Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • servus severina


    Zitat

    Original von severina
    Ich fühle mich tatsächlich kastriert, kastriert in meiner Fantasie und meinem freien Willen, wenn ich vorgeschrieben bekomme, wie ich ein Werk zu deuten habe, was ich dabei zu empfinden habe. Ich will mir meine eigenen Gedanken machen dürfen, eigene Bezüge zu meiner Lebenswirklichkeit herstellen.


    konsequenterweise bedeutet das aber eine konzertante aufführung der oper, da
    auch in einer 'werkgetreuen', traditionellen inszenierung bereits eine vorgabe, wie
    die oper zu deuten wäre, vorhanden ist.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Interessant wie die Meinungen hier aufeinanderprallen, bei meinem Lieblingsthema.


    Zunächst zum Thema Werktreue:


    Werktreue - es gibt hier einen gewissen - allerdings nicht unendlich großen- Spielraum.


    1) Eine Komödie sollte eine Komödie bleiben - deren Aufgabe ist es in erster Linie die Leute zum Lachen zu bringen und zu unterhalten. Diese Parameter dürfen durch keinen wie immer gearteten Regiekunstkniff geändert werden


    2)Wenn im Libretto einer Oper ein bestimmtes Land, eine bestimmte Epoche, eine bestimmte Kostümierung vorgeschrieben wird, dann ist dieses bitte auich gefälligst einzuhalten !!!
    Ich bin nicht gewillt eine ÜBertragung in unser Zeitalter zu akzeptieren, nur weil der durchschnittliche Intelligenzquotient der BigDreck-Gesellschaft so beschaffen zu sein scheint, daß er mit historischen Bezügen und Anspielungen nichts mehr anzufangen weiß. Wo das tatsächlich der Fall sein sollte, eine guter Rat: Bleibt der Oper und dem Theater fern !!!
    Das gilt auch für Regisseure. Gute Regisseure, und ich zähle Schenk sicher dazu, vermögen es nämlich OHNE Verlust der Grundparameter (Text, Musik, Szenenablauf, Zeit der Handlung, Ort der Handlung) Stücke immer wieder neu erstehen zu lassen. Mit Sicherheit hat eine Zauberflöten Inszenierung von 1900 anders ausgesehen als eine von 1960. Wir haben mehr technische Möglichkeiten (Laserprojektion, realistischere aufwändigere Kulissen historisch korrekter geschneiderte Kostüme, Bessere Schweinwerfertechnik etc etc.) das Märchen so zu erzählen, daß es - selbst wenn es eigentlich unglaubwürdig ist - im Moment der Aufführung zu beeindruckender Realität aufläuft.


    Regietheater ist in der Regel so konzipiert, daß man Eingriffe in ein Stück macht, und sei es nur durch die Wahl der Kostüme, die es bis zur Unkenntlichkeit entstellen. Mag sein, daß da was rauskommt, was von einigen als interessant gesehen wird - indes die Mehrheit will das nicht sehen !!!!!


    Wenn man letzte Aussage in Frage stellt, dann schreibe man auf den Thraterzettel


    "Zirkus um Papageno"


    Frei nach einem Stück von E. Schikaneder und W.A. Mozart
    für das 20. Jahrhundert bearbeitet und inszeniert
    von XY


    Das wäre wahrheitsgetreuer.
    Leider blieben dann die Opernhäuser zumeist leer.


    Interessant ist IMO, daß es einer Lobby von Regisseuren und Intendanten scheinbar geglückt ist jede Gegenstimme im Keime zu ersticken. Da werden leute als "Bildungsbürger" verunglimpft (wobei ich nicht sehe was daran schlecht sein soll) oder weniger elegant als "Spießbürger", als "antiquiert", "nicht zeitgemäß" "dümmlich","borniert" und was es sonst noch an ähnlichen Attributen gibt.
    Hier ist jedoch ein guter Platz seine diesbezügliche Ablehnung zu bekunden - ohne sich der Gefahr auszusetzen verhöhnt zu werden - da wache ich drüber.


    Oper ist fürs Publikum gemacht - eigentlich sogar nur für eine bestimmte Gesellschaftsschicht - auf die wurde es maßgeschnitten. Und die fühlt sich auch mehrheitlich wohl bei "konservativen" Inszenierungen.
    Diejenenigen die Oper in der "alten" Form abstösst machen derzeit folgendes: Sie biegen die Werke für sich zurecht - ohne eigentlich letztlich Gefallen an Opern zu finden. Dabei richten sie die Werke so her, daß sie auch das BISHERIGE , das konservative Opernpublikum vergraulen. Der nächste Schritt ist dann, zu behaupten Oper wäre eine obslete wirklichkeitsferne Kunstform, die man abschaffen sollte.......


    Aus meiner Sicht ist Oper die Traumfabrik VOR Hollywood und unterliegt ähnlichen gesetzen, lediglich das Niveau ist höher. Aber letztlich will sich das Publikum nur unterhalten, wenn es in die Oper geht.


    Zitat

    Für mich ist ein Sänger immer auch ein Darsteller und ich verzeihe einem guten Darsteller auch eine schwächere stimmliche Leistung.


    Ein IMO typisch deutscher Denkansatz, der mir viele Aufnahmen beschert hat, die ich letztlich nicht wollte (Wenn ich nämlich die Rezensionen deutscher Kritiker las -Daher auch immer am Schluss meiner Kennung: ...aus Wien)


    Aus meiner Sicht (und Herr Verdi würde mir vermutlich beipflichten - Schikaneder auch) benötigt eine Oper eine interessante Epoche, wo viele historische Kostüme und Kulissen dem Publikum zeigen wie prächtig einst die Welt war. Zwei oder 3 Tote, ein Hexen- oder Pilgerchor, eine Prise Humor und ein Libretto wo das Publikum vorne und hinten nicht auseinanderhalten kann - und die Mitte erst recht nicht versteht. Dazwischen etliche wunderbare Arien und Chöre, Drei Spitzensänger, eventuell ein Balett oder ein Miltärmarsch, mindestens die Häfte der Oper sollte die Bühne in gespenstisches Dunkel gehüllt sein...


    Die Zauberflöte beispielsweise, ist IMO wahrscheinlich DESHALB so schwer zu deuten - weil es nichts zu deuten gibt. Schikaneder nahm einige Szenen rein, von denen er sicher sein konnte, daß sie beim Publikum ankamen - an eine tiefere Logik hat er wahrscheinlich nicht gedacht. EGAL - Das Rezept ist immerhin aufgegangen...




    Erst ab etwa 1900 versucht Oper politisch wirksam zu sein, die Gesellschaft zu verändern - aber diese Opern will sowieso fast niemand hören oder sehen.......


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Lieber Faun,
    da hast du natürlich recht, aber du musst zugeben, dass eine konventionelle Inszenierung wesentlich mehr Spielraum lässt für eigene Interpretationsansätze als eine so extreme wie z.B. von Bieito. Wenn Don Carlos zum Schluss zum Selbstmordattentäter mutiert, ist der Ausgang wohl ziemlich festgeschrieben. Unser Konwitschny-Carlos an der Staatsoper ist natürlich auch modern, trotzdem ist nicht alles so "eindeutig" wie scheinbar in Basel (Ich kenne ja nur Augenzeugenberichte) und gefällt mir daher sehr gut. Viel besser jedenfalls als die ziemlich nichtssagende Inszenierung des italienischen "Don Carlo", bei uns stehen ja beide Versionen auf dem Spielplan.
    Liebe Grüße, Severina

  • servus severina


    ist es nicht eher so, das eine gewohnte inszenierung (traditionell oder modern) für
    die meisten mehr möglichkeit eigener gedanken lässt? ganz einfach deshalb, weil
    diese inszenierung (oder eine ähnliche) eben schon ein- oder mehrmals gesehen
    wurde und deshalb keine geistige substanz mehr dafür verbraucht wird.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Lieber Alfred, auch für mich ist dieses Thema unerschöpflich und hat schon für viele anregende Diskussionsabende im Freundeskreis gesorgt. Vor wenigen Jahren noch hätte ich dir begeistert und ungeteilt zugestimmt, inzwischen muss ich gestehen, dass ich das Regietheater nicht mehr im Bausch und Bogen verdamme, weil ich doch einige Inszenierungen gesehen haben, die mich sehr fasziniert haben. (z.B. der Züricher "Macbeth")
    Momentan fühle ich mich als "Wanderer zwischen den Welten" wohl, ich lasse mich gerne von konventionellen Inszenierungen in eine mehr oder weniger romantische Vergangenheit entführen, goutiere aber auch immer öfter moderne Interpretationen, allerdings der moderateren Art. Die Neuenfels-Zauberflöte z.B. wäre sicher nicht meine Sache, ebenso wenig der Bieito-Carlos.
    Liebe Grüße, Severina

  • Hallo, Faun
    ich kann jetzt nur von mir sprechen, und da fällt mir auf, dass eher der Gewöhnungseffekt eintritt und ich immer weniger mitdenke bzw. mich"aufrege", je öfter ich eine mir zunächst unsinnig erscheinende Inszenierung sehe. So z.B. bei unserem Wiener "Werther", wo ich in der PR-Serie speziell im 1. Akt vieles auszusetzen hatte, jetzt hingegen, drei Jahre später, nehme ich es einfach ohne größere Emotionen zur Kenntnis. "Ist halt so..." Manchmal ändere ich auch meine anfangs ablehnende Haltung einer Inszenierung gegenüber. Flimms "Romeo et Juliette" fand ich ursprünglich grauenhaft, heuer plötzlich ganz toll. Das lag aber wahrscheinlich an Netrebko-Villazon, die Flimms Konzept so kongenial umgesetzt haben, denn Shicoff als Disco-Boy würde mich weit weniger begeistern ;)
    lg Severina

  • Hallo Severina,


    aber sicher schaue ich hier wieder rein - ich bin nur überrascht, wieviel ich nachlesen muss, nachdem ich gestern das Forum verlassen hatte.


    Ich habe noch versucht, etwas über diese Kosky-Inszenierung von "Lohengrin" in Erfahrung zu bringen und muss sagen: es war jetzt nicht so, dass ich das Gefühl hatte, da sofort hinzumüssen...


    In dem Zusammenhang ist mir eine Frage eingefallen, die Du interessanterweise schon beantwortet hast: ich wollte nämlich wissen, ob Du, als fleissige Theatergängerin, den Konwitschny "Don Carlo" gesehen hast - ich kenne die Aufführung aus Hamburg und hab sehr gelacht, als ich gelesen habe, dass Dir die gut gefällt.


    Das finde ich total gut, hier mit Leuten in ein quasi Gespräch zu kommen, die in bestimmten Punkten ganz anderer Meinung sind, als ich selbst, wo sich aber trotzdem zeigt, dass man a) nicht mit fest betonierten Positionen aufeinander zu rasen muss und b) doch die eine oder andere Gemeinsamkeit zu entdecken ist.


    Was ich auch schon oft erlebt habe: es mangelt den Leuten an so einer Grundtoleranz, wenn man nicht ihrer Meinung ist und: sie weigern sich förmlich, auch nur ansatzweise nachzuvollziehen, warum ein Regisseur oder eine Regisseurin (zwei Namen, die mir wichtig sind: Ruth Berghaus und Karoline Gruber) sich für eine bestimmte szenische Lösung entschieden haben.


    Was gar nicht schlecht ist: Angebote des Theaters zum Publikumsgespräch oder eine Einführung in den Abend vor der Vorstellung.


    So ein klein wenig einen Stich hat mir Deine Anmerkung versetzt, ich würde eben mehr vom Kopf her an eine Theaterproduktion herangehen. Natürlich ist ein Theaterabend auch für mich eine sinnliche und emotionale Erfahrung. Aber so ganz falsch ist das mit dem Kopf sicher nicht: ich will schon auch mit dem Kopf gefordert werden.


    So nebenbei: ich hatte etwas Sorge, mich jetzt völlig ins Aus zu katapultieren, mit meiner Vorliebe für eine bestimmte Richtung des Musiktheaters (ich hatte in dieses Thread immer mal wieder hineingelesen - und es gab frühere Anmerkungen hier, die mir wirklich keine Freude machten... :D). Dann habe ich aber gelesen, dass doch unterschiedliche Meinungen unser Forum beleben würden - und mir gesagt: ich wage es - und ich bin durchaus zufrieden.


    Gruss nach Wien

  • Lieber Alviano,
    ich finde diese Diskussion äußerst interessant und habe überhaupt kein Problem mit anderen Positionen, ich reagiere allerdings leicht allergisch, wenn ich das Gefühl vermittelt bekomme, ich müsste mich für meine Meinung rechtfertigen bzw. gelte jetzt als geistig unterbelichtet, weil ich die Dinge nicht so sehe, wie man sie in den Augen einiger Zeitgenossen sehen sollte. 8)
    Ich wollte dir übrigens nicht die Fähigkeit absprechen, Oper auch emotional wahrzunehmen, sondern es schien mir, dass du Musiktheater so beurteilst, wie ich das Sprechtheater, nämlich als intellektuelle Herausforderung. Natürlich schicke ich meine kleinen grauen Zellen in der Oper nicht auf Urlaub, aber primär suche ich dort nicht unbedingt Denkanstöße.
    Zu Konwitschny: Seine Umsetzung der Ballettmusik in "Ebolis Traum" finde ich schlicht und einfach genial, mit dem Autodafe bin ich nicht ganz so glücklich. Großartig aber die psychologische Zeichnung der Protagonisten.
    Hast du Karoline Grubers "Le Villi" bei uns gesehen? Dazu würde mich deine Meinung interessieren!
    Liebe GRüße, Severina

  • Hallo Alfred,


    also irgendwie hat mich dieser "typisch deutsche Denkansatz" ja doch getroffen. Gibt es das überhaupt? Eine Verbindung zwischen einer bestimmten Haltung, einer Einstellung und der Nationalität? Oder sind das nicht vielleicht doch eher Vorurteile? Der "typische Wiener"...? Ein streng-konservativer Stehplatzbesucher, der von der Galerie herunterpfeift, wenn der falsche Dirigent am Pult auftaucht...? Ich zweifle...


    Für mich ist eine gute Personenregie sehr wichtig - deshalb gefallen mir Sänger/innen gut, die auch spielen können. Manche Inszenierungen, die nicht so meins sind, gewinnen, wenn die Personen vernünftig geführt werden und glaubwürdig sind, enorm.


    Aber ran an die Rampe und Arme sinnlos hoch und runter, das finde ich grauenhaft.


    Kleine Geschichte am Rande: Probe (ich glaube, an der Wiener Staatsoper) "Aida" mit Maria Chiara und Luciano Pavarotti. Während sich die Sopranistin einen Wolf spielte, nahm Big P. auf einem Campinghocker Platz und markierte seine Partie. So stelle ich mir das gewisslich nicht vor.


    Und: schlechter Sänger und kein guter Darsteller - das braucht doch auch keiner 8)


    Nebenbemerkung: Programmheft der "Zauberflöte" in Berlin, Untertitel zum Stück: "Libretto von Emanuel Schikaneder, Dialogfassung von Hans Neuenfels" - die denken mit, die Deutschen :pfeif:


    Trotzdem liebe und herzlicheGrüsse nach Wien

  • Ich mag solche Verallgemeinerungen auch nicht. Mit meinen ausländischen Freunden diskutiere und amüsiere ich mich immer wieder über die diversen "Nationalklischees"! ;)
    Zum Punkt Sänger contra Schauspieler: Ich habe immer zwischen "Zuhör- und Zuschausängern" unterschieden, d.h. es gibt SängerInnen, die ich wahnsinnig gerne auf der Bühne erlebe, von denen ich mir aber nie eine CD kaufen würde (Luis Lima z.B.) und umgekehrt eine ganze Reihe, die ich mir mit Genuss anhöre, denen ich aber im wahrsten Sinn des Wortes nicht zuschauen kann (Johan Botha) Im Idealfall trifft beides (Stimme + schauspielerisches Talent) zusammen, aber Ideale sind bekanntlich selten. Domingo war für mich so ein Fall, Araiza, Aragall, Raimondi, Ghiaurov und von der heutigen Sängergeneration Villazon, Hampson usw.
    Big P. fand ich als Radames noch am erträglichsten, da wurden keine so großen schauspielerischen Finessen erwartet, aber sein Gustavo z.B. war eine einzige Peinlichkeit (Und der Mantelwechsel mit Renato/Capuccilli eine Lachnummer)
    lg Elfi

  • Hallo Severina,


    das ist schon ok, ich fühle mich beim "auf die Füsse treten" auch gar nicht angesprochen =).


    Vielleicht nochmal eine kleine Anmerkung zum "sinnlichen": jeder hat ja auch so Lieblingsstellen in den Opern und Musikwerken - und wenn die dann live gut präsentiert werden, das ist so ein Moment, der für mich auch sehr stark über das Gefühl läuft.


    Das ist mir hier bei diesem Thema schon die Tage durch den Kopf gegangen: so unterschiedlich die hier Teilnehmenden auch sein mögen -der kleinste gemeinsame Nenner ist wohl soetwas wie die Liebe zur Musik.


    Das finde ich witzig: ausgerechnet die Ballett-Szene aus dem "Carlos" findet Deine Zustimmung. Da war in der von mir besuchten Vorstellung in Hamburg so ansatzweise die grösste Unruhe im Publikum zu spüren. Ich finde die auch super. Gut, mit dem Autodafé habe ich weniger Mühe - ich fand das sehr treffsicher. Aber: auch die Personenführung - wie von Dir angedeutet - ist aussergewöhnlich gut, nie langweilig und einfallsreich.


    Ja, Wien - ich war schon länger nicht mehr da. Zuletzt, um Jellineks "Sportstück" in der Regie von Einar Schleef an der Burg zu sehen. Schleef war der von mir am höchsten geschätzte Schauspielregisseur seiner Zeit - Du siehst, ich hab es ein wenig mit den radikaleren Szenikern des Theaters :).


    Mein Verhältnis zu Wien ist ein wenig, sagen wir, ambivalent, das hat persönliche Gründe, gehört hier nicht so hin, ist aber auch schon wieder besser geworden.


    Leider liegt Wien für mich verkehrstechnisch nicht günstig - ich bin, klar, schneller in Berlin oder Zürich, als in Wien.


    Deshalb habe ich "Villi" auch nicht gesehen, hätte mich aber interessiert. Ich kenne von Karoline Gruber aus Hamburg "Poppea" und "Giulio Cesare" - und beides fand ich richtig gut.


    Soviel für heute, nochmals Grüsse nach Wien

  • Hallo Alviano,
    hallo Alfred!


    Zuerst zum zuletzt Gegrüßten: Lieber Alfred, ich würde Dir als langjährigem Kampfgefährten in Sachen Musik ja so gerne recht geben - aber ich kann's nicht.
    Mein Problem mit Deinem Standpunkt, den ich durchaus respektiere, ist, daß es für mich eine der schlimmsten Verunstaltungen eines Bühnenwerkes ist, wenn die Regie im gedankenlosen Nachstellen der Regieanweisungen besteht.
    Ich glaube mich zu erinnern, daß wir in Bezug auf Ponnelle einer (positiven) Meinung sind.
    Aber Du kannst doch bitte nicht Otto Schenk ernsthaft als guten Regisseur (auf diesem Niveau) nennen!
    Im Gegenteil: Otto Schenks "Meistersinger" in der Wiener Staatsoper waren eine Regiekatastrophe reinsten Wassers (was nicht mehr nachvollziehbar ist, die Regie hat sich mittlerweile ja abgespielt): Ein herumzappelnder David, dessen Spasmen nur noch von denen Beckmessers übertroffen wurden, ein offensichtlich einem Irrenhaus entlaufener Pogner, ein alberner Backfisch als Eva, ein pubertierender Stolzing und ein in seinem "Witz" unglaublich primitiver Sachs - das ist doch wie eine Parodie der "Meistersinger". Schenk inszenierte da keine Komödie, sondern fischte nach Lachstürmen, die auch prompt eintraten.
    Oder dieser grauenhafte "Mantel" in der Volksoper - wieder fischt Schenk nach Lachern (wieder mittels Nachttopf); und danach der "Gianni Schicchi" (ja, es gab einen Nachttopf!)...
    Oder Kreneks "Karl V" an der Staatsoper: Herumstehtheater (ohne Nachttopf); oder "Tannhäuser" (ohne Nachttopf, aber dafür mit einem Choristen, der seinen Weg beim Pilgerchor nicht findet - wirklich lustig...). Das sind die Inszenierungen, die meiner Meinung nach ein Stück kaputt machen - weil es (nicht intendierte, aber de facto) Veralberungen des Stücks sind.
    In Wahrheit sind ja diese Schenk-Mätzchen genauso dem Stück aufgepfropft, wie ein Regietheater.
    Abgesehen davon finde ich gerade die Regiearbeiten Schenks und seiner Klone absolut phantasietötend - denn da wird mir jedes Detail bis ins Zappeln hinein vorgeführt, während gutes Regietheater durchaus den Geist anregt.


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    Du, lieber Alviano, schreibst:

    Zitat

    , warum ein Regisseur oder eine Regisseurin (zwei Namen, die mir wichtig sind: Ruth Berghaus und Karoline Gruber) sich für eine bestimmte szenische Lösung entschieden haben.


    Ich kann es Dir im Fall Karoline Gruber beantworten: Weil sie lesbisch ist.
    Tut mir leid, daß ich das so direkt sagen muß, aber sämtliche ihrer Regiearbeiten, die ich gesehen habe, thematisieren immer wieder nur ihr Coming out.
    Mir persönlich ist die sexuelle Orientierung eines Künstlers völlig gleichgültig. Der von mir hoch geschätzte Chéreau z.B. ist homosexuell - na und? Er klatscht es mir ja nicht unentwegt um die Ohren. Aber wenn mir eine Regisseurin ein Drama, das im Kern um falsche Anschuldigung bezüglich ausschweifender Sexualität einer Frau ("Susannah" von Carlisle Floyd) als Lesben-Tragödie inszeniert, mir das in Puccinis "Le Villi" wieder vorsetzt, dann noch einmal und noch einmal und noch einmal, dann komme ich zu dem Schluß, daß mich Karoline Grubers Sexualität mit der Zeit langweilt.


    Ruth Berghaus ist ein anderer Fall, eine sehr intelligente Regisseurin, die aber am Charakter eines Werkes oft vorbei inszeniert hat. Strawinskijs "Geschichte vom Soldaten" ist nun einmal kein 2-stündiges Psychodrama mit einer gespaltenen Persönlichkeit des Soldaten, einem Teufel, der auch ein Engel ist usw. usw. In diesem Fall hat Ruth Berghaus das getan, was ich am Regietheater weniger schätze, nämlich nicht interpretiert, sondern etwas Anderes aus einem Werk gemacht, dessen Charakter verändert und damit die Musik so erscheinen lassen, als habe der Komponist im falschen Gestus komponiert.


    Die aus der Berghaus-Schule kommende Christine Mielitz, die übrigens eine musikalische Ausbildung hat und (wie auch Konwitschny) nicht nur Libretto, sondern auch Partitur lesen kann, geht meiner Meinung nach wesentlich sensibler zu Werk und hat einige Regiearbeiten geliefert, die für mich Idealbeispiele eines modernen interpretierenden Musiktheaters sind.


    ----------------------------------------------------


    Noch etwas kommt für mich dazu: Ich mag es, wenn ein Regisseur auch in Bildern denkt, wenn er bildlich so stark ist, daß ich mir seine Regiearbeiten zumindest teilweise aus dem Gedächtnis abrufen kann.
    Für mich sind/waren das von der Nach-Wieland-Wagner-Generation vor allem Chéreau, Ponnelle, Mielitz, Dew, Kupfer und Decker.


    Und noch einen will ich ins Gedächtnis rufen: Joachim Herz. Herz hat die bis heute faszinierendste Janácek-Inszenierung geliefert, die Wien jemals hatte, nämlich Káta Kabanová. Seine geniale Idee, die er gemeinsam mit dem Bühnenbildner verwirklichte, bestand darin, den gesamten Bühnenboden mit Metallfolie auszulegen und dadurch einen über die Ufer getretenen Fluß zu suggerieren. Alle Spielflächen wurden dann quasi auf Inseln gebaut. Ich habe nie wieder eine derartige Suggestion von Enge, Ausweglosigkeit und Vereinsamung erlebt, wie in dieser Inszenierung - hier wurde tatsächlich jeder Mensch zu einer Insel.
    Fast ähnlich faszinierend war Herz' "Lohengrin" an der Staatsoper - damals skandalumwittert. Aber was gäben wir heute für die kluge, optisch eindrucksvolle und psychologisch ausgefeilte Regiearbeit.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Interessant ist IMO, daß es einer Lobby von Regisseuren und Intendanten scheinbar geglückt ist jede Gegenstimme im Keime zu ersticken. Da werden leute als "Bildungsbürger" verunglimpft (wobei ich nicht sehe was daran schlecht sein soll) oder weniger elegant als "Spießbürger", als "antiquiert", "nicht zeitgemäß" "dümmlich","borniert" und was es sonst noch an ähnlichen Attributen gibt.
    Hier ist jedoch ein guter Platz seine diesbezügliche Ablehnung zu bekunden - ohne sich der Gefahr auszusetzen verhöhnt zu werden - da wache ich drüber.


    Da man ja hier bei Tamino auch seine Zustimmung zum "modernen Regietheater" bekunden kann, ohne diffamiert oder agressiv angegangen zu werden, wird sich auchein jeder über diesen Wachschutz freuen.




    Zitat

    Aus meiner Sicht (und Herr Verdi würde mir vermutlich beipflichten - Schikaneder auch) benötigt eine Oper eine interessante Epoche, wo viele historische Kostüme und Kulissen dem Publikum zeigen wie prächtig einst die Welt war. Zwei oder 3 Tote, ein Hexen- oder Pilgerchor, eine Prise Humor und ein Libretto wo das Publikum vorne und hinten nicht auseinanderhalten kann - und die Mitte erst recht nicht versteht. Dazwischen etliche wunderbare Arien und Chöre, Drei Spitzensänger, eventuell ein Balett oder ein Miltärmarsch, mindestens die Häfte der Oper sollte die Bühne in gespenstisches Dunkel gehüllt sein...


    Zumindest der noch nicht senile Verdi würde da sicher zustimmen. Erst im hohen Alter mit zunehmender Vergreisung geriet er bekanntlich auf einen Irrweg, und minderte die Qualität seiner Opern leichtfertig durch Einbeziehung tiefsinniger Literaturvorlagen. Aber in der Tat ist die Zauberflöte ja ein weitaus größerer Kassenschlager als der Otello. :angel:



    Gruß
    Sascha


  • Salut,


    ja, da stimme ich Dir zu [obwohl Du es mir gegenüber so selten tust :D ]. Ich jedenfalls würde mir bei einer derartigen Ankündigung tatsächlich überlegen hinzugehen. Was heißt, daß eine solche Ankündigung bei mir durchaus Interesse weckt und ich mir dann sicher ernsthaft [so, wie die Ankündigung auf mich wirkt] überlege, ob ich eine solche Veranstaltung aufsuchen werde - sicher mit hin und wieder positivem Ergebnis [bin halt gebürtiger Rheinländer und lege Wert auf Formalitäten].


    Ganz im Gegensatz dazu hasse ich es, bei "normalen" Operanankündigungen stets nachfragen zu müssen, um was für eine Art der Inszenierung es sich handelt. Das tue ich mittlereile nicht mehr und gehe einfach in keine Oper mehr: Lieber höre [und/oder sehe] ich meine Wunschinterpretation daheim, schließe ggfs. die Augen und habe dann meine Inszenierung.


    Ansonsten kann ich mich Severina nur anschließen, was das Gefühl der "Kastration" betrifft: Ich mag es ebenso wenig, wenn mir jemand seine Interpretation [die ich in der Regel als falsch empfinde] AUFDRÜCKT. Ein Werk spricht durchaus aus sich selbst heraus - und mit etwas Sachverstand und ureigenem Gefühl ergibt sich eine Inszenierung ganz von selbst. Da kann durchaus bei einer Serie von 50 aufeinanderfolgenden Aufführungen z.B. der 'Entführung' der Bassa Selim mal in einem Holzkübel badend nebst Quietscheentchen auftreten... [so er einen Turban trägt :D und das drumherum stimmt]. Und natürlich, Faun, ist es so, dass bei "originalen" Inszenierungen/Interpretationen der Grundgedanke des Werkes vorgegeben ist - das ist ja auch Sinn der Sache. Aber deswegen wird die Gedankenfreiheit - zumindest bei mir - nie eingeschränkt. Sooft ich die Zauberflöte in derselben Interpretation höre und/oder sehe - so oft ist sie anders und neu [selbst, wenn es sich um ein und dieselbe Aufzeichnung handelt].


    Die modernen Inszenierungen [wie bereits mehrfach betont: von einigen grandiosen Ausnahmen abgesehen] halte ich mehrheitlich für Zweckentfremdung gedanklichen Diebesgutes, eigentlich auch für eine Art Mißbrauch zu eigenen Zwecken des jeweiligen Regisseurs... Regisseure im heutigen Sinne sind für mich eigentlich unnötig [jede Putzfrau kann Anweisungen befolgen!] - sie sollten dann lieber als Librettisten oder Dichter fungieren und EIGENE Werke auf die Bühne bringen. Das hielte ich für wesentlich sinn- und gehaltvoller. Im Prinzip vergeuden sie ihre unumstrittenen Talente an Werken, die dieser nicht bedürfen, da sie bereits perfekt sind. Schade eigentlich... und es gibt m. W. mehr als 40.000 Opern, die bereits komponiert sind und nur darauf warten, entstaubt zu werden. Abwechselung wäre also genügend vorhanden. Wozu sollte ich beispielsweise eine Opernaufführung der Zauberflöte oder des Don Giovanni besuchen? ?(


    Natürlich: Man muß den restlichen paar Milliarden Menschen die Möglichkeit bieten, ein solches Meisterwerk kennenzulernen. Aber es gibt auch solche, die regelmässig zu Weihnachten die 'Zauberflöte' besuchen - vermutlcih dieselben, die ebensooft die Kirche besuchen [vor dem Geschenkeauspacken - einmal im Jahr].


    Das war das Wort zum Freitag von


    :hello:


    Ulli,
    der vielmals grüßt

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • Sehr passende Worte, Ulli, danke! :yes:
    Edwin, ich bin von Grubers "Villi" auch nicht sonderlich angetan, aber inwiefern sie ein "Lesbenstück" daraus gemacht, würde mich jetzt echt interessieren. Ich hab's mir dreimal angeschaut und allerlei Gedanken dazu gemacht - der zweite Teil gefiel mir dann sogar schon recht gut - aber auf diese Deutung wäre ich nie gekommen. Bitte kläre mich auf!
    Joachim Herz schätze ich übrigens auch sehr, besonders nach seiner tollen Züricher "Butterfly" (war aber, glaube ich, eine Übernahme). Zum ersten Mal konnte mich diese zuvor nicht sonderlich geliebte Oper wirklich begeistern.
    Alviano, auch in Wien stieß "Ebolis Traum" bei der PR auf wütende Proteste, danach legte sich der Sturm. Das Autodafe fand ich von der Grundidee nicht schlecht, bloß geriet es an der STOP zum reinsten Chaos, niemand wusste, ob er rein oder rausgehen sollte, ob Pause war oder nicht, und auf der Bühne ging indessen die herrliche Musik im allgemeinen Tohuwabohu völlig unter.
    Schöne Grüße aus dem endlich wieder sonnigen Wien von Severina

  • Hallo Severina,
    ich habe die "Villi"-Inszenierung jetzt nicht mehr so vor meinem geistigen Auge, ich sah sie nur ein Mal bei der Premiere, und da habe ich eine Szene an einem Tisch in Erinnerung. Mag sein, daß es nur angedeutet war, aber jedenfalls war bei mir der erste Gedanke: "Schon wieder..."
    :hello:

    ...

  • Falls ich mir die "Villi" noch einmal antue - ich bin eigentlich immer wegen "Osud" gegangen - werde ich sie unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Vielleicht fällt dann ja der Groschen!
    lg Severina

  • Ja, Severina, weshalb glaubst Du, daß ich drin war?
    Oder anders gesagt: Wie, glaubst Du, kommt es, daß ich "Osud" bisher 5 Mal gesehen habe, "Le Villi" aber nur 1 Mal... :D


    :hello:

    ...

  • Einen schönen guten Tag,


    ich habe etwas gezögert, mich als Neuling in dieses Thema einzuklinken. In diesem Thread brodelt's doch ganz schön und wenn auch der gute Ton gewahrt wird, zwischen den Zeilen liest man sehr viel Wut und Trauer über den Angebotsverlust alter Sehgewohnheiten. Na und in der Öffentlichkeit ist die G'schicht sowieso sehr emotional aufgeladen. Dabei trägt der belehrende Ton der Regietheateranhänger im Foyer wenig dazu bei, die Wogen zu glätten. Von Demokratie spüre ich da nichts mehr.


    Mir kommt das Ganze mittlerweile eher, wie die ständige Reprise des Andersen-Märchesn "Des Kaisers neue Kleider" vor. Kaum ein Verantwortlicher bringt den Mut auf, mal offen auszusprechen, was eine Vielzahl der Opernbesucher denkt. Und wenn er es mal macht oder gar eine Inszenierung im traditionellen Sinn abliefert, dann wird militant drauflosgeknüppelt.


    Die ganze Sache kippt so arg bedrohlich in die Schräglage, dass bundesweit - und mittlerweile ja wohl auch in Österreich - eine inflationäre Verarmung der Theaterlandschaft vor sich geht: Ehemalige Zugstücke verschwinden in der Versenkung, weil sie sich nicht mit dem Regietheater vertragen. Rigoros werden alte, lieb gewordene Zöpfe abgeschnitten unter dem gut subventionierten Deckmantel der intellektuellen Zwangsbeglückung - und die Besucher treibt's en gros aus den Theatern. Ich habe oft das Gefühl, der Regisseur weiß gar nicht mehr, was er da tut. Da sind manchmal richtig fiese Fehler zu beobachten, z.B. in der personellen Zuweisung von Leitmotiven. Die Liste ist ewigst und wenn man darauf aufmerksam macht, hat man den Sinn der Inszenierung nicht verstanden. So billig lasse ich mich nie mehr abspeisen.


    Eine Wohltat war es, vor einem Jahr im Bolschoi noch mal Inszenierungen zu sehen, die kein Problem mit Traditionen haben. Sich komplett auf das Werk zu konzentrieren, ohne Reue, selbst das Pathos einiger Opern zu genießen - fernab der Willkürherrschaft deutscher Regisseure. Oder im Theatermuseum, die alten Entwürfe zu bestaunen. Mit welcher Liebe und welchem Einfühlungsvermögen früher daran gearbeitet wurde, das Werk so über die Bühne zu bringen, dass es jedem etwas zu sagen hat.


    Das Theater hier und heute ist total entzaubert und es langweilt mich ganz heftig. Ich hoffe, dass der Spuk irgendwann mal ein Ende hat. Bis dahin...


    Knusperhexe

  • Hallo Knusperhexe,
    Ich wiederhole mich,wenn ich sage : Du hast vollkommen recht.
    Ich möchte auch in der Oper keine politische Belehrung von
    irgendeinem Filmregisseur,der plötzlich Opernregie macht.
    Politik sehe ich in der Tagesschau.Die Oper ist ein unrealistisches
    künstlisches Produkt,da möchte ich mich an schönen Stimmen
    erfreuen,und gut unterhalten werden.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Und wenn er es mal macht oder gar eine Inszenierung im traditionellen Sinn abliefert, dann wird militant drauflosgeknüppelt.


    Mir ist es egal, ob eine Inszenierung "traditionell" anzusehen ist oder nicht - denn dieses Schlagwort klingt, als verbergen sich dahinter die Bühnenbilder, Kostüme etc. Das wichtigste ist mir die Beziehung der Personen auf der Bühne untereinander und innerhalb des Stückes.


    Ein Beispiel im diesem Sinne für schlechtes, langweiliges Theater liefern m.E. die Bühnen der Stadt Köln, sowohl was "Lohengrin" als auch "Cosi fan tutte" betrafen. Bei "Cosi" wirkte Alfonso überflüssig, die Sänger waren nicht im Takt mit dem Orchester, es entstand keine Spannung zwischen den 6 Leuten (jedenfalls nicht bis zur Pause) usw. Das Haus war ausverkauft und damit verteidigt Damann gerade seine Existenz gegenüber Quander in der Regionalpresse. Mich überzeugt das alleine nicht.


    Sophia

  • Hello Opernfreunde! :hello:


    Ich bin ein Freund der modernen Varianten, gebe aber zu dass mir die "Originale" auch gefallen


    Zauberflöte und Barbier sah ich in den vergangenen Jahren live in taditionellen Kostümen und es war sehr schön.


    Seit heuer, seit ich mich mehr mit dem Thema beschäftige, sah ich im TV oder DVD ein paar Opern im modernen Outfit und stelle fest, dass mir das besser gefällt.



    ich schliesse dadurch nicht aus, dass ich mir traditionell inszinierte Opern auch ansehen würde, aber wenn ich wählen könnte würde ich das moderne aussuchen.


    ...und es soll ja auch für´s Auge sein, oder nicht?


    Natürlich halte ich nichts davon wenn ein Thema total entstellt wird, eben weil irgend ein Filmrregiseur glaubt, er muss Opern machen.


    LG Paul? :angel:

  • Zitat

    Original von Paul?
    ...und es soll ja auch für´s Auge sein, oder nicht?


    Ja. Das Sakko ist ganz nett. Wenn er's ausziehen würde, könnte man aber das Hemd besser sehen.


    :hello:


    Ulli

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • ich habe den salzburger don giovanni selbst gesehen. die szenenfotos (siehe Paul?s
    bildzitat) sind aus dem zusammenhang gerissen und man kann, meiner meinung
    nach, keine rückschlüsse auf die inszenierung ziehen. ich kannte die fotos auch vorher.
    aber wenn man die gesamte oper (inszenierung martin kusej) sieht, erkennt man,
    dass jede kleinigkeit (auch die palmers-girls) in sich schlüssig und eingebettet in
    den grösseren zusammenhang der regie-idee ist - mit kurzen (zu kurzen?) worten:
    don giovanni wird nicht als sympathischer gentleman-verführer, sondern als
    unsympathischer, skrupelloser lüstling gesehen.


    ein zweites beispiel - der französische don carlos an der wiener staatsoper. das
    szenenfoto (don carlos im gitterbett, dass philip schiebt) war für mich vorher
    absolut lächerlich. im zusammenhang gesehen (ebolis wunschtraum einer
    kleinbürgerlichen, heilen familie) ist diese szene absolut verständlich, fast
    zwangsläufig. die schwiegereltern bringen als gastgeschenk für die schwangere
    eboli plus werdendem vater, ein klapp-gitterbett mit, das natürlich sofort
    begutachtet wird. die stimmung ist durch alkohol entspannt. ich behaupte, mehr
    als 50% der bevölkerung, könnte auf die gleichen oder ähnliche gedanken
    kommen. das isolierte szenenfoto ist vollkommen absurd. die gesamte szene
    absolut verständlich, fast familiär.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Ich habe nicht gewusst daß es einer Oper guttut wenn ein paar fast nackte Weiber (die Bezeichnung "Damen" verbietet sich hier von selbst) auf der Bühne herumstehen und man, so man lediglich das Bühnenbild (zumeist kann man auch von einem solchen nicht sprechen -) und einige Protagonisten sieht - nicht wissen kann - welches Werk denn hier eigentlich am Programm steht.


    Zitat

    Ich habe oft das Gefühl, der Regisseur weiß gar nicht mehr, was er da tut


    Das Gefühl habe ich allerding schon: Man will das Theater, einst Domäne des Adels und später des Bürgertums, BEWUSST ZERSTÖREN !
    Früher hat man Bücher und Theaterstücke, die nicht genehm ware verbrannt, heute wendet man andere Methoden an.


    Wer diese Aussage für überzogen hält, den erinnere ich daran, daß vereinzelt öffentlich gersagt wurde, es wäre kein Schaden, wenn das alteingesessene Abonnementpublikum wegbliebe, damit Platz für "ein anderes Publikum sei"


    @ Edwin Baumgartner


    Ja ich kann ungefähr verstehen was Dich an Schenks Inszenierungen stört - wobei ich es nicht nachvollziehen kann. Es setzt auf kleine Effekte, die das Stück würzen (sollen), aber im Kern weder zu dessen Verständnis beitragen , noch beitragen sollen. Schenk lässt das Stück selbst wirken, seine Gags sind reines Füllwerk ohne Aussage zum Stück, die das Publikuim bei Laune halten sollen.


    Hampe, Pagano, Zeffiirelli,Ponnelle, das waren noch Inszenierungen/Austattungen nach meinem Geschmack..


    Oper soll vor allem Unterhaltung sein.
    Was jetzt geboten wird ist, als ob ich in ein Feinschmeckerrestaurant ginge und mir würde Müsli als Hauptgang angeboten - alles andere sei ungesund. Ich solle doch überlegen was ich meinem Körper antue wenn ich Fette Saucen und Braten zu mir nähme. Fleisch und Fisch sei generell obsolet, weil man das den armen Tieren nicht antun könne, Gemüse voller Pestizide. Danach reicht man mir eine Speisekarte wo draufsteht, daß jede Minute soundso viele Menschen auf der Welt verhungern....


    Wer würde in solch ein Restaurant gehen ??


    mfg aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....




  • Du hast mich missinterpretiert: Ich meinte es, das Hemd.


    Die zusammengeschnürten Zelluliden dürften sich spätestens nach der zweiten Vorstellung eine kräftige Lungenentzündung zugezogen haben mit der Konsequenz einer redaktionellen Änderung im Programmheft: Röchelverzeichnis 527...


    :hello:


    Ulli

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • Code
    1. Oper soll vor allem Unterhaltung sein.


    Hallo Alfred!


    stimmt - ich denke aber dass genau durch solche Insezenierungen die klassischen Stücke, Theater oder Oper einem breiteren Publikum Unterhaltung bietet.


    Die "Neuen" kommen vielleicht erst dadurch auf den Geschmack, und die "Alteingesessenen" sollten sich nicht vertrieben vorkommen, sondern froh sein, dass durch Neuinszinierungen etwas Erfrischendes nach kommt.


    Und auch im Feinschmeckerrestaurant wird Rindfleisch mal gekocht, mal gebraten oder als Salat serviert. Man kann ja auch über den Tellerrand blicken, oder nicht?


    Ein anderes Beispiel ist die moderne Verfimung von Romeo & Julia - durch dies Verfilmung, welche die Geschichte auf Strassenbanden in Nordamerika ummünzte, war endlich auch für das "normale" Publikum und die Jugend William Shakespeare zugänglich. Ich glaube aber nicht dass sich alteingesessene Englischlehrer von ihren Sesseln verdrängt fühlten.



    Ulli


    ... yo! - ein tolles Hemd - in der Tat :yes:


    LG Paul? :angel:

  • Ich fühle mich bei diesem Thema so ein bisschen als "Wanderer zwischen den Welten", denn ich verdanke beidem, also sowohl dem traditionellen als auch dem Regietheater, unvergessliche Stunden. Als Kusej-Fan habe ich mich ja bereits geoutet, deshalb finde ich seinen "Giovanni" ausgezeichnet, aber auch der von Faun erwähnte Konwitschny-Carlos gefällt mir um Klassen besser als die konventionelle italienische Variante. (Kann man im Moment eben wieder feststellen!) Im TV gezeigte Auschnitte folgen prinzipiell dem Motto "Skandal!" Wenn in einer Inszenierung fünf Sekunden lang ein nacktes Hinterteil präsentiert wird, kann man mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass dann diese 5 Sekunden im Kulturbeitrag zu sehen sind. "Solche Schweinereien schaust du dir an?" hört man dann von lieben Mitmenschen, die in den letzten zehn Jahren kein Theater von innen gesehen haben.
    Aber ich verstehe auch Alfreds Position sehr gut, auch ich genieße Vorstellungen, die einfach "nur" schön sind, wo man sich fallen lassen und genießen kann, ohne ständig darüber grübeln zu müssen, warum jetzt x, y und z passiert. Solange es beides gibt, bin ich eigentlich zufrieden, wobei ich den extremen Auswüchsen des Regietheaters sicher nichts abgewinnen kann. (Obwohl ich jetzt fast schon damit liebäugle, bei meinem Zürichaufenthalt im Jänner einen Abstecher nach Basel zu machen. Schließlich muss ich wissen, worüber ich schimpfe! 8))
    Schöne Grüße, Severina

  • Zitat

    Original von Paul?
    Ein anderes Beispiel ist die moderne Verfimung von Romeo & Julia - durch dies Verfilmung, welche die Geschichte auf Strassenbanden in Nordamerika ummünzte, war endlich auch für das "normale" Publikum und die Jugend William Shakespeare zugänglich. Ich glaube aber nicht dass sich alteingesessene Englischlehrer von ihren Sesseln verdrängt fühlten.
    LG Paul? :angel:


    Na ja, Geschmackssache, lieber Paul.


    Ich fand die Idee gut, kann aber auch Leute nachvollziehen, die sich nicht an der Modernität sondern an der Widersprüchlichkeit zu der durch die Shakespearesche Sprache vermittelten Ästhetik stören. Die Sprache ist Abbild einer gewissen zeitgebunden Ästhetik - natürlich beschrönkt auf einzelne Gruppierungen. Denn in Shakespeares Zeit gab es mit Sicherheit genausoiele unkultivierte Menschen wie heute. Wenn ich dann aber in einem Film gerade die "Unterschicht" von heute mit dieser Sprache Shakespeares belege erzeuge ich einen krassen Widerspruch. Denn die Typen, die in der Neuverfilmung dargestellt werden, sind vielleicht gerade der Inbegriff der subkulturgeprägten outlaws. Das mag interessant sein, aber an sich inschlüssig.


    :hello:
    Wulf.