? Ich habe die Partie in den 50er Jahren durch viele Live-Aufführungen in der damaligen Städtischen Oper Berlin kennen gelernt - und zwar von Christel Goltz und vor allem von Helga Pilarczyk (Siehe oben meinen Beitrag 132). Dadurch ist eine Hörerwartung entstanden, der eine Birgit Nilsson nicht ansatzweise gerecht wird. Ich kann durchaus würdigen, wie gut sie die Salome letztendlich singt! Aber für mich ist das meilenweit entfernt von dem, was ich mir wünschen würde. Aber - wie gesagt - darüber lässt sich eigentlich nicht streiten.


    Trotzdem: Ich hatte oben skizziert, welches Flair und welche Farben die Pilarczyk der Prinzessin von Judäa geben konnte! (Beitrag 132) - Hörst Du dergleichen bei Nilsson?


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Caruso,


    ich habe ja schon gemerkt, dass das ein Disput ist, wer nun die passenste Salome ist. In einem sind wir uns im Übrigen bei der Salome von Birgit Nilsson einig, ich finde sie auch nicht erotisch. Das ist in gewisser Weise im ersten Teil der Oper aber für mich auch kein Problem, da ich Salome gar nicht als originär erotisch sehe. Wie ich weiter oben in meinem persönlichen Charaktergramm zu den Figuren geschrieben habe, halte ich Salomes Erotik für höchstens aufgesetzt, gespielt eben wie die eines verspielten Kindes...bezeichnend das nur ein Typ wie Herodes darauf abfahren kann (Narraboth schmachtet da ja noch etwas anders, finde ich, schwärmerischer) und das ernst nimmt. Letztlich hat diese "Erotik" für mich etwas unbeholfenes, albernes, ABER (jetzt kommt das aber) dann im großen Schlussgesang, in dieser kannibalisch angehauchten Szene (ist eigentlich noch kein moderner Regisseur darauf gekommen, dass mal auf die Bühne zu bringen...die ganze Oper ist doch voll davon) mit dem Kopf des Jochanaan, da muss es für mich erotisch werden, denn für mich löst sich da Salome zu ersten Mal von dem aufgepfropften Empfindungen, hin zu etwas, dass sie selbst in sich empfindet (egal wie man das nun finden mag...ihr Gefühl ist so gesehen doch sowieso korrumpiert) und das sie gar nicht richtig versteht. Die Verschmelzung mit dem Objekt ihrer Begierde.
    Jetzt kommt auch das zum Tragen, dass ich im von dir zitierten Abschnitt vorgriff und nur ein kurzes Kommentar abgelassen habe und nicht alles, was ich zur Solti-Salome zu sagen habe. Nämlich gerade im zweiten Teil der Oper und erst recht im Schlussgesang hat die Nilsson mich dann eher immer enttäuscht. So sehr ich den anderen Teil mit ihr mag, ihren Schlussgesang, finde ich weniger gelungen. Auch habe ich ein Problem damit, dass ich sie oft gar nicht verstehe (auch wenn ich den Text kenne), saubere Diktion ist das oft nicht.


    Wie ich es ja angedroht habe :D , nun meine Ausführungen zu den Aufnahmen und Ausschnitten, die ich kenne :


    Meine erste Salome war die von Solti (auch ein Grund, warum mich da viel geprägt hat, die Erstprägung habe ich auch bei anderen Werken erlebt).
    Lange war Solti für mich da das Neunplusultra und ich habe mich nicht genötigt gefühlt, mir da mal was anderes anzuhören. Eberhard Wächter als Jochanaan, da habe ich ja schon etwas dazu geschrieben (immer noch mein Lieblingsjochanaan) und Kmentts Narraboth ist es auch, weil ich seine Stimme mag und wie er das Schwärmerische richtig herüberbringt, mein Favorit in der Rolle. Stolzes Herodes ist manchmal sehr nah am Lächerlichen, meiner Meinung bekommt er aber immer noch gerade die Kurve ehe es zu viel wird. Auch vom Dirigat hat mich da lange nichts anderes gereizt. Bis ich das erste Mal von Ljuba Welitsch las. So gesehen kenne ich von ihr nur Ausschnitte der Salome und während sie mir in den vorderen Passagen nicht so zusagt, finde ich sie im Schlussgesang geradezu bombastisch, gänsehauterregend, wie es um ihre Partner aussieht, kann ich demnach nicht beurteilen. Maria Cebotaris Schlussgesang folgte und ihre Stimme hat mich auf sofort für ihre Salome eingenommen, nur kann ich mit der Art WIE sie singt nicht so viel anfangen, das hat für mich etwas äußerst Biederes.
    Die nächste Gesamtaufnahme, die ich kaufte, war die unter Keilberth mit Christel Goltz (kam ich drauf durch ein Kommentar hier im Forum). Bis dahin kannte ich die Goltz "nur" aus Orffs "Antigonae", hatte sie aber da schon genial gefunden, weswegen ich neugierig war. Letztlich, wenn ich die Salome-Rolle als Gesamtpaket betrachte, ist die Goltz meine liebste Salome, weil sie es schafft das Kindliche immer wieder durchschimmern zu lassen und weil sie für mich in beiden Teilen herausragend ist, ihr Schlussgesang ist für mich ganz nahe bei der Welitsch. Ihr Jochanaan in der Aufnahme ist Josef Hermann, der von den Täufern, die ich kenne wohl er aller Lyrischste ist (anfangs war ich mit Wächter im Ohr richtig gehend irritiert), zeitweise habe ich mich gefragt, ob das noch Baritonstimme ist oder nicht schon ins dunkle Register eines Tenors rüberreicht. Der Inbegriff des sanften Jochanaan als eine Art weltfremde Astralfigur, er wirkt wirklich wie nicht von dieser Welt. Diese Aufnahme hat außerdem für mich den besten Herodes (der mir bekannten Versionen), Bernd Aldenhoff, der sehr genau ist und nie droht in eine Karikatur abzudriften, er besitzt den nötigen Ernst, ohne das die Figur deswegen weniger dramatisch würde. Keilberth Dirigat ist sehr gut, wenn ich es sauch nicht außergewöhnlich finde.
    Die dritte Aufnahme war schließlich die unter Sinopoli mit Cheryl Studer, die ich aber mehr gekauft habe, wegen des Dirigenten und weil mich Bryn Terfels Jochanaan interessiert hat. Für mich sind das dann auch die Highlights dieser Aufnahme, Terfels Jochanaan hält die Waage zwischen Lyrischem und Drohendem und Sinopolis Dirigat gefällt mir von allen Versionen, die ich kenne am Besten, es ist klar, detailiert (Solti zB stampft vieles ein, finde ich), gerade der Tanz der 7 Schleier (ein von mir wenig geliebter Teil der Oper) ist hier für mich ansprechend und sehr spannend. Was nun die Salome der Studer angeht, eigentlich habe ich nichts an ihr auszusetzen, aber damit hat es sich dann auch, schön gesungen, da gibt's nichts zu meckern, aber auch nicht sonderlich interessant. Sie hat ein paar wunderbare Momente, aber meistens bleibt es doch eher "nur" gut. Das einzige Problem, welches diese Aufnahme wirklich hat, ist der Herodes von Horst Hiestermann, nicht nur ein Knallcharge, sondern auch rein gesanglich weit unter den Anforderungen. Der einzige echte Minuspunkt in dieser sonst sehr "runden" Aufnahme.


    Dann kenne ich noch zwei Aufführungen bzw. Filme. Zum einen den Götz Friedrich-Film mit der Stratas, die ich sehr eindrucksvoll finde, wobei natürlich einzuwenden ist, das sie die Rolle nie auf der Bühne gesungen hat. Beirers Herodes, nun ja, gehört auch schon eher in die Sparte lächerlich, dagegen die Varnay als Herodias, wundert es da, dass es Herodes zu Salome zieht, bei so einem Weibsstück. Bernd Weikl als Jochanaan finde ich gesanglich sehr gut, aber sein Agieren teilweise doch etwas übertrieben, dass ich mir manches Mal ein Lachen nicht ganz verkneifen konnte. Die Inszenierung insgesamt ist ganz gut, wenn auch etwas statisch und irgendwie kühl. Gleiches gilt für Böhms Dirigat von dem ich mehr erwartet hätte.
    Die andere Aufführung ist die Luc Bondy-Inszenierung unter Dohnanyi im Covent Garden mit der Malfitano als Salome. Sie gefällt mir auch sehr, vor allem auch darstellerisch, gesanglich kommt sie für mich aber nicht ganz an meine Lieblinge heran. Bryn Terfels Jochanaan finde ich hier in Kombination mit dem Bild auch noch besser als in der Sinopoli-Aufnahme, ihm merkt man den unsicheren, durchaus kämpfendes, jungen Mann (den ich mir gerne vorstelle) an. Wenn Salome allerdings meint : "Wie abgezerrt er ist", könnte man schon etwas ins Schmunzeln kommen (aber Oberarme hat er...genauso wie Weikl! ^^ )
    Kenneth Riegels Herodes ist dann auch wieder ein Knallcharge, übernervös, eine Witzfigur, die man in ihrer Angst nicht ernst nehmen kann. Das scheint Anja Siljas Herodias auch zu finden, so abfällig wie sie herüberkommt (herrlich)! Dohnanyi lässt ordentlich spielen, aber herausragend ist das für mich auch nicht. Die Inszenierung tendiert irgendwo zwischen Tradition und Modern, setzt er auf Reduktion, was mit sehr gefällt.


    Sonst habe ich eben noch Ausschnitte im Internet gesehen, zB von Karita Mattila, die ich umwerfend fand und Maria Ewing, deren Schlussgesang wirklich etwas Unheimliches hat.
    Die hier oft erwähnte Inga Nilsen kenne ich auch nur ausschnittweise, aber allein ihre Stimme finde ich unglaublich passend und außerdem singt sie sehr klar und deutlich.
    Die anderen Damen, die im Thread auftauchten, kann ich nicht beurteilen, da ich sie (noch) nicht gehört habe.



    Deine Dichotomie von erotisch angstbesetzem Jüngling bzw. das Weib verteufelndem Fundamentalisten sehe ich nicht, ich finde beides zugleich, einander bedingend (wie viele junge Fundamentalisten gibt es doch)


    Ich habe da mal näher drüber nachgedacht und da gebe ich dir doch Recht, die Verbindung von beidem ist ja gerade heutzutage immanent. das stimmt schon...wie modern dieses Werk doch ist.


    Dennoch brilliert Strauss´ Partitur in der Evokation des Erlösers, wie er auf einem Nachen im See von Galiläa zu seinen Jüngern predigt - diese Passage ist ungeheuer ergreifend


    Man könnte sie auch kitschig nennen :stumm: ...
    Übrigens finde ich nicht, dass das brilliant ist im Sinne von religiöser Veranschaulichkeit, so gesehen ist es doch religiös ziemlich oberflächlich, tiefe Religiösität wird da eher vorgegaukelt bzw. Strauss konnte es nicht besser...das will ich übrigens nicht als Kritik an Strauss' Musik verstanden wissen, sondern es ist (für mich) eigentlich ziemlich klar, dass der Atheist Strauss niemals echtes tiefes, religiöses Empfinden darstellen konnte (ich als areligiöser Mensch könnte das auch nicht und wenn würde es total oberflächlich sein), weil er davon so gesehen keine Ahnung hatte, Nicht-Religiöse Menschen können, denke ich, nur schlecht nachvollziehen, was in Glaubigen vorgeht. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum Strauss Jochanaan einen 'Hanswurst' nannte und einige Probleme mit der ihm zugedachten Musik hatte.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

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