Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Zitat

    Original von severina
    Anders ist es mit der Kirche: Wenn Scarpia sich zweimal über das Benehmen von Leuten mokiert (im 2. Fall ist es sogar Tosca), das sich in einer Kirche nicht gehört, und er steht dabei sagen wir einmal in der Shoppingcity Süd, dann kostet mich das einen Lachkrampf. Denn deinen und Alvianos Standpunkt "Egal, wovon sie singen, Hauptsache, sie singen!" kann ich zwar akzeptieren, aber nicht nachvollziehen.
    Ich nehme das Libretto ebenso ernst wie die Musik und folge einem Regisseur bereitwillig auf neuen Pfaden, wenn ich einen Zusammenhang mit dem Text herstellen kann.


    Nimmst Du das Libretto ernst oder nimmst Du es lediglich beim Wort?

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Zitat

    Original von Amateur


    Nimmst Du das Libretto ernst oder nimmst Du es lediglich beim Wort?


    Hallo Amateur,
    ich denke doch, dass das aus meinen Ausführungen (und Beispielen) ziemlich klar hervorgeht!
    lg Severina :hello:

  • Hallo Edwin


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Hallo Theophilus,
    wenn in einer "Tosca" keine Kirche und keine Engelsburg vorkommt, ist das für Dich schon eine andere Geschichte?


    Der erste Akt Tosca ist wie wenige andere Opernakte an eine räumliche Gegebenheit gebunden. Wenn du diesem ersten Akt die Kirche wegnimmst, wird es zwangsläufig absurdes Theater, also eine andere Geschichte (wenn überhaupt eine). Du müsstest ja nach fünf Minuten vor Lachen unter dem Tisch liegen, wenn irgendwo anders ein Irrer anfängt: "Das Becken ... die Säule ... »Zu Füssen der Madonna«, schrieb mir meine Schwester ..... Da ist der Schlüssel . . . und da die Kapelle! ... ". Zumindest hättest du in diesem Fall mein vollstes Verständnis für einen Heiterkeitsausbruch.
    Dann kommt ein munterer Mesner des Wegs, wir haben einen Maler, der schon mehrere Tage eine Frau beim Gebet beobachtete, lärmende Kinder, die in eine Sakristei geschickt werden, einen Scarpia, der den Mesner wegen des Aufruhrs "in der Kirche" zur Schnecke macht, sich dann aber nach der "Kapelle" der Attavanti erkundigt und für Floria Tosca einen Weihwasserkessel benötigt. Zum Schluss erleben wir noch einen Kardinal, der zum Hochaltar schreitet und eine Messe zu lesen beginnt. Wo, mein lieber Edwin, wenn nicht in einer Kirche soll sich das abspielen? Und ich verlange nicht Sant'Andrea della Valle, es reichen zur Not minimale Andeutungen dessen, was mir da erzählt wird, und zwar auch von der Musik!


    Die Engelsburg ist vergleichsweise unwichtig. Man sieht sie ja ohnehin nicht, denn wir befinden uns auf der oberen Plattform. Der Schlüssel liegt immer darin, dass sich Musik, Text und Inszenierung nicht widersprechen, oder zumindest so wenig wie möglich. Und der erste Akt ohne Kirche ist eine Ver..., äh ..., hm ..., ... Verschaukelung des Publikums. ;)




    Zitat

    Soll heißen: Für Dich hat das Bühnenbild die Geschichte wiederzugeben.
    O.k. - aber wozu brauchst Du dann noch ein Libretto? :D
    :hello:


    Was ist das für eine Argumentation? Gegenbeispiel: Ich hab' ja das Libretto, wozu brauchen wir noch eine Bühne? Oder: in der Partitur steht ja eh alles drin, wozu brauchen wir noch Libretto und Bühne? Nein Edwin, das Ganze nennt sich "Oper", und dazu gehört Musik, Text und Inszenierung, und diese drei Dinge sollen gefälligst konvergieren und nicht divergieren!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von severina


    Hallo Amateur,
    ich denke doch, dass das aus meinen Ausführungen (und Beispielen) ziemlich klar hervorgeht!
    lg Severina :hello:


    Hallo Severina,


    ich bin mir da echt nicht ganz sicher. Klar ist: wenn die Personen auf der Bühne von etwas reden, was nicht zu sehen ist, dann entsteht daraus eine kognitive Dissonanz. Was mich interessiert ist, ob diese kognitive Dissonanz einen künstlerischen Wert besitzt. Um es nicht ganz so hochtrabend auszudrücken:
    Wenn in einem im Libretto von einer Kirche gesprochen wird, die auf der Bühne nicht zu sehen ist, was stört dich daran? Muss es notwendigerweise eine katholische Kirche sein? Dann nimmst Du das Libretto beim Wort. Könnte es auch eine Kirche einer anderen Konfession sein, dann nähmest Du das Libretto schon nicht mehr beim Wort, aber möglicherweise dennoch ernst. Denn wie man sich in einer Kirche verhält, das ist nicht von der Konfession abhängig, auch wenn diese im Libretto durch das Marienbild klar bestimmt ist. Ich für meinen Teil könnte mir auch eine Shoppingmall vorstellen, wenn es denn dem Regisseur gelänge, deren latent sakral inspirierte Architektur samt der dort herrschenden Verhaltensregeln (etwa der Anbetung von kostbar ausgestatteten Schaufensterfiguren) böse genug herauszuarbeiten.


    Liebe Grüße


    Amateur

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Hallo Amateur,
    natürlich ist es völlig unerheblich, zu welcher Konfession diese Kirche gehört - das ändert nichts an der Scheinheiligkeit Scarpias, der sich über "respektloses Verhalten" an einem sakralen Ort künstlich entrüstet, während ihm selbst nichts heilig ist, er vor nichts und niemandem Respekt hat und an nichts glaubt, außer an das Recht des Stärkeren. DAS ist für mich nämlich die Quintessenz dieser Kirchenszene!
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Der erste Akt Tosca ist wie wenige andere Opernakte an eine räumliche Gegebenheit gebunden. Wenn du diesem ersten Akt die Kirche wegnimmst, wird es zwangsläufig absurdes Theater


    Das ist immer die Frage der eigenen Haltung zu einer unerwarteten Bildlösung. Bin ich bereit, mich von den Vorstellungen, die ich ins Opernhaus mitgebracht habe, zu lösen und offen, der Inszenierung zu folgen, werde ich eine fehlende Kirche im ersten "Tosca"-Akt genauso wenig als "absurdes Theater" empfinden, wie einen gänzlich in eine Kirche verlegten "Don Giovanni" (Herheim/Essen).


    Bin ich aber gar nicht bereit dazu, auf ein Kirchenbild im ersten Akt der "Tosca" zu verzichten, weil das für mich überhaupt nicht denkbar ist, soetwas zu machen, würde ich vielleicht so Argumentieren, wie Du.


    Für mich ist ausschliesslich entscheidend: ist es eine gelungene Umsetzung, oder nicht?

  • Zitat

    Original von Alviano
    ...
    Für mich ist ausschliesslich entscheidend: ist es eine gelungene Umsetzung, oder nicht?


    Also anders ausgedrückt, wenn du in die Oper gehst, erwartest du eine interessante, in sich stimmige Inszenierung. Dass sie mit dem Text nichts und mit der Musik wenig zu tun hat, ist für dich nicht so wichtig und du akzeptierst, dass zu einem spannenden Drama in Pinochets Santiago eben zufällig Tosca als Backgroundmusik läuft...


    Bitte, jedem das Seine. Ich hoffe nur du entschuldigst, dass ich da nicht so ohne Weiteres mitziehe. Ich stelle da offenbar etwas höhere Ansprüche an die Einheit von Musik, Text und Inszenierung. Ich mag ja verschroben wirken, aber für mich kann eine Umsetzung nicht gelungen sein, wenn sie sich gegen den Text wendet. Der ist für mich kein beliebiger Appendix sondern ernst zu nehmende Grundlage der Handlung. Und das ist keine Frage der Bereitschaft, unkonventionelle optische Lösungen zu akzeptieren, sondern die schlichte Forderung, dass die Inszenierung in ausreichendem Masse zu Text und Musik passen muss, damit ich von einer spannenden Handlung gepackt werden kann. Ich bin unfähig und nicht willens, zwei Geschichten auf einmal zu verarbeiten.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Es hängt doch einfach auch am Stück... Tosca ist nun mal eine ziemlich schlichte Sex&Crime-Story ("shabby little shocker"). Das kann man nicht mit der relativen Abstraktheit und Vielschichtigkeit des Ring vergleichen (es dürfte BTW schwierig sein, unter den abenteuerlichsten Vertretern des Regietheaters ein so albernes Mißverständnis zu finden wie die Idee, es ginge in Wagners Ring um "Germanen" :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: ).
    Ganz platt formuliert: Es mag sein, dass genau die scheinbare Nähe zum mutmaßlichen originalen Bühnenbild, die bei Tosca geboten sein könnte, bei Wagner von vornherein zum Scheitern einer Inszenierung führen wird.


    Vielleicht ist es komisch, wenn man keine Kirche, keine Säule zum Versteckeln, keine Privatkapelle usw. hat. Ich habe mal eine (IIRC Berghaus) Tosca in Dresden mit einem reduzierten/abstrakten Bühnenbild gesehen. Cavaradossi arbeitet an einem symbolischen Gemälde (a la (Gottes) Auge in einem Dreieck), was die Eifersucht Toscas auf das Modell des Bildes (fa gli occhi neri) natürlich nicht besonders plausibel erscheinen läßt. (Ich weiß sonst nicht mehr viel über die Inszenierung, die Kostüme waren IIRC leicht stilisiert, aber eher historisch)


    Das spricht aus meiner Sicht aber auch in gewissem Sinne gegen Tosca, weil das Stück der Phantasie weniger Raum läßt als bessere Opern. (ja, ich weiß Frevel!, was bildet sich das Lumpenpack der Regisseure ein, ein GENIE wie Puccini in Frage zu stellen)
    Es ist dramatisch und mitreißend, aber eben etwas flach. Oder andersrum: es bedarf vielleicht besonderer Phantasie und Kreativität in einer Inszenierung evtl. neue Dimensionen zu erschließen.
    Aber die essentiellen Konflikte unter den Personen, das Klima der Gewalt in Scarpias Rom, Scarpias Scheinheiligkeit und Verschlagenheit usw. lassen sich auch mit anderen Bühnenbildern, vielleicht sogar besser, ausdrücken.
    Da ich selbst völlig unkreativ bin, habe ich freilich keine konkreten Vorschläge zu machen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Theophilus,
    1) Man kann auch außerhalb einer Kirche darüber reden, wie sich jemand in einer Kirche (daneben) benimmt.
    2) Man trifft auch außerhalb von Kirchen auf Devotionalien.
    3) Muß denn der Mesner unbedingt ein Mesner sein?
    4) Und das Hochamt als Privatgottesdienst für einen Diktator - was spricht dagegen? Im Grunde für mich nur, daß es eben eine tolle Szene ist, wenn der Folterherr Scarpia sich öffentlich bekreuzigt. Aber in diesem Punkt halte ich es mit Alviano: Wenn mir der Regisseur eine stimmige und packende Alternative präsentiert - warum nicht?


    Zitat

    Was ist das für eine Argumentation? Gegenbeispiel: Ich hab' ja das Libretto, wozu brauchen wir noch eine Bühne? Oder: in der Partitur steht ja eh alles drin, wozu brauchen wir noch Libretto und Bühne?


    Ja, Theophilus, sieh an, Du glaubst meine Argumentation nicht zu verstehen, verstehst sie aber recht gut.
    Ja, ich bin ein Anhänger der gesprochenen (bzw. gesungenen und instrumentalen) Kulisse. Wenn mir der Text und Musik das Ambiente suggerieren, brauch ich es nicht in einem 1:1-Nachbau auf der Bühne. Wenn der erste Akt "Tosca" denn schon in einer Kirche spielen soll, dann wäre mir die Andeutung des Raumes völlig genug. Es sei denn, der Bühnenbildner interpretiert den im Text vorgeschriebenen Raum - dann muß er zwecks Verdeutlichung der Interpretation mehr auf die Bühne bringen. Aber wenn's weiter nichts sein soll als eine Kirche - dafür reicht mir der tatsächlich (gesungene) Text.


    -----------------
    Hallo Johannes,

    Zitat

    Das spricht aus meiner Sicht aber auch in gewissem Sinne gegen Tosca, weil das Stück der Phantasie weniger Raum läßt als bessere Opern. (ja, ich weiß Frevel!,


    Nein, nein, bittere Wahrheit... :D


    :hello:

    ...

  • Klar @Edwin, die Kirche "St. Peter" zu Rom, kann man auch schwerlich auf einer Bühne nachbauen, ist ja schon ein Problem, die Engelsburg einigermaßen glaubwürdig auf die Bühne zu stellen.

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  • Zitat

    Original von Michael
    Klar @Edwin, die Kirche "St. Peter" zu Rom, kann man auch schwerlich auf einer Bühne nachbauen.......


    Ach so, die Kirche ist die Sant'Andrea della Valle, und nicht St. Peter, sorry

  • Hallo Theophilus,


    Zitat

    Also anders ausgedrückt, wenn du in die Oper gehst, erwartest du eine interessante, in sich stimmige Inszenierung. Dass sie mit dem Text nichts und mit der Musik wenig zu tun hat, ist für dich nicht so wichtig und du akzeptierst, dass zu einem spannenden Drama in Pinochets Santiago eben zufällig Tosca als Backgroundmusik läuft...


    Völlig falsch - ich erwarte, genau wie Du, einen in sich stimmigen Opernabend, sozusagen ein "Gesamtkunstwerk" - nur gibt es für mich ein wesentlich breiteres Spektrum, z. B. "Tosca" glaubwürdig zu präsentieren, als es das für Dich zu geben scheint.


    Zitat

    Ich hoffe nur du entschuldigst, dass ich da nicht so ohne Weiteres mitziehe. Ich stelle da offenbar etwas höhere Ansprüche an die Einheit von Musik, Text und Inszenierung


    Überhaupt kein Problem: die Menschen und ihre Geschmäcker sind verschieden. Daraus folgt aber auch, dass der wertende Begriff "höhere Ansprüche" da nicht hingehört. Du hast andere Vorstellungen, die sind aber mit "höher" oder "niedriger" im Bezug auf meine Vorstellungen nicht beschreibbar. Es gibt da keine Wertigkeit.


    Zitat

    aber für mich kann eine Umsetzung nicht gelungen sein, wenn sie sich gegen den Text wendet. Der ist für mich kein beliebiger Appendix sondern ernst zu nehmende Grundlage der Handlung


    Das ist bei mir ganz ähnlich - führt aber zu anderen Ergebnissen.

  • Zitat

    Original von Michael
    Klar @Edwin, die Kirche "St. Peter" zu Rom, kann man auch schwerlich auf einer Bühne nachbauen, ist ja schon ein Problem, die Engelsburg einigermaßen glaubwürdig auf die Bühne zu stellen.




    Hallo Michael,


    och, so schwer und problematisch ist das gar nicht! Gibt genügend Bühnenbeispiele bis weit in die 80er rein, sprich: bis zum Auftauchen der Regietheaterkrake. :] Ob nur gemalt oder in einem bestimmten Winkel nachgebaut - da gab es ganz beglückende Raumlösungen!



    Zitat

    Original von petra


    Auf einer Freilichtbühne in unserer Nähe mit schöner Naturkulisse gab es dagegen eher konservative Inszenierungen, die aber auch stimmig waren und gute Sänger hatten, so warum nicht?


    Hallo Petra,


    ja, das ist echt die Frage.


    LG,


    Knuspi

  • Hallo Severina,


    Zitat

    Insofern hätte ich also mit einer "Walküre", wie du sie schilderst, absolut kein Problem. (Allerdings habe ich im Unterschied zu dir schon ein Gewitter im Wald erlebt und könnte mich also auch problemlos mit einem Bärenfell-Siegmund identifizieren ;) )


    Ich glaube dennoch, dass es im Falle der Walküre noch eine weitergehende Dimension ist. Siegmund ist heimatlos, vertrieben. Er ist nicht nur dem Unwetter ausgeliefert, sondern es gibt auch keine sichere Zufluchsstätte im Sinne seines Zuhause mehr, wohin er sich zurückziehen könnte. Und das finde ich an der Übertragung hin zum Bombenkrieg durch die Friedrichinszenierung so genial: Die Menschen verlieren auch die Sicherheit Ihrer Häuser, diese bieten nicht mehr Schutz gegen die Bomben, auch wenn sie noch stehen. Die Menschen sind angewiesen auf eine fremde nächstbeste sichere Zufluchtsstätte, den Bunker nämlich - so wie Siegmund auf die nächstbeste Hütte, die er finden kann.


    Ansonsten respektiere ich natürlich, dass Du Abweichungen vom Text nicht tolerieren kannst. Ich muß aber gestehen, dass ich da ganz unterschiedlich reagiere. Es hängt auch immer sehr davon ab, wie tragend die entsprechenden Textstellen für die innere Handlung sind. Sprich, wenn Wotan singt "Umlodre feurig den Fels", habe ich wenig Probleme damit, wenn sein Töchterlein auf anderem Untergrund gebettet ist, weil das für den Vater-Tochter-Götter-Konflikt doch recht wurscht ist. ;)


    Gruß
    Sascha


  • Lieber Alviano,


    Bitte unterstelle mir nichts, was ich nicht gesagt habe. Hier geht es nicht allein um Geschmack, über den man natürlich - aber nur freundschaftlich - streiten kann (es kommt nichts anderes dabei heraus als die bessere Klärung der jeweiligen Positionen). Es geht darum, daß die Puccini-"Tosca" eine historische Schöpfung ist, und ich nur a) für "Korrektheit" (innerhalb eines sehr weiten Spektrums) dieser gegenüber plädiere, und b)einen gewissen Respekt vor dem geistigen Eigentum der Schöpfer erwarte (und meine Annäherung erfolgt zunächst auf diese zu, um das Ergebnis, seine Aussage etc.etc. besser zu verstehen, ich verzichte daher nicht a priori auf den Faktor des Gesamtkunstwerks - wem die Kirche egal ist, der tut das bewußt schon).
    Eine andere Art der Annäherung - so wie Deine - ist ebenso möglich, zielt aber auf die Priorität der Gegenwart gegenüber dem Historischen, das nur als Rohmaterial benützt wird. Ich finde da ein Problem, das ich ohne Hilfe der Psychologie nicht lösen kann: Für Dich ist das Libretto nur eine Spielwiese, wie Du sagst (die Musik auch?), und: "Es ist und bleibt die Tosca". Auf der einen Seite die Forderung nach absoluter Freiheit, auf der anderen Seite die totale Vereinnahmung des Werks. Warum nicht loslassen und sich abnabeln so wie Kinder von den Eltern, die Abstammung wird ja nicht verschwiegen oder geleugnet, aber man gestaltet sein eigenes Leben.
    Hier bleibt für mich ein unauflöslicher Widerspruch, der mir aber irgendwie bezeichnend vorkommt.


    Wir können die Diskussion an diesem Punkt wohl einmal stehen lassen, weil wir - glaube ich - die Standpunkte markiert haben und von da nicht wegkommen. Wir brauchen uns ja deswegen auch nicht zu streiten, sondern wollen uns mit unseren unterschiedlichen Sichtweisen vertragen. Es war einfach interessant, das Problem wieder einmal ein bißchen anzukauen.


    LG


    Waldi

  • Hallo Waldi,

    Zitat

    Es geht darum, daß die Puccini-"Tosca" eine historische Schöpfung ist, und ich nur a) für "Korrektheit" (innerhalb eines sehr weiten Spektrums) dieser gegenüber plädiere, und b)einen gewissen Respekt vor dem geistigen Eigentum der Schöpfer erwarte (und meine Annäherung erfolgt zunächst auf diese zu, um das Ergebnis, seine Aussage etc.etc. besser zu verstehen, ich verzichte daher nicht a priori auf den Faktor des Gesamtkunstwerks - wem die Kirche egal ist, der tut das bewußt schon).


    Unter diesen Aspekten sagst Du, daß es sich bei der "Tosca" um "tote Kunst" handelt, die uns heute nichts mehr zu sagen hat. Denn hätte sie uns heute etwas zu sagen, wäre sie aus heutiger Sicht interpretierbar.
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,


    Da irrst Du Dich gründlich, wenn Du glaubst, daß Geschichte tot ist. Geschichte ist nach Huizinga (ich habe die genaue Formulierung jetzt leider nicht im Kopf) Aneignung der Vergangenheit. Tot ist nur etwas, zu dem ich keine lebendige Beziehung mehr habe.
    Hier geht es um die Regeln des Umgangs mit Vergangenheit. Da gibt es eben verschiedene.


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,
    Geschichte ist nicht tot, sondern insoferne interpretierbar, als man die Gegenwart in geschichtlichen Ereignissen gespiegelt sehen bzw. aus der Geschichte für die Gegenwart lernen kann.
    Unter diesem Aspekt beseitzt ein "historisches" Kunstwerk seine Relevanz für die Gegenwart, es wird aus heutiger Sicht interpretiert. Wenn ihm diese Ebene der Interpretierbarkeit genommen wird, verliert es auch seine Relevanz und verringert sich auf ein unveränderliches, quasi museales Ausstellungsobjekt, das zweifellos noch immer seinen Wert hat, aber nicht mehr als lebendige Kunst angesehen werden kann.
    :hello:

    ...

  • Hallo Waldi,


    Dass ich Deine Auffassung nicht teile, ist klar. Wenn Du Deine Position als Deine Meinung vorstellst, habe ich da auch kein Problem mit. Eine Allgemeingültigkeit allerdings kann es nicht geben.


    Es gibt keine "Gebrauchsanweisung" dafür, wie ein Werk wie die "Tosca" inszeniert werden muss. Und, klar: das, was für Dich eine Respektlosigkeit ist, muss das für mich noch lange nicht sein.


    Zitat

    Auf der einen Seite die Forderung nach absoluter Freiheit, auf der anderen Seite die totale Vereinnahmung des Werks.


    Der Satz ist einfach falsch: es geht nicht um eine "Vereinnahmung", soetwas beobachte ich eher bei den Leuten, die den Standpunkt vertreten, nur eine 1:1 Umsetzung des Librettos sei der richtige Weg, eine - in unserem Fall - Oper szenisch aufzuführen.


    Zitat

    Hier bleibt für mich ein unauflöslicher Widerspruch, der mir aber irgendwie bezeichnend vorkommt.


    Der Widerspruch mag für Dich unauflöslich erscheinen, für mich besteht er gar nicht.

  • Hallo zusammen,
    entschuldigt bitte, daß ich mich mit meinem ganz uninformierten Beitrag von der Seite kommend einmische.
    Ich muß Alviano und Edwin einfach von ganzem Herzen zustimmen. Und, Walter, Du hast ja mit Deinem Rekurs auf Huizinga geradezu eine Steilvorlage gegeben: »Aneignung von Vergangenheit« - nichts anderes tut ein Regisseur (oder auch ein Musiker) wenn er das Skript eines Dramas (oder einer Sonate or what ever) interpretierend vergegenwärtigt. Ich kann da keine Respektlosigkeit entdecken - im Gegenteil: es ist doch gerazu eine Insignie gezollten Respektes, wenn ein Re-Produzierender Künstler einem Werk der Vergangenheit potentielle Gegenwärtigkeit zuschreibt.


    Noch eine kurze (und sehr subjektive) Randbemerkung zum Verhältnis Text-Bühnengeschehen: Ich finde es keineswegs absurd, wenn die Bühnenhandlung vordergründig nicht mit dem Text korrepondiert - Handlung und Text werden - wenn ein Regiekonzept stringet durchdacht und die Inszenierung gelungen ist - in das Verhältnis einer wechselseitigen Kommentierung gestellt, was IMO einen wundervollen Mehrwert an Konnotationen eröffenen kann.


    Ganz herzlich,
    Medard

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  • Lieber Medard,


    Du hast überlesen, daß ich schrieb: Es gibt verschiedene Regeln, mit der Vergangenheit umzugehen. Was ich wollte, war nur, daß man die Neu-/Umschöpfung als solche auch deklariert, wenn man sich zu weit vom Original wegbewegt. Ich beschränke niemanden aus Prinzip, uneinig sind Alviano und ich über das Etikett, das dem Ergebnis anhaftet. Und wir zwei, Du und ich, interpretieren Respekt auch verschieden. Aber jetzt dreht sich die Diskussion im Kreis, und man müßte jetzt schon im Forum verschiedentlich vorgebrachte Argumente wiederholen.
    Statt dessen schüttle ich alle dargebotenen Diskussionshände, denn ich muß wieder einmal ins Ausland abzischen.


    LG


    Waldi

  • Hallo Waldi,

    Zitat

    Was ich wollte, war nur, daß man die Neu-/Umschöpfung als solche auch deklariert, wenn man sich zu weit vom Original wegbewegt.


    Da hast Du mich völlig auf Deiner Seite: Wenn man in den Text wesentlich eingreift und/oder die Musik abändert, dann soll es ausgewiesen werden als "Fassung von...". Solange es sich allerdings um die Regie handelt, also um einen Beitrag, der mit dem Werk nicht fest verbunden ist, und von dem man nachgerade erwartet, daß er das Werk interpretiert, genügt es wohl, den Regisseur (und Bühnenbildner etc) als solche auszuweisen.
    :hello:

    ...


  • Hallo Sascha,
    mein Bärenfell-Siegmund trägt ja nicht umsonst den Ironie-Smily ;) , denn wie ich schon sagte: Was du über die "Walküre" schreibst, klingt für mich 100% plausibel.
    Und natürlich klebe ich nicht sklavisch am Text, was die Örtlichkeiten betrifft, aber bei der "Tosca" hat die Kirche für mich eine zusätzliche dramaturgische Funktion, die ich weiter oben schon erläutert habe, nämlich, den besonders perfiden Charakter Scarpias noch zu unterstreichen. Und - sorry - ich fände es auch wirklich zum Lachen, wenn die munteren Chorknaben auf einer z.B. Straße rumtoben und Scarpia sie maßregelt, weil man sich in einer Kirche so nicht benimmt. Wobei der Abstraktion keine Grenzen gesetzt sind, es genügt ein einziges Symbol (z.B. die Madonnenstatue mit dem Weihwasserkessel), um den Sakralraum zu definieren, oder schlicht und einfach zwei sich kreuzende Lichtbalken. Du kennst ja meine Liebe zu völlig leeren Bühnen! ;)
    lg Severina :hello:

  • Hallo Musika,


    ich möchte hier auf einige Deiner Anmerkungen im "Land"-Thread eingehen.


    Zitat

    Ich weiß, dass ich mich hiermit unbeliebt mache, doch ich bin sicherlich nicht die Einzige, die bei solchen Inszenierungen den Kopf schüttelt und ich nehme deshalb gerne inkauf hier niedergemacht zu werden


    „niedergemacht“ wirst Du hier sicherlich nicht, nur weil Du Deine Meinung vertrittst. Wie man aufeinander reagiert, unabhängig von unterschiedlichen Positionen, hängt doch auch viel mit dem berühmten Wald zusammen, aus dem es so herausschallt, wie man hineinruft.


    Zitat

    Ich verstehe das nicht, all diese modernen Inszenierungen, die nur von wenigen akzeptiert werden, warum macht man das?


    Das muss wohl doch immer wieder Erwähnung finden: es ist nicht so, dass nur eine Minderheit der Theaterbesucher zeitgemässen Inszenierungen zumindest offen gegenübersteht. Bernd hat gerade noch mal darauf hingewiesen, dass das Spektrum der heute tätigen Regisseur/innen (die überregional einen Namen haben), was ihre inszenatorischen Lösungen angeht, sehr breit ist, sodass demjenigen, der Bieito nicht mag vielleicht Nigel Lowery gut gefällt.


    Zitat

    Wie reagieren die Zuhörer vor Ort wenn sie es live miterleben?


    Nun, das „Land des Lächelns“ kam in Berlin beim Publikum sehr gut an und die Zuschauer sparten auch nicht am Applaus. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Aufführung ein Publikumserfolg wird.


    Thomas schrieb:

    Zitat

    Merkwürdig, daß hier darüber gerichtet wird, obwohl die Vorstellung erklärtermaßen weder in der Oper, noch vor dem Bildschirm verfolgt wurde. Sprechen über Aufführungen, die man nicht gesehen hat ist halt doch wie Turmspringen in ein Becken ohne Wasser


    und Musika antwortete:

    Zitat

    als Bühnenmensch reicht es mir vollkommen wenn jemand berichtet und schildert, wie es war


    Über eine Aufführung zu urteilen, die man nicht gesehen hat, das geht gar nicht. Selbstverständlich kann man aufgrund von Berichten in etwa abschätzen, ob einem die Aufführung gefallen könnte, aber mehr auch nicht.


    Jetzt inszeniert Peter Konwitschny in Berlin einmal ein „Land des Lächelns“ jenseits von ausgetretenen Pfaden. Aufgrund bestimmter Reaktionen hier im Forum könnte man den Eindruck gewinnen, es sei gleich das ganze Genre der Operette hingemeuchelt worden.


    So schreibt Don B. aus B. z. B.:


    "Mir ist ein Rätsel, warum man altbewährte und gut gelaufene Stücke immer modern deuten MUSS. Denn es gibt keine Alternative mehr als dass man sich Regietheater, egal ob gut gemacht oder einfach nur Schrott, ansehen MUSS."


    Wie bitte? „Immer modern deuten muss“? Konwitschny auch in Lüneburg und Bremerhaven? Keine Alternative zu Konwitschny in Coburg oder Koblenz? Ja, sogar so schlimm, dass man es sich ansehen „muss“? Wer hat Don B. gezwungen? War die Fernbedienung kaputt? Der Ausschaltknopf defekt?


    Besonders bitter: schwelgerische Operettenzeiten sind endgültig vorbei – und das alles, weil Peter Konwitschny in Berlin Operette inszeniert hat?


    Liebe Musika, solche Äusserungen sind es, die mithelfen den Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse zu verstellen. Ich bin sicher, dass auch Deine Schülerinnen und Schüler an den kleinen und mittleren Häusern in ganz konventionellen Inszenierungen von Operetten eingesetzt werden.


    Und ein Zitat von Dir möchte ich gerne mitunterschreiben: Der eine mag es modern, der andere die "altmodische" Variante....


    In diesem Sinne...

  • Hallo Alviano,


    danke für deinen Beitrag und die Erklärungen, doch sie überzeugen mich nicht. Auch wenn ich es nicht live gesehen habe so reicht es mir, den ausführlichen Schilderungen der Foristen genüge zu tragen.


    Verzeih....doch komme ich selber mit diesen modernen Inszenierungen nicht klar.
    Das Ende der "normalen verstaubten" Operette zeigt die Großmütigkeit und Größe des Prinzen, indem er Lisa die Freiheit gibt und traurig zurück bleibt. "Immer nur lächeln" passt doch besser, als Sieger zu sein indem er Lisa tötet.


    Da passt dann sicherlich besser ein Lied des Sieges im Gesicht des Prinzen, doch wo bleibt das "immer nur lächeln und immer vergnügt....doch wie's dadrinnen aussieht, geht niemand was an.


    LG


    PS eigentlich gehören diese Threads ja in "Land des Lächelns"......


  • Hallo Alviano!


    1. Du kannst mich ruhig nennen, diese ziemlich, entschuldige, dämliche Zitatsweise finde ich nicht gut. Es wirkt irgendwie, als wolltest du mich als Trottel hinstellen!


    2. Es hat mich niemand direkt gezwungen.
    Aber wenn man heutzutage ein Opernhaus besucht, ist fast klar, dass ich mir das Werk, dass gezeigt wird "modern gedeutet" oder wie sich das schimpft, ansehen muss. Konservative Inszenierungen gibt es wenig, und wenn ja sind sie uralt und oft nicht mehr schlüssig.
    Eine Neuinszenierung nach den originalen Librettoanweisungen und zeitgenössischen Bühnenbild, aber mit eigenen Ideen wäre wünschenswert, aber so etwas wird es, aufgrund des mir unverständlichen Modernisierungswahns, nicht mehr geben.
    DAS ist für mich persönlich das Ende der Oper/Operette und macht dieses Genre für mich total uninteressant.


    Diese Neudeutungen, Versetzungen uä entziehen sich für mich jeglicher Logik, denn es sind Vorgaben da, an die sich ein Regisseur halten sollte, wenn er das Werk nicht total aus dem Kontext reissen will und damit in meinen Augen der Lächerlichkeit preisgibt.


    Es ist leider so, dass man als Anhänger des "konservativen" Stils, kaum Alternativen zu neuen Inszenierungen hat.
    Die einzige Alternative ist zu Hause zu bleiben oder den Fernseher auszuschalten.


    Einen Opernbesuch, der einen möglichst nahe an den Urzustand der Oper bringt, kann man sich heute in die Haare schmieren und das ist meines Erachtens nicht fair und auch nicht akzeptabel.



    Da ich angehender Historiker bin, ist es für mich von eminenter Bedeutung, dass Werk und dessen geschichtlichen Hintergrund auch auf der Bühne nachvollziehen zu können. Und das kann ich bei einer Anna Bolena in einem Hochhaus beim besten Willen nicht, da kann die Inszenierung noch so schlüssig sein.
    Das Werk ist mit so einem "Deutungsversuch" sinnentstellt und total hirnlos inszeniert.
    Die Meister von damals hatten auch ihre Gedanken und wussten schon, warum etwas so aussehen sollte, wie es im Libretto geschrieben steht.


    Diese Gedanken sollten zumindest beachtet werden, denn bei manchen Inszenierungen habe ich den Eindruck es ist den Regisseuren einfach egal. Es MUSS modern, es MUSS anders sein, um jeden Preis. Egal, wie sinnentfremdet und entstellt das Werk dann ist.


    Hauptsache man hat seine ach so genialen Ideen auf die Bühne gebracht und vielen potentiellen Zuschauern, die Opern vielleicht einmal im Original (sprich Konservativ) kennenlernen wollen und einmal in die faszinierende Zauberwelt Oper eintauchen wollen, den Appetit gründlich verdorben.


    Und das passiert leider oft, selbst schon ein paar Mal miterlebt. (Don Carlos frz. WSO hat einige meiner Schulkollegen, die an dem Don Carlos und an Opern im Allgemeinen interessiert waren, gründlich den Appetit verdorben)


    Ich möchte auf keinen Fall das Regietheater verbannen, es gibt ja auch Lichtblicke (Regimentstochter WSO), aber die absolute Vernichtung des Konservativen Inszenierungsstils (oder Oper Original) ist für mich der Untergang des Genre Opers!


    Ein nebeneinander wäre wünschenswert, aber die Regietheater-Anhänger wollen anscheinend die "konservativen" Inszenierungen verbannen.


    Zitat

    Und ein Zitat von Dir möchte ich gerne mitunterschreiben: Der eine mag es modern, der andere die "altmodische" Variante....


    Unterschreib ich auch, doch wird den "Altmodischen" immer mehr Platz genommen. Es ist wie mit dem Regenwald.
    Zuerst wird er abgeholzt und wenn er weg ist, weinen wir ihm nach!


    Joschi

  • Bevor wir im LdL-Thread gleich weiterdebattieren, noch kurz eine geeignete Anmerkung an all diejenigen gerichtet, die unbedingt ihre "alten" Inszenierungen haben möchten.


    Jede Inszenierung ist eine Auseinadersetzung mit dem Stück. Jede. Auch die, die als konservativ bezeichnet wird. Merkwürdigerweise schaffen es die "Staubis" ja nicht, zu erklären, was denn aus ihrer Sicht eine gute Inszenierung wäre.


    Verstehe ich z.B. Musika recht, daß die Konwitschny-Inszenierung eigentlich ganz in Ordnung wäre, wenn denn Lisa und Gustl nicht gemeuchelt würden (meinem einzigen wesentlichen Kritikpunkt an der Inszenierung)? Unterhalten wir uns über Bilder, unterhalten wir uns über Regie? Gibt es gar einen generellen "Staubi"-Konsens (was die "Regielis" nie haben werden)? Das wäre ja mal spannend zu erfahren.


    Jede Aufführung einer Oper oder einer Operette hält sie im Gespräch, Ungeohnte Bilder fördern die Auseinandersetzung mit dem Werk. Und: das Werk wir am Leben gehalten. Schon mal darüber nachgedacht, wie wenig von den ganzen Musik-Exoten, die hier stets gepostet werden, huete überhaupt bühnenpräsent sind? Gäbe es Naxos, Brilliant und Co nicht, wären diese Werke nicht mehr als Noten genannte Punkte auf Linien-Papier.


    Mag mag das nun mögen oder nicht: jeder Regisseur, der eine Werk auf die Bühne hebt, macht sich um dessen Überleben verdient. Anderen regionalen Kultugütern der Vergangenheit ist solch ein Glück wohl nicht beschieden.


    Denn, liebe Wiener, wie sieht's bei Euch mit Schrammel-Musik aus? Ich meine jetzt echte Schrammel-Kapellen, nicht diese Touri-Fiedler. Oder, liebe Bayern: das Jodeln. Das hatte mal Qualität. Aber wo ist heute eine Jodlerin wie die grandiose Minna Reverelli, bei der der Jodler kein artistischer Selbstzweck war, sondern artistische Lautmalerei in Ergänzung zum zuweilen frechen Text (die war übrigens gebürtige Wienerin, Jg. 1892 und hieß eigentlich Hermine Gnapp, eine Jüdin die 1941 in Wien einfach so verschwand)?


    Genau, eben, nicht mehr vorhanden. Weil eine bestimmte Kunstform nicht mehr gepflegt wird.


    Also, Kopf hoch: das "Land des Lächelns" in Berlin hatte musikalisch Stärken und Schwächen, die Inszenierung war auf weite Strecken sehr konform mit dem Librtetto, vor allem aber: man spricht über diese wundervoll Operette. Sie liegt in den Läden, die Menschen werden die CD's kaufen; merci Monsieur Konwitschny.


    Und über Stärken und Schwächen der Inszenierung verfügen wir uns wieder in den eigentlichen Thread. Und, liebe Musika, kommst Du mit, oder schmollst Du nun?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Jede Inszenierung ist eine Auseinadersetzung mit dem Stück. Jede. Auch die, die als konservativ bezeichnet wird. Merkwürdigerweise schaffen es die "Staubis" ja nicht, zu erklären, was denn aus ihrer Sicht eine gute Inszenierung wäre.


    Wie oft sollen wir das noch sagen?? :boese2:


    LG joschi

  • Zitat

    Original von DonBasilio


    Wie oft sollen wir das noch sagen?? :boese2:


    LG joschi


    Nicht oft. Einfach erstmalig präzise in Worte fassen. Ein angehender Akademiker sollte das wohl schaffen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Santoliquido
    vor allem aber: man spricht über diese wundervolle Operette.


    Dem möchte ich mich doch anschliessen, weil mir ganz ähnliches durch den Kopf gegangen ist. Am vergangenen Sonntag habe ich das allerserste Mal in meinem Leben einen Lehár und das "Land des Lächelns" auf der Bühne gesehen. Ich sage ganz ehrlich: die Musik von Lehár und ich, wir werden keine wirklichen Freunde werden - aber mir hat das ausserordentlich gut gefallen, unabhängig davon, ob diese Musik Eingang in meinen Bestand an Tonträgern finden wird (selbst die alte EMI-Aufnahme findet sich da nicht...). Aber: ich würde das wieder machen - weil mir die Gesamtwirkung (Musik, Inszenierung, Bühne) recht gut gefallen hat.


    Man soll das nicht so gering schätzen, wenn Versuche unternommen werden, auch Operette ernst zu nehmen und in einer zeitgemässen Produktion zu präsentieren.


    Gerade weil diese Inszenierung in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert wird - unterstützt von der Fernsehübertragung - bin ich sicher, dass noch mehr, ansonsten operettenferne Menschen, den Weg in die "Komische Oper" finden werden.

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