Schubert, Franz: Streichquartett Nr 15 (op posth 161) G-Dur D 887

  • Manche Werke führen ein Schattendasein, weil eines da ist, das viel Berühmtheit erlangt hat ( Händel Oratorien würden dies sicher beklagen).
    Hier soll aber ein Schubert-Quartett vorgestellt werden, das unbedingt in die erste Reihe von Kammermusik gehört. Sein letztes in G-Dur steht im Schatten von "Tod und das Mädchen" und "Rosamunde". Sehr unberechtigt. Schuberts letztes Quartett ist von großer Kühnheit, steht in einer Reihe mit dem zweiten Satz des Streichquintetts oder dem zweiten Satz der späten A- Dur Sonate D. 959. Schubert schrieb visionäre Musik, die überhaupt nicht ins Biedermeier passte. Weit ausgreifend über Zeitgeschmack und übliche kompositorische Verarbeitung. Der erste Satz, wenn man alle Wiederholungen spielt, dauert allein so lange wie die durchschnittliche Dauer eines Quartetts von Mozart oder Haydn.


    Das G-Dur-Quartett entstand 1826, hat nun keinen Beinamen ( vielleicht sollte man einen erfinden) und wird selten gespielt. Ich hörte es einmal live in Bremen mit dem Alban-Berg-Quartett, kannte es vorher nicht und war wie elektrisiert.Habe mir dann natürlich sofort eine Aufnahme gekauft und es gibt sehr gute Aufnahmen davon, die mit dem Emerson-Quartett ist für mich die beste von Quartett-Formationen.
    Aber dann kam Kremer ands frieds. Kaskashian und YoYoMa und spielten das Quartett und alle anderen Aufnahmen wurden zur Seite gelegt.
    Das ist eine Aufführung,die man nur als Sternstunde bezeichnen kann. Kremer, den ich als Solisten gar nicht sonderlich schätze, ist ein großartiger Kammermusiker. Er kann- rein technisch gesehen- Dinge, die vielleicht weniger begabten gar nicht zur Verfügung stehen. Die Art und Weise wird speziell der erste Satz dargestellt wird, ist einfach unglaublich.


    Ich wünsche mir, dass mit diesem thread ein wenig dazu beigetragen werden kann, dass dieses Quartett bekannter wird.


    Sagitt

  • Tag,


    sehr wahr gesprochen über das Streichquartett Nr. 15 in G-Dur, das "Große", eine Musik ohne Sentimentalitäten. Franz Schubert überholt sich selbst. - Nach den Sekunden des Eröffnungscrescendo atmet man mit den Musikern und der Musik mit. Der schroffe Ton bricht nie ab. Das Finale schüttet den hörenden Leib zu, soll der doch zusehen, wie er damit zurechtkommt. Schubert am höchsten Punkt seiner Kompositionswissenschaft.


    Für einzig halte ich seit Jahrzehnten eine Deutung des tschechischen Novak-Quartett, eine SUPRAPHON-Schallplatte aus den 70er Jahren.- Die Mitglieder des Quartettes waren nach dem Prager Frühling geflüchtet, man schlug sich mit Kurzengagements im Westen durch. Es kam noch zu einer Aufnahme des 14.Streichquartettes (Der Tod und das Mädchen) und dem nachgelassenen Quartettsatz bei einem der damaligen deutschen Billiglabel.


    Im Unterschied zum Üblichen spielte das Novak-Quartett straffes Tempo bei fast rauher Tongebung. Ähnlich spielte nur das Quartetto Italiano (auf Metallseiten).


    MfG
    Albus


    Nachsatz: Novák Quartett: Die Herren Antonin Novák, Dusan Pandula, Josef Podjukl, Jaroslav Chovanec, Nr. 15 op. 161, Supraphon SUA ST 50745 Stereo (1966). Nr. 14 Der Tod und das Mädchen, SAPHIR 25729-5SB.

  • Meine Referenzaufnahme des großartigen und leider immer noch viel zu unbekannten Werkes ist die mit dem Auryn-Quartett. Hier stimmt einfach alles. Spezielle Empfehlung an Albus !!!


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo!


    Dieser thread ist tatsächlich bis an die letzte Stelle im Kammermusikforum abgerutscht! 8o Das ist nun vorbei!


    Zitat

    Original von sagitt
    Hier soll aber ein Schubert-Quartett vorgestellt werden, das unbedingt in die erste Reihe von Kammermusik gehört. Sein letztes in G-Dur steht im Schatten von "Tod und das Mädchen" und "Rosamunde". Sehr unberechtigt. Schuberts letztes Quartett ist von großer Kühnheit, steht in einer Reihe mit dem zweiten Satz des Streichquintetts oder dem zweiten Satz der späten A- Dur Sonate D. 959. Schubert schrieb visionäre Musik, die überhaupt nicht ins Biedermeier passte. Weit ausgreifend über Zeitgeschmack und übliche kompositorische Verarbeitung.
    Das G-Dur-Quartett entstand 1826, hat nun keinen Beinamen ( vielleicht sollte man einen erfinden) und wird selten gespielt.
    Ich wünsche mir, dass mit diesem thread ein wenig dazu beigetragen werden kann, dass dieses Quartett bekannter wird.


    Ich kann mich Sagitt in fast jedem Punkt anschließen. Es ist ein wirklich großartiges Werk, ebenso zeitlos, spannend und visionär wie das beste des späten Beethoven. Übrigens ist es quasi zeitgleich mit Beethovens cis-moll-Quartett op.131 fertig geworden - somit ein ganz besonderer Moment der (Kammer-)Musikgeschichte. :jubel:
    Schubert hat im Gegensatz zu Beethoven sein G-dur-Quartett in nur elf (!) Tagen komponiert.
    Für mich persönlich steht das "Rosamunde"-Quartett im Schatten der beiden anderen, aber leider ist insgesammt das G-dur-Quartett unverdientermaßen, aber gleichwohl aus nachvollziehbaren Gründen, vergleichsweise weniger bekannt. Es verlangt dem Hörer mehr ab als die beiden anderen späten Schubert-Quartette.
    Ein wirkliches "Dur-Quartett" ist es freilich nicht, dazu gibt es zu viele Moll-Passagen, und auch sonst ist der Tonfall recht grüblerisch, düster bis aufbegehrend.
    Einen Namen sollte man ihm dennoch nicht geben. Ich bin im Zweifelsfall (und nicht nur dann) eher für das Weglassen von Beinamen, weil sie ein Werk häufig "reduzieren".
    Jedem Kammermusikfreund, der Schuberts Quartett G-dur D 887 noch nicht kennt, ist auch von mir das Kennenlernen aufs Äußerste empfohlen!


    Ich besitze zwei Aufnahmen, nämlich mit dem Melos Quartett und dem Hungarian Quartet:

    Mit der Aufnahme des Melos Quartetts habe ich das Werk kennengelernt und war wirklich begeistert - freilich zunächst hauptsächlich über das Werk. Den "Rang" dieser beiden Einspielungen im Vergleich zu anderen kann ich schwer einschätzen. Ich bin mit beiden Interpretationen zufrieden. Das Melos-Quartett spielt tendenziell weicher, melodischer, etwas langsamer als das Hungarian Quartet, das Zäsuren stärker betont, mehr "Spannung" aufbaut. Weit auseinander liegen die Interpretationen im vierten Satz. Hier ist das Hungarian-Quartet rund 100 Sekunden früher fertig als die Stuttgarter - und das liegt nicht an weggelassenen Wiederholungen. Allerdings wirkt so der Satz dadurch "vorbeihuschend" und die Melodien irgendwie "unsauber"; hier gebe ich dem Melos-Quartett den Vorzug, das dem vierten Satz mehr Raum für seine "Größe" läßt.
    Von der Klangqualität ist die Melos-Aufnahme die bessere.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Habe zwar noch nicht mit den (wenigen) anderen mir vorliegenden Einspielungen verglichen, aber unlängst beeindruckte mich diese CD (auch klanglich):
    Leipziger Streichquartett


    Anscheinend gibt es eine 6-CD-Box mit allen Werken recht preiswert, die einzelnen Ausgaben sind aber Vollpreis


    Das Stück selbst ist für mich auch nach 10 Jahren immer noch ein recht harter Brocken.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    ein paar Eckdaten gefällig?


    D 887 [op. posth. 161] wurde in der Zeit vom 20. bis 30. Juni 1826 komponiert, innert 10 Tagen also. Leider ist das Autograph ziemlich früh nach der Entstehung verschollen. Glücklicher Weise hat Schubert die Einzelstimmen herausgeschrieben und schreibt darüber am 5. März 1827 an Franz Lachner. Es wird angenommen, dass das Quartett am 26. März 1828 in Schuberts "Privatkonzert" durch das Ignaz-Schuppanzigh-Quartett aufgeführt wurde. In diesem Konzert wurden geboten: der 1. Satz eines neuen [d.h. ungedruckten] Streichquartetts [887 oder 810], des weiteren: Der Kreuzzug D932, Die Sterne D939, Fischerweise D881, Fragment aus dem Aeschylus D450, Ständchen D920, Klaviertrio D929, Auf dem Strome D943, Die Allmacht D852 und Schlachtlied D912.


    Der 2. Satz des Quartettes D887 war ursprünglich in h-moll geplant.


    Fröhliches Hören!


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • kurz fußnoten möchte ich, dass woody allen in einem seiner besten filme (crimes and misdemeanors) d887 als filmusik verwendet und sogar im dialog darauf eingeht!


    ich empfehle die aufnahme des alban berg quartetts (die der leipziger gefällt mir auch gut, wie übrigens die ganze schachtel von denen)


    :hello: nicht aus schubert-town

  • Na dann möchte ich den Thread auch mal wieder hochschieben.
    Es ist tatsächlich sehr schade, daß "Rosamunde" (Nr. 13) und "Tod und das Mädchen" (Nr. 14) so über das G-Dur-Quartett (Nr. 15) dominieren...


    Aufmerksam gemacht auf dieses Werk machte mich Woody Allen in dem von Observator genannten hervorragenden Film. Er unterlegt mit dem Beginn des ersten Satzes einige Szenen die im Zusammenhang mit einem Auftragsmord stehen. Eine der großartigsten kongenialen Gänsehautstellen der musikalischen Filmgeschichte. Da ich erst den Film sah und nun seit drei Tagen erst das vollständige Quartett kenne, wird diese Verbindung zum Film mir unauslöschlich bleiben.


    Die Aufnahme des Hungarian Quartet (1968 ), die Pius schon vorstellte, gefällt mir soweit als Basis ganz gut, aber eine Zweiteinspielung hätte ich bei Gelegenheit schon noch ganz gerne.


    Vielleicht finden sich ja noch ein paar Empfehlungen ein...

  • Sagitt meint:


    ich will nochmals ausdrücklich auf Kremer and friends hinweisen. Einfach eine Klasse besser als die üblichen Formationen, vielleicht weil die Solisten etwas können, was Kammermusikern abgeht ?
    Der erste Satz dauert bei Kremer and friends ganze 23 min. Danach könnte man eigentlich mit dem Hören aufhören, so umwerfend ist allein dieser Satz.

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  • Hallo, Sagitt!


    Zitat

    Der erste Satz dauert bei Kremer and friends ganze 23 min.


    Ach du liebe Zeit! Ich weiß nicht, ob das so zerdehnt noch sinnvoll ist. Oder darf man beim Allegro molto moderato das erste Wort weglassen?


    Inzwischen habe ich auch noch diese CD:


    Die gibts spottbillig bei JPC. Das Amadeus-Quartett spielt teilweise, als ginge es um sein Leben. Das Ensemble war damals erst einige Jahre beisammen, aber hochmotiviert. Sie spielen ohne Rücksicht auf Verluste (falsche Noten) ihren mitreißenden Stil durch. Ich kann die Aufnahme nicht wirklich empfehlen, da einiges etwas daneben ist. Andererseits musizieren sie viel packender als das Melos-Quartett oder das Hungarian Quartet. Da der Preis wirklich niedrigst ist, lohnt sich das kaufen aber doch (zudem gibts ja Schuberts Neunte mit Furtwängler dazu) - allerdings nicht zum Kennenlernen des Werks.
    Kurzes Fazit der Aufnahme: :jubel: :motz: :yes:?(


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Sagitt meint:


    Nein,nein, das Tempo ist schon sehr in Ordnung. Schuberts himmlische Längen entstehen sicher durch jede Menge Wiederholungen.
    Ich kann nur empfehlen, wenn man dieser Aufnahme habhaft wird: HÖREN


    Schöne Grüsse

  • Hallo Sagitt,


    ich hab grad bei amazon reingehört, hört sich echt so an, als könnten sie die Spannung bei dem Tempo halten.


    Nur: ist es wirklich die originale Streichquartett-Fassung? Die miese Tonqualität des amazon-samplers erzeugt eher den Eindruck als handle es sich um ein kleines Kammerorchester.. bitte um Aufklärung.


    Gruß, Markus


  • Sagitt meint:


    Da ist drin, was drauf steht: cremerata baltica.
    Nein,ich meine,und bin daran selbst schuld, die Fassung für Streichquartett, das Original, friends schreibe ich immer, wenn ich nicht alle Solisten im Kopf habe. Nach meiner Erinnerung- die CD steht nicht in meiner Nähe, spielten u.a. Kaskashian und YoYo Ma mit.
    Die war vor vielen Jahren bei CBS erschienen.

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  • Franz SChubert [1797-1828]


    Streichquartett G-Dur D 887
    Streichquartett g-moll D 173


    Mandelring-Quartett


    Ich habe keine Lust, da große Aufmerksamkeit zu spenden - das klingt wie getunedte Filmmusik bei den Mandelringen...


    Die werden schon wissen, warum sie die Ecken der Hülle abgerundet haben... :rolleyes:


    Das namentlich lecker klingende Quartett stammt aus der großen Weinstadt Neustadt an der Weinstraße, die Aufnahmen wurde in der Nähe der Klappse in Klingenmünster gemacht und das vor nicht allzu langer Zeit [22.-25.02.2005].


    Ganz so schlecht, wie man's herauslesen könnte, sind sie natürlich nicht: Vergleichbar mit den Albaner Bergen vielleicht. Ich mag's nicht. :no: Aber immerhin ist's eine SACD...


    Für Interessierte die "Zeiten":


    I Allegro molto moderato 21'12"
    II Andante un poco mosso 11'33"
    III Scherzo. Allegro vivace - Trio. Allegretto 6'42"
    IV Allegro assai 11'10"


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Das Nonplusultra scheint mir die Aufnahmen des Hagen Quartetts zu sein!
    :jubel:


    Man höre nur den Mittelteil des Andante von Schuberts letztem Streichquartett, das einmal wahrlich zeigt, was Ausdruck in der Musik wirklich bedeutet! Hier klopft das Schicksal an die Pforte! So viele Klangfarben sind singulär.




    Da sieht das Aurin Quartett (eine der empfehlenswerten Einspielung fürwahr!) im Vergleich blaß aus, insbesondere, wenn wieder einmal der Primarius im Forte immer dünner im Klang wird. Jedenfalls hat sie mir stets besser gefallen als die mehr gelobe des Leipziger Streichquartetts mit ihrem seltsam unpassenden Cellisten und ihrer Geradlinigkeit mit extrem dünnen Klang. Enttäuschend ist leider auch das Lindsay String Quartet. Die Mandelrings sind bei ihren Onslow-Einspielungen bei CPO jedenfalls wesentlich empfehlenswerter, finde ich.
    Sehr gut gelungen finde ich den Finalsatz vom Juilliard String Quartet trotz ihres sehr breiten Klangs.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Hallo!


    Zu der Kammerorchester-Aufnahme mit der Kremerata Baltica, die ich vor einiger Zeit im Radio gehört hatte, stehe ich eher gespalten.
    Die Tempi der fast einstündigen Aufnahme sind sehr gedehnt, das Werk wirkt wie ein langsam marschierender Koloß. Es ist beeindruckend, aber eine sehr extreme Interpretation des Werkes. Kremer wollte sich möglichst nahe dem "Geist dieser Musik" nähern. Ich weiß nicht...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • seltsam, wirklich seltsam, daß hier noch niemand das ABQ erwähnt hat ..... :rolleyes:


    ... so sehr ich Kremer und seine Mitstreiter schätze (siehe Einspielungen Lockenhaus) - aber das Alban Berg Quartett ist, für mich, nach wie vor das Quartett.


    Im D 887 einfach großartig! wobei die neue (Live-) Einspielung noch deutlich aufregender ist als die 20 Jahre ältere.


    Herzlichst
    tuonela

  • nicht seltsam, sondern bewusst. Das ABQ ist zwar der Gipfel eines Zugriffs wie aus einem Guss sowie technischer Perfektion, aber gestalterisch eher der Gipfel eines konservativen Zugriffs alter Art: man vergleiche etwa ihre letzte Dvorak-CD unmittelbar mit jener des Hagen Quartetts!


    Was ich bei ihnen wirklich schätze (wie bereits wiederholt geschrieben), das ist ihr Haydn, vor allem der fürhere bei Teldec aber auch das op. 77bei EMI - oder das Schnittke Quartett #4 ebendort.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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  • ... ich lese natürlich nicht alles mit bzw. nach, bin ja noch neu ... daher sorry, wenn ich was wiederhole, was eh schon dauernd geschrieben worden ist. ;)
    Konservativ finde ich das ABQ gar nicht, eher geht es für mich in Richtung Expressivität in einer Art, wie es weder seine früheren Aufnahmen noch andere Quartette zustande bekommen. Die jüngsten Aufnahmen des Hagen Quartetts kenne ich nicht - die früheren haben mich diesbezüglich aber nicht sonderlich überzeugt. Alles etwas geglättet, nach meinem Empfinden.


    (Aber das war schon wieder offtopic - hier geht's ja um D 887....)


    Herzlichst,
    tuonela

  • schon interessant, wie konträr hier unsere Ansichten sind. Entweder, also, schreiben wir beide über andere Aspekte, oder aber mindestens einer von uns beiden irrt sich, oder aber es liegen bloß Gescmacksurteile vor.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Der zweite Satz ist für mich ein totales Wunder an Musik, das G-Dur Quartett eines der größten Werke der ganzen Musikgeschichte.


    Meine bewußte neuerliche Annäherung an dieses Werk nach vielen Jahren geschah im Zuge des Durchhörens der Gesamtaufnahme der Schubert-Quartette mit dem Melos Quartett aus den frühen 70ern (6 CDs, DGG Collectors Edition 463 151-2), eine wie ich finde angenehm impulsiv und musikantisch anzuhörende Angelegenheit, die mir die Tiefe des Ausdrucks sehr gut vermittelt und verinnerlicht hat.



    Verblüffend „anders“ die Einspielung des Hagen Quartetts (DGG CD 457 615-2, aufgenommen im Minnesängersaal von Wiesloch im Juni 1997 und Februar 1998, gekoppelt mit Beethovens op. 95), auch gegenüber dessen Einspielung von "Der Tod und das Mädchen" – wie „mit geschliffenen Messern“!



    Eine bewusste Kälte ist als Grundton spürbar, an die man sich zunächst nur schwer gewöhnen mag (hat man das Melos Quartett noch im Ohr). Das ist meiner Meinung nach eher keine Aufnahme für das erste Kennenlernen dieses Werks, man wird zunächst mehr verstört als sich irgendwie zurechtzufinden mit dieser genialen Musik. Natürlich erblühen die Blüten dann im Lauf des Werks umso schöner, umso klarer, umso sonderbarer, nuancierter, differenzierter, und das Finale ist beim Hagen Quartett wie ein phantastischer Flug auf Wolken, aber ich war schon froh, vorher auch das Melos Quartett gehört zu haben und (in diesem Fall) nicht „mit dem Hagen Quartett allein bleiben zu müssen“ (so faszinierend deren Deutung auch ist; aber wer so "altmodisch" aufgewachsen ist wie der Schreiber, braucht halt länger zum "Umlernen", und er weiß, dass auch das Hagen Quartett, gerade dieses Quartett, "richtig" liegt, nur muss er die Aufnahme wohl mehrmals hören, um ihr "näher" zu kommen).


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander


  • Nach Hause kommen heißt (hoffentlich) auch Geborgenheit zumindest wieder erkennen. So geht es mir als beruflicher Wahlmünchner immer wieder mit Radioaufzeichnungen der Wiener Philharmoniker, und so etwas suchte ich mit dem bewussten Kennenlernen von Franz Schuberts Streichquartett G-Dur D 887 (Op. 161), zunächst mit dem Melos Quartett, dann mit dem Hagen Quartett. Der innere Ruf war sofort da: Das muss mit dem Alban Berg Quartett gehört (besser: gelebt) werden! Es war zu ahnen, was eintraf. Die im Dezember 1979 in der Evangelischen Kirche von Seon eingespielte Aufnahme mit dem Alban Berg Quartett (CD EMI CDC 7 49082 2), damals noch Günter Pichler (1. Violine), Gerhard Schulz (2. Violine), Hatto Beyerle (Viola) und Valentin Erben (Violoncello), führte den Schreiber akustisch total nach Hause, in das musikalische Wien seiner Kindheit und Jugend. Der erste Satz (leider ohne Wiederholung der Exposition) kommt „wie ein Streichquartett von Anton Bruckner“ daher, aber doch so ganz wienerisch und schubertisch empfunden. Dieser Schubert des Alban Berg Quartetts hat jenen so unbeschreiblichen „Trost im Sterben“ und das unvergleichliche „Es wird scho´ net so schlimm sein“ (Trio 3. Satz, Finale). Und der für den Schreiber so absolut einmalige zweite Satz mit seiner e-Moll Elegie und den Zerklüftungen zwischendurch? Beim Hagen Quartett schneiden „Laserstrahlen“ an der Melodie vorbei, sind die Zerklüftungen aus einer Stahllandschaft geschält. Hier, beim Alban Berg Quartett, durchlebt der Wiener ein existenzielles Drama, aber gleichzeitig auch seine ganz persönliche (sentimentale, melancholische, wehmütige, schmerzlich-schöne, abgründige) Seligkeit.


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Im Tamino-Forum wenig beachtet (Der letzte Eintrag ist aus dem Jahr 2007 !) links liegen gelassen, Autograph verschollen. 9,1 k Klicks hat dieser Thread in 15 Jahren bis jetzt erreicht.


    Da kommen mir die Zeilen aus dem Zyklus Winterreise in den Sinn, "keiner will ihn hören, keiner sieht ihn an."


    Und - Gott sei es gedankt - die Abschriften der Einzelstimmen sind erhalten. Sonst wäre dieses Gipfelwerk der Kammermusik unwiederbringlich im Orkus des Vergessens für immer verschwunden.


    Franz Schubert hat etwas weit in die Zukunft Weisendes komponiert. Liest man die begeisterten Kommentare ist das 15. Streichquartett G-Dur D 887 wert gehört zu werden.


    Gut, dass es eine Reihe von Gesamtaufnahmen gibt, die dieses Meisterwerk enthalten.


    Da blickt der Compositeur uns vom Cover der Einspielung des Diogenes Quartetts entgegen. (Erstmals wurde das Portrait in der Gesamtaufnahme der schubertschen Klaviermusik zu vier Händen des Duos Groethuysen-Taal verwendet.)

    Was würde Schubert denken, wenn er wüsste, wie über sein Werk geschrieben und gesprochen wird?



    * Seit ich diese GA in anderen Threads erwähnt hatte, steht immer noch auf der Seite dieser Aufnahme des Werbepartners "Nur noch "1 Stück am Lager." Allzu viel scheinen Erwähnungen nicht an Beachtung zu erzielen. ?(

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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Das Melos-Quartett spielt. Die Partitur kann man hier mitlesen.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Die Einspielung des Belcea Quartetts ist hier zugänglich.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Das Belenus Quartett spielt live, die 1. und 2. Geigerin und die Bratschistin stehend:


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Die Interpretation der Herren des Busch-Quartetts ist auf You Tube vertreten.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Das Pražák Quartet greift für Schubert in die Saiten.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
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