Händel – Concerti grossi Op. 6 und Op. 3

  • Da stellt sich mir die Frage, was die Zeitgenossen damals mit dem Bergiff "concerto grosso" überhaupt gemeint hatten ... da hat die Nachwelt wohl wieder einmal Regeln aufgestellt, die es so gar nicht gegegen hatte?

  • Zitat

    Original von miguel54
    Da stellt sich mir die Frage, was die Zeitgenossen damals mit dem Bergiff "concerto grosso" überhaupt gemeint hatten ... da hat die Nachwelt wohl wieder einmal Regeln aufgestellt, die es so gar nicht gegegen hatte?


    Natürlich gibt es Grenzfälle, aber mir scheint doch meistens recht deutlich zu sein, welches der "Skelette" vorliegt:


    I "Corellischer Concerto-Typ" in Form der Sonata da chiesa langsam (feierlich)-schnell (fugiert)-langsam(pathetisch)-schnell
    Schon Corelli differenziert hier ja zwischen "da chiesa" und "da camera", wobei letztere eher mehr Sätze und auch Tanzsätze enthalten dürfen


    II "italienisches Solo-Konzert" (wobei es mehr als einen Solisten geben mag)
    schnell-langsam-schnell, wie meistens bei Vivaldi und Bach, selten durch zusätzliche, oft tänzerische Sätze ergänzt


    III "Franz. Ouverture" + Suite von stilisierten Tänzen, wobei auch konzertante Elemente auftreten können. Die Gemeinsamkeit der franz. Ouverture mit der Kirchensonate ist ja die Abfolge "Langsam-Schnell(meist fugiert)". Aber dennoch ist der punktierte Rhythmus ein ziemlich eindeutiges Charakteristikum, während die Kirchensonate hier häufig "strengen" Stil und gleichmäßig schreitenden Bass aufweist.


    Mit diesem Grundtypen würde ich in Händels op.3 #1 und #2 Typ II zuordnen (wobei #2 wie Bachs 1. Brandenburgisches zwei Tanzsätze anhängt), aber wie Du sagtest, mit einer bunten Mischung von Soli, die teils nur in Einzelsätzen hervortreten.


    3 entspricht mehr oder minder I (mit einem sehr knappen, eher ouverturenhaften ersten Satz), aber mit Solo-Oboe


    4 am ehesten III


    5 I als einziges in op.3


    und 6, was wirklich nur zwei Einzelsätze sind, mit einem evtl. ergänzten Mittelsatz auch II


    Auch das "Alexanderfest"-Konzert ist m.E. Typ II mit zusätzlichem tänzerischen Ausklang.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von miguel54
    Da stellt sich mir die Frage, was die Zeitgenossen damals mit dem Bergiff "concerto grosso" überhaupt gemeint hatten ... da hat die Nachwelt wohl wieder einmal Regeln aufgestellt, die es so gar nicht gegegen hatte?


    Ursprünglich bezeichnet »Concerto grosso« doch erstmal überhaupt nicht eine Gattung sondern eine Ensemblekonstellation bzw. eine Besetzungsstärke – als Synonym von Ripieno und als Gegenpart zur Solistengruppe bzw. dem Concertino. Soweit ich mich erinnere, wird erst mit Corellis op. 6 dieser Begriff zum Etikett für Kompositionen, die für eine solche Besetzung (Concertino + Concerto grosso) komponiert sind.
    Eine spezifische Satzstruktur ist damit erstmal nicht vorgegeben.


    Ich glaube auch, daß die beiden Grundtypen der italienischen Sonate sich nicht allein über die Anzahl der Sätze und die Satzfolge bestimmen lassen (bei der da-camera ist das ja schon von vornherein kaum möglich, weil das Gerüst: schnell-langsam-schnell + Auffüllung und Ausweitung um stilisierte Tänze kaum eine »Reinform« beschreiben läßt), sondern vielmehr über den jeweils angeschlagenen Ton und den Charakter. Eben (das ist jetzt natürlich unterkomplex) eher Ernsthaftigkeit und Feierlichkeit in der Sonata da chiesa und ein eher fröhlicher oder ausgelassener Charakter in der Sonata da camera. Aber vielleicht liege ich damit auch vollkommen falsch.


    Jedenfalls – da zeigt JRs Aufschlüsselung von op.3 ja ganz deutlich – gibt es keine »klassische« oder (auch nur temporär ) wirklich verbindliche Satzfolge des Concerto-grosso-Typs, die auch nur in Ansätzen etwa der verbindlichen Viersätzigkeit der klassischen Sinfonie vergleichbar wäre (aber auch da war die Verbindlichkeit ja nur temporär ;) ).


    Ganz herzlich,
    Medard

  • der Unterschied zwischen Sonata da Chiesa und Sonata da Camera ist wohl nur in der Kompositionsweise zu finden.
    Bei der Sonata da Camera sind mir z.B. noch keine strengen Fugen begenet - was aber nichts heißen will.



    Viele Ensembles differenzieren z.B. so, dass im Bass der Sonata da Chiesa eine Orgel spielt, wärend bei der Sonata da Camera ein Cembalo zu hören ist.
    Das passt auch ungewöhnlich gut zu den Werken.

  • Die Begriffe "Sonata da chiesa" und Sonata da camera" scheinen ja auch eher auf den Verwendungszweck als auf einen bestimmten Gattungstyp hinzuweisen?


  • Ich besitze seit Dienstag diese Ausführung! "Früher" hatte ich Sie auf LP und die Aufnahme hat mir sehr gut gefallen, deshalb habe ich Sie jetzt für günstige 11,99 € bei Amazon erstanden. "The Originals"
    Neville Marriner hat wahrlich eine Hand für die Musik des Barock, ob die Concerti grossi von Corelli, Händel, ob Bach, Albinoni, Vivaldi, er überzeugt stehts! Solange er sich nicht an die Symphonien ranmacht, sei es Mozart, Schubert, gehört Marriner immer zur ersten Wahl!


    :pfeif: :pfeif:

  • Zitat

    Original von miguel54
    Die Begriffe "Sonata da chiesa" und Sonata da camera" scheinen ja auch eher auf den Verwendungszweck als auf einen bestimmten Gattungstyp hinzuweisen?


    Verwendungszweck - hm, ursprünglich vielleicht schon... Jedenfalls wird im Hoch- und Spätbarock mit diesen Begriffen schon eine bestimmte Grundstruktur der Satzfolge angesprochen. JR hat das ja oben schön differenziert. Allerdings wird diese Grundstruktur nicht immer besonders streng befolgt. Die Frage ist, ob Abweichungen vom Grundschema nur aus heutiger Perspektive als »Abweichungen« erscheinen und zeitgenössisch als üblicher Umgang mit einem Formtypus aufgefaßt wurden und als »normal« galten - was ich fast annehme. Ich glaube der Hinweis vom Lullisten, daß die »Kompositionsform« entscheidend sei, ist ziemlich wichtig und korrekt. Dazu kommt der Gehalt bzw. der Charakter des Werks. Vielleicht sollten wir dazu auch mal einen eigenen Thread aufmachen...


    Ganz herzlich,
    Medard


    Edit.:
    Da fällt mir ein: vielleicht ist das mit dem »Verwendungszweck« auch um 1700 noch durchaus aktuell gewesen. Ich erinnere mich gelesen zu haben, daß ein Zeitgenosse über Alessandro Scarlattis Concerti grossi schrieb, diese seien aufgrund des ernsten Charakters und der Strenge des Satzes wohl nur für die Verwendung in der Kirche geeignet... (Schaue das heute abend aber nochmals nach)
    .

  • Ich höre gerade, durch diesen Disput angeregt, nach langer Zeit mal wieder die sechs Konzerte Opus. 3 in dieser, bereits weiter oben empfohlenen sehr schönen Aufnahme mit Roy Goodman und dem Brandenburg Consort:



    Besonders der weiche und doch volle Klang der alten Holzblasinstrumente gefällt mir außerordentlich gut und ich würde schon deshalb für diese Konzerte auf jeden Fall eine Aufnahme mit historischen Instrumenten wählen - das spricht aus meiner Sicht gegen die Marriner-Aufnahme.


    Das "Konzertbuch Orchestermusik 1650-1800" von Breitkopf & Härtel schreibt zur gattungsmäißgen Einordnung dieser Stücke: "Den Beinamen Oboenkonzerte verdankt Händels Opus 3 der Mitwirkung von Holzbläsern in den Concertino-Gruppen der einzelnen Werke, obwohl die Sammlung kein echtes Oboenkonzert aufweist, sondern - im Gegensatz zu den späteren Concerti grossi op. 6, für deren Besetzung Händel in der Druckausgabe das reine Streichorchester Corellischer Prägung wählte - insgesamt zur Gattung der Concerti con molti stromenti zu rechnen ist.


    Noch eine Frage zur Begrifflichkeit: Mit Concertini ist die Gruppe von solistisch aufspielenden, also konzertierenden Instrumenten gemeint, während zu der Ripieni genannten Gruppe vor allem das durchlaufende Basso Continuo zählt. Stimmt das so? Und was genau heißt dieses Wort "Ripieni"?


    Müssten in der "Tutti"-Gruppe nicht eigentlich mehr Instrumente sein als in der Solo-Gruppe? Im "Concertini" spielen bei op. 3 zwei Blockflöten, Querflöte, zwei Oboen, Fagott, 2 Violinen, Viola, Orgel. Selbst wenn nicht alle Soloinstrumente in jedem Konzert auftauchen, ist das doch ziemlich viel. Im "Ripieni" sind dagegen nur zwei Violinen, Viola, Basso Continuo aufgeführt.


    Mit Gruß von Carola

  • "ripieno" bedeutet wörtlich "Füllung" (re und plenus, habe ich aber auch nachgeschaut ;)), übertragen wohl "chorische Besetzung" (die Knabenstimmen "Oh Lamm Gottes..." im Eingangschor der Matthäuspassion sind mit "soprano in ripieno" bezeichnet, also mit mehreren Sängern) bzw. Tuttistimmen.


    Das übliche Streicher-Concerto ist 7-stimmig: 2 Violinen und Cello als "Concertino", also als solistisch besetzte Gruppe und nochmal 2 Violinen, Viola und b.c. als Ripieno. Der Kontrast ist also Concertino - Ripieno, anders als bei Solokonzert, wo nur ein Solist dem Tutti gegenübersteht.


    Man füllt durch die Ripienostimmen sozusagen den Satz einer Triosonate (des Concertino) zum Concerto grosso aus. (Solche Bearbeitungen wurden so weit ich weiß tatsächlich vorgenommen.)


    Bei Konzerten mit mehr als 4 Solisten, gibt es in der Tat soviele Solo-Stimmen wie Ripieno-Stimmen, nämlich beidesmal 4. Aber der funktionale Unterschied bleibt bestehen und die Ripieni sollten eben mindestens 2 Spieler pro Stimme haben.


    Die Marriner-Sammelbox habe ich ja oben schonmal abgebildet und ich meine Klawirr hätte sie neulich auch erwähnt. Ich finde sie ziemlich gut, mit traditionellen Instrumenten sicher eine der besten Aufnahmen. Sehr spritzig, natürlich nicht so kontrastreich wie Harnoncourts, und spielfreudig, der Cembalist fügt ab und zu kleine Improvisationen ein; auch die Orgelkonzerte sind gut (wobei mich hier allerdings stört, dass zwei mit Cembalo statt Orgel gespielt werden). Wasser- und Feuerwerksmusik könnten allerdings etwas mehr Pomp vertragen :D
    Eher schwach (auch die älteste Aufnahme und nicht unter Marriner ist das Alexanderfest-Concerto. Die beste mir bekannte Einspielung dieses Konzerts findet sich auf Scholls Arienrecital Ombra mai fu), eine solide immerhin auf Gardiners Einspielung des "Alexanderfests".


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    (Bob Dylan)

  • Guten Tag


    im ersten Druck von Händels Op. 3 durch den Londoner Verleger John Walsh 1734 soll an 4. Stelle der Sammlung ein "Concerto grosso" eines anonymen Komponisten irrtümlich (!) in die Sammlung geraden sein. Das in F-Dur stehende, viersätzige Concert trägt deutliche italienische Züge. In einem 2. Nachdruck wurde dies korrigiert und durch das jetzt bekannte F-Dur Konzert (HWV 315) aus der Oper "Amadigi" ersetzt.
    Von wem könnte das im Erstdruck stehende, "italienische Züge" aufweisende Konzert wohl stammen ?


    Beide F-Dur Concerti grossi sind übrigens auf dieser



    CD mit dem Concentus Musicus Wien eingespielt.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Auch das Brandenburg Consort hat auf seiner CD für Hyperion beide Concerti # 4 eingespielt - der Verfasser des in der ersten Ausgabe befindlichen, das möglicherweise auf Händels Wunsch entfernt wurde, ist nicht bekannt.
    Walsh hat es später in einer Anthologie ohne Komponistenangabe neu gedruckt.


    Ich habe noch die erste Auflage der Hyperion CD, der Begleittext von Roy Goodman ist sehr informativ, was die Publikationsgeschichte betrifft. Der Verleger Walsh muß teilweise ein schlimmer Finger gewesen sein. Er begann in 1695, Purcells Todesjahr - obwohl das Stechen von Noten auf Kupferplatten in England seit 1610 bekannt war, hatte man dort wenig Gebrauch gemacht. Walsh hatte drei größere Konkurrenten, und trotz des Copyright Act von 1709, der dem Erstverleger für 28 Jahre die alleinigen Recht zusprach, waren Raubdrucke an der Tagesordnung, die wegen der Popularität von Concert Grossi seit der Veröffentlichung von Corellis Op. 5 durch Roger in Amsterdam 1714 sehr beliebt waren. Walsh druckte diese Ausgabe 1715 in Engand - bis 1790 gab es weitere 7 Ausgaben, die alle Authentizität beanspruchten! Kein Wunder, daß die Verleger durch das Drucken immer neuer Concerti Grossi Profite witterten.
    Walsh druckte 1732/33 Geminianis Concert Grossi, ohne dessen Zustimmung, und der ging vor Gericht und setzte durch, daß er alles vor Veröffentlichung zum Korekturlesen vorgelegt bekam. Händel einigte sich außergerichtlich mit Walsh, denn sein königliches Privileg zum Drucken seiner Noten war 1734 ausgelaufen, und Walsh nutzte dieses sofort aus und stellte aus verschiedensten Werken Händels die Werke zusammen, die er dann als Concerti Grossi op. 3 veröffentlichte, mit der irreführenden Angabe einer reinen Streciherbesetzung à la Corelli auf dem Titelblatt, obwohl seine Quellen eindeutig anderes zeigten - kein Wunder, daß sie nicht gattungstypisch sind, sonder eher eine Collage. Händel schien keinen Bedarf nach Streit mit Walsh zu haben (er hatte ihm schon 1710 bei seinem ersten Englandaufenthalt den Druck seiner Oper Amadigi anvertraut) und einigte sich gütlich mit ihm (was ihm natürlich auch Einnahmen aus dem Notenverkauf sichterte). Das unauthentische Konzert (heute 4b genannt) wurde entfernt.
    Es existiert ein auf 1727 datiertes Manuskript in der Sammlung des Grafen von Malmesbury, das # 1,2, 4a und 5 enthält; anderes stammt aus Il pastor fido - man geht deshalb davon aus, das alles zwischen 1712-24 geschrieben wurde. # 3 wurde eindeutig als Patchwork von Walsh zusammengestellt. Bei Goodman kann man im Detail nachlesen, was wo ursprünglich verwendet wurde - und was im Detail gebastelt wurde und noch heute gebastelt werden muß!


    Goodmans Aufnahme ist nicht nur ausgezeichnet kommentiert, sondern auch sehr schön gespielt, ich kann sie vorbehaltlos empfehlen.

  • Guten Abend


    inzwischen sind Händels "Twelve Concerti grossi, op.6"



    mit dem Ensemble Il Giardino Armonico auf dem Markt.
    Mir gefällt die Neuaufnahme ungemein, jedes der zwölf "Concerti"
    wird farbig und kontrastreich brillant musiziert. Das Continuo ist reich besetzt,
    Laute, Harfe, Orgel und zwei verschiedene Cembali wirken mit.
    Einige Sätze meint man so noch nicht gehört zu haben; ein Hörvergnügen.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Die Hörschnipsel haben mich auch überzeugt, sie zu bestellen ...


    Wie ich sehe, ist sie bei L'Oiseau-Lyre erschienen - das Label gehört doch zur totgesagtem Decca ... tz tz tz ...


  • Ich fürchte, daß ich mir die im Laufe des Jahres irgendwann auch noch holen werde. Noch muß ich mich aber ein wenig zurückhalten, das wäre nämlich dann meine fünfte Einspielung (Marriner, Harnoncourt, Hogwood, Manze/Egarr)...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Guten Tag



    So reichlich gesegnet mit "Händels op. 6" ist meine Sammlung nicht :)
    Da kam mir diese Einspielung gerade recht :yes:


    Bisher hatte ich nur diese



    Aufnahme mit dem concentus musicus Wien .
    Harnoncourts Einspielung von 1983 is aber durchaus noch hörenswert.
    Interessant seine Experimente mit den verschiedensten Aufstellungen um den
    Dialog "Concertino <-> Ripieno" im Sinne einer "Klangregie" herauszustellen.
    Daraus ergab sich eine eigenartige Raum-Klangwirkung.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    So reichlich gesegnet mit "Händels op. 6" ist meine Sammlung nicht :)
    Da kam mir diese Einspielung gerade recht :yes:


    Same here: Bisher habe ich nur Manze/AAM und Standage/Collegium Musicum '90, sowie die # 1-4 von McGegan/OAE, die sich gut ergänzen, aber Il Giardino Armonico erscheint mir begeisterungsfähiger. Vielleicht ist diese Aufnahme das für das op.6, was Goebel für die Schwedter Konzerte ausgelöst hat ...

  • Heute bei mir eingetroffen:



    Ich werde hören und meine Eindrücke schildern ...


    Diese scheint aber nach den Klangschnipseln auch nicht übel zu sein:



    Kennt die jemand hier?

  • Zitat

    Original von miguel54
    Diese scheint aber nach den Klangschnipseln auch nicht übel zu sein:



    Kennt die jemand hier?


    Aufnahmetechnisch allererste Sahne, vielleicht sogar die beste Einspielung zurzeit... Interpretatorisch gefällt sie mir auch sehr gut (was natürlich nichts heißen will, ich glaube mich daran zu erinnern, dass die Kritiken recht durchwachsen ausfielen). Dominantes Continuo, was mir aber sehr gefällt. dafür nicht so "italienisch beschwingt" wie die Herren oben auf dem Bild, die, nachdem sie neben dem Bus posiert haben, wieder in ihre Alfas gestiegen sind...

  • Zitat

    Original von miguel54
    Die Hörschnipsel haben mich auch überzeugt, sie zu bestellen ...


    Wie ich sehe, ist sie bei L'Oiseau-Lyre erschienen - das Label gehört doch zur totgesagtem Decca ... tz tz tz ...


    Nixda :no:


    http://www.loiseaulyre.com/home.php


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Wenn Martin Gesters Einspielung mit den Arte dei Suonatori aufnehmerechnisch erste Sahne ist und man den Continuo gut hören kann, muß die auch noch her ... :faint: ... bei Il Giardino Armonico hätte ich bis zum sechsten Track geschworen, daß die beiden im Heft aufgeführten Cembalisten während der Aufnahme in der Bar Tapas essen waren ... man hört sie nur während der kurzen solistischen Einwürfe. Das klingt zwar ungeheuer dynamisch und präsent, aber nur was die Streicher betrifft. Da scheint das Hauptmikrofon direkt vor den Ripienisten gestanden zu haben, alles andere ist wie im Hintergrund, selbst die Bläser und die Orgel (wohl Truhe) hört man kaum, auch die Laute und Harfe des Concertino ist deutlich leiser als man erwartet hätte. Wie gesagt, große Dynamik dadurch, aber alles hören, was da so aus den Noten gemacht wird, kann man nicht. Seltsame Art, das aufzunehmen ...


    Hildebrandt hat den Nagel wieder mal punktgenau getroffen, als er meinte, das sei zwar zeitweise ziemlich geschrubbt, würde aber Laune machen - kann ich so bestätigen. Der Grundgestus ist schon Klasse - wie da die Polonaise so richtig hanakisch gegeigt wird, gefällt mir sehr (ein paar Sizilianerhirten streichen auch mit). Sehr rhythmisch alles.


    Da würde ich gerne mit dem Mehrspurband einen Remix machen!

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  • Ich hätte gleich die Rezensionen auf SA-CD.net lesen und mir den Kauf der neuen Aufnahme von Il Giardino Armonico sparen sollen ... der neue Spitzenreiter ist:




    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Ich werde in den nächsten Tagen noch mal alle vergleichen:


    Arte Dei Suonatori, Martin Gester (BIS)
    Il Giardino Armonico, Giovanni Antonini (Decca L'Oiseau-Lyre)
    Academy of Ancient Music, Andrew Manze (HMF)
    Orchestra of the Age of Elightenment, Nicolas McGegan (Virgin Veritas)
    Collegium Musicum '90, Simon Standage (Chandos Chaconne)


    Bericht folgt ...

  • U.a. kann man schon das Cover bzw. das Faksimile des alten Titelblatts darauf als erste Meßlatte für die Einspielungen nehmen, denn den "Thorough-Bass for the Harpsichord" kann man auf den meisten Aufnahmen noch nicht mal ahnen! :motz:


    Der Generalbaß als Grundlage? Scheint den Musikern, oder den Tontechnikern, oder beiden, nicht so wichtig zu sein? Von den allgegenwärtigen finseligen Cembali und Truhenorgeln und ohnehin kaum hörbaren Theorben mal abgesehen, da wird doch die Musik in der Luft schwebend ohne Füße, wie unterhalb des Knies abgeschnitten, abgebildet.


    Ich habe das zweite Konzert zum Vergleich genommen.


    Manze ist reiner, allerdings sehr schöner, Streicherklang, vom Continuo ist kaum etwas zu hören. Moderate, aber angemessene Tempi - insgesamt wird die melodiöse Seite Händels in den Mitelpunkt gestellt. Der kompakte Streicherklang, aus dem das Concertino nur wenig hervorgehoben wird, hebt die Intimität der relativ kleinen Besetzung eher wieder auf und macht einen pastosen, aber agilen Grundklang. Im Vergleich mit den anderen Aufnahmen ist die ausgefeilte kontrapunktische Schreibweise Händels nicht so gut nachzuvollziehen.


    McGegan hat einen etwas plastischeren Ensembleklang, u.a. weil die Tontechniker mehr Details herausholen (die Violinen klingen silbriger!) und die colla parte spielenden Oboen etwas mehr Farbe hinzufügen. Den Basso Continuo hört man ein kleines bißchen besser, aber immer noch nicht genug. Eine gute Balance von Melodie und Monumentalität, insgesamt aber ein eher schlanker Klang. Wenn Virgin nicht nach dieser ersten von drei geplanten CDs wieder ausgestiegen wäre ... zumal die Geigerinnen Bury, MacIntosh und Wallfish nicht schlechter sind als Manze und sein nicht identifizierter Sozius.


    Standage hat Oboen dabei, die Continuogruppe ist ganz gut zu hören, stimmige Tempi, von denen bei Manze nicht wesentlich verschieden - daß diese Aufnahme nicht mehr Beachtung fand hat zwei ganz simple Gründe: Sie erschien praktisch gleichzeitig mit der von Manze, aber nicht als Doppel-CD auf einen Schlag, sondern über ein Jahr verteilt auf 3 CDs, war und ist also deutlich teurer, und wirkt auf den ersten Hör nicht so spektakulär wie Manze. Der Medienhype um Manze als den neuen Superstar der HIP-Szene (der immer noch nachwirkt) tat ein Übriges. Wenn ich die Wahl treffen müsste zwischen Manze und Standage, würde ich ohne Zögern letzteren wählen. Eine rundum zufriedenstellende Aufnahme, die melodische Wärme, durchsichtige Darstellung des kontrapunktischen Geschehens und das rechte Maß an Grandiosität hat. Auf den ersten Blick wirkt Standage's Herangehensweise konservativ im vergleich zu Manze, aber das relativiert sich ziemlich schnell.


    Gester und sein junges Ensemble schießen den Vogel ab. Wie blackadder bemerkte, die vielleicht beste Gesamtaufnahme, aufnahmetechnisch auf jeden Fall. Nur würde ich nicht sagen, daß sie continuobetont ist: Man hört es nur einfach gut, und so sollte es sein! Es ist die Grundlage des barocken Ensembleklangs, nicht die dezente Begleitung im Hintergrund! Hier ist alles: melodische Weichheit, dynamische Kontraste zwischen Concertino und Ripieno, vielfarbige Instrumentation ... nur keine Bläser, aber die vermisse ich hier noch nicht einmal.


    Die Aufnahmen von Antonini habe ich weiter oben schon beschrieben. Vielleicht würde ich anders über sie denken, wenn die Mikrofonplazierung oder die Mischung nicht so mißglückt wäre. Da kann man manchmal kurz hören, daß ein grandioses Arpeggio vom Cembalo eine Pause verziert, aber es klingt, als ob es weit im Hintergrund der Bühne steht. Noch nicht einmal Harfe (!) und Theorbe des Concertino sind gut zu hören, nur das Ripieno springt einem ins Gesicht. Eine völlig verzerrte Abbildung des Ensembles, was die ziemlich forsche Art des Streicherkorpus natürlich noch betont. Es gibt kein Foto des Ensembles in diesem Saal in Spanien, der mir aber nach dem Hall zu urteilen, recht groß scheint - da hat es wohl Probleme mit der Abmischung und der Mikrofonierung gegeben, um Raumgeräusche etc. zu vermeiden. Die interpretatorischen Ideen scheinen gut, wenn auch ziemlich frech zu sein, sind aber so aufgenommen kaum angemessen zu beurteilen.


    Fazit und meine Empfehlung:
    mit Oboen: Standage
    ohne Oboen: Gester

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von der Lullist
    Das Concerto No.4a beginnt z.B. im Stil einer frz. Ouverture.


    der 1. Satz aus op.3 No. 4 wurde mit Sicherheit als Zwischenmusik bei der Wiederaufführung von Händels Oper Amadigi di Gaula am 20. Juni 1716 gespielt.
    Zeitgenössische Quellen bezeichneten den Satz als Synphonie in Amadigi, Orcaster Ouvertüre in Amadis oder auch als Second Overture in Amadis.
    Die Sätze 2-4 wurden möglicherweise für ein öffentliches Konzert ergänzt,
    Charles Burney berichtete darüber:


    "Während der Operndirektion der Königlichen Akademie,
    fand man am Schluß der Schauspielzeit die Einnahmen reichlicher,
    als gewöhnlich und opferte daher einen Abend zum Vorteil des Orchester auf.
    Und da man ein Concerto zu dieser Absicht am zuträglichsten glaubte,
    so übernahm Dr. Arbuhnot die Direktion davon,
    und Händel verfertigte eine eigne Overtüre dazu.
    Dies war dieß vierte Hoboenconcert,
    welches jener Bestimmung wegen den Namen einer Orchester-Overtüre erhielt."


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von fohlenfanatiker
    Die 6 Concerti Grossi op. 3 erschienen 1734 und werden auch als „Oboenkonzerte für Bläser. Streicher und Continuo“ bezeichnet.


    Die Quellenlage zu Händels Op. 3 ist problematisch, es sind keine Autographe vorhanden.
    Die Sammlung ist aber nicht, wie vielfach angenommen für den Erstdruck 1734 enstanden,
    die Ursprünge reichen bis in Händels Hannoveraner Jahre zurück und lagen bereits bis 1722 vor.
    Auf der Titelseite der 1. Violinenstimme des Erstdruckes von 1734
    -eine Partitur war damals bei solchen Orchesterwerken nicht üblich-
    heißt es:


    "Concerti grossi Con duo Violini e Violoncello die Concertino
    Obligati e Due alti Violini,
    Viola e Basso di Concerto Grosso Ad Arbitrio
    Da G. F. Handel. Opera Terza.
    [,,,,]"


    Handschriftlich ist auf der Titelseite noch vermerkt:


    "Generally called his Oboe Concertos"


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Bernhard
    Guten Tag


    im ersten Druck von Händels Op. 3 durch den Londoner Verleger John Walsh 1734 soll an 4. Stelle der Sammlung ein "Concerto grosso" eines anonymen Komponisten irrtümlich (!) in die Sammlung geraden sein. Das in F-Dur stehende, viersätzige Concert trägt deutliche italienische Züge. In einem 2. Nachdruck wurde dies korrigiert und durch das jetzt bekannte F-Dur Konzert (HWV 315) aus der Oper "Amadigi" ersetzt.
    Von wem könnte das im Erstdruck stehende, "italienische Züge" aufweisende Konzert wohl stammen ?


    Diskutriert wird Francesco Geminiani.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von der Lullist


    op. 3 würde ich eher als "Concerti per molti instrumenti" bezeichnen, am ehesten vergleichbar mit Bachs Brandenburgischen Konzerten, oder den Concerti von Heinichen oder Pisendel.


    Das trifft besonders auf auf op. 3.1 HWV 312 zu.
    Die reichhaltige Besetzung mit 2 Blockflöten, 2 Oboen, 2 Fagotte,
    2 Violinen, 2 Violen u. Bc.
    lassen auf eine Entstehung in Händels Hannoverraner Zeit ( 1710 -1712 ) schließen.
    In der dortige Hofkapelle, deren Konzertmeister damals Francesco Venturini war, herrschte der venezianische Stil vor.
    F. Venturini komponierte eine Anzahl Concerti da camera a 4, 5, 7, 8 e 9 instrumenti,
    die ähnlich besetzt und Händel als Vorbild gedient haben könnten.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Original von Miguel54


    Zitat

    (ein paar Sizilianerhirten streichen auch mit)


    Die betreffende Einspielung der Concerti grossi Opus 6

    löst bei mir tatsächlich die Illusion aus, dass das Orchester im Freien sitzt.
    Ich fand das bisher ganz attraktiv und ich stelle mir das Orchester immer noch auf einer Streuobstwiese mitten in Italien vor. ;)
    (Vielleicht testen die Musiker hin und wieder eine der guten Piemont-Kirschen.)
    Dass man nicht alles hört und bestimmte Instrumente immer mal nur durchschimmern hat was Impressionistisches. Kann es sein, dass das doch ein bisschen beabsichtig ist? Antonioni sagt ja in seinem Interview, dass die Musik italienisch klingen soll: „in a way less English“. Mir imponieren vor allem die leisen Stellen, wo die Töne fast nur gehaucht sind. Können die wirklich sooo leise spielen, oder ist das auch wieder nur (mangelhafte(?)) Aufnahmetechnik ?

  • Händels Concerti Grossi gehören ganz Weit nach oben in meine Favoriten List was Barockmusik und auch Klassische Musik im allgemeinen angeht!
    Die Op.6 habe ich mir in dieser Auflage gekauft:



    und die Op.3 in dieser Auflage:



    Was fällt mir zuerst ein wenn ich an die Concerti Grossi denke? Naja, mir fällt direkt auf das meine Hörgewohnheiten sich bei Barocker Musik in den Meisten fällen allgemein eher auf schnellere Sätze Fixieren! Einen Titel mit Adagio, Andante oder Largo höre ich bei weitem nicht so oft wie einen mit Allegro! Ganz anders als bei einer Symphonie, bei der ich mir jeden Satz anhöre! Aber Langsame Barockmusik sagt mir nicht so sehr zu, dass spricht für meine Definition die ich von dieser Wunderschönen Unterhaltsamen Musik habe, einfach gegen den Grundcharakter dieser Musik! Hier werden mir sicherlich viele widersprechen, aber für mich muss Barockmusik immer schnell sein :D Und davon gibt es auf diesen beiden CDs genug!


    Lg

  • Weiter oben (u.a. #41) wurde die problematische Quellenlage in op.3 schon einmal angesprochen. Mit Ausnahme der ursprünglichen Nummer 4 beruhen alle Konzerte auf Händelschem Material (u.a. aus den Chandos-Anthems), aber zumindest #3 und #6 wurden in der vorliegenden Form vom Verleger zusammengestellt. Nach dem Beiheft der Hogwood-Aufnahme sei die Bearbeitung der Cembalo-Fuge, die den Abschluss von op.3#3 bildet, fehlerhaft (entweder auf der Basis einer korrupten Vorlage oder schlecht arrangiert) und wurde für diese Aufnahme entsprechend korrigiert.


    Interessanter ist der Fall des 6. Konzerts. Walsh hat hier zwei Einzelsätze kombiniert, die nichts miteinander zu tun haben. Der zweite Satz ist beruht auf dem letzten der d-moll-Suite aus der 1720er Sammlung und taucht auch als Finale des Orgelkonzerts op.7#4 auf. Der erste Satz entstammt einem D-Dur-Konzert aus den 1720ern, dessen Musik in der Oper "Ottone" verwendet wurde. Dieses Konzert wurde für die Hogwood-Aufnahme (Decca) rekonstruiert. Es ist immer noch, wie einige andere, ein "bunter Hund", da die Querflöte wohl nur im Mittelsatz vorkommt, aber doch weit eher ein geschlossenes Werk. Den Orgelkonzertsatz gibt es auf der CD als "Zugabe". Soviel ich weiß enthalten die op.3-Einspielungen Goodmans (hyperion) und Lamons (Sony Vivarte) ebenfalls das rekonstruierte Konzert. Andere, auch neuere wie Egarrs (harmonia mundi) fügen einen kurzen improvisierten Mittelsatz für Orgel solo (wie bei einigen Orgelkonzerten gefordert) hinzu. Ich halte das nur für die zweitbeste Lösung. (Die unbefriedigendste, besonders auf etlichen älteren Einspielungen anzutreffen, ist, einfach den D-Dur-Satz und den Orgelkonzertsatz nacheinander zu bringen.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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